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Diese Ausgabe enthält folgende Western: Alfred Bekker: Höllenjob in Kansas Pete Hackett: Blutspur nach Westen Alfred Bekker: Der Spieler Max Brand: Black Jim - Ein Mann über dem Gesetz "Da kommen sie - diese verdammten Blauröcke!", presste Jeffrey Bridger zwischen den Zähnen hindurch. Zusammen mit mehr als zwei Dutzend Bewaffneten lauerte er in den steinigen Hängen und blickte in die langgezogene, gewundene Schlucht hinab. Eine Abteilung Kavalleristen der US-Army ritt dort entlang..."
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Mit dem Colt über dem Gesetz: Western Sammelband 4 Romane
Copyright
Höllenjob in Kansas
Blutspur nach Westen
Der Spieler
Black Jim – ein Mann über dem Gesetz
Diese Ausgabe enthält folgende Western:
Alfred Bekker: Höllenjob in Kansas
Pete Hackett: Blutspur nach Westen
Alfred Bekker: Der Spieler
Max Brand: Black Jim - Ein Mann über dem Gesetz
"Da kommen sie - diese verdammten Blauröcke!", presste Jeffrey Bridger zwischen den Zähnen hindurch. Zusammen mit mehr als zwei Dutzend Bewaffneten lauerte er in den steinigen Hängen und blickte in die langgezogene, gewundene Schlucht hinab. Eine Abteilung Kavalleristen der US-Army ritt dort entlang..."
Ein Cassiopeiapress E-Book: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Western
"Da kommen sie - diese verdammten Blauröcke!", presste Jeffrey Bridger zwischen den Zähnen hindurch. Zusammen mit mehr als zwei Dutzend Bewaffneten lauerte er in den steinigen Hängen und blickte in die langgezogene, gewundene Schlucht hinab. Eine Abteilung Kavalleristen der US-Army ritt dort entlang...
Packender Western von Erfolgs-Autor Alfred Bekker aus der Zeit nach dem amerikanischen Bürgerkrieg.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
"Da kommen sie - diese verdammten Blauröcke!", presste Jeffrey Bridger zwischen den Zähnen hindurch. Zusammen mit mehr als zwei Dutzend Bewaffneten lauerte er in den steinigen Hängen und blickte in die langgezogene, gewundene Schlucht hinab. Eine Abteilung Kavalleristen der US-Army ritt dort entlang. Sie befand sich offenbar auf dem Weg von Garden City nach Liberal im äußersten Südwesten von Kansas, nur ein paar Meilen vom Indianergebiet entfernt. Bridger zielte mit der Winchester auf den Kommandanten der Abteilung. Der Uniform nach hatte er den Rang eines Captain. In Bridgers Gesicht zeigte sich ein kaltes Lächeln.
"Diese Yankees werden es bitter bereuen, uns bis hier gefolgt zu sein!", murmelte einer der anderen Männer. "Worauf wartest du noch, Jeff? Knallen wir sie ab wie Kaninchen!"
*
Der Kerl, der das gesagt hatte, hielt einen Revolver in der Linken. Der rechte Arm fehlte. Der Ärmel seiner Jacke aus fleckigem Drillich hing schlaff herunter.
"Wir warten noch, Leslie!", bestimmte Bridger. "Erst wenn wir die Chance haben, diesen ganzen Trupp auf einmal zu erledigen, geht es los!"
Der einarmige Leslie verzog das Gesicht.
"Du bist der Boss, Jeff!"
Bridger bleckte die Zähne wie ein Raubtier. "Vergiss das nicht, Leslie!"
"Wie könnte ich!", erwiderte der Einarmige mit leichtem Spott in der Stimme.
Fast ein ganzes Jahr war seit dem Ende des Bürgerkriegs vergangen. Monate, in denen sich die Anhänger des im Auftrag der Konföderierten operierenden Guerilla-Führers William C. Quantrill hatten verstecken müssen. In alle Winde hatten sich Quantrills Leute zerstreut. Die Brüder Frank und Jesse James ebenso wie Jeffrey Bridger. Quantrill selbst war bereits im Juni 1865 von Blauröcken erschossen worden. Nur 28 Jahre war der berüchtigte Guerilla-Führer geworden, der durch die grausamen Plünderungen der von ihm angeführten Bande bekannt geworden war. Besonders im Grenzgebiet von Kansas und Missouri hatten Quantrills Reiter gewütet. Kaum eine Stadt war dort nicht von Quantrills Leuten heimgesucht worden. Bis zu vierhundert Reiter hatten unter seinem Kommando gestanden. Banditen, die mit Billigung und Unterstützung der Confederated States of America ihrem grausamen Geschäft nachgegangen waren.
Inzwischen war ihre Schutzmacht jedoch untergegangen. Unionstruppen hatten das zwischen Gegnern und Befürwortern der Sklaverei zersplitterte Kansas besetzt. Quantrills Bande hatte sich daher in mehrere kleinere Gruppen aufgespalten, die jetzt auf eigene Faust mit ihrem blutigen Handwerk fortfuhren. Auch ohne die Fassade irgendeiner politischen Idee.
Männer, die nichts anderes gelernt hatten, als zu töten und rauben.
Manche von ihnen trieb der pure Hass auf den Norden. Die meisten trieb die reine Geldgier und die Aussicht auf reiche Beute.
Bridgers Zeigefinger spannte sich um den Stecher des Sharps-Gewehrs.
Ein Schuss löste sich, hallte zwischen den Hängen wider.
Für Bridgers Meute das Signal zum Angriff.
*
Captain John Reilly führte den Trupp von US-Kavalleristen an. Der hochgewachsene Offizier ließ den Blick seiner grauen Augen über die Steilhänge schweifen.
Bislang hatte er nichts Verdächtiges entdeckt. Aber Reilly war sich der Tatsache bewusst, dass er sich mit seinem Trupp gewissermaßen in Feindesland befand.
Zwar war Kansas inzwischen von Unionstruppen besetzt und Quantrill erschossen worden, aber noch immer streiften kampferprobte Banden durch das Land. Banden, die aus ehemaligen Quantrill-Kämpfern bestanden, dessen irreguläre Kämpfer sich zerstreut hatten.
Viele von ihnen zog es in den äußersten Südwesten von Kansas.
Die Nähe zum Indianergebiet zog sie an. Das Gebiet der sogenannten zivilisierten Indianernationen hatte seine eigene Gerichtsbarkeit. Doch die galt nicht für Weiße. Für sie war das gewaltige Oklahoma-Territorium ein nahezu gesetzloser Ort. Kein Wunder, dass es die Banditen aus den Nachbarstaaten anlockte wie das Licht die Motten.
Die ehemaligen Quantrill-Kämpfer konnten dieses Gebiet daher als bequemen und sicheren Rückzugsort nutzen.
Viele der lokalen Gesetzeshüter hatten allerdings gar kein Interesse daran, ehemaligen Quantrill-Leuten nachzustellen, da sie insgeheim mit ihnen sympathisierten.
Der Krieg war zwar beendet, aber der Riss, der durch die Bevölkerung von Kansas ging, war damit noch lange nicht gekittet worden. Noch immer gab es zahlreiche Sympathisanten des Südens, die Banditen wie die James-Brüder oder Jeffrey Bridger deckten.
Auf ihrem Weg Richtung Oklahoma hatten Captain John Reilly und seine Leute Dodge City und Garden City passiert. Viele Einwohner hatten sie mit offenen Armen empfangen. Aber es gab auch Menschen, die den Blauröcken mit Misstrauen begegneten. Reilly nahm an, dass die Nachricht vom Eintreffen der Kavallerie-Abteilung seinen Leuten längst vorausgeeilt war.
Ein Höllenjob lag vor Reilly und seinen Männern.
