Mnais und Ginevra - Heinrich Mann - E-Book

Mnais und Ginevra E-Book

Heinrich Mann

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Beschreibung

Zwei Novellen von Heinrich Mann: - Mnais - Ginevra degli Amieri Die Orthografie wurde der heutigen Schreibweise behutsam angeglichen. Null Papier Verlag

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Heinrich Mann

Mnais und Ginevra

Heinrich Mann

Mnais und Ginevra

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] EV: R. Piper, München und Leipzig, 1906 2. Auflage, ISBN 978-3-962818-47-0

null-papier.de/angebote

Inhaltsverzeichnis

Mnais

Gi­nevra deg­li Amie­ri

I.

II.

III.

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr Jür­gen Schul­ze

Mnais

Soll ich her­ab­stei­gen? Wür­dest du sehr er­schre­cken, wenn ich’s täte? Ja, horch, ich bin’s, zu der du im ge­hei­men be­test, wenn wie jetzt der Mond um mein Ge­büsch her­f­lim­mert. Du meinst, ich wüss­te nicht um dich, ar­mer Kna­be, und nennst mich dei­ne tote Nym­phe. Ich bin kei­ne Göt­tin und nicht tot, Mnais bin ich, eine Si­ku­le­rin, seit lan­ger, schlimm­lan­ger Zeit in Mar­mor ge­fes­selt, einst aber mei­ner sü­ßen Glie­der froh und der Son­ne, die Gold­rei­fen um sie bog, und des Quells, der sie kühl und hart mach­te, und des Schat­tens, der die aus­ge­streck­ten mit den Ab­bil­dern klei­ner Blät­ter spren­kel­te. Hir­tin war ich; und am Grun­de des Ta­les, un­ter Far­nen saß ich, und mei­ne Hand drück­te die Eu­ter des ge­dul­di­gen Mut­ter­scha­fes in den ir­de­nen Krug aus. Nun ward es Abend; kla­gend rie­fen die Hir­ten von den Kup­pen der Ber­ge ein­an­der zu; und ich trieb, den Milch­krug hoch auf mei­nen blon­den Flech­ten, die Her­de heim. Sie um­dräng­ten mei­ne Füße; die Lei­ber der al­ten schau­kel­ten wol­lig; die jun­gen er­ho­ben blö­kend ihre hel­len Mäu­ler zu mir; und ich war mit­ten in ei­nem Ge­trip­pel wie von vie­len Re­gen­trop­fen, und in ei­nem war­men, be­freun­de­ten Duft. Den Wan­de­rern bot ich einen Trunk aus mei­nem Kru­ge. Der gab mir eine Mün­ze da­für und je­ner ein Stück Mais­ku­chen. Ein Hir­te aber, Kru­pas, der nach Bö­cken riecht und dem ihr Fell um die Knö­chel zot­telt, griff in mein Ge­wand. Ich riss mich los, wie schon oft, und sprang über den Steg. Wa­rum aber schüt­tel­te dies­mal mich Zorn? Ich reck­te über mei­ne Her­de hin­weg, denn sie ver­sperr­te ihm den Weg, die Hän­de nach dem Be­gehr­li­chen und rief ihm Schmä­hun­gen zu. Er lach­te, und ge­kränkt dreh­te ich ihm den Rücken. Am Ran­de des Oli­ven­fel­des aber hielt ich den Fuß an und be­dach­te, dass der Krug, mein schö­ner, rot­ge­brann­ter, mit der flie­gen­den Nike, mir vom Kopf ge­stürzt und zer­bro­chen war. Hin fiel ich da und schrie Wehe und ver­wünsch­te, die Arme zum Him­mel er­ho­ben, den Ver­der­ber. Ach! nicht hat ihn, wie ich’s er­fleh­te, der Blitz hin­ge­streckt, und si­cher war er von ei­ner nei­di­schen Gott­heit ab­ge­sandt – denn mit dem Zer­bre­chen des Kru­ges be­gann die Stra­fe mei­nes har­ten Ge­schickes.

