Mit Kindern wachsen - Daniela Blickhan - E-Book

Mit Kindern wachsen E-Book

Daniela Blickhan

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Beschreibung

Fragen Sie Eltern kleiner Kinder, was sich durch die Kinder in ihrem Leben verändert hat, und Sie werden meistens hören: „Alles!“ Die neue Rolle als Vater und Mutter entpuppt sich sehr schnell als absoluter Vollzeit-Job ohne Urlaubsgarantie - und dafür gab es nicht einmal eine Ausbildung. Dieses Buch beschreibt, wie Erwachsene die Möglichkeiten und Grundannahmen des NLP in ihrem Alltag mit Kindern nutzen können. Es ist nicht nur ein Lese- und Arbeitsbuch für Eltern, sondern auch für Großeltern, Erzieher, Pädagogen und alle, die mit Kindern leben und arbeiten. Das Buch bietet Ideen, Übungen und Anwendungshilfen und wurde für diese überarbeitete Neuauflage um ein zusätzliches Kapitel – „Glückliche Eltern - glückliche Kinder“ – ergänzt.

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Seitenzahl: 300

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Daniela BlickhanMit Kindern wachsenNLP im Alltag

Copyright © Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, Paderborn 1995

5. erweiterte Neuauflage 2012

Coverbild: © vision images – Fotolia.com Covergestaltung/Reihenentwurf: Christian Tschepp Illustrationen im Text: Ruth Wild

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2012

Satz & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

ISBN der Printausgabe 978-3-87387-865-5 ISBN dieses eBooks: 978-3-87387-881-5

Verzeichnis der Übungen

Zu den in diesem eBook enthaltenen Übungen gelangen Sie über folgende Links. 

Kraftquellen

Ankern

Fehler als Lernchance

Zusammenfassung der Übung: Fehler als Lernchance

Vorbereitung: Den Knoten entwirren

Gute Absichten

Das gemeinsame Ziel

Integration

Zusammenfassung: Integration widersprechender Teile

Lebensfragen

Meine Rollen

Bilanz eines Tages

Entspannungs-Anker

„Lassen Sie den Wunsch überleben!“

Der erste Schritt zum Umdeuten

„Ja, aber ...“

Umdeuten (1)

Umdeuten (2)

Spiegel der Beziehung

Eine Reise durch die Zeit

Finden Sie Ihre Lebenslinie

Die Zukunft gestalten

Unterbrechung des negativen Kreislaufs

Persönliche Stärken einsetzen

Positive Gefühle genießen

Jemandem helfen

Beziehungen pflegen

Vorwort zur erweiterten Auflage 2012

Als ich dieses Buch geschrieben habe, waren unsere beiden Kinder noch klein. Viele der Beispiele, die ich beschreibe, habe ich selbst erlebt und die Lösungen, die ich für alltägliche Probleme anbiete, haben wir selbst in unserer Familie ausprobiert – manchmal mehr, manchmal weniger erfolgreich. Und das war gut so, denn im Leben einer Familie geht es nicht um Erfolg. Viel wichtiger sind das Miteinander, das gegenseitige Vertrauen und die Bindung. Auf dieser Grundlage ist es durchaus in Ordnung, wenn auch mal „die Fetzen fliegen“.

Mittlerweile sind unsere Kinder erwachsen. Und so wie die Kinder herangewachsen sind, hat sich auch unser Verständnis von uns als Familie Stück für Stück erweitert und verändert. Deshalb ist der Titel dieses Buches – „Mit Kindern wachsen“ – für mich aktueller denn je.

In den gut 15 Jahren seit der ersten Veröffentlichung dieses Buches habe ich selbst vielfältige berufliche Erfahrung gesammelt. Als Psychologin, im Coaching und in den vielen Ausbildungskursen an unserem Institut habe ich NLP tagtäglich angewendet und in vielen Bereichen weiterentwickelt. Nach wie vor halte ich NLP für eine der wirksamsten Methoden, die es für Coaching und Persönlichkeitsentwicklung gibt. Ich hoffe, dass die ziel- und lösungsorientierte Grundhaltung, die das NLP prägt, in vielen Familien, Klassenzimmern, Kindergärten und Lebensbereichen von Kindern gelebt wird.

Mein persönlicher und beruflicher Weg hat mich in den letzten Jahren auch mehrfach nach Japan geführt, in eine Kultur, die so ganz anders als die unsere zu sein scheint. In Japan habe ich Seminare für Coaches geleitet und Kurse für junge Mütter, deren Ziel es war, ihre Kinder bestmöglich auf ihrem Lebensweg zu unterstützen. Besonders gefreut hat mich, dass mein Buch „Nerv nicht so, Mama!“ 2009 ins Japanische übersetzt wurde. Die Inhalte trafen auf große Resonanz und inzwischen ist sogar eine Übersetzung ins Chinesische im Gespräch.

So anders die japanische Mentalität und Erziehungskultur auch sein mögen – und dabei reden wir noch nicht einmal von der chinesischen „Tiger-Mutter“ –, so ähnlich sind die Themen, mit denen sich Eltern dort beschäftigen. Die Grundhaltung, die dieses Buch durchzieht, traf in Japan auf genauso offene Ohren wie in Deutschland. Und das ist nicht überraschend, denn in allen Familien geht es um vertrauensvolle Beziehungen und gemeinsames Wachsen.