Südlich von Garden City sollte sich die Bande von Jeffrey Bridger versteckt haben. Ein paar erfolgreiche Banküberfälle hatten sie verübt, bevor sie im hintersten Winkel von Kansas untergetaucht waren.
Der Erfolg hatte Bridgers Bande Zulauf gebracht. Gewöhnliche Kriminelle waren ebenso darunter wie ehemalige Angehörige der Konföderierten-Armee, die der Illusion anhingen, dass die Sache des Südens doch noch nicht verloren war.
Captain Reilly hatte den Auftrag, Bridger und seine Bande zu zerschlagen. Wenn möglich sollten die Anführer vor Gericht gestellt werden.
Neben Reilly ritt Lieutenant Ben McCall, ein blonder Mittdreißiger mit hellblauen, wachen Augen. Die Zügel seines Braunen führte McCall mit der Linken. Die Rechte ruhte auf dem Army-Holster am Gürtel.
"Es würde mich nicht wundern, wenn Bridgers Leute hier irgendwo auf uns lauern würden, Sir", murmelte Ben McCall. Der Lieutenant blinzelte gegen die tiefstehende Sonne.
"Dies ist Bridgers Land", stellte der Captain fest. "Aber wir sind hier, um es ihm weg zu nehmen!"
"Aye, Sir!", nickte Ben McCall. "Dass man dazu eigentlich viel mehr Leute bräuchte, muss ich Ihnen ja wohl nicht sagen!"
Reilly lachte heiser.
"Danach fragt niemand", erwiderte der Kommandant.
Das Wiehern eines Pferdes veranlasste beide Männer dazu, sich in den Sätteln herumzudrehen.
Das Pferd von Corporal Ray Taggert scheute.
Der dunkelhaarige Mann schaffte es mit Mühe, den Gaul wieder unter Kontrolle zu bekommen. Taggert beugte sich vor, fasste dem Tier an die Nüstern. Es beruhigte sich.
Die Abteilung hielt.
"Was ist los?", rief John Reilly.
Der Corporal richtete sich im Sattel auf. Er zuckte die breiten Schultern.
"Keine Ahnung, Sir. Vielleicht hat ein Insekt meinen Braunen gestochen."
In diesem Moment krachte ein Schuss von den Steilhängen herab. Die Kugel pfiff haarscharf an Captain Reillys Kopf vorbei. Um kaum einen Fingerbreit verfehlte sie ihn. Reilly zog den Colt aus dem Army-Holster. Das Pferd scheute, stellte sich wiehernd auf die Hinterbeine.
Weitere Schüsse pfiffen den Blauröcken um die Ohren.
Überall wurde jetzt von den Hängen aus geschossen. Mindestens aus zwanzig Rohren, so schätzte Reilly.
Der erste Soldat wurde aus dem Sattel geholt, bevor er das Sattelgewehr gezogen hatte. Ein Zweiter, der den Sharps-Repetierer gerade aus dem Scubbard gezogen und durchgeladen hatte, bekam einen Kopftreffer. Ein Ruck ging durch den Körper des Kavalleristen. Er wurde nach hinten gerissen. Ein Fuß verfing sich im Steigbügel. Das Pferd brach seitlich aus und schleifte den Toten hinter sich her.
Lieutenant Ben McCall und Corporal Ray Taggert hatten ihre langläufigen Army-Colts vom Kaliber .44 aus den Holstern gerissen und feuerten zurück. Die Angreifer schienen jedoch von allen Seiten zu kommen. Captain Reillys Truppe war in einen regelrechten Hinterhalt geraten.
Es gab so gut wie keine Deckung.
Innerhalb weniger Augenblicke waren ein halbes Dutzend Soldaten tot und lagen in ihrem Blut.
Reilly wusste sofort, dass es nur noch darum ging, das Schlimmste zu verhindern.
"Vorwärts!", brüllte er.
Dabei feuerte auch er seinen Colt ab.
Er zielte auf einen Busch, hinter dem er kurz zuvor Mündungsfeuer hatte aufblitzen sehen.
Ein heiserer Todesschrei vermischte sich mit den Schussgeräuschen.
Die Blauröcke preschten vorwärts. Es war eine Flucht nach vorn. Eine andere Möglichkeit blieb ihnen in diesem Moment auch nicht, wollten sie nicht bis auf den letzten Mann niedergemacht werden.
Lieutenant Ben McCall führte sie an, während Captain Reilly sich zurückfallen ließ.
Unablässig feuerte er den Revolver ab, bis die Trommeln leer waren. Dann griff er nach dem Sharps-Karabiner im Scubbard, riss die Waffe heraus und feuerte weiter.
Seine Männer wehrten sich, so gut sie konnten.
Hin und wieder hatte ihr Gegenfeuer auch Erfolg und einer der Angreifer stürzte getroffen aus seiner Deckung heraus.
Ein Pferd ging wiehernd zu Boden. Mehrere Schüsse hatten es im Bauchbereich getroffen. Der Reiter sprang rechtzeitig ab. Hart kam er auf den Boden, rollte herum und feuerte seinen Sharps-Karabiner ab.
Reilly hielt auf ihn zu.
Der Soldat kam auf die Beine, feuerte immer wieder in Richtung der Gegner.
"Auf meinen Sattel, Private!", rief Reilly, streckte die Hand nach dem Blaurock aus.
Der Mann ergriff sie, schwang sich hinter seinen Kommandanten. Reilly gab dem Gaul die Sporen. Zusammen mit den anderen schnellten sie auf das Ende der Schlucht zu.
Einige der Pferde, die mit ihnen galoppierten, besaßen keinen Reiter mehr.
Ungefähr ein Dutzend Männer hatte die Truppe inzwischen verloren.
Dazu kamen noch einige Verletzte.
Sie hetzten vorwärts, ließen die Pferde in einem wahnwitzigen Tempo die Schlucht entlang preschen. Diese machte nach etwa dreihundert Yards eine Biegung. Der Geschosshagel, der bis dahin auf die Blauröcke hernieder geprasselt war, verebbte. Offenbar hatten sich hier keine ehemaligen Quantrill-Guerillas auf die Lauer gelegt.
Reilly war einer der Letzten, der die Biegung passierte.
Lieutenant Ben McCall hatte inzwischen schon dafür gesorgt, dass die Truppe hielt. Mit bloßer Stimmgewalt allerdings, denn der Trompeter war unter den Gefallenen.
Die Kavalleristen sammelten sich.
Reilly zügelte seinen Gaul.
"Steigen Sie ab und nehmen Sie sich eines der Pferde ohne Reiter!", wies er den hinter ihm sitzenden Soldaten an.
"Aye, Sir!"
Der Soldat sprang auf den Boden.
Er wandte sich an seinen Kommandanten. "Danke, Sir! Sie haben mir das Leben gerettet!"
Reilly musterte ihn kurz.
"Wie heißen Sie?"
"Private Jim Hughes, Sir!"
Der Captain nickte leicht. Er erinnerte sich daran, Hughes' Namen auf der Personalliste für diese Mission gelesen zu haben. Hughes war bereits Corporal gewesen. Wegen Disziplinlosigkeit hatte man ihn wieder zum einfachen Soldaten degradiert. Diese Mission war für ihn die Chance, seinen Rang zurück zu erhalten.
Hughes fasste eines der herrenlosen Pferde am Zügel, schwang sich in den Sattel.
Corporal Ray Taggert meldete sich zu Wort.
"Wir haben 13 Männer verloren, fünf sind verletzt und brauchen dringend medizinische Behandlung!", meldete er.
"Der nächste Arzt dürfte in Liberal zu finden sein", stellte Lieutenant McCall fest. "Das ist noch etwa einen Tagesritt von hier. Mit den Verletzten wird es natürlich nicht so schnell gehen."
