Minimalistisch leben - Marion Tschmelak - E-Book

Minimalistisch leben E-Book

Marion Tschmelak

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Beschreibung

Minimalistisch leben einmal anders. Die Autorin nimmt der minimalistischen Lebensweise die Strenge, indem sie dem Funktionalen das Ästhetische hinzufügt und unterschiedliche Kategorien zur Einordnung vorstellt. Denn eines ist Minimalistisch leben nicht: Ein streng geregeltes, kühl angelegtes Dogma mit einer vorgegebenen Anzahl an Gegenständlichem. Es gibt nicht den einen Minimalismus. Minimal und Maximal können ineinanderwirken und nebeneinander bestehen. Darauf will die Autorin hinweisen und dazu motivieren, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen und Änderungen zuzulassen, damit Konservierung aufgehoben wird. Mit ihrem Buch möchte die Autorin auch denen eine minimalistische Lebensweise eröffnen, die es bisher als Nischendenken verstanden und es einigen Wenigen aus einer jungen Generation überlassen haben. Eine minimalistische Lebensweise will gefunden, nicht nachgeahmt werden.

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Für meinen Sohn Kevin.

Danke, dass Du mich mit in die Zukunft nimmst.

Marion Tschmelak, geboren 1960, ist freiberuflich als Taijiquan und Qigong-Lehrerin tätig.

Die Autorin hat großes Interesse an allen Themen, die mit Bewusstseinserweiterung und systemischem Denken zu tun haben. Schwerpunkt in ihren Büchern ist die Verbindung und das Wechselspiel der polaren Kräfte des Femininen und Maskulinen. Aber auch auf soziale Missstände aufmerksam zu machen, ist ihr ein wichtiges Anliegen.

Außerdem erschienen sind:

„Shangri La – Schöne andere Welt“

„Die geistigen Schwertkrieger“

„Symbolum und Archetypus – Seelenmärchen“

„Hinter der Mauer“

„Yijing – Die Entdeckung des Ursprünglichen“

„Bedingungsloses Grundeinkommen – Bürgergeld.

Ein fiktives Interview aus dem Jahre 2093“

Die meisten Leute besitzen gern etwas. Land, Kleider, andere Menschen. Weil sie sich dann sicher fühlen. Aber das kann man alles wieder verlieren. Und am Ende gehört einem einzig und allein die eigene Geschichte. Sieh einfach zu, dass deine gut wird.

Australia: der Film

Inhalt

Einleitung

Bestandsaufnahme

Hedonistischer Lebensstil

Maximaler Lebensstil

Erhöhter Lebensstil

Reduzierter Lebensstil

Minimaler Lebensstil

Asketischer Lebensstil

Ein differenzierter Blick

Individualität und Gemeinwohl

Gegenständliches

Gesellschaftsstruktur

Armut und minimalistisch leben

Die Sinnfrage

Materie und leerer Raum

Polarität

Ästhetik

Wohnstile

Wabi Sabi

Skandi

Japanese

Japandi

Mit minimalistisch leben beginnen - Jetzt

Am Anfang ist die Idee

Decluttering

Ebbe und Flut

Bekleidung

Geschirr

Bücher und co

Büromaterial

Dekoration

Hobbys

Erinnerungsstücke

Feinschliff

Ins rechte Verhältnis setzen

Ordnung und Reinigung ist nicht dasselbe.

Es bleibt nicht wie gedacht.

Fragen für eine bewusste Kaufentscheidung:

Vom Materiellen zum Immateriellen

Unterlagen

Fotos

Tagebücher

Digitales

Das Wesentliche

Beziehungen

Berücksichtigen Sie Ihre Persönlichkeit.

Vereinbaren Sie mit sich selbst einen Termin.

Legen Sie ein Sabbatical fest.

Berücksichtigen Sie jahreszeitliche Unterschiede.

Machen Sie auf die Kehrseite aufmerksam.

Minimieren Sie Ihre To-Do-Liste.

Gewohnheiten

Das Waage-Prinzip

Nehmen Sie die Rolle des Beobachters ein.

Installieren Sie eine Über-Ich-Figur, die es gut mit Ihnen meint.

Führen Sie sich Ihr Ich-Ideal vor Augen

Kümmern Sie sich um Ihre Gedanken und Emotionen

Die Visualisationstechnik

Das Saturnprinzip lieben lernen

Minimalistisch leben und Familie

Kinder haben ihre eigene Ordnung

Kinder haben Talente

Werte vorleben

Die Magie der Gegenstände

Vielfältige Lebensentwürfe mit Augenmaß

Einleitung

Es gibt so viele Bücher über Minimalismus.