Ich freue mich über diese (deutsche) Neuauflage von „Mit Kindern wachsen“, denn sie gibt mir Gelegenheit, einen neuen Themenbereich mit aufzunehmen, der das Buch wunderbar ergänzt. Es geht dabei um die Positive Psychologie, die der Frage nachgeht, was das Leben lebenswert macht. Dieses Thema beschäftigt alle Eltern. Mittlerweile gibt es viele wirksame und leicht anwendbare Möglichkeiten, das „Aufblühen“ von Menschen zu fördern – seien es Kinder oder Eltern. Das neue Kapitel „Glückliche Eltern – glückliche Kinder“ finden Sie am Schluss des Buches.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen dieses Buches und vor allem beim Anwenden der Anregungen für sich und Ihre Familie. Ein Buch ist ja zunächst einmal ein Begleiter, der im Regal steht. Damit spürbare Veränderung aus ihm erwachsen kann, braucht es Gelegenheiten zum Tun, Ausprobieren, Anwenden ... und das möglichst mit Neugier und Spaß, denn so lernen wir am besten.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und noch mehr beim Anwenden.

Januar 2012Daniela Blickhan

Einleitung

„Mit Kindern wachsen“ – dieses Buch beschreibt, wie Eltern die Möglichkeiten und Grundannahmen des NLP in ihrem Alltag mit Kindern nutzen können. Es ist ein Lese- und Arbeitsbuch für Eltern, Großeltern, Erzieher, Pädagogen und für alle, die mit Kindern leben und arbeiten. Das Buch bietet Übungen und Anwendungshilfen, um mit dem Gelesenen praktische Erfahrungen zu machen und mit den eigenen Kindern neue Wege zu gehen – weg von Stress, Streit, Spannung, hin zu Spaß, Freude und gegenseitigem Verständnis.

Nicht die therapeutische Arbeit mit Kindern ist das Thema, sondern ein präventiver Ansatz: Was können Eltern[1] tun, damit sich „Störungen“ bei den Kindern gar nicht erst festsetzen? Wie können Sie Ihre Kinder und sich selbst unterstützen bei dem gemeinsamen Ziel, miteinander zu wachsen?

Die meisten Themen, die in diesem Buch angesprochen werden, sind bei Klein- und Kindergartenkindern aktuell, manche davon auch noch im Grundschulalter. Bei größeren Kindern lässt sich bereits viel vom normalen „Erwachsenen-NLP“ anwenden, und dafür gibt es ja eine Reihe von Büchern. Gerade die Eltern kleinerer Kinder sind noch viel unmittelbarer mit dem Thema beschäftigt, wie sie mit ihren Kindern gemeinsam einen Weg finden, der für alle stimmt. In den ersten Lebensjahren entwickeln sich Kinder mit ungeheurer Geschwindigkeit und Energie. Vielleicht können Eltern gerade in dieser Zeit die überschäumende Lebenskraft ihrer Kinder als Vorbild für ihre eigene Lern- und Entwicklungsfähigkeit annehmen.

Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Teil I ist für die Eltern, die damit eine Grundlage für sich selbst schaffen können. Hier geht es um persönliche Ziele, Kraftquellen, den Umgang mit belastenden Gefühlen und die Frage nach der eigenen Identität. – Teil II ist für Eltern und Kinder gemeinsam. Wie können sie so miteinander umgehen, dass die Bedürfnisse und Absichten aller berücksichtigt werden? Neben den Grundlagen positiver und partnerschaftlicher Kommunikation zwischen Eltern und Kindern werden häufige Probleme und Lösungsmöglichkeiten beschrieben – zum Beispiel Streiten, Schlafen, Trotz und Aggressivität.

Schauen Sie, was Sie in diesem Buch für sich persönlich entdecken können. Kein Kind ist wie das andere und ebenso unterschiedlich sind Sie als Eltern und der Alltag in Ihrer Familie. Allgemeingültige Lösungen sind deshalb eine Illusion und deshalb ist dieses Buch kein Erziehungs-Kochbuch mit Patentrezepten. Vielmehr soll es Sie neugierig machen, zusammen mit Ihren Kindern neue Wege zu gehen und alte, ausgetretene Strukturen auch einmal zu verlassen. Lesen Sie es neugierig – und setzen Sie sich nicht unter Druck, alle Vorschläge gleich in die Realität umsetzen zu müssen. Finden Sie heraus, welche Inhalte, Übungen und Anregungen für Sie hilfreich sind, und nehmen Sie diese mit in Ihren Alltag. Vielleicht merken Sie ja auch, dass Sie bestimmte Grundsätze selbst schon lange anwenden, ohne zu wissen, dass das „NLP“ ist.

Und wenn Sie an sich zu zweifeln beginnen, weil Sie sich dabei ertappen, wie Sie unbeherrscht reagieren, Ihre Kinder anschreien und sich manchmal weit weg auf eine einsame Insel wünschen: Denken Sie an den Satz „Nobody is perfect“. Das Ziel einer Familie ist nicht Perfektion, sondern gemeinsames Leben. Leben heißt lebendig sein und das umfasst alle Gefühlsbereiche, Stärken und Schwächen in gleichem Maß. Auch wer sich selbst wünscht, eine liebevolle, geduldige, gelassene Mutter (Vater / Oma / Opa / Lehrer / Erzieher ...) zu sein, entdeckt immer wieder Teile in sich, die unzufrieden, wütend, genervt oder ungerecht sind. Wer sich dann aber erlaubt, auch diese Seiten leben zu lassen, und nicht nur versucht, sie zu bekämpfen, kann seinen Kindern und Mitmenschen wieder mehr Raum für ihre Gefühle zugestehen – auch für die negativen. Damit sollen keineswegs unkontrollierte Wutausbrüche vor den Kindern salonfähig gemacht werden. Wichtig ist immer der Blick nach beiden Seiten, das heißt, offen zu sein für die eigenen Gefühle und für die Gefühle und Reaktionen der anderen, denn sie sind eine wichtige Rückmeldung.

Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Sie brauchen Menschen mit Bedürfnissen und Gefühlen, die diese zeigen und auch einmal Dampf ablassen können. Sie dürfen spüren, dass Mama und Papa auch keine Übermenschen sind, denn das ist für die Kinder eine Entlastung. Eltern, die Fehler machen und bereit sind, daraus zu lernen, geben ihren Kindern ein lebendiges Vorbild für persönliches Wachstum. Darauf kommt es an – nicht auf Unfehlbarkeit!