Reilly blickte sich um. Einige der Angeschossenen hielten sich nur mühsam im Sattel. Nicht alle von ihnen würden es bis Liberal schaffen.
"Wir müssen aus dieser Schlucht heraus!", erklärte Reilly. "Wenn wir eine Stelle finden, an der wir einigermaßen Deckung haben, bleiben wir dort."
"Glauben Sie, dass die Banditen wieder angreifen?", fragte Ben McCall.
Reilly schüttelte energisch den Kopf.
"Nein. Die haben versucht, jedes Risiko zu vermeiden. Sie wissen genau, dass sie sich bei einem zweiten Versuch blutige Nasen holen würden!"
Reilly zog den Säbel.
Er trug ihn nicht am Gürtel, sondern hatte ihn vorn am Sattel hängen.
Mit der in der Sonne blinkenden Klinge wies er Richtung Süden.
"Vorwärts, Männer!", rief er.
Donnernd stampften Pferdehufe über den trockenen, nur mäßig bewachsenen Untergrund.
Sie erreichten schließlich den Ausgang der Schlucht. Dort gab es einige kleinere Felsformationen, bevor relativ offenes, hügeliges Land folgte, das nur hin und wieder durch kleinere Baumgruppen unterbrochen wurde.
Im Schutz der Felsen stoppte die Truppe erneut.
Reilly wandte sich an seine Männer und gab Befehle. Die Verletzten mussten notdürftig versorgt werden. Der Großteil der Männer sollte Deckung in der Umgebung suchen. "Sollten unsere Gegner uns folgen, werden Sie es schwer haben! Wir werden uns hier eine Weile einigeln."
"Sir! Was ist, wenn sich die Banditen einfach aus dem Staub machen?", fragte McCall. "Sie haben selbst erwähnt, wie risikoscheu die Brüder sind!"
Reilly nickte. "Die haben uns kalt erwischt."
"Während wir uns die Wunden lecken, sollte ihnen jemand folgen!", forderte McCall.
Jim Hughes meldete sich freiwillig. "Das könnte ich machen!"
Reilly musterte den Degradierten stirnrunzelnd.
"Können Sie Fährten lesen, Private Hughes?"
"Um ein so großes Rudel Wölfe zu finden, wird es ausreichen!"
"Okay, dann versuchen Sie Ihr Glück. Ich bestehe allerdings darauf, dass ein weiterer Mann Sie begleitet. Reiten Sie einen Bogen. Sollten die Kerle sich davonmachen, dann vermutlich Richtung Süden oder Südwesten."
"Ja, Sir."
"Wir treffen uns in Liberal, Private Hughes!"
*
Die Sonne stand bereits tief und war milchig geworden, als ein einsamer Reiter die kleine Stadt Liberal im äußersten Südwesten von Kansas erreichte. Die Grenze zum Indianer-Territorium war nur wenige Meilen entfernt.
Eine Main Street, ein paar Häuser, drei Saloons, ein Office für den Sheriff und eine Kirche - das war Liberal. Früher hatte es zahlreiche Ranches und Farmen in der Umgebung gegeben. Aber der Krieg, der in Kansas vor allem ein Krieg zwischen irregulären Banden beider Seiten gewesen war, hatte dafür gesorgt, dass viele Siedler aufgegeben hatten und weiter nach Westen gezogen waren. Alles, was man diesen Menschen über blutdurstige Prärie-Indianer erzählt hatte, war offenbar weniger grausig gewesen als das, was ihnen durch weiße Kriegsmeuten drohte.
Der einsame Reiter erreichte die Main Street.
Misstrauische Blicke begleiteten ihn.
Auf den ersten Blick wirkte er wie ein Indianer. Er trug einen eng anliegenden Anzug aus Wildleder. Sein blauschwarzes Haar war zu einem Zopf zusammengefasst. Um die Hüften trug er einen breiten Revolvergurt, an dem außer dem Holster für den Colt noch ein langes Bowie-Messer hing. Eine Winchester 44 steckte im Sattelschuh.
Der Reiter lenkte seinen Braunen auf den größten der drei Saloons zu.
Am Saloon stand in großen Buchstaben "Fire Water".
Auf der anderen Straßenseite sammelten sich ein paar Männer, tuschelten miteinander und starrten immer wieder zu dem Fremden.
Sein Gesicht war sehr dunkel.
Selbst für einen Indianer.
Die breite Nase entsprach auch nicht dem gewohnten Profil.
Der Fremde stieg vom Pferd, machte den Braunen am Hitchrack vor dem "Fire Water" fest und passierte anschließend die Schwingtüren.
Zänkisches Stimmengewirr mischte sich mit dem Spiel eines talentlosen Pianisten.
An einem der Tische war eine Pokerrunde im Gange. Am Schanktisch stand ein gutes Dutzend Männer, die auf den ersten Blick wie Cowboys aussahen. Allerdings fiel auf, dass keiner von ihnen Chaps trug. Außerdem waren die Colts der Männer sehr tief geschnallt, was einen Cowboy bei der Arbeit behindert hätte.
Revolvermänner!, dachte der Fremde. Einige von ihnen hatten sogar zwei Waffen am Gürtel.
Das Stimmengewirr ebbte etwas ab, als die Saloon-Zecher auf den Fremden aufmerksam wurden.
Er ging zum Schanktisch, winkte den Salooner herbei, einen schmächtigen Mann mit tiefliegenden Augen und buschigem Schnauzbart.
"Mein Name ist Tom White Feather. Ist in letzter Zeit eine Truppe von Army-Kavalleristen durch Liberal gekommen?"
"Nein, nicht, dass ich davon gehört hätte", sagte der Salooner. "Und normalerweise höre ich alles, was in der Gegend so vor sich geht."
"Verstehe. Kann man hier telegrafieren?"
"Konnte man vor dem Krieg, Mister."
"Und was ist mit einem Mietstall?"
"Am Ende der Straße."
Tom White Feather legte eine Münze auf den Tisch. "Ich möchte ein Zimmer für die Nacht, eine warme Mahlzeit und einen Kaffee, der Tote erweckt!"
Der Salooner blickte auf die Münze. Er zögerte, ehe er sie einsteckte.
"Keinen Whisky?", vergewisserte er sich.
Tom White Feather schüttelte den Kopf. "Ich trinke kein Feuerwasser."
"War ja nur 'ne Frage."
"Ich habe zu viele Indianer wie hilflose Narren herumtorkeln sehen."
"Ist sicher besser, man lässt die Finger von dem Zeug. Sagt unser Reverend auch immer." Ein verlegenes Grinsen erschien im Gesicht des Salooners. "Allerdings lebe ich unglücklicherweise davon, das Zeug zu verkaufen. Ob an Weiße, Rote oder Chinesen ist mir ganz egal!"
Toms Gesicht blieb unbewegt.
"Bringen Sie mir das Essen an den Tisch", forderte er.
"Ja, Mister."
Tom drehte sich um.
Am Pokertisch hatten die Männer inzwischen aufgehört zu spielen. Sie starrten Tom White Feather an.
Einer der Kerle stand auf.
Er trug einen fast knöchellangen Saddle Coat.
"Hey, bedienst du inzwischen schon jeden, Derry?", rief er zum Salooner hinüber.
"Wenn er bezahlt schon."
Der Saddle Coat-Mann spuckte aus und schlug den Mantel zur Seite, sodass der tiefgeschnallte Revolver sichtbar wurde. "Du bist halt eine geldgierige Ratte ohne Ehre, Derry", zischte er zwischen den schmalen Lippen hindurch. "Aber bei mir ist das anders." Er umrundete den Tisch, stellte sich breitbeinig in der Mitte des Schankraums auf. Seine Daumen klemmten hinter dem Gürtel. "Von welchem Stamm bist du?", fragte er.
