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"Mit den Augen der Siegerin" ist der zweite Band der Archetypen-Trilogie von Andrea Riemer. In diesem Band widmet sie sich den unzähligen Siegerinnen, denen sie seit Jahrzehnten immer wieder begegnet und die sie faszinieren. Es sind Frauen, die sie in ihrer Beharrlichkeit, in ihrem tiefen Glauben und in ihrer ureigenen Wahrheit beeindrucken und nachhaltige Spuren in ihr und auch im Außen hinterlassen. Es sind jene Frauen, die Heldinnen im Kleinen wie im Großen sind. Frauen, die nie aufgeben und die unbeirrt ihrem inneren Auftrag folgen. Frauen, die dazu stehen, allein sein zu wollen. Frauen, die bereit sind, ihre Familie zurückzulassen, weil sie in der Tiefe ihres Herzens nie dafür bestimmt waren, in einem Familienverband der alten Zeit zu leben. Frauen, die zu ihren Entscheidungen stehen und die Verantwortung dafür und für die Folgen tragen. Frauen, die sich selbst finden und denen die Kunst des Lebens gelingt. Auf ihre besondere, einzigartige Weise. Stellvertretend für all diese Frauen und auch die ungenannten Frauen steht die Protagonistin MagdaLene. Ihre Geschichte ist die Summe von unzähligen Geschichten von Frauen, die Heldinnen und Siegerinnen sind. In einem neutralen, skizzenhaften, beobachtenden Stil, in literarischen Bildern, die einen inneren chronistischen Zusammenhang haben, widmet sich die Autorin Themen wie Ausgegrenztheit, Ausbruch aus dem Nichts, falschen Entscheidungen, um doch dazu zu gehören, Erkennen der Illoyalität zu sich selbst, teuer erkaufte Erfolge, Neid, Missgunst, Hass, Misogynie, Vernichtung und Scheitern, Krankheit, Aufstehen und Auferstehungen und dem sich selbst Finden. Sie widmet sich auch der Liebe in ihrer Vielfalt und Vielschichtigkeit. Die Kunst, sich selbst zu leben und Glück dabei zu empfinden, das ist Siegerinnen vorbehalten. Dann erst beginnt das Leben so richtig – mit den Augen der Siegerin.
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Seitenzahl: 190
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Mit den Augen der Siegerin
Texte und Fotos
Andrea Riemer
Impressum
Autorin: Andrea Riemer
Eigentümerin des Textes und Verlegerin: Andrea Riemer
Reichenhaller Straße 13, 83395 Freilassing
Umschlagbildgestaltung: Andrea Riemer
Fotorechte für den Umschlag und die im Text verwendeten Fotos: Andrea Riemer (exklusiv)
1. Auflage 2024
Gender-Formulierung: Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, meint die gewählte Formulierung beide Geschlechter.
Alle Rechte, insbes. das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, sind der Autorin vorbehalten. Das Copyright zu allen Fotos in diesem Werk ist in den Händen der Autorin, da die Fotos von ihr selbst erstellt wurden.
Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm, Fotografie oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Autorin reproduziert oder unter Verwendung elektronischer und digitaler Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Siegerinnen und Heldinnen, Heldinnen und Siegerinnen - das sind Figuren, denen wir gerne begegnen. Wir verehren sie, oft im Stillen. Sie sind uns Beispiel für das eigene Leben. Sie schreiben eine Story, ihre höchstpersönliche Story. Manchesmal dramatisch. Manchesmal chaotisch. Manchesmal völlig unbemerkt. Doch es ist immer ihre höchstpersönliche Story. Früher nannte man diese Geschichten Märchen und Mythen.
Es sind nicht unbedingt die Erfolgreichen im Sport, in der Politik, in der Wirtschaft, in der Kultur, die mich berühren. Mir geht es um die unzähligen Siegerinnen, die ihr Leben doch noch in ihre Händen nehmen und es souverän gestalteten – nach ihren individuellen Wünschen und Vorstellungen.