Leslie Cameron-Bandler, eine NLP-Trainerin, drückt das sehr deutlich aus: „Bei dir ist nichts verkehrt. Du hattest einfach noch nicht die Gelegenheit zu lernen, wie du mit diesen Problemen anders umgehen kannst. Wie du die Welt wahrnimmst und darüber denkst, das bestimmt deine Erfahrungen und Erlebnisse in dieser Welt. Die meisten Menschen brauchen keine Therapie. Sie brauchen aber eine Möglichkeit, um zu lernen, wie sie ihre Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle und Handlungen zusammenführen können, um glücklich und erfolgreich zu leben.“ Auf dieser Grundlage können Eltern und Kinder miteinander wachsen.

I. ELTERN

1. Was hat Erziehung mit NLP zu tun?

NLP kam ursprünglich aus dem therapeutischen Bereich: Die Begründer John Grinder und Richard Bandler wollten herausfinden, wie man Menschen dazu motivieren kann, sich persönlich zu verändern, Probleme zu lösen und neue Strategien zu entwickeln. Die Kernaussage lässt sich in einen einfachen Satz fassen:

NLP hilft Menschen,

ihre Ziele zu erkennen, sich selbst und andere besser zu verstehen und belastende Erfahrungen zu integrieren.

Deshalb lässt sich NLP überall dort einsetzen, wo Menschen miteinander zu tun haben: in der Schule, im Berufsleben, in der Ausbildung, in der Psychotherapie und natürlich auch im Alltag. Die therapeutische Anwendung von NLP wurde bereits in zahlreichen Büchern beschrieben, ebenso der Einsatz im beruflichen Bereich, zum Beispiel bei Kommunikations-, Führungs- und Verkaufstrainings oder in der betrieblichen Zusammenarbeit. Auch zum Thema NLP und Schule gibt es mittlerweile etliche Publikationen. Ein großer Bereich blieb bisher aber völlig unberücksichtigt – der Bereich Alltag und Familie. Lässt sich NLP denn auch im Privatleben einsetzen? Wie können Familien davon profitieren? Welche Ansatzpunkte bietet NLP für den konkreten Alltag mit Kindern?

1.1 Was ist NLP?

Am Anfang des NLP stand eine einfache Frage: Was ist es, das bestimmte Psychotherapeuten erfolgreich macht? Warum können diese Therapeuten anderen Menschen wirklich helfen, sich zu verändern – wie gehen sie mit ihren Klienten um? Die „Erfinder“ des NLP nahmen deshalb das Verhalten erfolgreicher Therapeuten unter die Lupe und fanden Strategien und Grundeinstellungen, die ihren Umgang mit anderen Menschen bestimmten. Das war das „Rohmaterial“, aus dem sie das „Neurolinguistische Programmieren“ (NLP) entwickelten.

Der komplizierte Name lässt sich recht einfach erklären: NLP befasst sich mit den Zusammenhängen von körperlichen Vorgängen („Neuro“), Sprache („linguistisches“) und inneren Verarbeitungsprozessen („Programmieren“). Unsere Gedanken und Gefühle werden in unserer Sprache sichtbar. Es besteht eine dauernde Wechselwirkung zwischen Körper, Geist und Seele – oder anders gesagt zwischen dem, was wir erleben, denken fühlen, und der Art und Weise, wie wir handeln. Keines dieser „Teile“ existiert unabhängig von den anderen; alle sind eng miteinander vernetzt. Mit NLP kann man lernen, diese Zusammenhänge zu verstehen und zu nutzen.

Ein Beispiel:

Nehmen wir an, ein Vater ärgert sich über sein Kind, weil es einen wichtigen Geschäftsbericht als Ausschneidebogen missbraucht und zerschnippelt hat. Das Wort „Ärger“ ist hier nichts anderes als ein Sammelbegriff für die komplexen physiologischen Vorgänge in seinem Körper: Sein Herzschlag beschleunigt sich, das Erregungsniveau steigt und bestimmte Stresshormone werden vermehrt ausgeschüttet, um nur einige zu nennen. Sein Bewusstsein erkennt dieses physiologische Muster als „Ärger“ und verbindet es mit dem entsprechenden Wort und den internen Bewertungsprozessen, die dazugehören. Vielleicht wurde diesem Vater von klein an beigebracht, dass man Ärger nicht zeigen darf. Dann wird er seine physiologische Reaktion wahrscheinlich negativ bewerten und eher versuchen, sie zu unterdrücken. Vielleicht hatte er aber auch cholerische Vorbilder, die beim geringsten Anlass in die Luft gingen und sich damit erfolgreich gegen andere durchsetzen konnten. Daraus mag er allmählich gelernt haben, dass man Ärger ruhig ausdrücken soll, weil man dann der Überlegene ist. In diesem Fall würde die physiologische Reaktion eher positiv bewertet werden. – Das waren nur zwei mögliche Beispiele aus der Fülle der möglichen Bewertungsprozesse, die skizzenhaft die beiden Pole aufzeigen, zwischen denen sich die Bewertungen bewegen. Diese internen Bewertungen und Überzeugungen sind oft sehr komplex und dem Bewusstsein nicht unbedingt direkt zugänglich. Dann kann man erst aus der eigenen Gefühlsreaktion Rückschlüsse darauf ziehen.

Wer sich ärgert, sieht seine Umwelt anders als im ruhigen Zustand: Er sieht „rot“. Entsprechend wird er auch anders mit dieser Umwelt umgehen, zum Beispiel mit: „Komm mir ja nicht zu nahe – ich bin auf 180!“ Seine inneren Denkprogramme beeinflussen, wie er die Situation wahrnimmt und darauf reagiert. Seine Wahrnehmung wird wiederum beeinflusst von seinen internen Verarbeitungsprozessen, den sogenannten „Programmen“. Diese individuelle innere Verarbeitung und Bewertung wirken sich weiter aus auf seine körperlichen Reaktionen und sein gesamtes Verhalten. Wer zum Beispiel gelernt hat: „Es ist nicht richtig, seine Gefühle zu zeigen“, der wird sich in Konfliktsituationen eher zusammennehmen, seine Gefühle nach außen hin unterdrücken und vielleicht im Stillen vor Wut kochen – bis sich diese permanent unterdrückte Energie einen Ausweg in psychosomatischen Beschwerden sucht.