Zwi­schen den sanf­ten Öl­bäu­men stürz­te ich die Erd­stu­fen hin­an und klag­te es den gu­ten Gott­hei­ten der Bäu­me, wie viel ich ver­lo­ren habe. Auch mei­nen Scha­fen jam­mer­te ich’s vor. Der Krug, den der Va­ter aus Sy­ra­kus mit­brach­te! Die Mut­ter wird mich schla­gen, sie wird mich ver­flu­chen! Da trat aus ih­rer Hüt­te, un­ter dem wei­ßen, un­be­kann­ten Baum her­vor, Rhus, die Hexe, und rief:

»Ei, hole dir einen neu­en beim Ti­man­der!«

Schrei­end floh ich; naht ihr doch nie­mand ohne Ban­gen; kein Bur­sche der Ge­gend, mag sie im­mer­hin eine schö­ne Frau sein, tritt in ih­ren Dienst, aus Furcht, dass sie ihn ver­zau­be­re; und nie­mals auch bleibt ein frem­der Knecht ihr lan­ge im Hau­se. Ei­nes Ta­ges fehlt er, und statt sei­ner ist ein Esel da oder ein Bock, den vor­her nie­mand ge­se­hen hat­te. Sie aber rief mir nach:

»Zum Ti­man­der geh’, dem Künst­ler, dro­ben in der Vil­la des Faus­tus!«

Wa­rum muss­te ich ge­hen? Groß war die Furcht vor der Mut­ter. Die Her­de schick­te ich heim und am Ber­gab­hang durch­schritt ich die Obe­lis­ken des Rö­mers. Zwi­schen den stei­len Cy­pres­sen eil­te über die stei­ner­nen Trep­pen das Was­ser, schwemm­te Nym­phen mit, von Tri­to­nen ver­folgt, und be­spritz­te die grü­nen Fau­ne, die im Schat­ten lach­ten. »Wo ist Ti­man­der?« rief ich, und »Ti­man­der!« ant­wor­te­te hin­ter den düs­ter glän­zen­den Laub­mau­ern eine Drya­de. Ich such­te, und ich ver­lor mich in den lan­gen dunklen Lau­ben, wo über­all Bil­der der Gar­ten­göt­ter mich er­schreck­ten und ver­spot­te­ten. Der Aus­gang end­lich brann­te, ja, ihn um­stan­den rote Flam­men, und in wil­der Angst wen­de­te ich den Fuß. Wie aber auch das Ende des nächs­ten Blät­ter­gan­ges rot be­leckt war, woll­te ich lau­fend hin­durch, und lau­fend und in mei­nem Her­zen be­tend, ge­lang­te ich auf eine Wie­se, die ganz voll ro­si­gen Him­mels hing. Stein­bil­der la­gen um­ge­stürzt im Gra­se, und tö­ner­ne Krü­ge und – ihr Göt­ter! – der da glich ganz dem mei­nen! Nimmst du ihn, Mnais? Nimmst ihn und schleichst zu­rück? Ich späh­te um­her: Da ent­deck­te ich zwi­schen den Bü­schen ein nied­ri­ges Haus und im Dun­kel der Tür einen Jüng­ling, der mich an­sah. Mei­ne Arme san­ken her­ab, die lie­ben Knie zit­ter­ten mir.

Er trat auf die Schwel­le; Ti­man­der war’s; und er sag­te lä­chelnd:

»Nimm dir den Krug, da du ihn dir ja wün­schest, und geh nur!«

Ich bück­te mich nach dem Kru­ge; aber an­statt zu ge­hen, frag­te ich:

»Was tust du? Du bist Ti­man­der? Und dies ist dein Haus?«

Er lä­chel­te noch; oder war’s der ro­si­ge Him­mel auf sei­nem Ge­sicht? Ja, viel­leicht war sein Lä­cheln der Him­mel selbst. Und er ant­wor­te­te:

»Ich su­che in die­ser Ton­er­de den Gott.«

Rasch beug­te ich mich dar­über.

»Drücke dei­ne Hand hin­ein«, sag­te er, und dann:

»Nun wird eine Göt­tin dei­ne Hand be­kom­men, und viel­leicht wer­den große Her­ren sie mit den Lip­pen be­rüh­ren.«

Da ich ihn nur an­sah:

»Freut dich’s? Was du für Au­gen hast! Wild und wirr von Frei­heit, wie die Au­gen ei­ner Wald­frau, die hier ein­ge­bro­chen wäre. Ge­wiss bist du eine? So neu­gie­rig stehst du da und so scheu! Rasch muss ich dich fest­hal­ten und dir dei­nen war­men Ab­druck rau­ben!«

Da­bei späh­te er in mein Kleid, und ich merk­te mit Schre­cken, dass sich’s vom Lau­fen ver­scho­ben hat­te.