Warum noch eines schreiben?

Der Anfang zu diesem Buch wurde von mir früher gesetzt als die ersten geschriebenen Worte. Ein definierter Punkt in einem fließenden Etwas. Fremd war mir dieses Thema auch in früheren Lebensphasen nicht, wenngleich es lange nicht den inzwischen etablierten Namen Minimalismus trug. Auffallend anders war diese Lebenseinstellung jedoch damals schon. So zumindest mein Eindruck. Geändert hat sich aber die heutige Herangehensweise, die viel systematischer geworden ist und die gesellschaftliche Zuordnung eines Mangelzustandes nicht mehr unbeantwortet zulässt.

Ich kenne aus eigener Erfahrung den Drang, sich rechtfertigen zu müssen, den Zweifel an der Richtigkeit und fragwürdige Versuche, sich an normative Lebensweisen anzupassen. Heute freue ich mich über die zunehmende öffentliche Akzeptanz eines minimalistischen Lebensstils. Ich rede in meinem Fall jedoch nicht von Extrem-Minimalismus.

Während ich schreibe, überprüfe und setze ich die von mir genannten Aspekte eines minimalistischen Lebensstils in die Praxis um. Denn ich bin im Laufe der Zeit an der ein oder anderen Stelle davon abgewichen. Einmal mehr muss ich feststellen, dass eine minimalistische Lebensweise meine Interessen und das, was ich für mich als wesentlich definiert habe, unterstützt.

Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, mit meinem Buch über eine reine Anleitung zum Minimieren hinauszugehen. Mir sind die Theorie und die Philosophie, die hinter einem minimalistischen Lebensstil stehen, mindestens ebenso wichtig wie die Praxis. Sie reduzieren zusätzlich die Gefahr, Entsorgtes innerhalb kurzer Zeit durch Neues zu ersetzen. Der Minimalismusgedanke ist weit mehr als ein Trend. Er ist weit mehr als das Streben nach Reduzierung des eigenen Interieurs, auch wenn es damit beginnt. Ist die Idee des Minimierens erst einmal fest im Denken verankert, wird sich meines Erachtens das Minimieren von selbst ergeben. Tipps zur praktischen Anwendung können dennoch hilfreich sein und ermutigen, am Ball zu bleiben. Darum werden sie auch in diesem Buch nicht fehlen.

Ich vertraue darauf, mit meinem Buchprojekt andere zu inspirieren, sich mit dem Thema minimalistisch leben auseinanderzusetzen, erste Versuche zu wagen, es weiterzuführen und zu bewahren, wenigstens es kennenzulernen.

Minimalistisch leben ist eine Blüte, die gerade erst aufgeht. Es ist mir ein Anliegen, mich an der Pflege der noch weitgehend unbekannten Pflanze zu beteiligen. Ich bin mir sicher, sie wird unserer Welt guttun.

Bestandsaufnahme

Minimalismus ist relativ. Ein dehnbarer Begriff, der seine eigene Ordnung sucht in einer vorgegebenen Anzahl der Gegenstände, die in den eigenen Besitz übergehen dürfen. Klingt einfach. Doch es kommen Fragen auf. Zählt jeder eigene Gegenstand, was genaugenommen so sein müsste, oder ist es erlaubt sie in Kategorien einzuteilen? Eine Bücherwand, bis zum Rand gefüllt mit Büchern, zählt als ein Ding? Es versteht sich, dass Minimalisten, die es ernst meinen, sich nicht auf diese Weise selbst täuschen würden. Sie würden die Bücherwand entrümpeln und die Strümpfe einzeln zählen. Grundsätzlich ist es begrüßenswert, Spielraum innerhalb eines aufgestellten Regelwerks zu haben. Es schützt davor, das Ganze zu dogmatisch anzugehen. Regeln können leichter als Richtlinien verstanden und an persönliche Gegebenheiten angepasst werden. Es widerstrebt mir allerdings, sich bei dem spannenden Thema minimalistisch leben zu sehr an Zahlen zu klammern. Fünfhundert Gegenstände in vier Wochen entsorgen, aus zwei Koffern leben, ein Gegenstand hinzu und dafür zwei weg – dies höre ich immer wieder.