Jene Frauen, die sich nie unterkriegen ließen. Jene Frauen, die Heldinnen im Kleinen wie im Großen sind.
Frauen, die nie aufgeben und unbeirrt ihrem Auftrag folgen.
Frauen, die sich aus einer unmenschlichen Unterdrückung befreien – auch wenn sie nicht genau wissen, wohin sie ihr Weg führt.
Frauen, die dazu stehen, auch allein sein zu wollen und zu können.
Frauen, die bereit sind, ihre Familie zurückzulassen, weil sie in der Tiefe ihres Herzens nie dazu bestimmt waren, Mutter zu sein – auch wenn es Jahre, geprägt von Kampf, Schmerzen und Erkrankungen dauerte, bis sie dies erkannten.
Frauen, die zu ihren Entscheidungen stehen und die Verantwortung dafür und für die Folgen tragen.
Diese Frauen werden oft beneidet, weil der Blick in die Tiefe ihres Daseins viel Mut und auch Aufwand fordert. Das ist von vielen schon zu viel verlangt. Sie sehen den vermeintlichen Glamour, die Auszeichnungen, die Titel, die öffentlichen Aufgaben. Sie sehen jedoch nicht den Spagat, den diese Frauen leben. Sie sehen nicht ihre Schmerzen, ihre Fragen, ihr Ringen. Oft kommt ein Flapsiges – na, sie muss es ja nicht, sie hat es sich ja selbst ausgesucht.
Ja – das ist zutreffend, doch keine Rechtfertigung, Frauen, die ihren Weg gehen, in einem Dauerfeuer aus Neid, Missgunst, Schadenfreude bei jedem noch so kleinen, boulevardesk ausgeschlachteten scheinbaren Fehltritt. All das mag auch geschlechtsunspezifisch gelten. Als Frau sehe ich mit den Augen und durch Augen einer Frau. Die Männerbrille maße ich mir nicht an.
Selten gehen diese Frauen den geraden, normierten Weg. Noch seltener ordnen sie sich – auf Dauer – gesellschaftlichen Zwängen unter. Sie sind Rebellinnen. Sie können auch Mütter sein. Doch Muttersein ist nie ihre erste Priorität, wenngleich sie für ihre Kinder da sind, wenn diese sie brauchen. Gleichwohl, es ist keine verschmelzende Liebe, denn sie hängen an niemanden. Nicht an Kindern. Nicht an Männern. Nicht am Ruhm. Nicht an Followern auf Social Media. Und schon gar nicht am fadenscheinigen und immer nur zeitweiligen Erfolg. Sie wissen um die eigene Vergänglichkeit im Lichte der Ewigkeit Bescheid.
Wie wird man zu einer befreiten Frau und Siegerin? Ist einem das in die Wiege gelegt? Kann man Siegerin Sein erlernen? Gibt es Geschichten dieser Heldinnen und Siegerinnen, die auch die Schattenseiten ihres Weges einschließen? Wollen sie, dass man ihnen nacheifert und sie als Leuchttürme betrachtet werden? Oder sind es jene, die still und leise, wie der Stein, den man ins Wasser wirft, ihre Kreise ziehen?
Jeder Weg ist speziell. Jeder Weg ist anders. Doch jeder Weg ist bemerkenswert und bestaunenswert. Jeder Weg ist Teil eines großen Ganzen.
Denn die Siegerin ist immer auch Heldin. Sie meistert es, wenn auch unter Schmerzen, mit klaren Gedanken und einem offenen Herz, bewusste Schlussstriche unter auserzählte Phasen ihres Lebens zu ziehen. Es ermöglicht ihr die Neutralität, das Beobachten und die Herzensgüte – für sich selbst. Jenseits des abgedroschenen Egoismus. Sie startet immer wieder neu, anders und überraschend. Für sich selbst. Für andere. Sie ist und bleibt unberechenbar und jenseits sogenannter Konventionen. So sehr kann sie diese zeitweilig gar nicht übernehmen und befolgen. Irgendwann befreit sie sich davon, weil sie ein Korsett sind, das ihr die Luft zum freien Atmen nimmt.