Gehen wir bei unserem Beispiel einen Schritt weiter und betrachten wir die „linguistische“ Komponente. Wenn wir den Vater bitten würden, uns die Gedanken zu nennen, die ihm durch den Kopf gehen, würde er in etwa sagen: „Das darf doch nicht wahr sein! Dieser Bericht war brandeilig, ich muss ihn morgen abgeben. Das gibt eine Katastrophe – mein Chef zerreißt mich in der Luft! Was hat sich der Kleine denn dabei nur gedacht? Dem muss ich aber mal gehörig den Kopf waschen!“ So weit die „inneren Dialoge“. Sie sind natürlich begleitet von entsprechend starken Gefühlen, wie wir vorhin bereits gesehen haben. Die dazugehörigen physiologischen Veränderungen haben wiederum direkte Auswirkungen auf sein äußeres Verhalten, sei es bewusst oder unbewusst. Er wird schimpfen, lauter reden, sich schneller bewegen, vielleicht auf den Tisch hauen – hier gibt es zahlreiche denkbare Varianten.

So viel zu den „neurolinguistischen Programmen“ dieses Vaters. NLP bietet aber weit mehr als bloße Beschreibungsmöglichkeiten dieser Zusammenhänge. Die zentrale Frage lautet ja: Wie kann man mit solchen und anderen belastenden Erfahrungen umgehen? Sind wir unseren „Programmen“ ausgeliefert, weil wir es nun einmal so gelernt haben, oder können wir die Strukturen unserer internen Verarbeitung aktiv beeinflussen und verändern? Können wir als Eltern dazu beitragen, dass unsere Kinder eine sinnvolle Verarbeitung und Bewertung ihrer eigenen Erfahrungen aufbauen können?

Diese Fragen möchte ich an dieser Stelle noch offenlassen. In den einzelnen Kapiteln dieses Buches wird es genau darum gehen, Antworten darauf zu geben. Behalten Sie deshalb die Fragen beim Lesen immer ein bißchen im Hinterkopf, um dann am Ende des Buches Ihre persönliche Antwort (und nur die ist für Sie relevant) zu finden.

1.2 Grundannahmen des NLP

NLP basiert auf bestimmten Grundannahmen über Erleben und Verhalten von Menschen. Sie bilden das Fundament für die praktische Anwendung von NLP im Alltag mit Kindern. Die Beispiele aus dem Alltagsleben mit Kindern sind hier nur kurz angerissen, da sie in den nachfolgenden Kapiteln ausführlich behandelt werden. Betrachten sie die Beispiele deshalb eher als „Appetithäppchen“, die ihnen den Mund wässrig machen sollen für die verschiedenen Gänge des Menüs, die danach folgen. (Zur besseren Orientierung sind die Grundannahmen jeweils kursiv gedruckt, der Zusammenhang mit dem Thema Erziehung dagegen in normaler Schrift.)

1.2.1 Jeder Mensch ist einzigartig.

Jeder Mensch nimmt die Welt und sich selbst auf seine ganz persönliche Art und Weise wahr. Jeder lebt gewissermaßen in seiner persönlichen Welt, in der er sich und andere in einer bestimmten Weise erlebt, bewertet und darauf reagiert. Eltern und Kinder haben deshalb nicht unbedingt die gleichen Wahrnehmungen, obwohl sie in der gleichen Situation sein können. Die Eltern werden die Welt durch ihre eigene „Brille“ sehen, mit ihren Ohren hören und mit ihrem Körper fühlen. Diese Wahrnehmungen können sich beträchtlich von denen der Kinder unterscheiden.

Wenn Sie das konkret ausprobieren möchten, stellen Sie sich auf eine Leiter und sehen Sie sich die Umgebung von oben an. So etwa wird ein Kind die Welt anders sehen, wenn es erwachsen ist. Setzen Sie sich auch einmal auf den Boden und reden Sie aus dieser Haltung mit einem Erwachsenen – so ähnlich geht es einem vierjährigen Kind. Das sind Beispiele für die direkte visuelle Wahrnehmung, bei denen Sie aber möglicherweise schon einen Eindruck von den Konsequenzen dieser Perspektive auf Ihr Erleben und Verhalten bekommen können. Wie ging es Ihnen als „Riese“ und dann als „Zwerg“? Wie haben Sie sich gefühlt, wie sah Ihr „Innenleben“ aus? Wie würden Sie aus den unterschiedlichen Positionen heraus handeln und reagieren?