Aber ohne begriffliche Einordnung geht es auch für mich nicht. Ich meine, es muss auch nicht nur eine geben. Menschen können lange angeregt diskutieren, ohne auf einen Nenner zu kommen, nur aufgrund der Tatsache, dass sie zuvor versäumt haben, sich über die Definition bestimmter Begriffe zu einigen. Darum möchte ich zuerst meine eigene Zuordnung vorstellen. Dazu teile ich ein Ganzes in zwei Bereiche auf und unterteile sie weiter in drei Untergruppen. Danach gehe ich auf die einzelnen Kategorien genauer ein, die mir als Typisierung dienen, und betrachte sie darauffolgend differenzierter in ihren Mischformen. Diese Herangehensweise bietet LeserInnen zugleich ein Konzept, eine eigene Bestandsaufnahme zu erstellen.

Hedonistischer Lebensstil

Die hedonistische Lebensweise gibt dem Streben nach unbegrenzter Befriedigung eigener Wünsche, Interessen und Ideen Vorrang und ordnet alles andere unter. Ihr liegt der Glaube zugrunde, durch hohen persönlichen Besitz größtmögliche persönliche Freiheit zu haben, sein Leben nach eigenem Ermessen gestalten zu können und wirkmächtig zu sein.

Menschen mit einem hedonistischen Lebensstil haben viel Zeit und viel Geld.

Die Liebe zum ausgefallenen Dasein zeigt sich nicht immer durch luxuriösen Glanz. Dieser Lebensstil kommt nicht selten architektonisch geradlinig und klar daher. Ausschweifend kann er aber in all seinen Facetten genannt werden, denn ein wesentliches Merkmal ist, sich von anderen abzuheben. Die Bedeutung des Individuums und dessen, was ihm Vergnügen und höchste Erfüllung bringt, wird betont. Wenn nicht extravertiert und lustbetont zur Schau gestellt, dann durch außergewöhnliche und groß angelegte Projekte, die zwar der Allgemeinheit dienlich sein können, aber unabdingbar mit dem Namen der Person verbunden sind.

Hedonistischer Lebensstil und Macht sind eng miteinander verknüpft. Und tatsächlich ermöglicht ein umfassendes Vermögen einem Individuum in einer kapitalistisch angelegten Gesellschaft eigenmächtiges Handeln. Ihm stehen weit größere Möglichkeiten zur Verfügung, sich zum Entscheidungsträger zu entwickeln. Mit seinen Möglichkeiten steigt jedoch auch seine Verantwortung, was ihn der Gefahr eines Machtmissbrauchs näherbringt.

Es stellt sich die Frage, wieviel Individuen mit hedonistischem Lebensstil unser Planet verträgt. Selbst wenn sie sich auf die Fahne geschrieben haben, etwas zu bewirken, zu erfinden oder zu bewerkstelligen, was für die Menschheit von Nutzen sein kann, sind sie durch ihr ausgeprägtes progressives und innovatives Verhalten starke Ressourcenverbraucher, einschließlich menschlicher Ressourcen.

Alle Idealisten träumen von einer Welt ohne Hedonisten. Auch ich kann mir so eine Welt durchaus vorstellen und habe mich in meinem Roman „Shangri La – Schöne neue Welt“ auf solch ein Gesellschaftsmodell eingelassen. Was nicht bedeutet, dass ich den großen Leistungen dieser Personen keine Wertschätzung entgegenbringe. Sie können wichtig für eine Gesellschaft sein. Ich denke aber, sie sind nur in einer kleinen Anzahl verträglich, und ihre Leistungen sollten immer auf die Wirkung für nächste Generationen genauestens überprüft werden, bevor sie viel Raum einnehmen.

Warum es keine Voraussetzung ist, einen hedonistischen Lebensstil zu pflegen, um machtvoll sein zu können, werde ich in einem anderen Kapitel mithilfe einer Grafik darstellen.

Maximaler Lebensstil

Warum unterscheide ich hedonistisch und maximal? Impliziert der Begriff des Maximalen nicht schon den Spielraum zur größtmöglichen Überfülle? Ich möchte damit dem extremen Ende des Pols der FÜLLE eine eigene Zuordnung geben. Das Maximale auf die Spitze getrieben und dadurch eine Sache für sich.