"Ich bin Cherokee", erwiderte Tom White Feather ruhig.
"Ich mag keine Cherokees!"
"Dann würde ich vorschlagen, dass wir uns aus dem Weg gehen. Ich bin nicht auf Ärger aus."
"Du bist ziemlich dunkel für einen Indianer... Sieht mir nach Niggerblut aus. Wer war dein Vater?"
"Er war Cowboy."
"Und vorher? Ein entlaufener Niggersklave, habe ich Recht?"
Niemand sagte einen Ton. Es herrschte absolute Stille im "Fire Water". Der Saddle Coat-Mann schien es auf Streit anzulegen. Er wandte sich erneut an den Salooner. "Gib dem verdammten Nigger-Halbblut sein Geld zurück", forderte er.
Der Salooner fing an zu schwitzen.
"Ich weiß nicht..."
"Na, los! Mach schon!"
Einer der Männer am Schanktisch meldete sich zu Wort. "Das Halbblut hat nach einer Schwadron von Yankee-Blauröcken gefragt, die er hier erwartet!"
Ein zynisches Grinsen erschien im Gesicht des Saddle Coat-Mannes.
"Sieh an. Hätte ich mir ja denken können. Ein Yankee-Nigger."
"Der Krieg ist vorbei", sagte Tom White Feather so gelassen wie ihm das in dieser Situation möglich war.
"Der Krieg ist für die Feiglinge der konföderierten Regierung vorbei! Das mag sein. Aber viele andere sehen das nicht so! Es gibt noch Männer, die die Sache des Südens für gerecht halten!"
"Sie meinen die Sklaverei?"
"Ich meine das Recht eines jeden Staates, die Union zu verlassen, wann immer er will. Genau das haben die Confederated States of America getan. Nicht mehr und nicht weniger. Aber der Norden hatte etwas dagegen, dass im Süden ein verfassungsmäßig garantiertes Recht in Anspruch genommen wurde!"
Tom White Feather zuckte die Achseln.
"Akzeptieren Sie es besser, wie es jetzt ist", riet Tom. "Jeder Mensch hat dasselbe Recht auf Freiheit, gleichgültig mit welcher Hautfarbe er geboren wurde! Ob es Ihnen nun passt oder nicht, Sie werden sich daran gewöhnen müssen!"
Der Salooner umrundete den Schanktisch. In leicht gebeugter Haltung näherte er sich Tom White Feather, reichte ihm die Münze, mit der der Halb-Cherokee zuvor bezahlt hatte. "Hier, nehmen Sie Ihr Geld zurück, Mister."
"Macht Ihnen der Kerl da vorne so viel Angst?", fragte Tom. Er steckte die Münze ein. Innerlich kochte er. Äußerlich wirkte er ruhig. Tom White Feather war es gewöhnt, dass Weiße ihm mit Verachtung gegenübertraten. Eine Schießerei war das in keinem Fall wert. Irgendwann würden auch der Saddle Coat-Mann und seine Kumpane am Pokertisch die Zeichen der Zeit akzeptieren müssen.
Tom machte einen Schritt in Richtung der Schwingtüren.
Die Stimme des Saddle Coat-Mannes ließ ihn erstarren.
"Halt, Yankee-Nigger!"
"Was ist noch?"
"Ich will wissen, was es mit den Blauröcken auf sich hat! Was hast du mit den Hurensöhnen zu tun, die nur hier her kommen, um uns Vorschriften zu machen?"
"Das geht Sie nichts an, Mister!"
"Ich will eine Antwort, Nigger!"
"Leben Sie wohl, Mister!"
Tom ging ungerührt an dem Saddle Coat-Mann vorbei, hatte die Schwingtüren gerade erreicht. Er wandte den Kopf zur Seite.
Aus den Augenwinkeln heraus nahm er eine Bewegung war.
Mit katzenhaft geschmeidigem Bewegungsablauf wirbelte Tom herum, griff zum Colt. Der Saddle Coat-Mann hatte den Revolver bereits in der Hand.
Beide Männer schossen annähernd gleichzeitig.
Der Saddle Coat-Mann schrie auf, taumelte zurück. Hemd und Mantel färbten sich rot. Die Wucht des Schusses ließ ihn wie einen gefällten Baum niederstürzen.
Tom hatte ihn an der Schulter erwischt.
Krampfhaft hielt der am Boden Liegende den Griff des Revolvers umfasst, aber der Arm wollte ihm nicht so recht gehorchen. Ein weiterer Schuss löste sich aus der Waffe, pfiff in einer Höhe von wenigen Inches über den Boden und fuhr einem der Zecher an den Tischen in den Stiefel. Der Mann stöhnte auf.
Tom White Feather trat auf den Saddle Coat-Mann zu und richtete den Colt auf dessen Kopf. Der Halb-Cherokee spannte den Hahn.
"Fallenlassen!", zischte Tom zwischen den Lippen hindurch.
Der am Boden Liegende ächzte. Sein Gesicht verwandelte sich zu einer Maske aus Wut und Schmerz. Aber er sah ein, dass er verloren hatte. Fürs Erste zumindest. Der Griff um den Revolver lockerte sich. Die Waffe rutschte auf den Boden. "Verdammte Nigger-Rothaut!"
"Sie haben Glück, dass Sie an mich geraten sind, Mister!"
"Bastard!"
"Ein schlechterer Schütze hätte Sie getötet."
"Man sieht sich im Leben immer zweimal, Nigger! Vergiss das nur nicht!"
Tom White Feathers Gesicht verzog sich zu einem dünnen Lächeln. "Sollten wir uns mal wiedersehen, werde ich vielleicht nicht so gut treffen!"
Rückwärts bewegte sich Tom wieder auf die Schwingtüren zu, hielt dabei die anderen Männer im Raum im Auge. So manche Hand war zum Colt gewandert. Aber keiner der Anwesenden wagte es, gegen Tom zu ziehen. Schließlich hatten sie alle gesehen, mit welcher Schnelligkeit dieser Fremde das Eisen zu benutzen wusste. Davor hatten sie offenbar Respekt.
"Ich bin nicht auf Ärger aus", sagte Tom. "Mit niemandem. Darum werde ich woanders essen."
Er passierte die Schwingtüren, steckte den Revolver ein und schwang sich auf sein Pferd. Im scharfen Galopp preschte er die Main Street entlang Richtung Mietstall.
Ein heißes Pflaster, dieses Liberal!, ging es dem Halb-Cherokee durch den Kopf. Ich kann nur hoffen, dass Captain Reillys Truppe hier bald eintrifft!
Auf jeden Fall hatte Tom White Feather keine Lust, auch nur eine Minute länger in Liberal zu bleiben als unbedingt notwendig...
*
Jim Hughes zügelte sein Pferd. Zusammen mit einem weiteren Kavalleristen namens Sam O'Mara war er einen weiten Bogen geritten, um auf jene Anhöhen zu gelangen, von denen aus die Angreifer auf die Blauröcke gelauert hatten.
Hughes stieg vom Pferd, blickte sich auf dem Boden um.
"Das sind die Spuren von mindestens einem Dutzend Gäulen", stellte er fest. Er deutete mit der Hand Richtung Südwesten. "Sie führen dort auf die Hügel zu."
"Ich dachte, es wären viel mehr Männer gewesen, die uns angegriffen haben", meinte Sam O'Mara.
"Ich schätze, dass dies nur ein Teil der Bande war", sagte Hughes. Schließlich haben die Kerle sich hier überall in der Gegend verteilt und auf uns gelauert."
"Feige Hunde sind das!"
"Mit einer offenen Feldschlacht konnte wohl niemand von uns rechnen."
"Da haben Sie allerdings Recht, Hughes."