Jede Siegerin und Heldin ist Ausdruck von Archetypen. Archetypen sind Urbilder unserer Seele und unseres Unbewussten und Unterbewussten. Sie verdeutlichen Eigenschaften in bildlicher Form und überdauern Raum und Zeit. Man findet sie in allen Kulturen. Sie haben etwas Universelles, etwas Interkulturelles, etwas Märchenhaftes, etwas Mythologisches, etwas Psychologisches, etwas in die Tiefe Gehendes. Archetypen sind im besten Sinn sagen-haft.
Sie sind eine von vielen Möglichkeiten, Wissen und Weisheit weiterzugeben. Urformen des Inneren wurden so zu einer geronnenen Wirklichkeit, die das Kollektiv begleiteten und nachhaltig prägten. Wesentliche Vorstellungsinhalte konnten sich intergenerational und übergenerational manifestieren. Dies geschah autonom und für den Einzelnen nicht unmittelbar erkennbar – denn es läuft über unser Unbewusstes.
Es ist nicht etwas Buchstäbliches, physisch Anfassbares. Es sind keine Daseinsformen, mit denen am interagiert. Sie geben keine Anweisungen. Man kann mit ihnen daher auch in keiner Weise kommunizieren. Dafür sind Archetypen als Urbilder der Seele nicht „gemacht“.
Sie helfen uns, uns selbst und unseren Weg auszudeuten und immer ein Stück tiefer in einer oberflächlichen Gesellschaft zu gehen. In dieser Tiefe findet wahres Leben statt.
Analysiert man Kulturareale, dann stößt man auf Symbole, die immer wiederkehren. Archetypen sind nicht nur auf den Menschen und sein Inneres direkt bezogen, sondern auch auf das, was man als Weltenseele bezeichnet. Es sind Urstrukturen, Urbilder im Symbolischen, im natürlichen Geschehen unseres Soseins. So könnte man beispielsweise auch den Ablauf von Jahreszeiten symbolisch-urbildhaft als Ausdruck für Werden und Vergehen bezeichnen. Je tiefer man in die Materie eintaucht, umso grundsätzlicher werden die Erkenntnisse dazu. Archetypen als Urbilder der Seele helfen uns oft in spielerischer Weise, uns in einer Situation zu orientieren.
Archetypen begleiten und durch unseren Alltag, auch wenn sie oft gar nicht auffallen und sie integraler Teil unseres Seins geworden sind. Sie helfen, seelische Anteile zu erkennen und zu erkunden. Vieles davon ist durch Erlebnisse in der Kindheit, durch Prägungen und Normen aus der Familie und der Gesellschaft beeinflusst. Alles davon lässt sich wandeln, wenn man erkenntnisfähig und bereit dazu ist.
In der Literatur finden sich Archetypen zuhauf. Sei es in Sagen und Märchen, in Erzählungen und Geschichten. Sei in psychologischen Arbeiten, beispielsweise in jenen von C.G. Jung.
Archetypen sind auch ein wesentliches Element meiner Arbeiten. Phönix, Eros, Thanatos, Amor, Psyche und Phobos … es gibt so viele Archetypen, um auch die kleinste Nuance unserer seelischen Ausgestaltung zu umschreiben.
Es gibt diese Archetypen auf beiden Seiten der Geschlechter. Doch hier geht es darum, mit konkret beobachteten Geschichten hinzuweisen, was Sache ist. Das Männliche in seiner Zerrform muss sich wandeln, denn ansonsten kommt es mit dem Weiblichen nicht mehr mit. Wir benötigen jedoch beide Pole als Mensch, unabhängig vom physischen und sozialen Geschlecht, um unseren Weg erfüllt zu gehen.