Jeder Mensch steht in ständigem Austausch mit seiner Umwelt. Eltern und Kinder beeinflussen sich gegenseitig. „Erziehung“ ist keine Einbahnstraße, sondern ein wechselseitiger Prozess von Geben, Nehmen und Verändern. Sprache ist dabei übrigens keine notwendige Voraussetzung, denn schon kleine Babys „erziehen“ ihre Eltern sehr effektiv. Ein Baby, das von Anfang an viel schreit und sich schwer beruhigen lässt, löst bei den Eltern andere Gefühle und Einstellungen aus als ein „pflegeleichtes“, fröhliches Kind, das gut schläft, trinkt und keine Probleme macht. Die Selbst-Definition der Eltern kann sich in der Folge gehörig unterscheiden. Obwohl die einen, objektiv gesehen, sehr viel mehr für das Kind tun, erleben sie sich möglicherweise als „schlechte Eltern“. Das Baby schreit und lässt sich nicht beruhigen. Die Eltern tragen es herum, wickeln es, füttern es und das Baby hört trotzdem nicht auf. Schließlich schläft es erschöpft ein und die Eltern ebenfalls. Insgeheim fürchten sie sich schon vor dem nächsten Alarm aus dem Kinderzimmer, denn sie sind am Ende ihrer Kräfte. Wenn das Baby beim nächsten Mal schreit, fühlen sie sich völlig zerschlagen und haben fast so etwas wie Wut auf den kleinen Schreihals. „Das darf aber doch nicht sein, denn die Kleine kann ja wirklich nichts dafür!“ Die Verunsicherung und den inneren Aufruhr der Eltern nimmt das Kind wiederum auf seine Weise wahr und wird noch unruhiger ... Und so schaukelt sich die Problematik sehr schnell auf. Deshalb kann oft ein kurzer Zeitraum von einigen Stunden, in denen das Baby von einer anderen (ausgeruhten) Person betreut wird, für alle Beteiligten wahre Wunder wirken, denn der Teufelskreis ist dann zumindest kurzzeitig unterbrochen.

Jeder Mensch hat bereits alle Fähigkeiten, Stärken und Kräfte in sich, die er für ein glückliches und erfülltes Leben braucht. Kinder haben ein unerschöpfliches Potenzial an Energie und Lebenskraft in sich. Die Eltern müssen ihren Kindern hier eigentlich nichts „geben“. Sie brauchen ihnen auch nicht beizubringen, wie man glücklich ist, denn das wissen die Kinder bereits. Die Eltern können den Kindern helfen, ihre Energie zu kanalisieren und sinnvoll einzusetzen – aber die Energie selbst und der Wunsch nach Weiterentwicklung ist in den Kindern bereits da. Das Laufen oder Sprechen muss man keinem Kind beibringen, denn der Antrieb zu diesen ungeheuren Entwicklungsschritten liegt ausschließlich im Kind selbst. Wenn man ein Kind betrachtet, das gerade Laufen lernt, wundert man sich oft über die Unermüdlichkeit, mit der es dabei ist, diesen ersten Schritt alleine zu lernen. Es fällt unzählige Male hin und rappelt sich immer wieder auf, um es sofort noch einmal zu versuchen. Und wenn es dann geschafft ist, leuchten die Augen, denn das Kind „weiß“, dass das sein eigener Erfolg ist, den es jetzt erlebt. Beim Sprechenlernen ist ebenfalls keine Hilfestellung nötig, denn das Kind findet seine Lernmöglichkeiten allein.

Wie problematisch es werden kann, wenn Eltern zu stark in solche selbststeuernden Prozesse eingreifen wollen, kann am Beispiel von stotternden Kindern deutlich werden. Fast alle Kinder haben mit drei oder vier Jahren eine Phase der Entwicklung, in der sie stottern. Anscheinend denken sie schneller, als sie sprechen können, und das Ergebnis ist stockendes, wiederholendes Sprechen. Wenn die Familie deswegen beunruhigt ist („Er muss doch richtig sprechen lernen!“) und das Kind immer wieder darauf hinweist, dass es langsam und richtig sprechen und nicht so stottern soll, verschärft sich oft die Problematik und das Kind wird zum „Stotterer“. Es ist nun so aufmerksam geworden, auf seine Art zu sprechen, dass es gar nicht mehr „normal“ sprechen kann. Der automatische Entwicklungsprozess, der sich selbst steuert, wurde gestört. Eltern, die das häufig auftretende Stottern kleiner Kinder dagegen als normale Phase der Entwicklung annehmen und gelassen darauf reagieren, unterstützen ihre Kinder wesentlich besser in ihrer Entwicklung. Wenn sie ihnen (trotz des Stotterns) aufmerksam zuhören und ihnen nicht das Wort aus dem Mund nehmen, geben sie den Kindern die Ruhe und Gelassenheit, durch diese Phase hindurchzugehen.

Der Begriff „Förderung“ wird in diesem Zusammenhang oft missverstanden. Sicher gibt es Bedingungen, die aktive Unterstützung von außen verlangen, etwa Behinderungen oder Entwicklungsverzögerungen mit den verschiedensten Ursachen. Frühzeitige Förderung ist hier unerlässlich. – Andererseits werden Kinder in unserem Kulturkreis oft schlicht und einfach überfordert. Dreijährige im Skikurs oder im Musikunterricht, Grundschulkinder mit Terminkalender ... Wenn Eltern ihren Kindern erlauben, sich aus sich selbst heraus zu entwickeln, weil sie auf deren inneres Potenzial vertrauen, werden sie den Kindern die Freiräume zugestehen können, die diese zu ihrer gesunden Entwicklung brauchen.

Nicht nur die Kinder, auch die Eltern haben alle notwendigen Ressourcen bereits in sich. Um glücklich und erfüllt zu leben, brauchen sie keine „Fütterung“ von außen. Alle Fähigkeiten, die sie benötigen, sind in ihnen bereits angelegt. Der Zugang dazu mag in bestimmten Bereichen verschüttet oder blockiert sein, doch das Potenzial ist da. „Eigentlich wusste ich das schon lange. Mir war nur der Zugang dazu versperrt. Und wenn ich es mir recht überlege, habe ich genau diese Fähigkeit auch schon einmal gehabt – in einem anderen Zusammenhang zwar und zu einer anderen Zeit; aber ich konnte es. Dann kann ich es auch jetzt wieder lernen!“ Solche Äußerungen hört man oft von Klienten in der psychotherapeutischen Arbeit. Auch hier muss nichts von außen zugeführt werden, denn die Fähigkeit liegt im Klienten selbst. Der Therapeut ist eher ein Bergführer, der hilft, schwierige Wege wieder passierbar zu machen oder den Eingang zu einer verschütteten Höhle freizulegen. Gehen muss der Wanderer schon selbst.

