Miniaturen aus der Pfalz - Birgit Heid - E-Book

Miniaturen aus der Pfalz E-Book

Birgit Heid

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Beschreibung

Haibun (japanisch für possenhafte Schilderung) ist eine Mischform der japanischen Literatur. Es ist eine knappe, von subjektiven Eindrücken und Erlebnissen geprägte Skizze, an die sich ein pointiertes Haiku anschließt. Haiku ist das japanische dreizeilige Gedicht mit voneinander abweichenden Bildern. Die Haibun in dem vorliegenden Band entstanden in der Südpfälzer Heimat der Autorin. Sie beschreibt darin Land und Leute, Eindrücke und Erinnerungen.

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Haibun (jap. für possenhafte Schilderung) ist eine Mischform der japanischen Literatur. Es ist eine knappe, von subjektiven Eindrücken und Erlebnissen geprägte Skizze, an die sich ein pointiertes Haiku anschließt. Haiku ist das japanische Kurzgedicht mit zwei voneinander abweichenden Bildern.

Birgit Heid lebt in Landau/Pfalz und schreibt seit vielen Jahren Lyrik und Kurzprosa. Sie ist im Vorsitz des Literarischen Vereins der Pfalz e.V. sowie Mitglied der Deutschen Haiku Gesellschaft. Sie leitet eine Autorengruppe, organisiert Lesungen und steht in Haiku-Foren in regem Austausch. Ihre Haiku sind in Anthologien veröffentlicht. Die Haibun in dem vorliegenden Band entstanden in ihrer südpfälzischen Heimat.

Starker Regenguss. Stelle dich dem Regen entgegen, lass die eisernen Strahlen dich durchdringen, erwarte so aufrecht die plötzlich und endlos einströmende Sonne.

Franz Kafka

Inhaltsverzeichnis

Schneewanderer

Lätare

Freibad

Weinlese

SCHNEEWANDERER

MITTAGSLÄUTEN

Mit meinem Sohn im Kinderwagen unterwegs in Landau. Der weiße Himmel lässt den blau-gelben Stoff des Verdecks aufleuchten. Auf dem Heimweg zur Bushaltestelle nähern wir uns dem Max-Slevogt-Gymnasium, im selben Moment beginnt die Glocke auf dem Schuldach zwölf mal zu läuten. Es wird höchste Zeit, nach Hause zu kommen, denke ich, denn mein Kleiner muss bald sein Mittagessen einnehmen und sollte nicht schon vor der Mahlzeit einschlafen. Mein Sohn ruft freudig "Bimbam!" Auf einen Schlag wird mir die unterschiedliche Betrachtungsweise des Glockenklangs bewusst.

Brezel kaufen

zwei Käfer kreuzen

seinen Weg

WÄHRUNG

Am Neujahrsmittag im Wald über Ramberg. Auf dem schneebedeckten Waldweg schieben wir die Kinderwagen hoch zur Ramburgschenke. Schwitzend legen wir in der Stube die Jacken und Mützen ab. Auf dem Stammtisch thront eine rote Kasse, an der wir unsere bis gestern gültigen DM in die neuen Euro wechseln müssen, bevor wir die Bestellung aufgeben können. Wir nehmen die neue Währung wie Geschenke entgegen. Der ganze Raum ist von Unterhaltungen über die unbekannten Darstellungen erfüllt. Zu den Hüttenwirten entsteht eine prägende Verbindung.

Ein Becher Glühwein

das Geld sonnt sich

in Griechenland

ANHÖRUNG

Seit den Konflikten um den vierspurigen Ausbau der B 10, die von Pirmasens nach Landau führt, bin ich Mitglied der Bürgerinitiative gegen die Erweiterung, weil ich sie als einen unakzeptablen und nicht erforderlichen Eingriff in die Landschaft empfinde. Im Rahmen der juristischen Auseinandersetzungen reiche auch ich meine Einwendungen ein. Bei einer Anhörung in der Jugendstilfesthalle können die Einsprüche persönlich formuliert werden. Ich gehe ans Mikrofon. Vor meinen Augen flirren schmalbrüstige Weinhügel unter Lärm und Abgaswolken.

Burgruine

nach Annweiler auf der

Sommerrodelbahn

GEMEINDEREFERENTIN

Unsere Gemeindereferentin ist eine engagierte hübsche Frau mit braunen Locken und stets modischer Kleidung. Mit dem älteren Pater bildet sie dank ihrer kreativen Ideen ein funktionierendes Arbeitsteam. Seit jedoch der neue Pfarrer sein Amt innehat häufen sich die Konflikte über ihre Zuständigkeiten, und sie kündigt nach ein paar Monaten. Bei der Abschiedsmesse im Winter reflektiert sie mit Zittern in der Stimme über die zu Ende gehenden Jahre. Sie trägt ein weißes Messgewand und rote Sandalen.