Es geht in diesem Buch in ersten Linie um die bisherige Unterdrückung des Weiblichen und der Frau und die gelebte Befreiung aus dieser Unterdrückung, die mehr und mehr voranschreitet. Jenseits feministischer Klischees, die mich nie interessierten. Sie wären mir ein Korsett, das meinen Erfahrungen und Beobachtungen nicht entspricht.
Ich gebe dem Weiblichen in uns Raum. Es geht voran, um den stattfindenden Wandel zu begleiten und zu tragen. Es geht darum, Frausein aus einer anderen Sichtweise als den gesellschaftlichen Klischees entsprechend zu zeigen. Wertungen und Verurteilungen haben hier keinen Raum. Es geht auch nicht um eine Fehleranalyse aus psychologischer Sicht. Was hätte man anders oder besser machen können. Das ist aus den Augen der Siegerin irrelevant. Alles, was geschah, und sei es noch so schmerzhaft, sind Erfahrungen, die zu Erkenntnisse und Handlungen führen. Diese mögen für Außenstehende völlig unverständlich sein. Auch das ist irrelevant. Denn es gibt immer nur individuelle Wege. Keiner ging und geht je in den Schuhen des anderen.
Die Protagonistin des Themas ist nicht das Thema an sich. Namen bleiben – bis auf einen - bewusst ausgespart. Dass nur dieser eine Name verwendet wird, ist auch der Übersichtlichkeit für die Leserin und den Leser geschuldet. Mehr Namen würden nur verschleiern, was tatsächlich geschah. Denn: Es sind Geschichten von mehreren Frauen, die umschrieben wird – aus einer möglichst neutralen Beobachterin-Position.
Die hier erzählten Geschichten passieren so und ähnlich 100.000-fach in dieser Welt. Jetzt geht es um Wahrhaftigkeit. Die Wahrheit.
Es ist kein Mann-Bashing, sondern ist die Gegenüberstellung von bewussten, entwickelten und weniger bewussten und noch weniger entwickelten Menschen, die einander begegneten, ihre gemeinsame Verabredung auf höchster Ebene erfüllten und wieder auseinandergingen.
Worum ist in diesem Buch NICHT geht, ist die Nachahmung der Heldenreise nach Joseph Campell. Der hier dargestellte Weg ist nicht idealtypisch. Er ist voll von Brüchen und voll von zahlreichen Widersprüchen, die durchaus irritieren mögen. Doch genau diese Brüche und Widersprüche, das Mäandrieren, sind charakteristisch für einen individuellen Weg. Es geht dabei um Erfahrungen, die zu Erkenntnissen führen. Diese führen wiederum zu Schlussfolgerungen und münden in Handlungen.
Natürlich können auch Männer den Erkenntnisweg gehen. Sie tun es auch. Doch ich schreibe aus den Augen der Siegerin als Frau. Alles andere wäre nicht seriös.
Mich interessierte vor allem die Frage: Wie stellt man diesen Wandel eines Menschen anhand von Archetypen beispielhaft dar? Muss es immer ein Roman sein? Kann es auch einmal eine Serie von beobachteten Erzählungen sein? Wie eine Chronistin, die aus der Distanz, frei von persönlichen Anhaftungen Beobachtungen wiedergibt?
Diesen Zugang habe ich gewählt: Als Autorin bin ich die Erzählerin, die Beobachtende – aus der Distanz. Ich beobachte die Hauptfigur, MagdaLene, wie eine Chronistin des Weges dieser Frau, die der Kulminationspunkt von Erfahrungen vieler Frauen ist. Bewusst neutral, skizzenhaft im Stil. MagdaLene steht für viele Erfahrungen, die Frauen machten und noch immer machen. Dabei findet sich nichts Biografisches. Es sind vielerlei Erfahrungen von Frauen, die ich beobachtete und noch immer beobachte.