1.2.2 Ziele sind wichtiger als Probleme

Für das persönliche Wachstum bringt es wenig, nur nach den Ursachen von Problemen zu graben. Viel wichtiger ist es, den Blick in die Zukunft zu richten und die eigenen Ziele zu klären. „Warum schaffe ich es einfach nie, gelassen und souverän mit meinen Kindern umzugehen? Immer wieder gehe ich in die Luft und hinterher tut es mir leid.“ Selbst wenn diese Mutter wüsste, warum sie immer wieder so reagiert – sei es, weil ihre Eltern sie falsch behandelt haben oder ihr Mann ihr die Unterstützung und Anerkennung versagt, die sie nötig braucht: Für den konkreten Umgang mit ihren Kindern bringt ihr das kaum etwas. Für manche Menschen ist es wichtig, die Ursache zu kennen, denn dieses Wissen gibt ihnen Orientierung und Sicherheit. Diese Sicherheit ist allerdings trügerisch, denn selbst wenn man die Ursache kennt, warum man sich falsch verhält, bedeutet das nicht automatisch, dass man weiß, wie man es besser machen könnte. Das Bestimmen der Ursachen hält uns in der Vergangenheit fest – die Suche nach Zielen lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Zukunft und ihre Veränderungsmöglichkeiten. Nur wer sein Ziel kennt, wird Wege finden, um dorthin zu gelangen. Wer sich immer nur damit beschäftigt, was er wieder falsch gemacht hat und warum, wird nicht lernen, es besser zu machen. Wir alle sind gut geübt in der Suche nach Ursachen. Die Beschäftigung mit unseren Zielen ist den meisten leider weniger vertraut.

Gerade im Leben mit Kindern erscheint es mir wichtig, mehr die Ziele und weniger die Probleme zu betrachten. Kinder leben absolut in der Gegenwart und weisen uns auf die Zukunft hin. Wir tun ihnen und uns keinen Gefallen, wenn wir dauernd in der Vergangenheit graben. Wie wir selbst auch erzogen wurden – mittlerweile sind wir erwachsen und können die Verantwortung für unser eigenes Leben übernehmen!

Jeder Mensch trifft – bewusst oder unbewusst – die beste Wahl unter seinen Verhaltensalternativen, die ihm momentan zur Verfügung stehen. Irgendwann war jedes Verhalten einmal sinnvoll, auch wenn es inzwischen fehl am Platz zu sein scheint. Die „beste Wahl“ ist hier absolut subjektiv. Für einen Außenstehenden mag das Verhalten unangemessen und falsch sein – in diesem Moment stehen dem Handelnden selbst aber keine besseren Möglichkeiten zur Verfügung. Seine Verhaltensauswahl ist ihm meistens nicht einmal bewusst und wird ihm erst durch nachträgliche Reflektion zugänglich.

Für ein Baby ist Weinen die beste Möglichkeit, um den anderen zu signalisieren: „Ich brauche Hilfe. Mir fehlt etwas!“ Für einen Erwachsenen ist die gleiche Strategie heute im Umgang mit seinen eigenen Kindern weniger angemessen. Ein Erwachsener verfügt über differenziertere Möglichkeiten, um sich verständlich zu machen.

Absicht und Verhalten sind zwei verschiedene Dinge. Jedes Verhalten hat eine positive Absicht. Alle Eltern kennen Phasen, in denen ein Kind sich unausstehlich verhält und in einem fort quengelt. So beschreiben sie allerdings nur sein Verhalten. Die Absicht hinter diesem Verhalten kann eine ganz andere sein. Vielleicht will es Zuwendung von den Eltern und möchte sie darauf aufmerksam machen, dass es ein Problem hat. Wenn die Eltern nur auf sein Verhalten reagieren, scheint ein Konflikt vorprogrammiert. „Kannst du denn nicht endlich mit deiner Quengelei aufhören?!“ Das Kind fühlt sich missverstanden und nervt immer weiter, bis es schließlich zu den berühmten „Erziehungsmaßnahmen“ kommt. Am Ende geht es keinem der Beteiligten gut, denn auch die Eltern merken, dass da vielleicht doch irgendetwas anderes los war ... Wenn Eltern sensibel sein können für die eigentliche Absicht des Kindes, öffnen sich andere Möglichkeiten, mit einem Quengelkind umzugehen. Nehmen wir einmal an, die eigentliche Absicht des Kindes ist es, Zuwendung zu bekommen. Wenn die Eltern auf diese Absicht reagieren, statt sich über das Verhalten zu ärgern, können sie sich überlegen, in welcher Form sie ihm diesen Wunsch jetzt erfüllen könnten. Damit machen sie das quengelige Verhalten überflüssig, denn die Absicht des Kindes ist erfüllt.

„Ist das nicht ein Sieg im Machtkampf? Das Kind hat erreicht, was es wollte, und ich habe wieder mal nachgegeben ...“ Wer diesen Einwand formuliert, geht von grundsätzlich anderen Voraussetzungen aus. Es geht hier in keiner Weise um Machtkämpfe, sondern darum, die Absicht des Kindes als grundsätzlich positiv anzuerkennen. Es mag sein, dass wir selbst etwas anderes als positiv bewerten würden, aber in der Welt des Kindes zählen seine Maßstäbe und nicht die anderer Menschen. Zurück zu unserem Beispiel: Gegen die Absicht, Zuwendung zu erhalten, ist ja an sich nichts einzuwenden. Gegen den Ausdruck dieser Absicht im aktuellen (quengeligen) Verhalten mag aus unserer Sicht einiges sprechen; aber nicht gegen die Absicht.[2]