Sam O'Mara war ein schlanker, drahtiger Mann. Kaum zwanzig Jahre alt und weizenblond wie die grasbewachsenen Ebenen von Kansas. Trotz seiner Jugend hatte der Bürgerkrieg dafür gesorgt, dass er schon mehr Kampferfahrung besaß, als andere Kavalleristen am Ende ihrer gesamten Dienstzeit vorweisen konnten. Unter anderem war O'Mara in Gettysburg dabei gewesen. "Wir wollen Gott nicht um den Sieg bitten - schließlich wissen wir ja nicht, ob wir auf seiner Seite kämpfen", hatte Präsident Lincoln vor der Schlacht zu den Soldaten gesagt. Worte, die sich in O'Maras junges Bewusstsein eingebrannt hatten. Inzwischen war auch dieser große Humanist im weißen Haus durch einen fanatischen Anhänger des Südens ums Leben gekommen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Regierung der Confederated States of America zwar kapituliert hatte, aber damit die klaffende Wunde, die mitten durch das Land ging, noch lange nicht geheilt war.
Die Truppen der Union mussten sich nun im wahrsten Sinn des Wortes daran machen, das verlorene Terrain zurückzuerobern. Da gab es nicht nur den Widerstand ehemaliger Südstaaten-Guerillas, sondern auch noch die aufmüpfig gewordenen Indianer weiter westlich. Schließlich waren viele Army-Forts und -Stützpunkte im fernen Westen während des Krieges verlassen worden. Jetzt wurden sie nach und nach wieder besetzt. Gleichzeitig waren natürlich großer Teile der Army gleich nach Kriegsende demobilisiert worden. Für die verbleibenden Berufsoldaten gab es daher alle Hände voll zu tun. Mochte auch offiziell ein Waffenstillstand unterzeichnet worden sein - die Waffen schwiegen mancherorts noch immer nicht.
Jim Hughes schwang sich wieder in den Sattel.
"Sehen wir zu, dass wir die Bande einholen."
"Sie glauben, dass es die Leute sind, derentwegen wir hier her kamen!"
"Zählen Sie zwei und zwei zusammen und Sie kommen zu demselben Schluss, O'Mara!"
Sie preschten auf die Anhöhen zu.
Kurz bevor sie die kleinere Gruppe von knorrigen und teilweise vertrockneten Bäumen erreichten, vereinigte sich die Spur, die Hughes gefunden hatte, mit einer zweiten Spur.
Sie stammte von einer Reitergruppe, die noch etwas zahlreicher sein musste als die Erste.
Ein triumphierendes Grinsen erschien auf Jim Hughes' Antlitz.
"Was habe ich Ihnen gesagt, O'Mara?"
Der junge Mann nickte. "Wie schätzen Sie den Vorsprung ein, den die Bastarde haben?"
"Nicht allzu groß. Die Spuren sind recht frisch. Und außerdem wissen die Kerle nur zu gut, was sie unter unseren Leuten für ein Blutbad angerichtet haben. Denen ist klar, dass wir ihnen nicht sofort mit der ganzen Truppe nachsetzen und sie stellen können. Außerdem kennen sie das Gelände. Sie sind hier zu Hause und schon deswegen im Vorteil."
"Was schlagen Sie vor, Hughes?"
"Wir folgen ihnen in einem Abstand, der groß genug ist, dass sie uns nicht bemerken. Sollte das nämlich der Fall sein, haben wir beide ziemlich schlechte Karten!"
"Verstehe."
"Ich schätze, die Bande hat irgendwo in der Gegend einen Unterschlupf gefunden, wohin sie sich zurückziehen kann."
"Vermutlich verbunden mit einem reichlich ausgestatteten Waffen- und Munitionslager!", ergänzte O'Mara.
Hughes lachte heiser auf.
"Davon können Sie ausgehen! Diese Hunde haben mit ihren Überfällen mehr verdient, als wir bekommen würden, wenn wir bis achtzig im Sattel säßen!"
O'Mara schob sich den Hut in den Nacken.
"Schon mal darüber nachgedacht, auf der falschen Seite zu sein?"
Hughes schüttelte den Kopf. "Nein", erklärte er knapp. "Außer vielleicht..."
"Ja?"
Hughes' Gesicht wurde finster.
"In dem Moment, als ich ungerechterweise vom Corporal zum einfachen Kavalleristen degradiert wurde, musste ich kurz darüber nachdenken. Geld war mir nie besonders wichtig. Aber man fragt sich dann: Wozu setzt man sein Leben ein, wenn das der Dank ist?" Hughes zuckte die breiten Schultern. "Vielleicht habe ich mir die Sache auch selbst zuzuschreiben. Allerdings habe ich jetzt keine Lust, darüber zu reden, okay?"
"Okay", sagte O'Mara.
Sie ritten in einem mittleren Tempo auf die Anhöhen zu.
Die Pferde sollten nicht zu sehr beansprucht werden. Schließlich wussten die beiden US-Kavalleristen ja nicht, wann sie in nächster Zeit das Letzte aus den Tieren herausholen mussten. Oben angelangt blickten sie sich um.
Von den Banditen war nichts zu sehen, obwohl man einen ziemlich weiten Blick hatte bis zu einer weiteren Hügelkette am Horizont. Dafür waren die Spuren der Reitergruppe in dem weichen, grasbewachsenen Boden praktisch nicht zu übersehen. Auch dann nicht, wenn man kein indianischer Fährtenleser war, sondern sich auf diesem Gebiet lediglich Grundkenntnisse angeeignet hatte, wie es für Hughes zutraf. Die Spur eines einzelnen Reiters wäre schon wesentlich schwieriger zu verfolgen gewesen. Aber so bestand keine Gefahr, die Fährte zu verlieren.
Die Stunden krochen dahin.
Die meiste Zeit über ritten sie schweigend.
Die Sonne sank immer tiefer, stand schließlich als glutroter Ball über dem Horizont.
Ein paar Stunden noch und es würde so dunkel sein, dass man die Hand nicht vor Augen sehen konnte.
Aber bis dahin hatten die Kerle ihr Ziel vielleicht schon erreicht.
Dämmerung legte sich wie grauer Spinnweben über das Land.
Am Ufer eines Creek, der kaum noch Wasser führte, fanden Hughes und O'Mara die Angreifer schließlich. Sie waren gerade dabei, ihr Nachtlager zu errichten.
Die beiden Kavalleristen ließen sich aus dem Sattel gleiten. Die Pferde machten sie hinter einer Anhöhe an einem Strauch fest. Sie selbst versteckten sich zwischen ein paar knorrigen Bäumen.
Hughes hatte einen Army-Feldstecher dabei.
Die gesamte Umgebung war vom gegenwärtigen Standort der beiden Männer hervorragend zu überblicken.
Hughes nahm den Feldstecher von den Augen, reichte ihn an O'Mara weiter und meinte: "Die scheinen sich vollkommen sicher zu fühlen."
"Dazu haben sie wohl auch allen Grund", erwiderte Hughes. "Wenn sie hier die Nacht über lagern, schließe ich daraus, dass ihr Schlupfwinkel wohl noch sehr viel weiter entfernt sein muss, als ich dachte."
"Ich verstehe nicht, warum sie nicht versucht haben, unserer Truppe nachzusetzen und uns alle fertig zu machen. Sie hätten die Chance dazu gehabt!"
"Sie hätten sich blutige Nasen dabei geholt", gab Hughes zu bedenken. "Und sie sind nun mal Feiglinge, die jedes Risiko scheuen. Vielleicht setzen sie auch darauf, dass Captain Reilly den Rückzug befiehlt oder in Liberal auf Verstärkung wartet..."
"Aber davon wird wohl nichts eintreten, oder?", fragte O'Mara.