In Bildern des Lebens von MagdaLene, der weiblichen Hauptfigur, widme ich mich Themen wie der Ausgegrenztheit, dem Ausbruch aus dem Nichts, falschen Entscheidungen, um dazu zu gehören, dem Erkennen der Illoyalität zu sich selbst, teuer erkaufter Erfolge, Neid, Missgunst, Hass, Misogynie, Vernichtung und Scheitern, Krankheit, Aufstehen und Auferstehen und dem sich selbst Finden.
Dann erst beginnt das Leben so richtig. Alles davor war Schule, war Lernen. Wenngleich – aufhören tut es nie ganz, weil Wachstum vom ersten bis zum letzten Atemzug vorgesehen ist. Der Widerspruch ist dabei Lebensprogramm und gleichzeitig die große Wachstumschance. Es dauert immer wieder, bis dieses widersprüchliche Verhalten erkannt und gewandelt wird. Doch gerade dieser Widerspruch, der vom Außen oft harsch kritisiert und so wenig begriffen wird, bietet große Wachstumschancen für die Einzelne.
„Mit den Augen der Siegerin“ – weil wir, wenn wir wollen, in allem etwas erkennen können, das uns wachsen lässt und auf unserem individuellen Weg weiterbringt. Ich zeige, dass es unerheblich ist, was das sogenannte Außen über FrontRunner, über Menschen, die erkennen, dass sie außerhalb der gesellschaftlichen Norm aufgefordert sind, zu leben, denkt. Ich zeige, dass es nie um Vergleiche im Leben geht, sondern es geht ausschließlich darum, seinen Weg zu finden und zu gehen. Das erfordert Mut. Doch dieser Mut und ein paar andere Zutaten werden mittlerweile reichlich belohnt.
„Mit den Augen der Siegerin“ ist der 2. Band der Archetypen-Reihe. Auch wenn jeder Band für sich und in sich abgeschlossen ist, zieht sich, literarisch unterschiedlich verarbeitet, das Metathema der Archetypen als roter Faden durch.
Die Kapitel zu den Archetypen und ihren Ausprägungen mögen unterschiedlich lang umschrieben sein, weil das Leben sich auch nicht an menschliche Zeitvorgaben hält. Es gibt unterschiedliche Siege und Siegerinnen. Manche Abschnitte sind kürzer, weil man Lektionen erkennt und lernt. Andere Abschnitte sind länger, weil man für das Erkennen und Lernen länger braucht. Das ist so. Das wird in den verschiedenen beobachteten Bildern in diesem Buch gespiegelt.
Doch letztlich sind es fundamentale Eigenschaften von Siegerinnen wie der erwähnte Mut, das Stehen zu außergewöhnlichen Fähigkeiten, Begabungen und Talenten, immer wieder Aufstehen und Weitergehen, auch allein, Disziplin, Selbstreflektion, Akzeptanz, Vergebung, Versöhnlichkeit und Herzensgüte, die einen Weg formen.
Einfach? Nein.
Gehenswert? Ja. Unbedingt – jenseits aller Archetypen.
Lebenswert? Natürlich.
Man muss die Heldin seiner eigenen Lebensgeschichte sein, denn niemand sonst wird das für einen tun.
Herbst 2024 Andrea Riemer
„Es ist nur ein Mädchen.“ Mit diesem einladenden Satz, den ihr ihre Mutter Jahrzehnte später überreichte, wurde MagdaLene hier in dieser Welt, in diesem Leben begrüßt. Wie konnte eine Erstgeborene nur weiblich sein? Kein passender Erbe für das Unternehmen, das weder sie noch ihr jüngerer Bruder je übernahmen.
Nun gut, jetzt, wo sie schon mal da ist …
MagdaLene war das unwillkommene Mädchen. Dabei war sie am genau errechneten Tag geboren worden. Diese lästige Pünktlichkeit, die sie ihr ganzes Leben begleitete. Doch geschenkt in dem Moment. Ihre Mutter hatte nicht geliefert – was für eine Enttäuschung. Wer weiß, wie sie sich angesichts dieses Begrüßungssatzes für ihre Tochter fühlte … Sie war jung, knapp 20 Jahre, als sie ihr erstes Kind gebar. Die Familie ließ sie dieses Manko, nur eine Tochter geboren zu haben, auch spüren. Der Vater war eher hilflos, wenngleich er sich über „das gesunde Kind“ freute. Doch so gesund war MagdaLene dann doch nicht.
