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Gemütlicher Krimi-Genuss für Fans von Miss Marple und "Mord ist ihr Hobby"
Miss Julia ist entzückt, als sie von der bevorstehenden Hochzeit von Binkie und Coleman erfährt. Damit dieser Tag für das junge Paar ein unvergessliches Ereignis wird, nimmt sie die Organisation selbst in die Hand. Wenn sie doch nur Hazel Marie und Mr. Pickens überzeugen könnte, auch vor den Altar zu treten statt weiter "in Sünde zu leben"! Als plötzlich ein Dieb das idyllische Abbotsville heimsucht, gibt es für Miss Julia noch mehr zu tun. Getreu ihrem Motto "Wenn du etwas ordentlich gemacht haben willst, mache es selbst" kümmert sich die resolute alte Dame nun um weit mehr als nur die Hochzeitsvorbereitungen ...
Weitere Wohlfühlkrimis der Miss-Julia-Reihe:
Band 1: Miss Julia und das unerwartete Erbe.
Band 2: Miss Julia und die seltsame Entführung.
Band 4: Miss Julia und die Reise ins Glück.
Dieser Cosy-Crime-Roman ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel "Ein Strauß voller Überraschungen" erschienen.
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.
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Über dieses Buch
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Titel
Impressum
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Miss Julia und das unerwartete Erbe
Miss Julia und die seltsame Entführung
Miss Julia und die Reise ins Glück
Gemütlicher Krimi-Genuss für Fans von Miss Marple und »Mord ist ihr Hobby«
Miss Julia ist entzückt, als sie von der bevorstehenden Hochzeit von Binkie und Coleman erfährt. Damit dieser Tag für das junge Paar ein unvergessliches Ereignis wird, nimmt sie die Organisation selbst in die Hand. Wenn sie doch nur Hazel Marie und Mr. Pickens überzeugen könnte, auch vor den Altar zu treten statt weiter »in Sünde zu leben«! Als plötzlich ein Dieb das idyllische Abbotsville heimsucht, gibt es für Miss Julia noch mehr zu tun. Getreu ihrem Motto »Wenn du etwas ordentlich gemacht haben willst, mache es selbst« kümmert sich die resolute alte Dame nun um weit mehr als nur die Hochzeitsvorbereitungen ...
eBooks von beTHRILLED – mörderisch gute Unterhaltung.
Ann B. Ross ist die Autorin von mittlerweile mehr als zwanzig Romanen über Miss Julia, »die Miss Marple der Südstaaten«. Als ihre drei Kinder erwachsen waren, nahm Ross ein Studium an der Universität von North Carolina auf, wo sie im Anschluss Literatur- und Geisteswissenschaften lehrte. Mit ihrem erfolgreichen ersten Roman über Miss Julia begann ihre Vollzeitkarriere als Autorin von lustigen Landhauskrimis. Zahlreiche Bücher von Ross standen bereits auf der erweiterten New-York-Times-Bestsellerliste und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Ob sie etwas Gutes geschrieben hat, erkennt die Autorin nach eigenen Angaben daran, dass sie »vor Lachen vom Stuhl fällt«.
Ann B. Ross lebt in Hendersonville, North Carolina. Website der Autorin: http://www.missjulia.com/.
Ann B. Ross
Miss Julia und ein Strauß voller Überraschungen
Aus dem amerikanischen Englisch von Sylvia Strasser
Digitale Erstausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2002 by Ann B. Ross
Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Miss Julia Throws a Wedding«
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2006/2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Titel der deutschsprachigen Erstausgabe: »Ein Strauß voller Überraschungen«
Covergestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung von Motiven © NadzeyaShanchuk/Shutterstock, © majivecka/Shutterstock, © Macrovector/Shutterstock, © irysha/Shutterstock
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 978-3-7325-8553-3
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
Dieses Buch ist für Chuck Colhoun, Michael Martin und Jennifer Ross – alle drei sind Wunder, welche die Ehe hervorgebracht hat.
Ich hätte nicht übel Lust, das Haus zu verkaufen. Dieser Gedanke durchzuckte mich, als ich am Fenster stand und das Chaos auf der anderen Straßenseite beobachtete. Ein roter Staubschleier hing in der Luft; der Wind hatte den Staub bereits zu mir herübergeweht, und jetzt bedeckte er den Vorgarten und die Veranda. Ein Schwertransporter mit einem Tieflader voller Backsteinpaletten war gerade eben mit kreischenden Bremsen vor der Baustelle zum Stillstand gekommen und blockierte die ganze Straße und meine Auffahrt. Die Bauarbeiter oben auf dem Gerüst fuchtelten mit Maurerkellen herum und brüllten dem Fahrer Anweisungen zu. Man konnte sie bestimmt bis zur Main Street hören.
Annähernd fünfzig Jahre am selben Ort waren genug. Vor allem dann, wenn einem, dank der hochfliegenden Ambitionen von Pastor Larry Ledbetter, ein dreistöckiger Backsteinklotz direkt vor die Nase gesetzt wurde. Hinzu kam, dass Hazel Marie im Begriff war, blind in ihr Unglück zu rennen und Little Lloyd mit sich zu reißen, und dass Coleman in seinem Zimmer im oberen Stock kaum noch anzutreffen war, weil Binkie ihm völlig den Kopf verdreht hatte. Nicht mehr lange, und ich würde mutterseelenallein in diesem Haus sitzen, in dem mich alles an Wesley Lloyd Springer erinnerte. Und darauf konnte ich weiß Gott verzichten!
»Lillian!«, rief ich, als ich sie von der Küche ins Esszimmer gehen hörte. Aus dem Küchenradio schallte Gospelmusik herein, als sie die Tür öffnete. Ich schüttelte unwillig den Kopf. Sie musste dieses Ding unbedingt leiser stellen.
»Lillian?«, rief ich noch einmal.
»Ich bin ganz Ohr, Miss Julia«, antwortete sie. Ich drehte mich um. Sie stand hinter mir, einen Stoß gefaltete Handtücher auf den Armen, die sie zum Wäscheschrank bringen wollte.
»Ich habe nicht übel Lust, das Haus zu verkaufen«, sagte ich.
Sie legte die Handtücher auf das Sofa und trat neben mich ans Fenster. Auf der Baustelle warf einer der Arbeiter gerade eine Schaufel in eine Schubkarre, dass es schepperte. »Das werden Sie nicht tun, Miss Julia«, sagte Lillian mit Nachdruck. »Nicht mehr lange, und das Gebäude dort drüben ist fertig, dann wird es wieder ruhiger werden, und Sie haben keinen Grund mehr, sich aufzuregen.«
»Meinst du?« Ich wiegte zweifelnd den Kopf. »Nichts wird mehr sein, wie es war. Nicht, solange ich dieses Ding da vor Augen habe und ständig Leute kommen und gehen werden, um sich fit zu halten. Ein Familien-Freizeitzentrum – dass ich nicht lache! Das wird nichts als eine bessere Turnhalle werden. Und ich sag dir was, Lillian: Die Kirche sollte sich aus dem Geschäft mit der körperlichen Fitness heraushalten. Meiner Meinung nach sollte die spirituelle Fitness ihre einzige Sorge sein.«
Ich wandte mich ab. Der Anblick der Backsteinmauer, die einen halben Meter hinter dem Bürgersteig auf der anderen Straßenseite hochgezogen wurde, machte mich ganz krank. Allerdings wurde ich in meinem eigenen Haus mit noch viel ernsteren Problemen konfrontiert.