Erziehung bedeutet nicht, das Verhalten der Kinder zu formen, sondern aufmerksam zu sein für die Absichten des Kindes und hilfsbereit bei deren Verwirklichung. Kinder verändern zu wollen, scheint mir das falsche Ziel zu sein, denn wer will schon gerne von einem anderen verändert werden? Das impliziert ja, dass das Kind so wie es ist, nicht gut genug ist. Eine derartige Abwertung seiner Person wird es kaum zur freudigen Veränderung motivieren – eher zum trotzigen Beharren, um so wenigstens den eigenen Selbstwert zu schützen. „Ich finde das aber gut so! Warum sollte ich das denn anders machen?“ Wesentlich hilfreicher erscheint mir ein anderer Blickwinkel: Wenn die Eltern beginnen, bei Problemen mit ihren Kindern zunächst einmal die eigene Wahrnehmung und ihr eigenes Verhalten zu überprüfen und zu verändern, ist der Grundstein für eine positive Entwicklung gelegt. Dann wollen die Eltern nicht ihr Kind ändern, sondern sich selbst neue Wahlmöglichkeiten schaffen, wie sie anders mit ihrem Kind umgehen können. Durch ihr verändertes Verhalten erleichtern sie es dann wiederum ihrem Kind, sich ebenfalls zu ändern – wenn es das möchte, denn:

„Entwicklung“ heißt, neue Wege und Wahlmöglichkeiten zu eröffnen, ohne dadurch alte Wege abschaffen zu müssen. Ein kleines Kind lernt Sprechen. Damit stehen ihm neue Wege offen, mit seiner Umwelt unzugehen. Wenn es etwas haben möchte, kann es das gezielt benennen und muss nicht mehr losschreien wie ein Säugling. Es kann jetzt rufen, reden, verhandeln, fordern – und wenn es will, kann es auch immer wieder einmal den alten Weg benutzen und einfach losschreien. Und es wird sicher Gelegenheiten geben, in denen die alte Methode nach wie vor die beste ist – zum Beispiel, wenn mich der Partner nicht ernst nimmt oder wenn ich starke Gefühle direkt ausdrücken möchte. Der alte Weg ist ja nicht auf einmal falsch, nur weil es andere Wege gibt. Wenn ich aber mehrere Wege kenne, kann ich mir jeweils den besten aussuchen und bin nicht mehr auf einen allein angewiesen. Und wer erkennt, dass er jahrelang einen Umweg in Kauf genommen hat und jetzt eine Abkürzung entdeckt, der wird den neuen Weg sicher gern und häufig nutzen.

Für viele Menschen ist diese Einsicht bei persönlichen Veränderungen enorm entlastend: „Ich muss ja gar kein anderer werden. Meine alten Lösungswege stehen mir auch weiterhin offen. Mit dieser Sicherheit, dass mir nichts ,weggenommen‘ wird, fällt es mir viel leichter, neue Wege zu finden und auszuprobieren.“

1.2.3 Die Bedeutung der Kommunikation ist gleichbedeutend mit der Antwort, die sie erzielt

Etwas weniger abstrakt heißt das: Nicht was ich im Kopf habe, ist entscheidend. Ausschlaggebend ist das, was bei meinem Gegenüber „ankommt“. Wenn zwei über das Gleiche reden, meinen sie bekanntlich nicht unbedingt dasselbe. „Ich habe meinem Sohn schon tausendmal gesagt, wie sehr mich das aufregt, wenn er seine Sachen immer überall in der Gegend verstreut. Er will einfach keine Ordnung halten.“ Das Klagelied einer genervten Mutter klingt für „NLP-Ohren“ ganz anders: Wenn ich mit meinen Klagen nichts erreiche, bedeutet das nicht unbedingt, dass mein Kind verstockt und unverbesserlich ist. Vielleicht habe ich das Kind mit meinen Klagen und Vorschriften einfach nicht erreicht. Entscheidend ist, ob ich bereit bin, seinen „Widerstand“ ernst zu nehmen und auf meine Fähigkeiten im Umgang mit ihm zu beziehen. „Was will ich eigentlich von ihm? Warum ist mir die Ordnung so wichtig, welches meiner eigenen Bedürfnisse wird dadurch berührt? Welche anderen Möglichkeiten gibt es, mich meinem Sohn verständlich zu machen? Vielleicht können wir ja einmal über mich und meine Bedürfnisse sprechen, denn bisher war ich ja vor allem mit Vorwürfen bei der Hand. Möglicherweise weiß er nicht einmal, warum mir das so wichtig ist, dass in meinem Lebensbereich nicht solch ein Chaos herrscht.“

Fehler sind Information für mich, wie ich es beim nächsten Mal besser machen kann. „Heute ist mir die Hand ausgerutscht. Dabei wollte ich doch mein Kind bestimmt niemals schlagen. Ich bin eben keine gute Mutter.“ Diese Selbstvorwürfe helfen weder der Mutter noch dem Kind. Viel hilfreicher ist es, den eigenen Fehler nicht nur als solchen abzuspeichern, sondern ihn außerdem als wichtige Informationsquelle zu nutzen: Was genau ist da abgelaufen? Was war meine Absicht, wie habe ich sie verwirklicht? Wenn mein Verhalten in diesem Fall unangemessen war – wie könnte ich meine Absicht auf andere Weise verwirklichen, die für alle Beteiligten sinnvoller ist?