MagdaLene wurde in ihrer Familie vom ersten Moment an toleriert, doch nicht wirklich akzeptiert. Selbst Jahrzehnte später gab es subtile Hinweise, dass sie eben „nur“ eine Frau war, gleich, welchen außergewöhnlichen Weg sie beschritten hatte. Das Männliche war auch dann noch – irgendwie – dominant und wurde still und leise von der Mutter hofiert. Doch nur still und leise.
MagdaLenes Einstand war also nicht glücklich. Noch dazu war das Mädchen vom ersten Moment an kränklich. So „dachte“ dieses junge Wesen: besser wieder gehen - und legte sich mit fünf Wochen eine veritable Lungenentzündung zu, die fast letal ausging. Doch es wurde alles gemacht, wirklich alles, dass sie blieb. Die Ärzte kämpften um das Kind und um dessen Leben. Auch wenn dieses signalisierte, lasst mich, ich will da nicht bleiben und schon gar nicht in dieser Familie. Unbewusst hatte sie sich genau diese Eltern und diese Familie ausgesucht. Das wurde ihre Jahrzehnte nach der Lungenentzündung bewusst.
MagdaLene entwickelt sich zur Rebellin gegen alles und jeden. So klein und jung konnte sie gar nicht sein. Es war ihr vom ersten Atemzug fremd, hier zu sein. Wobei – was war „hier“? Einfach „hier“ – für MagdaLene. Doch ihr Zuhause war anderswo. Sie konnte es lange nicht benennen. Bewusst wurde ihr das erst viel später. Es war dieses tiefe Gefühl von Ablehnung, von einer schmerzhaften Trennung von der Quelle, wie sie es später bezeichnete. Verbunden war diese Ablehnung über Jahrzehnte mit Existenzängsten, mit der Angst verlassen zu werden und nicht versorgt zu sein. MagdaLene war ein lebendiges Paradoxon.
Gleichzeitig war die Ablehnung für MagdaLene – viel später erst – mit dem Erkenntnis, endlich zu sein, verbunden. Sie hatte bald die Hoffnung auf Akzeptanz, gar nicht auf Zuneigung oder gar bedingungsloser Liebe, aufgegeben. Dieser tiefe, uralte Schmerz, der oft durch Worte und Gesten anderer hervorbrach, dieser Schmerz schlummerte viele Jahre in ihr. Erst als sie in reifen Jahren bereit war, diesen Schmerz der Ablehnung bis zum Ende zu durchfühlen und tatsächlich an ihrer persönlichen Quelle zu gelangen, löste sich dieser Schmerz und sie war frei. In dem Momente musste sie niemand sein. Sie war einfach sie selbst. Doch das sollte noch viele Jahre dauern. War es diesen Weg wert? Unbedingt. Unbedingt und bedingungslos.
Wenn MagdaLene genau nachdachte, erinnerte sie sich schemenhaft an ihre Kindheit. Vielleicht an den ersten Tag im Kindergarten, wo sie sich verloren fühlte und sich in keine der Gruppe wirklich einfügen konnte. In ihrem so schicken türkisfarbigen Jäckchen, den schwarzen Hosen und den Stiefelchen. Alles schick. Alles süß, vor allem die Mohairmütze in dezentem Weiß. Sie war ein rebellisches, doch gleichzeitig in sich gekehrtes Kind. Da ist er, der Widerspruch, der sie ihr ganzes Leben begleitete.