»Lillian, ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll.« Müde rieb ich mir über die Stirn. »Ich bin es so leid, immerzu gegen Windmühlenflügel zu kämpfen! Am liebsten würde ich mich hinsetzen und weinen. Vielleicht tu ich das auch.«
»Und Sie glauben, das würde helfen?«, meinte Lillian skeptisch.
Ich hob den Kopf, als ich Hazel Marie in ihrem Schlafzimmer im hinteren Teil des Hauses einen Countrysong trällern hörte. Sie packte quietschvergnügt ihre Koffer, denn sie wollte bei mir aus- und bei Mr. J. D. Pickens einziehen. Ohne selbigen zu ehelichen, wie ich betonen möchte. Man sollte meinen, sie hätte etwas aus ihrer langjährigen Erfahrung als Liebchen meines Mannes gelernt! Immerhin standen sie und ihr Junge zunächst ohne einen roten Heller da, als es meinem Mann einfiel, eines Nachts draußen in meiner Einfahrt tot hinterm Steuer zusammenzubrechen. Doch was tat sie? Sie ließ sich wieder auf ein ähnliches Verhältnis ein. Mr. Pickens war zwar nicht verheiratet, so wie Wesley Lloyd Springer es mit mir gewesen war, aber er hatte ihr unverblümt erklärt, er sei kein Mann zum Heiraten, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Aber wann dann, fragte ich mich. Sie spiele mit dem Feuer, hatte ich sie gewarnt. Was sie allerdings nicht abzuschrecken schien, wie das Zuschnappen der Kofferschlösser bewies.
»Ich muss noch einmal mit ihr reden«, sagte ich mehr zu mir selbst. »Ich kann doch nicht einfach zusehen, wie sie in ihr Unglück rennt!«
»Vielleicht sollten Sie sich besser raushalten«, gab Lillian zu bedenken. Sie hatte stets einen Ratschlag parat, ob man ihn nun wollte oder nicht. »Sie ist eine erwachsene Frau, und sie war nie so glücklich wie jetzt!«
»Aber sie könnte glücklicher sein! Sie weiß ja gar nicht, was ihr entgeht!« Ich verstummte, weil ich in diesem Moment an meine eigene Ehe denken musste, die alles andere als glücklich gewesen war. Eine solche Erfahrung würde ich selbst meinem schlimmsten Feind nicht wünschen, und Hazel Marie war alles andere als das.
»Da kommt Little Lloyd.« Lillian schob den Vorhang ein Stück zur Seite und spähte hinaus. Sie schüttelte den Kopf. »Der schwere Schulranzen wird ihm noch mal das Kreuz brechen. Ich mach ihm schnell was zu essen, er hat bestimmt Hunger. Das Essen in der Schule rührt er ja kaum an.«
Sie eilte in die Küche und ihre abgetretenen Absätze schlappten über den Fußboden. Ich wandte mich wieder zum Fenster um. Es gab mir einen Stich, als ich den Jungen beobachtete, der, den Blick auf die Baustelle gerichtet, herangeschlendert kam. Er hatte immer noch nichts auf den Rippen, obwohl Lillian und ich uns die allergrößte Mühe gaben, ihn aufzupäppeln. Seine dünnen Beinchen ragten wie zwei Stöcke aus den knielangen Hosen. Man konnte seine magere Brust unter dem gestreiften T-Shirt ahnen. Ein leichter Wind zerzauste sein feines Haar. Staunend wie jeder Junge seines Alters guckte er den Bauarbeitern zu. An der Einfahrt drehte er sich um und ging sie rückwärts zum Haus hinauf, um möglichst lange die Maurer auf dem Gerüst beobachten zu können. Der Gameboy in seiner Hand war vergessen. Mr. Pickens hatte ihm den geschenkt, und da er ihn im Klassenzimmer im Schulranzen stecken lassen musste, spielte er auf dem Schulweg und bei jeder anderen Gelegenheit damit herum.
»O Gott«, stöhnte ich leise, »was soll ich bloß ohne sie alle anfangen?« Ich konnte an nichts anderes denken als an die langen Tage voller Einsamkeit, die vor mir lagen. Ich würde allein in diesem leeren Haus herumgeistern, bis ich schwach und nutzlos geworden war! Ich stellte mir vor, wie die anderen fröhlich ihr Leben weiterlebten: Coleman würde seine Beziehung mit Binkie fortsetzen, ohne auch nur einen Gedanken ans Heiraten zu verschwenden; Hazel Marie würde mit Mr. Pickens in Sünde leben, und der Junge würde weiß der Himmel was aus dieser Verbindung lernen; und Sam – nun, wer konnte schon sagen, was in seinem Kopf vorging! Und ich wäre alt und verkalkt und mit einer gebrochenen Hüfte ans Bett gefesselt, und wenn ich eine Bettpfanne brauchte, wäre niemand da, den es interessierte, ob ich eine bekam oder nicht.
Gott, wie würde ich diesen Jungen vermissen! Dabei waren wir nicht einmal miteinander verwandt: Er war das Kind meines verstorbenen Mannes mit Hazel Marie. Ich hatte erst neun Jahre später und nach Wesley Lloyds Tod davon erfahren. Na ja, das war längst Schnee von gestern.
Die Fliegengittertür in der Küche quietschte, als der Junge hereinkam. Lillian sagte etwas zu ihm, und er lachte. Reiß dich gefälligst zusammen, Julia Springer, ermahnte ich mich. Ich straffte mich, presste die Lippen zusammen und beschloss, ein letztes Mal – zumindest für heute – mit Hazel Marie zu reden.
»Hazel Marie«, begann ich und verstummte abrupt, als ich die Kleiderstapel auf dem Bett erblickte, die bereits gepackten Koffer und die Einkaufstaschen voller Lockenwickler und Schuhe und anderer persönlicher Gegenstände. Ich erinnerte mich, wie sie damals vor meiner Tür gestanden hatte, mitten in der Nacht, abgerissen und zerschunden, nachdem sie Bruder Vernon Pucketts Handlangern in die Hände gefallen war. Sie hatte nur das besessen, was sie auf dem Leib getragen hatte, und selbst das hing in schmutzigen Fetzen an ihr herunter. Das Blatt hatte sich erst für sie gewendet, als mein damaliger Anwalt Sam Murdoch, der inzwischen im Ruhestand war, und Binkie Enloe, meine jetzige Anwältin, die Sache mit Wesley Lloyds zwei Testamenten geregelt hatten. Little Lloyd und ich teilten uns das Erbe meines Mannes zu gleichen Teilen. Allerdings war das Vermögen des Jungen in einem Treuhandfonds angelegt, aus dem er und Hazel Marie regelmäßige Zuwendungen erhielten, während ich jederzeit an mein Geld herankonnte.