Personen mit einem maximalen Lebensstil ist der Wunsch nach Fülle eigen, nicht aber der starke Drang nach Größe wie bei einem Menschen mit hedonistischem Lebensstil. Dass die Verwirklichung des eigenen Individuums von größerer Bedeutung ist als das Gemeinwohl und die natürlichen Ressourcen, gilt für beide Stile. Individuen mit einer maximalen Art zu leben, fühlen sich durch Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht mit dem Ganzen verbunden.

Menschen dieses Lebensstils legen es nicht so sehr darauf an, aus der Masse herauszuragen, solange sie nur zu den oberen Zehntausend gehören. Sie sind der Überzeugung, dass materieller Wohlstand eine wichtige Voraussetzung für soziale Anerkennung und gute Bildungschancen ist, womit sie nicht unrecht haben in einer Gesellschaft, in der Kapital die Türen zu guten Schulen öffnet und hilfreiche Beziehungsstrukturen fördert. Darum finden sich unter ihnen überdurchschnittlich akademisch ausgebildete Menschen.

Maximaler Lebensstil ist vererbbar. Menschen mit einem maximalen Lebensstil haben bedingt Zeit und viel Geld.

Da Kapital, wenn schon vorhanden, die Eigenschaft hat, sich zu vermehren, schöpfen Menschen mit maximalem Lebensstil durchaus davon ab und geben es an Bedürftige weiter. Sie unterstützen soziale Hilfsprojekte und spenden von dem, was sie in Überfülle haben. Von vielen unbeabsichtigt können mit solch einem Verhalten soziale Unterschiede zementiert werden, da es ein Geben von oben nach unten ist, und auch nicht bei allen ist diese Handlung so selbstlos, wie sie es gerne annehmen. Zumindest bestätigen und vergewissern sie sich ihrer Position, allein durch die Tatsache, dass sie zur Fürsorge nach unten in der Lage sind. Die Bereitschaft ist nicht immer vorhanden, diejenigen Entscheidungsträger zu unterstützen, die dafür einstehen, Gesellschaftsstrukturen, die zu gravierenden sozialen Unterschieden führen, zu verändern.

Der Trickle-down-Effekt, der die Prämisse hat, Wohlstand nach unten sickern zu lassen, tröstet darüber nicht wirklich hinweg.

Erhöhter Lebensstil

Dieser Lebensstil wird gerne als Mittelschicht bezeichnet. Die Mittelschicht ist Arbeitsträger und Motor einer Gesellschaft. Die Übergänge zu nachbarschaftlichen Lebensstilen sind zwar fließend, aber so nahe am Umkehrpunkt von FÜLLE zu LEERE, orientieren sich Menschen mit einem erhöhten Lebensstil lieber nach oben und behalten das Unten im Auge. Abstiegsängste sind offen oder unterschwellig vorhanden, was nicht verwunderlich ist. Verdienen sie sich doch, abgesehen von ererbter Starthilfe, ihren Besitz durch Lebenszeit, die sie in Kapital umwandeln.

Menschen mit einem erhöhten Lebensstil haben kaum Zeit, aber Geld.

Sie müssen Leistungsfähigkeit sein und bleiben, was den Zulauf an Wellnessangeboten und den Bedarf an gesundheitsfördernden Produkten gut begründet. Da sie ihren höheren Lebensstandard durch Verzicht ihrer zur freien Verfügung stehenden Zeit erarbeiten, bekommt ihre Urlaubszeit ebenfalls einen erhöhten Wert. Urlaubsreisen als Ausgleich zum arbeitsreichen und mehr oder weniger fremdbestimmten Alltag soll ihre Dienstleistung für andere für kurze Zeit aufheben und aufgeschobenen Genuss- und Erlebnishunger stillen. Sie verhindern aber auch ein Innehalten, um herauszufinden, was ihrem Wesen entspricht und wo sie sich entfremdet haben. Wieviel meiner produktiven Arbeitskraft bin ich bereit für meinen Lebensunterhalt einzusetzen? Fühle ich mich erst nach Feierabend wieder lebendig? Wird meine Tätigkeit wertgeschätzt? Das sind keine unwichtigen Fragen.

Konsumieren führt zu erleichternden Glücksmomenten und wird nicht selten als Kompensation für unliebsame berufliche Tätigkeiten herangezogen. Ein Eigenheim mit Garten dient ihnen als Oase der persönlichen Freiheit und Unabhängigkeit, was durchaus nachvollziehbar ist in einer umtriebigen Welt. Aber wieviel Erhöhung ist angemessen, auf einem Planeten, der an Überbevölkerung leidet? Ein erhöhter Lebensstil mit Kleingartenkultur für alle kann nicht erstrebenswert sein. Die Welt würde in kleinste Partikel aufgeteilt und zerbrechlich werden. Darum sind vielfältige Lebensentwürfe bei gleicher gesellschaftlicher Wertigkeit von großer Relevanz.