Hughes schüttelte entschieden den Kopf. "Nein. Rückzug ist für Captain Reilly ein Fremdwort. Und ich glaube nicht, dass wir Verstärkung bekommen werden. Es brennt an allen Ecken und Enden. Überall muss die Army eingreifen. Wir werden auf uns allein gestellt sein."
"Schöne Aussichten."
Hughes schlug O'Mara kameradschaftlich auf die Schulter.
"Schlimmer als in Gettysburg wird es kaum werden, O'Mara! Und das haben Sie ja auch überstanden."
"Wenn Sie das sagen..."
"Wir lagern hier in der Nähe und werden abwechselnd Wache halten. Wenn die Bande am Morgen aufbricht, folgen wir ihr."
"Okay."
Hughes öffnete sein Army-Holster, zog den Revolver hervor und öffnete die Trommel. Einzeln überprüfte er den Sitz der Pistons. Wenn eine dieser Papierpatronen ins Zahnräderwerk geriet, konnte die Waffe blockieren. Aus diesem Grund trugen professionelle Killer oft auch ein Doppelholster. Hughes steckte die Waffe zurück. "Wenn wir unsere Waffen benutzen müssen, haben wir schon verloren."
*
Tom White Feather hatte sein Pferd im Mietstall eines Mannes untergestellt, der Blacksmith hieß. Er war schon in den Sechzigern. Sein Sohn hatte sich freiwillig zu den Unionstruppen gemeldet und war in einem Kriegsgefangenenlager des Südens ums Leben gekommen.
Der Alte erzählte Tom die Geschichte und der Halb-Cherokee hörte einfach zu.
"Das verzeihe ich den Konföderierten nie", erklärte Blacksmith grimmig. "Leider gibt es immer noch genug, die glauben, dass der Krieg noch nicht zu Ende ist."
"Allerdings", murmelte Tom.
Er nahm den Sattel von seinem Pferd und führte das Tier in die Box.
"Wie lange werden Sie bleiben, Mr. White Feather?", fragte der Alte.
"Vielleicht eine Nacht, vielleicht auch zwei oder drei. Ich warte auf jemanden."
"Verstehe."
"Haben Sie etwas dagegen, wenn ich ebenfalls im Stall schlafe?", fragte Tom.
Blacksmith sah den Halb-Cherokee überrascht an. "Nein, warum sollte ich? Ich würde Ihnen dafür auch nichts berechnen. Aber wieso? Es gibt drei Saloons in der Stadt. Und seit nur noch wenige Cowboys und Farmarbeiter in der Gegend ihr Auskommen haben, ist jeder darauf angewiesen, seine Zimmer belegt zu haben."
Tom lächelte dünn.
"Mag sein. Aber im Fire Water habe ich weder eine Mahlzeit noch ein Zimmer bekommen und es könnte sein, dass es mir in den anderen Saloons ebenso ergeht."
"Wie auch immer. Legen Sie sich hier ins Stroh, wenn Sie wollen. Ich habe nichts dagegen."
Tom White Feather verließ zusammen mit dem alten Blacksmith den Stall.
Draußen warteten schon zwei Männer auf ihn.
Beide trugen einen Blechstern an der Brust und eine Winchester im Anschlag.
Tom White Feather erstarrte mitten in der Bewegung.
"Keine Bewegung", befahl der Größere der beiden Sternträger. Ein Mann mit weißblondem Haar und braungebranntem, markantem Gesicht. "Mein Name ist Gaynor und ich vertrete in dieser Gegend das Gesetz. Wer sind Sie?"
"Mein Name ist Tom White Feather."
"Mr. White Feather, Sie sind verhaftet. Schnallen Sie Ihren Revolvergurt ab."
"Ich bin Scout der US-Army und in offizieller Mission hier in Liberal."
"Das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, einen Mann ohne Grund einfach nieder zu schießen."
"Wer sagt, dass ich so etwas getan habe?"
"Zwanzig Gäste im Fire Water Saloon würden notfalls vor Gericht beschwören, dass Sie einem Mann namens Nat Gready ohne Grund eine Kugel in den Leib gejagt haben."
Tom hob die Augenbrauen. "Dieser Kerl mit dem langen Mantel?"
Ein dünnes Lächeln zeigte sich im Gesicht des Sheriffs. "Na sehen Sie, Sie erinnern sich doch!"
"Dieser Gready hat versucht mich zu provozieren und zuerst gezogen."
"Leider sind Sie der Einzige, der das so sieht, Mr. White Feather!"
"Diese Männer lügen!"
"Auch der Saloonbesitzer?"
"Gready hat ihn unter Druck gesetzt, mein Geld nicht anzunehmen!"
Sheriff Gaynor zuckte die Schultern. "Schätze, die Geschworenen werden dann irgendwann entscheiden, wessen Aussage glaubwürdiger ist. Ihre - oder die von zwanzig Männern mit gesunden Augen und nicht dem Hauch eines Motivs, Sie ungerechtfertigterweise zu belasten, Mister!" Gaynor feuerte. Der Schuss ging dicht vor Toms Stiefelspitzen in den Boden. "Und jetzt die Waffe runter, oder ich brenne Ihnen ein Loch in den Bauch."
Tom sah ein, dass er keine Chance hatte, den Revolver zu ziehen, bevor sein Gegenüber ein zweites Mal abdrückte.
"Sie machen eine großen Fehler", sagte der Halb-Cherokee.
"Abwarten."
Tom schnallte sich den Gurt ab, ließ ihn zu Boden gleiten.
Gaynors Deputy kam vorsichtig näher und hob ihn auf.
Gaynor selbst vollführte eine ruckartige Bewegung mit dem Lauf der Winchester,
"Na, los, wird's bald!"
In diesem Moment mischte sich Blacksmith ein. "Sheriff, Sie wissen, was Nat Gready für ein Mann ist!"
"Ach, ja?"
"Er hasst Schwarze. Und jeder, der etwas zu lang in der Sonne war, ist in Gefahr, von ihm als Nigger bezeichnet zu werden. Dem Kerl können Sie doch nicht glauben! Sorgen Sie lieber dafür, dass er und seine Leute hier aus Liberal verschwinden!"
"Dies ist eine freie Stadt in einem freien Kansas!", erwiderte Sheriff Gaynor ärgerlich.
"Sie können diesen Mann nicht ohne Beweise verhaften!", ereiferte sich Blacksmith.
"Die Aussagen der Leute im Saloon reichen mir", erklärte Gaynor. "Los jetzt, ich habe keine Lust, hier ewig herumzustehen.
Tom wurde über die Straße zum Sheriff Office geführt.
Es gab eine einzige Gefängniszelle. Deren Pritsche war bereits belegt. Ein graubärtiger Mann lag dort und schnarchte. Offenbar schlief er seinen Rausch aus. Jedenfalls stank er einige Yards weit nach Whisky.
"Ich hoffe, Sie haben genug Geld dabei, um für Gready den Doc zu bezahlen", grinste Gaynor.
Tom White Feather blieb ruhig.
Er ließ sich in einer Ecke der Zelle nieder.
Es hatte keinen Sinn, jetzt zu rebellieren.
Er konnte nur darauf hoffen, dass Captain Reilly und seine Leute möglicht bald in Liberal eintrafen.
*
Nur wenige Stunden machten Reilly und seine Leute Rast. Die Verletzten wurden notdürftig versorgt, Männern und Pferden eine kurze Pause gegönnt. Einer der Verletzten starb in dieser Zeit. Ihm würde niemand mehr helfen können.
Bei den anderen war zumindest einer in einem äußerst kritischen Zustand.
Die Soldaten fertigten aus Ästen und Decken eine Trage, die von einem Pferd über den Boden gezogen wurde. Die Prärie-Indianer transportierten auf ähnliche Weise ihren Hausrat und benutzten dazu die Stangen ihrer Tipis.