»Oh, Miss Julia!« Hazel Marie blickte auf. Ihre Wangen waren gerötet, und ihre Augen glänzten. »Ich hab gar nicht gewusst, dass ich so viel besitze! Hoffentlich schickt mich J. D. nicht wieder nach Hause!« Sie lachte fröhlich, als sei der Gedanke völlig abwegig.
»Hazel Marie«, begann ich noch einmal so ruhig wie möglich, obwohl es mich allergrößte Mühe kostete, nicht wieder die Beherrschung zu verlieren. »Willst du es dir nicht noch einmal überlegen? Findest du nicht, dass du Little Lloyd ein schlechtes Vorbild bist? Ganz abgesehen davon, was du dir selbst damit antust! Es würde mich nicht wundern, wenn Mr. Pickens dich dafür, dass du ihn nicht dazu bringst, dich zu heiraten, weniger achtete.«
In der Küche klingelte das Telefon, und wir lauschten, wen von uns beiden Lillian rufen würde. Doch es blieb still. Hazel Marie wandte sich ab und senkte den Kopf – vor Scham, wie ich gern geglaubt hätte. Ihr regelmäßig nachgefärbtes blondes Haar verdeckte ihr Gesicht.
»Sie kennen ihn doch, Miss Julia«, sagte sie leise. »Sie wissen doch, wie eigensinnig er sein kann, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Und er hat nun mal Angst, dass alle denken, er sei nur hinter Little Lloyds Geld her, wenn er mich heiratet. Er sagt, wir können auch ohne Trauschein ein wunderbares Leben zusammen haben.«
»Natürlich sagt er das! Welcher Mann würde das nicht, wenn man es ihm so leicht macht! Du weißt doch selbst am besten, dass weder er noch irgendjemand sonst an das Geld herankommt. Dafür haben Binkie und Sam schon gesorgt.«
Sie nickte. »Ja, ich weiß. Aber ich bekomme ein hübsches Sümmchen für die Erziehung und Ausbildung des Jungen, und J. D. hat eben seinen Stolz.«
»Seinen Stolz!« Ich warf entnervt die Hände hoch. »Das ist doch wieder typisch Mann! Was erwartet er denn – dass du dich selbst an den Bettelstab bringst, damit du von ihm abhängig bist? Ich warne dich, Hazel Marie, du weißt nicht, worauf du dich da einlässt!«
Sie schwieg betreten und schüttelte das Kleid, das sie bereits dreimal zusammengelegt hatte, aus und faltete es ein weiteres Mal. »Ich weiß, Sie denken, ich würde überstürzt handeln, aber so ist es nicht. Ich habe mir diesen Schritt wirklich gründlich überlegt. Allein schon wegen Little Lloyd. Der Junge braucht ein männliches Vorbild, das habe ich in sämtlichen Büchern gelesen, und Sie werden niemanden finden, der männlicher ist als J. D.«
Ich verdrehte gereizt die Augen. Ich konnte mir schon denken, was sie unter »männlich« verstand! Für mich bedeutete es ja manchmal das Gleiche. Egal. In einem Punkt hatte sie natürlich Recht: Der Junge brauchte einen Mann, an dem er sich orientieren konnte. Sein eigener Vater war ihm kaum ein geeignetes Vorbild gewesen. Wie auch – ein wöchentlicher Besuch am Donnerstagabend qualifizierte niemanden zu einem guten Vater. Aber ich hütete mich, Hazel Marie zuzustimmen.
»Ich bleibe dabei: Wenn du schon entschlossen bist, diesen Schritt zu wagen, dann sollte er eure Beziehung legal machen,«, beharrte ich. Aber – auch in diesem Punkt hatte Hazel Marie Recht – Mr. Pickens war eben ein ziemlicher Dickschädel, das wusste ich ja.
Doch davon einmal abgesehen war er ein anständiger, rechtschaffener Mann. Wenn er nur nicht mit jeder Frau, die ihm über den Weg lief, flirten würde! Und Reichtümer würde er in seinem Beruf auch keine anhäufen. Ich meine, was ließ sich schon mit der Suche nach vermissten Personen und der Aufklärung eines Versicherungsbetrugs und solchen Dingen verdienen? Anscheinend müsse sich eine Frau entscheiden, ob sie einen anständigen oder einen reichen Mann wolle, hatte ich einmal zu Hazel Marie gesagt. Beides zusammen war meiner – wenn auch sehr begrenzten – Erfahrung nach nicht zu bekommen.
Ich dachte an Sam. Auch so einer, auf den man sich nicht verlassen konnte. Zu diesem Schluss war ich gelangt, nachdem er sich in der letzten Zeit sehr rar gemacht hatte.
Ich seufzte resigniert. Ich hatte meine Argumente jetzt mehr als einmal vorgebracht, ohne dass ich Hazel Marie hätte überzeugen können. Aber mit Mr. Pickens hatte ich noch nicht gesprochen! Ich beschloss, das bei nächster Gelegenheit nachzuholen. »Ich hoffe nur, du weißt, was du tust.« Mit diesen Worten wollte ich Hazel Marie ihrer Packwut überlassen, doch zu meiner grenzenlosen Überraschung eilte sie zu mir, nahm mich in die Arme und drückte mich. Ich war sprachlos. Ich bin nicht unbedingt der Typ, der andere zu solchen Zärtlichkeitsbekundungen ermutigt.
»Oh, ich danke Ihnen, Miss Julia, ich danke Ihnen!«, sagte sie überschwänglich. Das Parfüm, das Mr. Pickens ihr geschenkt hatte – »Joy« hieß es –, hüllte sie in eine Duftwolke, die mich ganz schwindlig machte. »Ich habe mir so sehr gewünscht, dass Sie mir Ihren Segen geben!«
Meinen Segen? So hatte ich das eigentlich nicht gemeint. Ich hatte schlicht und einfach resigniert! Doch bevor ich zu einer Antwort ansetzen konnte, hörten wir Lillian durch den Gang schlappen.
In der Tür zu Hazel Maries Zimmer blieb sie stehen, ein Geschirrtuch in der Hand. »Miss Hazel Marie, Mr. Pickens hat grad angerufen. Ich soll Ihnen sagen, er kann Sie heut nicht abholen kommen. Er möchte, dass Sie hier bleiben, bis er Ihnen Bescheid gibt, wann er Sie holen kann.«
»O nein!« Hazel Marie machte ein langes Gesicht. Enttäuscht ließ sie sich auf einen Stuhl fallen, schoss aber augenblicklich wieder hoch: Sie hatte sich auf ihr Nähkästchen gesetzt. Sie rieb sich den Po. »Und er wollte nicht mit mir reden?«, fragte sie ungläubig.
»Nein, er hat es eilig, hat er gesagt. Und Sie, Miss Julia, haben Besuch bekommen, also hören Sie endlich auf, so trübsinnig aus der Wäsche zu gucken! Was soll Ihr Besuch denn denken, wenn Sie ein Gesicht machen, als ob Sie Ihren besten Freund verloren hätten!«
Aber genau das war passiert oder würde jedenfalls bald passieren. Und ich würde genau genommen nicht nur einen Freund, sondern gleich zwei oder drei verlieren. Doch das sagte ich natürlich nicht laut.