Die Mutter und der Vater, die sie zum ersten Kindergartentag brachte. Ein Bilderfetzen in ihrer Erinnerung. Sicherlich hatten auch sie ein murmeliges Gefühl, die Älteste nun gehen zu lassen. Doch es gehörte in die damalige Zeit. Die Mutter arbeitete nahezu durch. Mutterschutz gab es, doch man ging lieber arbeiten, nur um nichts zu verpassen oder gar gekündigt zu werden. Es lag ein impliziter Zwang vor. Die Mutter kam aus einem Elternhaus, in dem Arbeit ihren Wert hatte. Als jüngstes Kind war sie die Benachteiligte, die Nachzüglerin, die Kleinste. Sie musste sich ihr Dasein erkämpfen. Sie war jene, die, wie MagdaLene, ihr Elternhaus jung verließ. Wohl auch, weil sie nicht glücklich, nicht gesehen, nicht geschätzt war – so liebevoll-streng ihre eigene Mutter auch war.
Der Kindergarten, in den MagdaLene nun für drei Jahre ging, daran hatte sie eine prägende Erinnerung. Die streng blickende Erzieherin und ihre immer klappernde Holzpantoffel. Dieses Geräusch, der Geruch der Frau, der immer mit Putzmittel vermischt war … sie bekam beides lange nicht aus ihrem Kopf. Doch eigentlich war da, in MagdaLenes jungen Kopf, für so vieles anderes Platz.
Sie nahm so viel wahr, plapperte darüber, wie Kinder es tun. Unverfälscht. Ehrlich. Unumwunden. Direkt. Einfach so sprudelten ihre Wahrnehmungen aus ihr heraus. Sie erntete befremdliche Blicke, im Kindergarten, in der Familie, im elterlichen Freundeskreis. Irgendwann wurde sie zum Schweigen aufgefordert. So schwieg MagdaLene. Auch ein bisschen aus einem Beleidigtsein heraus, aus der laufenden Abweisung, aus dem – ach du bist ja nicht normal, Kind!
MagdaLene nahm die Welt in Mustern wahr. Sie sah sie nicht mit ihren physischen Augen oder vor ihrem inneren Auge. Sie „wusste“ diese Muster, die ihr klare Informationen gaben. Damit war sie in ihrer Welt, wo sie niemand ausgrenzen konnte und für eigentümlich hielt. Hier war sie herzlich willkommen. Hier fühlte sie sich wohl. In diese Welt zog sie sich immer wieder zurück. Vor allem dann, wenn die sogenannten Erwachsenen wieder einmal in ihr Unglück liefen und nicht auf MagdaLene hörten. Doch wer hört schon auf ein Kind?
In der äußeren Welt, in ihrer Familie, da schwieg sie immer wieder beharrlich. Wochenlang. Ernsthaft. Still. Den Eltern fiel es auf. Das Kind hatte sich in sich zurückgezogen. In seine Welt, die so anders war als die Welt der Familie. Diese war von Arbeit, von Geschäftigkeiten, von Sport, von kleineren Feiern und Urlauben da und dort geprägt. MagdaLene wollte in ihrer Welt bleiben. Hier hatte sie es gut. Hier war sie sicher.
Ab dem Moment der ersten bewussten Abweisung und Kleinmacherei wurde aus MagdaLene ein ernstes Kind, das wenig lachte. Doch sie hatte viel Freude in ihrer inneren, sehr farbig-lebendigen Welt. Was brauchte sie das Außen? Natürlich dachte sie nicht so als Kind. Ihr war das Außen nicht wichtig. Punkt. Sie hatte genügend in ihrem Inneren, auf das sie sich verlassen konnte. MagdaLene war ein fantasievolles Wesen. Nicht immer angenehm für ihre Umwelt. Denn sie nahm wahr – doch sie sprach nicht mehr darüber. So wusste sie vieles „vor der Zeit“.
Ihre Ernsthaftigkeit war ihr persönlicher, besonderer Schutz. Auch das behielt sie für sich. So sorgten sich die Eltern, ob aus dem Plappermaul ein stummer Fisch geworden war. MagdaLene ließ sich nichts anmerken. Sie nahm weiterhin alles in der eigenen Art und Weise wahr. Sie blickte bereits damals hinter den Vorhang. Was sie sah, konnte sie größtenteils nicht einordnen. Sie konnte es schon gar nicht verbalisieren.