Die übrigen Verletzen mussten sich wohl oder über mehr schlecht als recht im Sattel halten.
Ein schnelles Vorankommen war auf diese Weise ohnehin nicht möglich.
Reilly gab den Befehl, die Nacht durchzureiten.
Wenn alles glatt ging, konnten sie im Vorlauf des nächsten Vormittags in Liberal sein.
Die meiste Zeit über ritten die Männer schweigend der Dämmerung entgegen.
Reilly hatte sehr wohl registriert, dass die Stimmung unter den Soldaten auf dem Nullpunkt angelangt war. Eine gefährliche Entwicklung. Alle Soldaten, die an dieser Mission teilnahmen, hatten sich auf verschiedenen Schlachtfeldern bewährt. Es war kein blutiger Anfänger dabei. Man konnte davon ausgehen, dass jeder dieser Blauröcke in etwa wusste, was auf ihn zukam. Und doch war es unter solchen Umständen nie ganz auszuschließen, dass es zu Desertionen und Meuterei kam, wenn die Stimmung vollends kippte und das Ziel unerreichbar erschien.
Lieutenant Ray Taggert ritt neben Reilly.
Auch er hatte die wachsende Nervosität und Gereiztheit unter den Männern registriert.
"Schlechter hätte dieses Unternehmen gar nicht beginnen können, Sir", wandte er sich an seinen Vorgesetzten. "Wir sind ziemlich dezimiert worden. Und dabei war unsere Truppe von Anfang an nicht gerade übermächtig!"
"Diese Banditen werden uns schon noch kennen lernen", erwiderte Reilly grimmig. "Unsere Kameraden sollen nicht umsonst gestorben sein!"
"Was glauben Sie, wie viele Leute für Bridger reiten, Sir?", fragte Taggert.
Reilly hob die Augenbrauen.
"Das weiß niemand genau. Aber es ist bei diesen wilden Haufen eigentlich immer dasselbe. Je mehr Erfolg sie haben, desto größer der Zulauf. Eigentlich hatte ich gedacht, dass diese Landplage mit Quantrills Tod in die Defensive geraten wäre. Aber das Gegenteil scheint der Fall zu sein!"
Die Dunkelheit setzte ein.
Die Nacht war mondhell, was das Fortkommen erleichterte.
Trotzdem geriet die Abteilung immer wieder ins Stocken und musste zwischenzeitlich den Ritt unterbrechen. Entweder, weil es mit einem der Verletzen Probleme gab, oder weil im Schein einer Fackel versucht wurde, die Landkarte zu lesen.
Das Kartenmaterial, das der Unionsarmee über den Südwesten von Kansas zur Verfügung stand, war alles andere als detailgenau.
Aber es reichte, um den Weg Richtung Liberal zu finden.
Hier und da gab es Markierungen, die vor dem Krieg den Postkutschen als Wegzeichen gedient hatten.
Der Postverkehr war in dieser Gegend noch nicht wieder aufgenommen worden. Auch so viele Monate nach dem Waffenstillstand nicht. Die Situation war einfach noch nicht sicher genug. Die marodierenden Banden ehemaliger Guerillas hätten nur leichte Beute gehabt.
Schließlich graute der Morgen.
Der Trupp war nicht so schnell vorangekommen, wie Reilly gehofft hatte. Glutrot ging die Sonne auf. Es war kühl und die Männer fröstelten. Immerhin hatte sich keiner der ehemaligen Quantrill-Leute gezeigt. Es war so gekommen, wie Reilly es vorhergesagt hatte. Sie scheuten das Risiko eines zweiten Angriffs.
Doch bei nächster Gelegenheit, so war sich der Kommandant sicher, würden sie versuchen einen neuen Hinterhalt zu legen.
Als die Morgenkühle verflogen war, fantasierte der Verletzte auf der Liege im Fieberwahn.
Sein Name war Private Roger Garrison.
Die Schussverletzung hatte sich offenbar inzwischen entzündet. Die einzigen Medikamente, die der Schwadron zur Verfügung standen waren eine Flasche Whisky und etwas Morphium. Mit dem Whisky war die Wunde desinfiziert worden, von dem Morphium hatte Roger Garrison bereits einen Gutteil erhalten, um die Schmerzen einigermaßen erträglich zu machen.
Den anderen Verletzten, die es weniger schlimm erwischt hatte, blieb nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen.
Im Verlauf des Vormittags wurde es rasch wärmer.
Die Morgenkühle verflog, der Frühdunst verzog sich. Irgendwann war Garrisons Stöhnen nicht mehr zu hören.
Reilly wies Corporal Taggert an, das Signal zum Halten zu geben.
Die Abteilung hielt.
Reilly lenkte sein Pferd herum, ritt an der Reihe seiner Männer entlang, bis er Garrison erreicht hatte. Einer der Männer war bereits vom Pferd gesprungen und kümmerte sich um Garrison.
"Er ist bewusstlos!", stellte er fest.
"Gott sei Dank", war Reillys Kommentar.
"Auf jeden Fall ist es so leichter für ihn."
Der Trupp setzte seinen Weg fort.
Erst am frühen Nachmittag erreichten die Männer eine Anhöhe, von der aus die kleine Stadt Liberal zu sehen war.
Einige der Soldaten stießen Jubelrufe aus.
Reilly wandte sich an Corporal Taggert.
"Reiten Sie schon mal voraus und treiben Sie den Arzt auf, Corporal!"
"Jawohl, Sir", bestätigte Taggert.
Er gab seinem Pferd die Sporen und preschte voran.
Als der Trupp etwa eine halbe Stunde später ebenfalls in Liberal eintraf, warteten an der Main Street bereits jede Menge Schaulustige. Fast die gesamte Bevölkerung der kleinen Stadt schien auf den Beinen zu sein.
Kein Wunder, dachte Reilly.
Die Ankunft eines Trupps von Blauröcken war vermutlich das Ereignis des Jahres, so verschlafen wie dieses Nest wirkte.
Corporal Taggert kam Reillys Leuten im scharfen Galopp entgegen.
"Sir, hier gibt es einen Arzt namens Haines. Sein Haus liegt am Ende der Straße hinter dem Mietstall", meldete er. "Ich schlage vor, die Verletzten werden dorthin gebracht. Doc Haines hat bereits mit den Vorbereitungen begonnen."
"Danke Corporal", nickte Reilly. Er wies einige der Soldaten an, die Verletzten zu Doc Haines' Haus zu bringen.
Die anderen Kavalleristen machten vor dem Fire Water Saloon Halt, stiegen von den Pferden und banden die Gäule am Hitchrack fest.
"Nach dem, was hinter uns liegt, können die Männer sicher einen Schluck gebrauchen", meinte Lieutenant Ben McCall an Reilly gewandt.
"Keiner trinkt mehr als ein Glas Whisky!", befahl Reilly. "Sorgen Sie dafür, dass das eingehalten wird, McCall. Ich habe keine Lust, mit einer Truppe von Betrunkenen gegen Bridger und seine Meute zu reiten."
McCalls legte die flache Hand an die Hutkrempe.
"In Ordnung, Sir."
"Die Mannschaften werden im Mietstall bei den Pferden übernachten. Die Offiziere hätten das Recht darauf, ein Zimmer im Saloon anzumieten. Ich für meinen Teil werde davon keinen Gebrauch machen. Schließlich werden wir alle in der nächsten Zeit auf das Äußerste aufeinander angewiesen sein. Da kann sich so eine Ungleichbehandlung nur ungünstig auf die Stimmung innerhalb der Truppe auswirken."
"Verstehe, Sir."
"Was Sie tun, müssen Sie natürlich selbst wissen, McCall."
"Ich werde mich Ihrem Vorbild anschließen, Captain."