»Wer ist es denn, Lillian?«, fragte ich stattdessen und stieß innerlich einen tiefen Seufzer aus. Mir war weiß Gott nicht nach Gesellschaft zumute, aber wenn man für seine Gastfreundschaft bekannt ist, bleibt einem nichts anderes übrig, als sich zusammenzunehmen und seinen Pflichten nachzukommen, egal, wie schwer einem ums Herz ist.
»Coleman und Miss Binkie! Und sie sagen, sie hätten Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen.«
»Heiraten?« Ich traute meinen Ohren nicht. Wenn man etwas so herbeigesehnt, so lange darauf gewartet, es sich so inständig gewünscht hat, kann man es nicht glauben, wenn es dann tatsächlich eintritt.
Lillian hingegen, die an der Tür zum Esszimmer stehen geblieben war, hatte das Problem nicht: Sie begriff sofort. Ihr Freudenschrei jagte mir einen solchen Schrecken ein, dass ich fast vom Stuhl gefallen wäre. »Endlich!«, jubelte sie.
Hazel Marie richtete sich aufgeregt in ihrem viktorianischen Sessel auf. »Oh, das ist wundervoll! Ich freue mich ja so für euch!« Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte in die Hände geklatscht. Little Lloyd, der neben ihr stand, blickte staunend von einem zum anderen. Er war nie weit, wenn Coleman da war, und ich nahm mir vor, Hazel Marie daran zu erinnern, dass der Junge in ihm bereits ein ausgezeichnetes Rollenvorbild hatte.
Binkie saß neben Coleman, der den Arm um ihre Schultern gelegt hatte und wie üblich eine hervorragende Figur in seiner Deputy-Uniform machte, auf meinem Duncan-Phyfe-Sofa und strahlte mit ihrem Zukünftigen um die Wette. Der verschlang sie förmlich mit Blicken, und ihr fiel es sichtlich schwer, still zu sitzen, während sie uns mitteilten, worauf ich so lange gewartet hatte.
»Ihr wollt heiraten?«, wiederholte ich.
»Ich hab sie endlich dazu gekriegt, dass sie Ja sagt«, meinte Coleman augenzwinkernd und schaute zärtlich auf sie hinunter. Binkie war verglichen mit ihm eine halbe Portion. »Hat ja auch lange genug gedauert!«
So ein gut aussehender junger Mann, dachte ich wieder einmal. Und Binkie, dieses kleine Temperamentsbündel, das vor Gericht die Geschworenen in seinen Bann ziehen und jeden Finanzbeamten in die Knie zwingen konnte, schien vor Glück von innen heraus zu leuchten. Es war mir ein Rätsel, warum sie sich nicht schon längst zu diesem Schritt entschlossen hatten. Na ja, besser spät als nie!
»Das wird aber auch höchste Zeit, wenn ihr mich fragt! Niemand ist glücklicher darüber als ich.«
»Ja, ich freu mich auch«, sagte Little Lloyd, der praktisch keinen Blick von Coleman wandte. »Aber ich hab gedacht, ihr wärt längst verheiratet!«
»Tja, manchmal trügt der Schein, weißt du«, sagte ich und funkelte Hazel Marie über den Kopf des Jungen hinweg vorwurfsvoll an. Doch sie bemerkte es nicht, denn ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem glücklichen Paar. Na ja, meinen Standpunkt hatte ich ihr inzwischen ja wohl klar gemacht!
»Ich kann es gar nicht erwarten, J. D. davon zu erzählen!«, meinte sie. »Er wird begeistert sein!«
»Hoffentlich«, bemerkte ich trocken. »Dann nimmt er sich vielleicht ein Beispiel an den beiden.« An Binkie und Coleman gewandt fügte ich hinzu: »Und wann ist es so weit? Wie habt ihr euch eure Hochzeit denn vorgestellt?«
»Kurz und schmerzlos«, antwortete Binkie. »Wir wollten nur, dass Sie es als Erste erfahren, Miss Julia. Schließlich haben Coleman und ich uns hier bei Ihnen kennen gelernt, wissen Sie noch?«
Ich nickte. Wie könnte ich das vergessen! An jenem Abend hatte es ein heftiges Unwetter gegeben. Plötzlich hatte Binkie vor der Tür gestanden, völlig durchnässt. Coleman hatte sie gesehen und sich augenblicklich in sie verliebt.
»Habt ihr schon ein Datum festgesetzt?«, fragte Hazel Marie.
»Nächsten Freitag«, erwiderte Binkie. »Und wir möchten, dass ihr alle uns aufs Standesamt begleitet.«
Ich schnappte empört nach Luft. »Das kann nicht dein Ernst sein! Das könnt ihr doch nicht machen! Was habt ihr euch denn dabei gedacht? Das kannst du deinen Eltern nicht antun, Binkie, auch wenn sie nach Florida gezogen sind. So eine Hochzeit muss doch geplant und vorbereitet werden! Einladungen müssen bestellt und verschickt, das Brautkleid muss ausgesucht, die Kirche reserviert, der Empfang vorbereitet, das Porzellan ausgewählt werden – da sind tausend Dinge zu erledigen!«
Binkie tat mit einer wegwerfenden Handbewegung das Beste an jeder Hochzeit, die Vorbereitungen nämlich, ab. »Damit werden wir uns nicht belasten, Miss Julia. Meine Eltern können sowieso nicht kommen, weil die weite Reise zu anstrengend für sie ist. Nein, nein, wir verzichten auf das ganze Brimborium und konzentrieren uns auf das Wesentliche, nicht wahr, Coleman?« Sie gab ihm einen freundschaftlichen Knuff mit dem Ellenbogen.
Lillian schüttelte lächelnd den Kopf. »Ihr jungen Leute! Mir scheint, ihr könnt es kaum erwarten!«
»Das kann man wohl sagen«, meinte Coleman. »Ich war so lange hinter dieser Frau her, fast hätte ich die Hoffnung aufgegeben.« Er drückte Binkie zärtlich. »Je eher wir heiraten, desto besser. Sonst entwischt sie mir am Ende wieder.«
Ich nickte beifällig. »Für einen Bräutigam ist das die richtige Einstellung, Coleman«, lobte ich. »Aber eine Braut hat eine prächtige kirchliche Hochzeit verdient, Binkie, und ein Kleid mit einer langen Schleppe und Brautjungfern und Blumen und ein großes Fest im Kreis der Freunde. Sie soll Königin für einen Tag sein. Eigentlich sogar noch länger, wenn man die wochenlangen Vorbereitungen mitrechnet. Eine Woche Zeit und dann nur eine standesamtliche Trauung – das geht einfach nicht! Du hättest keine schönen Erinnerungen an deinen Hochzeitstag, von Erinnerungsfotos ganz zu schweigen!«
»Das weiß ich ja, Miss Julia.« Binkie senkte den Blick und schaute dann Coleman an. »Aber wir haben beide so viel zu tun. Ich weiß ja jetzt schon nicht, wo mir der Kopf steht. Ich habe einfach nicht die Zeit für all diese Dinge …«
»Und ich muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist«, warf Coleman lächelnd ein. »Außerdem sind wir jetzt schon so lange, äh, befreundet, wie Sie mir ja ständig unter die Nase reiben, Miss Julia, dass wir eine große kirchliche Hochzeit nicht für angebracht halten.«
Ich war Coleman dankbar für sein Taktgefühl und seine vorsichtige Formulierung dessen, was in der Stadt ein offenes Geheimnis war – nämlich, dass die beiden ihre Hochzeitsnacht längst vorweggenommen hatten. Das Beste in einem solchen Fall ist es jedoch, die Tatsachen zu ignorieren und zu tun, was getan werden muss. Energisch protestieren würde ich allerdings schon, wenn Binkie auf einer Hochzeit in Weiß bestehen würde.