Reduzierter Lebensstil

Mit dem reduzierten Lebensstil überschreiten wir die Grenze vom Bereich der FÜLLE zur LEERE.

„Manchmal mach ich mir Gedanken über mein Leben. Ich führe ein bescheidenes Leben. Also, naja, wertvoll, aber doch bescheiden. Und manchmal frage ich mich: Ist es so, weil es mir gefällt, oder weil ich nicht mutig gewesen bin?“

Diese Worte spricht Meg Ryan in der Rolle der Kathleen in dem Film „e-m@il für Dich“.

Ihre Worte machen deutlich, dass sich ein bescheidenes Leben dadurch definiert, dass es mit anderen in Beziehung gesetzt wird. Nur durch Vergleich und darauffolgende Wertung entsteht eine persönliche Zuordnung. Kathleen empfindet ihr Leben als wertvoll und sinnerfüllt und dennoch fragt sie sich, ob sie nicht mutig genug gewesen war, mehr daraus zu machen. Ihr kann eine Empfindung für Statusdenken und soziale Anerkennung zugeschrieben werden.

Menschen mit reduziertem Lebensstil haben in der Regel genug Zeit und wenig Geld.

Angenommen, eine Person wie Kathleen, die Inhaberin eines kleinen Buchladens ist, würde den Mut für ein anderes Leben aufbringen wollen? Was wäre der Preis dafür? Mit großer Wahrscheinlichkeit ein persönlicher. Freizeit für ausgewählte Aktivitäten, Authentizität, selbstbestimmtes Arbeiten, Sinnsuche, Pflege von persönlichen Beziehungen könnten unterwegs mehr oder weniger verloren gehen. Gerade selbständig Tätige haben sich oftmals bewusst entschieden, ihr Leben reduziert zu gestalten und fühlen sich dadurch persönlich bereichert.

Ein reduzierter Lebensstil ist nicht immer frei gewählt.

Manchmal entscheiden sich Menschen nicht aus eigenem Willen für ein reduziertes Leben zugunsten anderer Werte, die mehr ihren Vorstellungen entsprechen. Es wird ihnen vorgegeben. Und manchmal haben sie trotz Reduktion nicht einmal ausreichend freie Zeit zur Verfügung. Womöglich erfährt die berufliche Tätigkeit keine hohe soziale Anerkennung, wie zum Beispiel im Dienstleistungssektor, wo überwiegend Frauen tätig sind, was sich in der Bezahlung widerspiegelt. Dazu kommt ein hoher Mietpreis für angemieteten Wohnraum, der nicht selten die Hälfte des Einkommens verschlingt.

Was sich im erhöhten Lebensstil schon angedeutet hat, zeigt sich hier deutlich. Ob ich mit einem reduzierten Lebensstil glücklich und zufrieden bin, hängt maßgeblich davon ab, ob ich ihn bejahe oder mit ihm hadere, selbst wenn die Gründe dafür berechtigt sein können.

Es bedarf in einer besitzorientierten Gesellschaft einiges an Selbstvertrauen, für eine reduzierte Art zu leben öffentlich einzustehen. Sich an eigene Wertvorstellungen zu halten, kann sehr hilfreich sein.

Es bedarf in einer finanzorientierten Gesellschaft einiges an Kreativität, auch mit wenig finanziellen Mitteln eine gute Selbstversorgung zu gewährleisten. Prioritäten zu setzen ist dafür förderlich.

Minimaler Lebensstil

An dieser Stelle geht es mir um einen ersten Überblick über einen minimalen Lebensstil.

Selbst wenn ich den Begriff Minimalismus grundsätzlich bejahe und selbst verwende, ziehe ich minimalistisch leben vor.

Für mich ist es ein Unterschied, ob ich zum Beispiel sage „Ich bin Vegetarier“ oder „Ich lebe (zurzeit) vegetarisch“.