"Gut." Reilly grinste breit, wenn auch etwas matt. "Das wollte ich von Ihnen hören."
McCall gab die Befehle des Captain an die Männer weiter.
Reilly blickte sich inzwischen um. Er sah unter den Schaulustigen auch den Sheriff. Der Captain ging auf ihn zu.
"Guten Tag, Sheriff. Ich bin Captain Reilly und wir sind hier, um dem Terror der Bridger-Bande ein Ende zu machen."
Der Sternträger hatte offenbar Kautabak im Mund. Er spuckte ihn aus und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Ich heiße Gaynor - und gleichgültig, was Sie mir auch für Papiere vorlegen mögen - hier im Liberal County bin ich das Gesetz."
"Ich habe nicht vor, Ihnen in die Quere zu kommen, Mr. Gaynor."
"Schön zu hören. Vielleicht haben Sie schon bemerkt, dass nicht alle Bürger von Liberal von Ihrem Erscheinen begeistert sind."
"Wir machen unseren Job. Und das heißt, Jeffrey Bridger und seine Bande aufzuspüren und wenn es geht, gefangen zu nehmen. Wenn Sie uns keine andere Wahl lassen, müssen diese Banditen eben auf andere Weise ausgeschaltet werden!"
"Wir hatten bis jetzt keine Probleme mit Bridgers Leuten", sagte der Sheriff.
"Und Sie fürchten, dass sich das ändert, wenn wir hier unsere Arbeit machen?"
"Könnte doch sein."
"Es gibt immer noch keine Post, die nach Garden City, geschweige denn Liberal fährt. In Dodge City ist für alle Postkutschen Endstation. Soll das ewig so bleiben, Gaynor?"
Gaynor druckste etwas herum. Er schob sich verlegen den Hut in den Nacken. Reillys durchdringendem Blick wich er aus. "Manche sehen in Leuten wie Jesse James oder Jeffrey Bridger Kämpfer für eine gerechte Sache."
"Wenn das wirklich der Fall wäre, dann sollten diese Kämpfer nach Hause gehen, wie alle anderen unter Waffen stehenden Männer der Konföderierten auch! Aber für Leute wie Bridger war doch der Krieg von Anfang an nur ein Vorwand, um legal plündern und rauben zu können!"
Gaynor lachte heiser auf.
"Und was ist mit den irregulären Banden des Nordens?", fragte er grimmig. "Die sind in Topeka mit Orden behängt worden!"
"Mag sein", gab Reilly zu. "Aber jeder von denen, die jetzt noch einmal losziehen, um Anhänger der Sklaverei zu töten, werden von uns genauso unerbittlich gejagt wie Bridgers Meute!"
"Das möchte ich erst gesehen haben, Captain Reilly!", stieß Gaynor mit grimmigem Unterton hervor.
"Ich hoffe nicht, dass es jemals soweit kommen muss", erwiderte Reilly. "Die Banden, mit denen wir es im Moment zu tun haben, halten uns schon genug auf Trab. Bridgers Leute haben übrigens einen Hinterhalt für uns gelegt. Ziemlich zusammengeschossen haben uns diese Hunde! Das sind eiskalte Killer, Mr. Gaynor. Ich verstehe, dass Sie vielleicht während des Krieges mit der anderen Seite sympathisiert haben. Aber ich kann nicht begreifen, dass Sie wirklich Sympathie für solche Mörder hegen."
"Das tue ich nicht", versicherte Gaynor. "Ich wollte Ihnen gegenüber nur klarstellen, wer hier welche Rechte hat."
Reilly nickte.
"Das war ziemlich deutlich."
"Dann ist ja alles gesagt, Captain."
Gaynor wandte sich zum Gehen. Reillys Stimme hielt ihn zurück. "Warten Sie, Gaynor, da ist noch eine Sache..."
"Was?"
"Ich erwarte einen Scout, der hier auf unsere Einheit treffen soll. Ein Halb-Cherokee. Er heißt Tom White Feather. Schätze, Sie können mir sagen, ob er in der Stadt ist!"
Gaynor nickte. "Kann ich. Er sitzt in meiner Gefängniszelle, nachdem er im Saloon einen Mann über den Haufen geschossen hat."
"In dem Fall hatte er sicher einen guten Grund dafür!"
Gaynor lächelte zynisch. "Zwanzig Männer sagen das Gegenteil, Captain. Und jetzt verlangen Sie nicht von mir, dass ich Ihren Mann auf freien Fuß lasse!"
Reillys Gesicht wurde finster. "Genau das tue ich!", erklärte er.
"Bei mir beißen Sie da auf Granit, Captain!"
"Lassen Sie mich mit Tom White Feather reden!"
Gaynor atmete tief durch. "Na, meinetwegen..." Er schob sich den Hut in den Nacken. "Lassen Sie Ihren Gaul hier stehen. Das Office ist schräg über die Main Street."
Reilly nickte und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
"Okay, Gaynor."
*
Reilly und Gaynor gingen über die Straße und wichen dabei einem Frachtwagen aus, der in ziemlich hohem Tempo daherraste.
Neben dem Sheriff Office befand sich rechts ein Drugstore und links der "Drunken Indian", ein Saloon, der etwas kleiner als der "Fire Water" war. Ein Animier-Girl mit tief ausgeschnittenem Kleid lehnte an einem der Pfosten, die das Holzdach hielten.
"Hey, Blaurock, wie wär's mit uns!", rief sie. "Oder hast du deine Leute per Befehl dazu verdonnert zur Konkurrenz zu gehen! Ihr wisst gar nicht, was euch entgeht!"
Reilly sah zu ihr hinüber.
Aber sein Blick wurde von etwas anderem abgelenkt.
Im Obergeschoss des "Drunken Indian" war ein Fenster hochgeschoben worden. Etwas Dunkles, Metallisches schaute nicht mehr als drei Inch hervor.
Ein Gewehrlauf!
Er zeigte in Reillys Richtung.
Ein Schuss krachte los.
Blutrot zuckte das Mündungsfeuer hervor.
Reilly warf sich zu Boden, riss dabei Sheriff Gaynor mit sich. Der erste Schuss ging haarscharf an Reilly vorbei, schlug in den Boden ein und trieb eine Staubfontäne in die Höhe.
Reilly rollte sich herum. Dort, wo er gerade noch gelegen hatte, schlug die nächste Kugel ein. Er öffnete das Army-Holster, riss den 44er heraus und feuerte zweimal kurz hintereinander.
Ein unterdrückter Schrei ertönte. Der Gewehrlauf wurde zurückgezogen. Die Scheibe zersprang.
Von dem Schützen selbst hatte Reilly bis dahin nichts sehen können. Er war hinter den Gardinen im Halbdunkel des Zimmers verborgen gewesen.
Blitzschnell war Reilly wieder auf den Beinen.
Er drehte sich zu Gaynor herum. "Alles in Ordnung mit Ihnen?"
"Ich habe nichts abgekriegt!"
"Kommen Sie, den Kerl kaufen wir uns!"
Reilly stürmte auf die Schwingtüren zu.
Das Animier-Girl war schon beim ersten Schuss ins Innere des "Drunken Indian" verschwunden.
Reilly trat ein.
Gaynor folgte ihm mit gezogenem Colt.
Es waren nur wenige Männer im Schankraum. In einer Ecke saß ein stiernackiger Mann vor einem Teller mit gebratenen Eiern und Speck. Aber der letzte Bissen musste ihm buchstäblich im Halse stecken geblieben sein. Er saß vollkommen erstarrt da.
Neben dem Schanktisch führte eine Wendeltreppe hinauf ins Obergeschoss. Dort gab es hinter einer Balustrade Separees, die sich durch Vorhänge abgeteilt wurden.
"Gibt es hier eine Hintertür?", fragte Reilly.
Gaynor trat neben den Captain.