Dennoch gefiel mir die Vorstellung einer hastig vorbereiteten und eilig vollzogenen standesamtlichen Trauung ohne den Segen eines Geistlichen überhaupt nicht. »Ich kann einfach nicht glauben, dass ihr nur aufs Standesamt wollt! Ihr braucht doch wenigstens einen Geistlichen. Wie wäre es mit einer Hochzeit im kleinen Kreis? Das wäre ganz bezaubernd und würde vollkommen genügen. Ihr könntet euch in der Kapelle anstatt in der Kirche trauen lassen. Sie eignet sich hervorragend für eine kleine Feier. O Binkie, ich finde den Gedanken, dass ihr zwischen dem Aufsetzen eines Testaments und einer Verhaftung schnell aufs Standesamt rennt und euch trauen lasst, einfach grässlich!«
»Das möchte ich nicht sagen, Miss Julia«, meinte Hazel Marie. »Ich finde, das hört sich richtig romantisch an!«
Das konnte ich mir denken! In ihrer Situation musste sich alles besser anhören als das, was sie bekam. Wenn sie es geschafft hätte, Mr. Pickens aufs Standesamt zu schleifen, wäre sogar ich bereit gewesen, auf den Segen der Kirche zu verzichten!
»Muss es denn unbedingt nächste Woche sein?«, fragte Lillian.
»Ja, weil wir dann den Montag und Dienstag für ein langes Wochenende dranhängen können«, erklärte Binkie. »Es geht nicht anders. Ich habe so viele Fälle auf dem Tisch liegen, dass ich mir unmöglich länger freinehmen kann. Fürs Erste sind einfach keine längeren Flitterwochen drin.«
»Ich glaub’s einfach nicht«, stöhnte ich und stützte den Kopf in die Hand. »Das dürfen Sie nicht zulassen, Coleman!«, fuhr ich beschwörend fort. »Ihr macht einen großen Fehler. Eine Hochzeit sollte mit schönen Erinnerungen verknüpft sein, die einen durch die Jahre begleiten und über die schlechten Zeiten hinweghelfen. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass es in eurer Ehe schlechte Zeiten geben wird, aber man kann ja nie wissen. Und die Erinnerung an eine wunderschöne Hochzeit ist etwas, an dem man sich festhalten kann.«
»Ich verstehe Ihren Standpunkt ja, Miss Julia«, sagte Binkie. »Aber wenn wir nicht nächstes Wochenende heiraten, müssen wir bis zum Herbst warten, und das wollen wir beide nicht. Und mein Terminkalender ist so voll, dass ich einfach nicht die Zeit habe, eine kirchliche Trauung vorzubereiten, und sei sie noch so bescheiden.«
»Miss Julia hat Zeit genug«, stellte Lillian fest.
In diesem Moment donnerte ein weiterer Lastwagen heran, und wir zuckten alle schmerzlich zusammen. Der Fahrer schaltete geräuschvoll herunter und hielt vor der Baustelle. Zwei Dutzend Bauarbeiter schrien ihm Anweisungen zu. Als wieder Stille eingekehrt und mir bewusst geworden war, was Lillian gerade gesagt hatte, ging ein Lächeln über mein Gesicht. Ich sprang auf. Warum war ich nicht von selbst darauf gekommen?
»Natürlich! Das ist die Lösung! Binkie, Coleman, ihr überlasst die Vorbereitungen einfach mir! Das würde überhaupt keine Mühe machen, nicht wahr, Lillian?«
»Au ja!« Hazel Marie beugte sich aufgeregt vor. »Bitte sagt Ja! Miss Julia ist ein Organisationstalent, und ich werde ihr dabei helfen. Das macht bestimmt Spaß! Wir erledigen alles, ihr bräuchtet nichts weiter zu tun, als zu kommen.«
»Sie hat Recht, Binkie«, drängte ich. Ich wünschte den beiden so sehr einen guten Start in ihr gemeinsames Leben. Obwohl sie ihn genau genommen längst hinter sich hatten. »Ich werde mich um alles kümmern – das heißt, wenn es euch nichts ausmacht, in unserer Kirche getraut zu werden. Dort kenne ich alle und weiß über die Gegebenheiten Bescheid. Oh.« Ich verstummte, weil mir gerade etwas eingefallen war: Pastor Ledbetter unternahm zurzeit eine Reise durch das Heilige Land und trieb sich irgendwo an der Klagemauer oder am Toten Meer oder weiß der Himmel wo herum. Typisch! Wenn ich ihn ein Mal brauchte, war er nicht da! »Unser Gemeindepastor ist verreist, er hält sich am anderen Ende der Welt auf und wird auch nicht rechtzeitig zurück sein. Normalerweise wäre mir das völlig schnuppe, aber in diesem Fall kommt das natürlich sehr ungelegen.«
»Pastor Petree ist doch da«, warf Hazel Marie ein. »Er ist zwar bloß sein Stellvertreter, aber er wird ja trotzdem ein richtiger Geistlicher sein, oder?«
Ich nickte. »Na schön, müssen wir eben mit dem vorlieb nehmen. Was meinst du, Binkie? Ein Wort von dir genügt, und wir richten dir eine stilvolle Hochzeit aus. Du brauchst nichts weiter zu tun, als dein Kleid auszusuchen.«
»Ich weiß nicht recht.« Sie schaute zu Coleman auf. »Was hältst du davon?«
»Ich überlass es dir, mein Schatz.«
»Bitte!« Hazel Marie sah sie flehentlich an.
»Na ja, wenn es nicht zu viel Mühe macht …« Binkie unterdrückte ein Lächeln. Ich konnte ihr ansehen, wie sehr sie sich freute. Und das war verständlich. Jede junge Frau wünscht sich einen unvergesslichen Hochzeitstag, und ich war fest entschlossen, mein Bestes zu geben. Auch wenn es weiß Gott keine leichte Aufgabe war, eine denkwürdige Hochzeit in nur einer Woche auf die Beine zu stellen!