Ein Vegetarier berichtet seinem Gesprächspartner ganz nebenbei, dass er Vegetarier geworden ist. Sein Gegenüber antwortet mit unterschwelligem Stolz: „Das ist noch gar nichts. Ich bin Veganer.“

Wir müssen nicht immer dem allgemeingültigen Credo des sogenannten positiven Wettbewerbsgedankens unterliegen. Zu häufig haben sich -ismen in einengende Dogmen verwandelt und zur Ablehnung oder sogar Verneinung andersdenkender und anderslebender Individuen geführt. Die Ausgrenzung kann natürlich auch in umgekehrter Weise von Außenstehenden kommen. Die Aussage Ich bin Minimalist verpflichtet mich zu einem Konstrukt mit all seinen aufgestellten Regeln, während die Aussage Ich lebe minimalistisch eine flexible Handhabung mit einer gelegentlichen Unterbrechung ermöglicht, wenn es sich als sinnvoll herausstellt. Unterschiedliche Lebensphasen finden Berücksichtigung. Ich muss mich nicht für alle Zeit festlegen und kann fließenden Wandel zulassen. Darum werde ich, wo immer möglich, bei meiner bevorzugten Wortwahl bleiben. Sie grenzt weniger ab, erhöht und institutionalisiert weniger.

Minimaler Lebensstil lässt sich als minimaler Besitz bei gleichzeitiger Beibehaltung von Wohlstand definieren. Grundbedürfnisse werden gut erfüllt und eine gewisse Menge an persönlichen Wertgegenständen ist vorhanden.

Menschen dieses Lebensstils haben genug Zeit und genug Geld.

Besonders junge Menschen folgen einem minimalistischen Grundgedanken. Sie mögen zwar noch in einem Selbstfindungsprozess und in finanzieller Hinsicht in der Aufbauphase sein, aber sie leben in einem zuverlässigen Beziehungsgefüge, sind gut vernetzt und verfolgen eine berufliche Laufbahn. In der großen Fülle der materiellen Gegenstände, die mit Hilfe des Internet neu oder gebraucht angeboten werden, wäre es ihnen durchaus möglich, sich weiteren Besitz anzuschaffen.

In vielen Fällen kommen sie aus Familien mit erhöhtem oder maximalem Lebensstil. Diese Art zu leben ist also eher aus einem Gefühl von gesellschaftlichem Überfluss selbst gewählt. Ein freiwilliger Verzicht setzt in diesem Fall die Erfahrung von Haben voraus. Ihnen ist bewusst, dass sie das Streben nach materiellem Besitz etwas kosten würde, das ihnen zu wertvoll erscheint, um es dafür zu opfern: ihre freie Zeit und Ungebundenheit, ihre Energie und ihren Drang nach persönlicher Entfaltung und Erfahrung oder manchmal auch das Erreichen ihres selbstgesteckten Ziels von finanzieller Unabhängigkeit.

Die Vielfältigkeit innerhalb der sich entwickelnden Minimalismus-Bewegung hat einen gemeinsamen Nenner:

Weniger ist mehr.

Weniger von einem zugunsten von etwas anderem. Das ist der Grundkanon, dem sie folgen.

Meines Erachtens ist das Aufkeimen minimalistischer Lebensweise eine logische Konsequenz von Weltoffenheit, entstanden durch das Internet. Wir leben geistig nicht mehr in einem kleinen Städtchen mit mehr oder weniger vielen Geschäften, die uns eine Auswahl an Gegenständen anbieten, die durch Exotische aus unserem Urlaub ergänzt werden. Das Internet zeigt uns die übergroße Produktionsmenge an Gegenständlichem aus aller Welt auf. Die Auswahl ist so umfassend, dass unser Geist, bevor er sich überfordert fühlt, sich lieber die Frage stellt:

Brauche ich das alles?

Aus der Fülle der Angebote heraus sehnt sich unser Geist nach Einfachheit und Klarheit.

Wir haben uns auf den Weg gemacht in eine neue Zeit. Da reist es sich leichter mit wenig Ballast. Die neue Zeit ist geprägt vom Geistigen, Virtuellen. Wir Menschen verknüpfen uns über das Internet wie Synapsen im Gehirn. Das Internet ist das Forum, das die inzwischen sehr große Anzahl an Menschen auf diesem Planeten zu einem Kollektiv zusammenschließt. Dadurch tritt unvermeidlich die Gemeinschaft in den Vordergrund. Menschen mit einem minimalen Lebensstil haben ein Verständnis für ein Gemeinwohl entwickelt, das das Wohl unseres Planeten mit seinen endlichen Ressourcen miteinschließt.