Das Kruzifix bleibt

in der halbdunklen Nische

fürchtet sich das Kind

MEISTERSEL

Wir besuchen die Ruine Meistersel bei dem Pass "Drei Buchen", eine fast tausend Jahre alte Burganlage, die früher eine Reichsburg war. Wir durchqueren ein altes, umwuchertes Tor und sind am Fuße der Ruine angekommen. Über abgewetzte Treppenstufen steigen wir auf eine Plattform, die auf einer Seite von dem Mauerrest des Palas begrenzt ist. Eine Fensteröffnung in der Mauer ist in vier gotische Spitzbögen unterteilt. Eine niedrige Sicherheitsabsperrung stellt kein wirkliches Hindernis dar, wir klettern durch eine Öffnung in das finstere Kellergewölbe. Zwei Fensterschlitze erlauben uns einen Blick ins Unterholz.

Hochsitz

ein scharfer Schneeball

trifft den Bruder

SCHLITTENFAHRT

Seit Tagen liegt für unsere Verhältnisse viel Schnee auf der Gasse, und wir beschließen, mit den Schlitten einen Familienausflug auf die Ramburg zu unternehmen. Nach der Stärkung mit Erbsensuppe in der Ramburgschenke ziehen wir zum Fuß der Burg hinauf. Auf dem steilen Weg rodeln schon ein paar Kinder den Hang zur Hütte hinunter und wir reihen uns ein. Es geht flott vorwärts auf unserem Rennschlitten mit den glatten Edelstahlkufen, vor allem zu zweit. Auf halber Strecke wird es brenzlig, denn es geht scharf links um die Kurve. Ein paarmal fallen wir vom Schlitten, Schnee und Zweige kratzen im Gesicht.

Wintersonne

im Slalom mit dem

Kinderwagen

KIRCHENLESUNG

Ich beginne eine klassische Gesangsausbildung bei einer jungen Sängerin und Gesangslehrerin, die in meinem Dorf wohnt. Weil ich nach ein paar Wochen Unterricht noch nicht vor Publikum singen kann, darf ich auf ihrem Weihnachtskonzert ein Märchen vorlesen. Es handelt von Kamelen, Schafen und Hirten, von Felsen, dornigen Büschen, einer Schlange, von Verfolgung, Versteck und der Rettung durch Flucht. Ich bin sehr aufgeregt hinter dem Mikrofon, doch die Erzählung folgt genau dem Text auf meinem Papier.

Die Nachbarin

ihr Sopran reißt das Schiff

vom Tau

BERGE

Nachdem wir aus dem schneefreien und daher leicht konfkliktbeladenen Schwarzwaldurlaub zurückgekommen sind, bleibt mir zu Hause vor allem die Arbeit des Wäschewaschens und des Aufräumens, aber ich möchte auch mit Worten und Gesten die Launen meiner Mitbewohner glätten. Dabei mache ich die Erfahrung, dass das Ordnen eine kreative, beschauliche, selbstreinigende und sogar sinnliche Note besitzt.

Stille Nacht...

auch der Goldfisch

trägt ein Geweih

NEUZUGANG

Wir fahren in das renommierte Klinikum, das die Ärztin uns empfohlen hatte. Dank unserer Navigation finden wir unser Ziel auf Anhieb, selbst ein Parkplatz in der Nähe ist gerade frei geworden. Die beiden Taschen nehmen wir über die Schulter. Ein Foto für die Freunde, Warten vor der Anmeldung, mit den Papieren zur Station. Im Gang vor der Türe essen wir unsere mitgebrachten Wurstbrötchen. Eine junge Frau bittet uns herein. Die Gespräche verlaufen entspannt, wir besichtigen die Räumlichkeiten, und erste Kontakte zu den Mitpatienten werden geknüpft. Wir verlassen die Abteilung.

Weißer Salbei

die Frau im Ringelpullover

sucht ihren Schlüssel

GROSSER WAGEN

Mein Bett steht direkt unter dem Dachfenster. Im Winter bleibt nachts der Rolladen geöffnet, sodass ich direkt in den Himmel sehe, wenn ich mich zur Ruhe begebe. In seiner unvergänglichen Erscheinung steht der Große Wagen über mir. In der Betrachtung seiner unsichtbaren Kanten schwingen die Worte meines Vaters mit, der mir früher einige Sternbilder erklärte. Ich stelle mir vor, dass der Große Wagen mich eines Tages mitnehmen wird.

Andromedanebel

der Kutscher bremst

den Zweispänner

ZU BESUCH

Bei einer Bekannten zu Besuch plaudern wir über die nationalen und regionalen politischen Ereignisse und diskutieren über die Pegida-Bewegung. Ich bin der Meinung, dass Vorurteile eine Folge mangelnder Erfahrung und Empathie sind. Allerdings erinnere ich mich auch an bedrohliche Begegnungen. Meine Bekannte erzählt mir von ihren erfreulichen Erlebnissen mit Immigranten. Ich denke nun an die heimatlos gewordenen Einwanderer und an ihre zurück gelassenen Kinder, die ihre Eltern nur sehen, wenn diese zu Besuch kommen.

Eine Tasse Tee

das Aroma von Desinfektion

im Flur