»Fein, dann wäre das ja geklärt!« Ich begann, im Zimmer auf und ab zu gehen, während mir tausend Ideen durch den Kopf schossen. »Zwei Wochen könntest du uns schon geben, Binkie! Schon gut, schon gut«, fuhr ich hastig fort, als ich ihren Blick auffing, »wir schaffen das auch in einer, wenn es unbedingt sein muss. Die jungen Leute heutzutage wollen zwar alles gemeinsam machen – ihr wisst schon, so Dinge wie die Einladungskarten und das Speiseservice aussuchen und all so was, aber dafür haben wir keine Zeit. Ihr werdet mir wohl oder übel freie Hand lassen müssen. Allmächtiger, die Einladungen sollten gedruckt und spätestens vier Wochen vor der Trauung verschickt werden! Na ja, das ist nicht zu ändern. Fang sofort an, eine Gästeliste zusammenzustellen, Binkie, und Sie auch, Coleman. Wir werden die Leute eben telefonisch einladen. Das ist zwar nicht ganz korrekt, aber was soll’s. Wir laden ja nicht Amy Vanderbilt ein, da können wir uns diesen kleinen Verstoß gegen die Etikette schon erlauben.« Ich blieb abrupt stehen. Was hätte ich für eine Feier ausrichten können, wenn die beiden es nicht gar so eilig gehabt hätten!
Ich riss mich zusammen. »Du musst ein Speiseservice aussuchen, Binkie. Und das Silberbesteck und die Gläser.«
»Das habe ich alles schon. Von meiner Mutter. Sie wollte, dass ich es bekomme, als sie nach Florida gezogen sind.«
»Sehr gut. Sie hat einen ausgezeichneten Geschmack. Damit hätten wir ein Problem gelöst! Lass bei Belk’s und in allen anderen Geschäften, die infrage kommen, eine Geschenkeliste auslegen. Wenn die Leute schon ihr Geld für ein Hochzeitsgeschenk ausgeben, können sie dir auch das kaufen, was du wirklich brauchen kannst.«
»Einen Augenblick, Miss Julia«, mischte sich Coleman ein. »Das klingt alles reichlich kompliziert, wenn Sie mich fragen.«
Ich musterte Binkie eindringlich und versuchte, ihre Gefühle zu erraten. Ich bemerkte die geröteten Wangen in ihrem blassen Gesicht und ihre glänzenden Augen und fühlte mich bestätigt: Jede Braut hat den festlichen Rahmen und den Rummel um ihre Person zumindest ein Mal im Leben verdient. Ich kannte allerdings ein paar Frauen, die das Ganze mehrmals genießen durften. Ich hatte sogar von einer zweimal Geschiedenen gehört, die noch einmal ganz in Weiß und mit vier Brautjungfern im Gefolge vor den Traualtar getreten war. Eine Geschmacklosigkeit sondergleichen, wenn Sie mich fragen.
»Hören Sie mir gut zu, Coleman«, begann ich, ohne auf seine Bemerkung einzugehen. »Sie werden einen Freund bestimmen, der Ihnen während der Zeremonie zur Seite steht, sich einen Smoking leihen – obwohl es kein Fehler wäre, sich einen eigenen zu kaufen –, die Blumen für die Braut bestellen, den Geistlichen bezahlen, die Flitterwochen planen und den Rest uns überlassen. Ach so, ja, und pünktlich zur Trauung erscheinen! Mehr wird vom Bräutigam nicht verlangt.«
»Jawohl, Ma’am«, antwortete er. Er zog Binkie an sich. »Na, was sagst du dazu, Liebling?«
»Ich weiß nicht, wie Sie das alles schaffen wollen.« Binkie sah mich an. »Aber ich könnte mir vorstellen, dass es lustig wird. Das wünsche ich mir jedenfalls. Nichts Langweiliges und Förmliches und den ganzen konventionellen Klimbim. Klein und schlicht und fröhlich, das wäre wunderbar. Aber wie gesagt, Miss Julia, mit mir dürfen Sie nicht rechnen. Mein Terminkalender ist so voll, dass mir beim bloßen Gedanken daran schon ganz anders wird!«
Mir fiel in der Tat auf, dass sie ein bisschen blass um die Nase geworden war. Himmel, es gab nichts Schlimmeres als eine Braut, der schon vor der Hochzeit schlecht wurde!
»Sie sollten ein bisschen kürzer treten«, tadelte Lillian und musterte sie stirnrunzelnd. »Sie arbeiten viel zu viel, genau wie Coleman, und essen tun Sie auch nicht richtig.«
»Sie hat Recht, Binkie«, pflichtete ich Lillian bei. »Mach dir keine Gedanken, überlass alles uns, wir schaffen das schon.« Ich seufzte. »Ich würde so gern ein paar Leute zum Tee oder so einladen, wenn wir mehr Zeit hätten. Und deine Freundinnen würden sich sicher freuen, wenn sie eine Brautparty für dich veranstalten könnten. Obwohl ich dir dazu etwas sagen muss, was deine Mutter dir bestimmt auch geraten hätte: Entscheide dich im Zweifelsfall lieber für ein Treffen zum Lunch. Du bekommst viel schönere Hochzeitsgeschenke, wenn die Leute dir nicht schon etwas zur Brautparty mitbringen müssen. Siehst du, das sind so Dinge, bei denen ich dir behilflich sein kann!«
»Eines noch«, meinte Coleman und zeigte mit dem Finger auf Little Lloyd. »Du darfst auf keinen Fall fehlen, Sportsfreund, verstanden?«
Der Junge nickte und strahlte übers ganze Gesicht.
»Ich bin Ihnen wirklich dankbar für Ihre Hilfe, Miss Julia.« Binkie lehnte den Kopf an Coleman. »Aber machen Sie sich bitte keine großen Umstände. Ich möchte einfach nur, dass bis nächste Woche alles erledigt ist.«
Typisch Binkie! Sie hatte immer schon ihren eigenen Kopf gehabt und reagierte meist ganz anders, als man es von einem Mädchen aus gutem Hause erwartet hätte. Sie hatte sich sogar geweigert, auf dem Ball des Gouverneurs in Raleigh in die Gesellschaft eingeführt zu werden, obwohl sie als Einzige aus Abbotsville eine Einladung erhalten hatte. Ihre Mutter hätte damals beinahe der Schlag getroffen! Aber jetzt hatte Binkie es mit mir zu tun. Ich war eine Gegnerin von anderem Format!
»Schön, dann ist ja alles klar«, sagte ich.
»Oh-oh«, machte Coleman plötzlich, während er an einem kleinen Gerät herumfummelte, das an seinem Gürtel befestigt war. »Darf ich mal Ihr Telefon benutzen, Miss Julia?«
»Sicher, Sie wissen ja, wo es ist.« Coleman sprang auf und lief in die Küche. »Hazel Marie, du wirst deinen Auszug bis nach der Hochzeit verschieben müssen. Ich werde dich hier brauchen. Und dich auch, Little Lloyd. Ohne eure Hilfe schaffe ich das alles nicht in der kurzen Zeit, fürchte ich.«
»Na ja … Ich denke, das lässt sich einrichten. Ich meine, es ist ja nur eine Woche. J. D. hat bestimmt nichts dagegen.«
Und wenn, wäre es mir auch egal, dachte ich, sagte aber nichts. Diese Hochzeit brachte ein paar unverhoffte Vorteile mit sich, wie ich erfreut feststellte.