Minimalistisch leben geht inzwischen weit über das Individuelle hinaus.

Asketischer Lebensstil

Die asketische Lebensweise geht noch einen Schritt weiter. Das Minimalistische auf die Spitze zu treiben, birgt die Gefahr, ins Extrem zu gleiten und damit das Pendant zum Hedonistischen zu bilden. Darum ist es so bedeutsam für Menschen mit minimalem Lebensstil, auf den Kipppunkt zu achten. Der asketische Lebensstil neigt zur Verneinung des Materiellen an sich und damit auch des Körperlichen. Er entsagt sich dem Formhaften, wo immer es geht, zugunsten eines höheren Ziels. Vorübergehende Askese, verbunden mit meditativen Methoden, stellt meines Erachtens ein sehr wirkungsvolles Mittel dar, sich in Einklang mit einer höheren Ordnung zu bringen. Ein langfristiger asketischer Lebensstil aber kann zu Mangel und fehlender Teilhabe führen. Nicht ohne Grund haben sich asketische Menschen zu einem klösterlichen Verbund zusammengeschlossen, und sie tun es noch heute. Es gilt zu bedenken, dass das Leben oftmals der beste Lehrmeister für persönliche Reifungsprozesse ist.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen mit asketischem Lebensstil nicht immer ehrlich zu sich selbst sind. Während einer Fortbildung durfte ich erleben, wie ein Asket die Nächte im Schlafsack in freier Natur verbringen wollte, statt sich ein Zimmer anzumieten. In der ersten Nacht ging alles gut. In der darauffolgenden regnete es heftig, was den Asketen dazu veranlasste, in ein Zimmer seines Bekannten zu schlüpfen und sich am darauffolgenden Tag über das Schnarchen des Zimmergenossen zu erheitern.

Ebenso habe ich beobachtet, dass asketisch lebende Mönche zwar über Loslösung von materieller Anhaftung sprechen, aber im gleichen Atemzug versuchen, finanzielle Ausgaben auf Kosten anderer, die manchmal selbst nicht viel haben, zu vermeiden. Sie bevorzugen in ihren Kontakten allzu gerne Spendungswillige, um ihrem Ziel eines eigenen Meditationshauses näherzukommen und fühlen sich durch ihr höheres Ziel dazu berechtigt.

Der asketische Lebensstil ist nicht immer frei gewählt und vererbbar.

Reduziert, minimal oder asketisch kann auch ohne höheres Ziel gelebt werden. Mittellosigkeit zwingt manchmal dazu. Viele Aspekte prägen ein Leben. Ein bestimmter Lebensstil steht immer auch in Korrelation zum eigenen Umfeld und zum Beziehungsgefüge, in dem jemand lebt.

Ein differenzierter Blick

Die von mir vorgestellten Lebensentwürfe dienen als erste Einteilung gesellschaftlichen Lebens. In ihnen ist das Gesellschaftsmodell Oberschicht-Mittelschicht-Unterschicht eingebettet, das sich in unserer heutigen Zeit immer weiter aufweicht, was sehr begrüßenswert ist. Latent ist es aber noch vorhanden und wirkt auf uns ein. In welchem Lebensstil wir uns gerade sehen oder welchen wir anstreben, sagt etwas über uns aus.

Begreifen wir die Lebensstile als materielle und immaterielle Bausteine, ermöglichen sie uns einen differenzierten Blick. Das ist sehr spannend. Vielleicht bemerken Sie bei genauerer Betrachtung, dass Sie in manchen Bereichen schon da sind, wo sie hinwollen oder wo sie nie hinwollten.

Unerwartet

Stellen Sie sich vor, Sie leben in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung. Ihre Einrichtung ist eine Mischung aus modernen Gegenständen und schweren antiken Möbelstücken, die Sie von ihrer lieben Tante geerbt haben. Sie lieben Bücher, und da Sie gerne gemütliche Abende mit Freunden gestalten, benötigen Sie ausreichend Geschirr. Außerdem malen Sie. Ihre vielen Leinwände zieren Ihre wenigen Wände und stehen inzwischen sogar auf dem Boden. Ein Fremder, der Ihre Wohnung betritt würde Sie bezüglich ihrer Räumlichkeiten als minimalistisch einstufen. Nicht aber bezüglich ihres Interieurs. Diesen Bereich leben Sie in Relation zu ihrer Wohnung maximal aus.