Achte auf die Botschaften, die du vom anderen erhältst, und nimm sie ernst. Die Mutter eines zweijährigen Mädchens möchte sich mit ihrer Freundin unterhalten. Die Kleine will dabei aber nicht das fünfte Rad am Wagen sein, sondern möchte mit ihrer Mutter spielen. Sie klettert auf ihren Schoß und bringt ein Bilderbuch mit. Die Mutter hat aber dazu keine Lust, denn sie möchte sich eigentlich mit ihrer Freundin unterhalten. Sie versucht, ihre Tochter abzuwimmeln und für etwas anderes zu interessieren. Das Mädchen möchte aber, dass die Mama sich mit ihm beschäftigt, wird deshalb immer lauter und stört das Gespräch zunehmend. Die Mutter sagt schließlich seufzend zu ihrer Freundin: „Die Kleine führt sich heute mal wieder auf. Das ist wohl das Trotzalter. Meine Mutter meint immer, das dürfte man gar nicht ernst nehmen, dann hört es von selbst wieder auf.“

Der Umgang mit Kindern im Trotzalter ist sicher alles andere als einfach. Dennoch lohnt sich die Frage, was das Mädchen mit seinem Verhalten ausdrücken wollte. Wollte sie sich wirklich „aufführen“? Oder stand dahinter eine ganz andere Botschaft? Wenn die Mutter diese ernst genommen und beantwortet hätte – müsste sich das Kind dann noch aufführen? Die Mutter könnte zum Beispiel ihr Gespräch einen Moment unterbrechen und sich ganz ihrer Tochter zuwenden. „Dein Bilderbuch bringst du mir – du möchtest es gerne mit mir anschauen. Ich möchte aber jetzt erst noch mit Andrea reden. Komm, wir schauen eine Seite zusammen an, dann schaust du alleine weiter. Später lese ich es dir dann ganz vor.“ Natürlich gibt es keine Garantie, dass die Tochter damit zufrieden ist. Der Erfolg dieser Methode hängt auch vom Alter des Kindes ab. Doch schon kleine Kinder merken so, dass die Mutter sie gehört hat und nicht abwimmeln möchte. Wenn sie die Erfahrung machen, dass die Mutter ihr Versprechen, das Buch später vorzulesen, dann auch einhält, stärkt das ihr Vertrauen und die Fähigkeit, auch einmal warten zu können.

1.2.4 Unser Bild von der Welt ist nicht die Welt selbst

Ebenso wie eine Landkarte nicht das Gleiche ist wie die Landschaft, die sie repräsentiert, sind unsere Wahrnehmungen von der Welt nicht die Welt selbst. Jeder Mensch nimmt die Welt durch seine fünf Sinne auf: Er sieht, hört, fühlt, riecht und schmeckt seine Welt. Diese Sinneseindrücke werden auf zwei Ebenen verarbeitet, einer bewussten und einer unbewussten.

Der Begriff des „Unbewussten“ dient uns hier gewissermaßen als Denkmodell. Sicher können Wissenschaftler darüber streiten, was das Unbewusste eigentlich ist. Gehen wir einmal von der Seite der Erfahrung heran: Erinnern Sie sich an Situationen, in denen Sie „automatisch“ gehandelt haben, ohne genau darüber nachzudenken. Hier hat das Unbewusste die Steuerung übernommen. Sicher kennen Sie auch Zeiten beim Autofahren, in denen Sie die letzten gefahrenen Kilometer gar nicht so wahrgenommen haben, weil Sie in Gedanken ganz weit weg waren. Trotzdem können Sie sicher sein, dass Sie in einer kritischen Situation blitzschnell wieder „da“ gewesen wären. Auch hier ist das Unbewusste maßgeblich beteiligt. Die Grenzen zwischen bewusst und unbewusst können immer wieder auch fließend sein. Für uns soll weniger die Frage wichtig sein: „Gibt es das überhaupt?“ – denn die ist zweitrangig. Entscheidend ist, dass das Modell des unbewussten Verarbeitung hilfreich ist beim Umgang mit uns selbst und anderen.

„Das ist ja wieder mal ein Chaos im Kinderzimmer. Sie hat ja alle Spielsachen wild verstreut.“ So weit die bewusste Verarbeitung der Situation im Kinderzimmer. Im Unbewussten der Eltern könnten nun Prozesse ablaufen wie: „Man kann ihr nichts mehr schenken, sie geht ja gar nicht sorgfältig mit ihren Sachen um.“ – „Das Kind ist nicht fähig, Ordnung zu halten.“ – „Ich halte dieses Chaos nicht aus, mir wird ganz schlecht, wenn ich das sehe.“ Vielleicht haben auch die eigenen Eltern immer geschimpft über die Unordnung und die persönliche Erinnerung mit den damit verbundenen Gefühlen steigt nun wieder auf.

Die Wahrnehmung des Kindes kann in dieser Situation eine ganz andere sein, denn durch das Spielen haben dieselben Dinge für das Kind eine ganz andere Bedeutung und einen anderen Wert bekommen. Es erinnert sich noch, wie es mit den einzelnen Spielsachen gespielt hat. Die Dinge haben dadurch Leben bekommen und unterliegen der ganz persönlichen Ordnung des Kindes, die für die Eltern nicht wahrnehmbar ist, denn sie sehen nur das Ergebnis, nicht aber den Prozess der Entstehung im Spiel.

1.3 Was ist Erziehung?

Die Grundannahmen des NLP beschreiben den Menschen als einzigartig, wertvoll und lernfähig. Diese Sichtweise legt den Grundstein zu einer liebevollen Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Die Eltern wollen den Kindern weniger etwas beibringen als ihnen vielmehr helfen, sich eigenständig und unabhängig zu verantwortungsvollen, selbstständigen Menschen zu entwickeln. Die Frage ist nicht: „Was kann ich mit meinem Kind tun, damit es sich verändert?“, sondern vielmehr: „Was kann ich mit mir und für mich tun, damit ich so mit meinem Kind umgehen kann, wie es für uns beide angemessen ist?“ Erst danach stellt sich die Frage: „Was kann ich für mein Kind tun?“

Probleme werden nicht einseitig negativ betrachtet, sondern gemeinsam als Entwicklungsaufgaben gelöst. Sie betreffen Eltern und Kinder in gleichem Maß, denn beide sind Partner auf diesem Weg.

„Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. Sie kommen durch euch, aber nicht von euch. Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht. Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken. Denn sie haben ihre eigenen Gedanken. Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen. Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen. Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen. Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.“

Kahlil Gibran: Der Prophet

2. Wie Ziele Wirklichkeit werden

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2.1 Nie wieder „gute Vorsätze“