Coleman kam zurück. »Binkie, Miss Julia, es tut mir leid, aber ich muss los. Anscheinend gibt es ein kleines Problem im Gefängnis, jeder Mann wird gebraucht. Kommst du, Schatz? Ich setz dich zu Hause ab und fahr dann gleich weiter.«
»Moment, Moment!«, rief ich, als Binkie aufstand und ihm zur Tür folgte. »Wir haben noch tausend Dinge zu bereden! Wie wär’s, wenn ihr morgen Abend zum Essen kommt? Dann besprechen wir alles Weitere. Bringt die Gästelisten mit. Ach so, ja, zwei Trauzeugen braucht ihr auch noch! So will es das Gesetz.«
Die beiden waren inzwischen auf die Veranda hinausgetreten. Coleman drehte sich um und grinste. »Sie werden uns beide doch nicht über das Gesetz aufklären wollen, Miss Julia. Wenn wir es nicht kennen, wer dann?«
»Eine Woche!« Ich wandte mich zu Lillian und Hazel Marie um und breitete halb verzweifelt, halb entnervt die Hände aus. »Habt ihr so etwas schon mal gehört? Nun denn, lasst uns anfangen, wir dürfen keine Zeit verlieren! Vergiss nicht, Mr. Pickens für morgen Abend einzuladen, Hazel Marie. Wo sind Block und Bleistift? Lasst uns eine Liste machen.«
»Was für eine Liste denn?«
Ich gab keine Antwort, meine Gedanken eilten schon voraus. »Oder nein, vielleicht sollte ich zuerst zur Kirche hinüber, damit ich den Pastor noch erwische, bevor er nach Hause geht. Lance Petree. Wie kann man nur so heißen? Ich frage mich, was sich seine Mutter dabei gedacht hat! Lillian, du hilfst Hazel Marie bei der Liste. Schreibt alles auf, was wir erledigen müssen. Ich laufe rasch hinüber und reserviere die Kapelle für Freitagabend. Oder lieber Samstagnachmittag? Ja, eine Trauung am Nachmittag wäre schön, meint ihr nicht auch? Dann könnte Binkie vorher noch mal richtig ausschlafen. Und die Leute könnten normale Rocklänge tragen. Die Frauen, meine ich. Ach Gott, Lillian, der Empfang! Wo soll der denn stattfinden?«
»Warum nicht hier?«, schlug Hazel Marie vor. Sie dachte natürlich keine Sekunde an die Baustelle gegenüber und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten, denen die Gäste ausgesetzt wären.
»Schön wär’s«, sagte ich. »Aber ich denke, das Inn in the Pines eignet sich besser. Dann haben wir weniger Arbeit und nicht diesen Schandfleck auf der anderen Straßenseite vor Augen. Gut. Ich lauf jetzt schnell rüber zu Pastor Petree und sorge dafür, dass er diese Hochzeit auf seine Tanzkarte setzt!«
Ich verließ das Haus und überquerte die Straße. Ich zürnte Pastor Ledbetter, weil er sich ausgerechnet jetzt im Ausland herumtrieb und einen Anfänger zu seinem Stellvertreter gemacht hatte. Normalerweise hätte mich das nicht gestört, weil ich der Ansicht bin, dass jeder eine Chance verdient. Aber der neue Geistliche lag mir nun mal nicht besonders. Zum einen war er zu jung. Und zum andern zu fromm. An seinen Predigten gab es nichts auszusetzen: Sie hörten sich wie Referate an, für die er im Priesterseminar eine Eins bekommen hätte. Er stand oben auf der Kanzel und las sie Wort für Wort von einem Blatt Papier ab. Und wenn er doch einmal auf- und auf seine Gemeinde hinunterblickte, lief er rot an und wandte sich sofort wieder seinen Papieren zu, wobei er regelmäßig erst suchen musste, wo er gewesen war.
Na ja, für meine Zwecke tut er’s auch, sagte ich mir, als ich an dem Schandfleck vorbeiging, der im Begriff war, ein Dauerzustand zu werden. Ich kümmerte mich nicht weiter um die Bauarbeiter auf dem Bürgersteig, die sich den Schmutz und den Schweiß vom Gesicht wischten, weil sie für heute Feierabend hatten. Die Tauben, die im Kirchturm nisteten und tagsüber vom Lärm vertrieben wurden, kamen wieder herbeigeflogen. Ich konnte sie flattern hören, als sie sich auf dem Kirchendach versammelten, um dann durch die Belüftungsschlitze in den Turm zu schlüpfen. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, wie es dort drinnen aussah! Es musste dringend etwas dagegen unternommen werden.
Aber alles zu seiner Zeit. Im Augenblick hatte ich andere Sorgen. Ich betrat das Gebäude durch den Hintereingang des Gemeindesaals. Das Büro des Pastors befand sich am anderen Ende.
Dort saß Norma Cantrell, seine Sekretärin, und bewachte den Eingang. Ihr toupiertes Haar war so stark mit Haarspray fixiert, dass es beinah darunter erstickt wäre. Norma mochte im Stande sein, unschlüssige Gemüter aufzuhalten, aber nicht mich. Ich wusste, wie ich sie zu nehmen hatte.
»Oh, guten Tag, Miss Julia«, begrüßte sie mich mit einer Grimasse, die vermutlich ein Lächeln darstellen sollte. Sie wurde dafür bezahlt, dass sie freundlich zu den Kirchenmitgliedern war, doch das vergaß sie meistens. »Was führt Sie so spät noch hierher? Falls Sie sich wegen des Lärms beschweren wollen – nun, da kann ich leider nichts machen. Das ist beim Bau eines Hauses nun einmal so. Damit werden wir uns wohl abfinden müssen.«
»Deswegen bin ich nicht gekommen, Norma, obwohl ein paar Beschwerden durchaus angebracht wären. Nein, ich möchte zu Pastor Petree.«
»Haben Sie einen Termin?«
»Nein, aber ich muss ihn trotzdem dringend sprechen.«
»Tut mir leid, er ist sehr beschäftigt.« Sie schob einige Papiere auf ihrem Schreibtisch hin und her, um zu demonstrieren, dass auch sie sehr beschäftigt war.
»Norma, ich weiß, dass er um diese Zeit immer zu seinen Krankenbesuchen aufbricht. Er wird also in etwa zwei Minuten aufhören, sehr beschäftigt zu sein. Nun, wenn Sie mich nicht über die Sprechanlage ankündigen wollen, werde ich es eben selbst machen.«
Ich wandte mich um und marschierte auf das Büro des Pastors zu, hinter mir hörte ich Norma vor Empörung nach Luft schnappen. Ich kann Leute, die sich wichtigmachen, nicht ausstehen, Sie vielleicht?
Ich klopfte laut und vernehmlich an die Tür, öffnete sie und steckte den Kopf ins Zimmer. »Pastor Petree?«
Erschrocken blickte er von einer Zeitschrift auf. »Ja?«
»Pastor, ich bin Julia Springer, erinnern Sie sich? Als Sie vor ein paar Wochen zu uns kamen, waren Sie einmal am Sonntag zum Abendessen bei mir.«
»Aber ja, natürlich erinnere ich mich! Kommen Sie doch herein, Mrs. Springer.« Er sprang auf, strich sich das strähnige blonde Haar aus der Stirn und glättete es und rückte dann seinen Krawattenknoten zurecht. »Ich habe getan, was ich konnte, wegen des Lärms und des Staubs von der Baustelle. Aber ohne Lastwagen und Betonmischmaschinen und Kräne geht es nun mal nicht. Ich weiß wirklich nicht, was ich sonst noch tun könnte.«
»Es wird Sie freuen zu hören, Pastor, dass ich nicht wegen der Baustelle komme. Ich möchte einen Termin für eine Trauung vereinbaren.«
»Eine Trauung?« Seine Augenbrauen schossen in die Höhe und trafen sich dann über der Nasenwurzel, als er mich zweifelnd ansah. »Sind Sie sicher? Wissen Sie, es gibt andere Möglichkeiten, mit Einsamkeit fertig zu werden. Vor allem Witwen sind so empfänglich, so erpicht darauf, sich wiederzuverheiraten, dass sie nicht immer eine kluge Entscheidung treffen.« Er lächelte.