Doch MagdaLene hatte sich in ihrem Dasein eingefunden.
Als sie die Grundschule besuchte, ging alles wieder von vorne los. MagdaLene war vom ersten Moment die Außenseiterin. Dabei wollte sie es in der Schule mit einer wundervollen Lehrerin, die ihre Fähigkeiten akzeptierte und weise lächelte, anders machen als in diesem strengen Kindergarten mit der Erzieherin mit den Holzpantoffeln und dem Putzmittelgeruch.
Die Schule war aufregend. Jeden Tag etwas Neues. MagdaLene lernte leicht, fast spielerisch. Schreiben – das ging ganz fix. Lesen – geschenkt, das floss nur so dahin. Rechnen – naja – dazu brauchte sie etwas, denn die Zahlen flogen in ihrem Kopf herum wie in einem Kaleidoskop. Warum das doofe Einmaleins und nicht gleich die Zahlen, die ihr im Kopf herumschwirrten? Später erfuhr sie, dass sie in ganz anderen Dimensionen dachte, was noch nicht erkannt wurde. Für MagdaLene waren Zahlen lebendige Räume, in denen sie sich schwebend bewegte. Doch das Einmaleins blieb ihr nicht erspart. Sie quälte sich durch, durch etwas für sie nicht Verständliches, etwas, das man machen muss – ohne zu wissen, warum. Sie fühlte sich durch das Einmaleins begrenzt. Da war doch viel mehr möglich mit den Zahlen. Was für eine kurze Sicht und Verschwendung! Da war das Alphabet schon wesentlich lebendiger. Damit konnte sie Worte erfinden und dann in ihrer inneren Welt wundervoll spielen. Die Buchstaben fügten sich so einfach. Warum machten die Zahlen solche Macken und warum hörte niemand auf ihre Zahlen und ihre Räume? Warum?
Gehörte MagdaLene in der Grundschule zu einer Gruppe? Nein. Es war die Wiederholung vom Kindergarten, nur noch viel drastischer. Die Kinder begriffen rasch, das MagdaLene keine der „ihren“ war. Das ließen sie ihr spüren. Sei es durch Stoßereien. Sei es durch subtilen und manifesten Spott. Sei es die Ignoranz. Heute nennt man das Bullying und Mobbing. MagdaLene konnte bereits damals üben, ihre Seelenmuskulatur kräftig zu stärken. Sie würde sie brauchen, eine kraftvolle, starke Seelenmuskulatur.
Doch MagdaLene sehnte sich so sehr, dazuzugehören. Dafür nahm sie einiges in Kauf. Sie spielte mit, obgleich ihr das zuwider war. Sie nahm an Dingen teil, nur um Aufmerksamkeit zu erhalten. Dazugehörte sie nirgendwo. Gleich, was sie dafür anstellte.
Für ein Kind war dies eine enorme Herausforderung. Zuhause gab es Zuneigung für Leistung. Heute ist dies nichts Besonderes für MagdaLene. Die Eltern wussten es nicht besser. Sie gaben immer ihr Bestes und standen selbst unter enormen Druck. Was soll man weitergeben, das man nicht kennt und selbst nie erfahren hat?
MagdaLene baute sich abseits der Schule weiterhin ihre eigene Welt. Über das, was sie wahrnahm, schwieg sie beharrlich. Ihre Fluchtorte waren der Rosengarten und Obstgarten des Großvaters. Sie mochte den Großvater nicht besonders. Er hatte sie mit diesem unseligen Satz begrüßt. Außerdem war er stur, patriarchalisch, ließ für sich arbeiten, streng, rauchte viel, trank im Übermaß, ein Stalingradheimkehrer, der voll traumatisiert war … und er ließ für sich arbeiten.