Ich starrte ihn so lange an, bis ihm das Lächeln verging. »Glauben Sie, Einsamkeit sei der einzige Grund für eine Witwe, sich wiederzuverheiraten?« Offenbar ja, denn anscheinend konnte er sich nicht vorstellen, dass auch ältere Menschen zu leidenschaftlicher Liebe fähig waren. Er musste noch viel lernen! »Aber ich kann Sie beruhigen«, fuhr ich fort, »es geht nicht um meine Hochzeit.«
»Ach so, ich verstehe.« Er wich meinem Blick aus. »Ich hoffe nur, es eilt nicht. Die Kirche ist für die nächsten zwei Monate ausgebucht.« Er griff nach seinem Terminkalender und blätterte die Seiten um.
»Es wird nur eine kleine Hochzeit sein, daher genügt die Kapelle vollauf.«
»Verstehe. Und an welchen Tag haben Sie gedacht?«
»Nächsten Samstag, das erste Juniwochenende.«
Er schüttelte den Kopf und hörte gar nicht mehr auf damit. »Tut mir leid, aber die Kapelle ist bereits reserviert, und zwar für den Nachmittag und für den Abend. Jetzt ist die Hochzeit für Hochzeiten, wissen Sie«, kalauerte er.
»Oh. Tja, was machen wir denn da? Meine beiden jungen Freunde haben nur am nächsten Wochenende Zeit, und wenn ich keine kirchliche Trauung für sie organisieren kann, werden sie nur standesamtlich heiraten, und das kann ich einfach nicht zulassen!«
Seine Mundwinkel kräuselten sich zu einem Lächeln, das sich aber dank eiserner Selbstdisziplin nicht weiter ausbreitete. Wie er so vor mir stand, blass und mit diesem angespannten, frommen Ausdruck um die Augen, kam mir der Gedanke, dass ihm mit einem wirksamen Abführmittel enorm geholfen wäre.
Er straffte sich und versuchte, ernst und geschäftsmäßig dreinzublicken. Eine kleine Blutkruste am Kinn, wo er sich beim Rasieren geschnitten hatte, verwässerte die gewünschte Wirkung ein wenig. »Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte … Die Kirche ist wie gesagt ausgebucht, aber ich hätte Zeit. Falls die Hochzeit auch woanders stattfinden könnte, will ich das junge Paar gerne trauen.«
An diese Möglichkeit hatte ich gar nicht gedacht. Ich überlegte hin und her. Man musste nicht unbedingt in einer Kirche heiraten. Ich hatte schon von Trauungen beim Fallschirmspringen und von Unterwassertrauungen gelesen, und hier bei uns hatte einmal sogar eine Hochzeit in einem Burger King stattgefunden! Ob sie beim Empfang wohl Mini-Whopper serviert hatten?
Eine Hochzeit im Garten oder im Haus konnte wunderschön sein. Mein Gesicht verzog sich langsam zu einem Lächeln, das allerdings erstarrte, als mir die Baustelle mit ihrem Krach und ihrem Schmutz wieder einfiel. Kein schöner Rahmen für eine Hochzeit! Doch dann gab ich mir einen Ruck und nahm mir vor, diese Last klaglos zu tragen. Außerdem wäre es ganz bezaubernd, wenn Binkie und Coleman dort heirateten, wo sie sich zum ersten Mal begegnet waren – in meinem Wohnzimmer.
Mein Entschluss war gefasst. »Gut. Tragen Sie den Termin für kommenden Samstag fünf Uhr ein, Pastor. Die Trauung wird in meinem Haus stattfinden. Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie veranlassen könnten, dass die Bauarbeiter die Straße und die Gehwege fegen, bevor sie am Freitag Feierabend machen.«
»Ich werde mit dem Polier reden«, versprach er. »Fünf Uhr passt mir allerdings nicht, Mrs. Springer. Könnten wir den Termin nicht vorverlegen?«
Anscheinend lief heute gar nichts nach Wunsch. Ich spitzte pikiert die Lippen, nickte aber. »Das müssen wir dann wohl, nicht wahr? Sagen wir vier Uhr. Das ist vielleicht sogar besser – dann werden die Gäste schon mal kein ausgiebiges Abendessen erwarten.«
»Gut, dann hätten wir das geklärt.« Er machte sich eine Notiz in seinem Terminkalender. »Ich freue mich auf die Trauung.« Er blickte auf und lächelte ein wenig. »Das ist meine erste Trauung hier. Na ja, offen gestanden ist es meine erste Trauung überhaupt. Das ist ein Eintrag in meinem Erinnerungsalbum wert.«
Ich trat unwillkürlich einen Schritt zurück. »Sie sind doch aber zugelassen, oder? Ich meine, befugt, Trauungen zu vollziehen?«
»Selbstverständlich, Ma’am, und zwar seitens des Presbyteriums, der Synode und des Staates. So«, fuhr er fort, während er unter der Zeitschrift auf dem Tisch nach einem Notizblock suchte, »jetzt brauche ich noch die Namen des Brautpaars. Außerdem müssen wir einen Termin für die erforderliche Unterweisung in die Pflichten des Ehestands vereinbaren.«
»Wie bitte?« Ich glaubte mich verhört zu haben. Im Geist sah ich Binkie und Coleman vor mir, wie sie von diesem unverheirateten Grünschnabel über die ehelichen Pflichten aufgeklärt wurden, und hätte fast laut herausgelacht. Von den beiden könnte der Pastor mit Sicherheit einiges lernen! »Ich denke, das können wir uns sparen, Pastor. Binkie ist Anwältin, und Coleman wurde vor kurzem zum Stellvertreter des Sheriffs ernannt. Ich weiß, dass die beiden keine Zeit für eine solche Unterweisung haben. Könnten Sie in Anbetracht ihrer verantwortungsvollen beruflichen Tätigkeit die Sache nicht ein wenig abkürzen?«
Er machte verdutzt den Mund auf und klappte ihn wieder zu. Offenbar hin- und hergerissen zwischen seiner Loyalität der Kirche gegenüber und dem Wunsch, endlich seine erste Trauung in sein »Erinnerungsalbum« eintragen zu können, guckte er kurz zum Fenster hinaus. »Ich weiß nicht recht, Mrs. Springer«, sagte er dann. »Vorschrift ist Vorschrift, deshalb muss ich darauf bestehen, fürchte ich. Es gehört zu den Aufgaben eines Priesters, sich davon zu überzeugen, dass diese Ehe von Gott gewollt ist.«