Mnais und Ginevra - Heinrich Mann - E-Book

Mnais und Ginevra E-Book

Heinrich Mann

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Beschreibung

Mythologische und traumhafte Novellen von Heinrich Mann: Mnais ist eine junge Hirtin, die, als sie sich in Timander verliebt, ihm Modell steht, von diesem in Stein gemeißelt und schließlich zu Marmor wird. Ginevra wiederum wurde von ihrem Mann und ihren Eltern verstoßen für ihre Taten. Sie erwacht als Tote im Dom und sucht nun ihren Geliebten auf. Liebe, Tod, Untreue, mythologische Figuren – alles vereint sich in diesen beiden Geschichten, die einen in eine andere, mysteriöse Welt entführen.-

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Seitenzahl: 47

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Heinrich Mann

Mnais und Ginevra

 

Saga

Mnais und Ginevra

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1906, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726885583

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Mnais

Soll ich herabsteigen? Würdest du sehr erschrecken, wenn ich’s täte? Ja, horch, ich bin’s, zu der du im geheimen betest, wenn wie jetzt der Mond um mein Gebüsch herflimmert. Du meinst, ich wüßte nicht um dich, armer Knabe, und nennst mich deine tote Nymphe. Ich bin keine Göttin und nicht tot, Mnais bin ich, eine Sikulerin, seit langer, schlimmlanger Zeit in Marmor gefesselt, einst aber meiner süßen Glieder froh und der Sonne, die Goldreifen um sie bog, und des Quells, der sie kühl und hart machte, und des Schattens, der die ausgestreckten mit den Abbildern kleiner Blätter sprenkelte. Hirtin war ich; und am Grunde des Tales, unter Farnen saß ich, und meine Hand drückte die Euter des geduldigen Mutterschafes in den irdenen Krug aus. Nun ward es Abend; klagend riefen die Hirten von den Kuppen der Berge einander zu; und ich trieb, den Milchkrug hoch auf meinen blonden Flechten, die Herde heim. Sie umdrängten meine Füße; die Leiber der alten schaukelten wollig; die jungen erhoben blökend ihre hellen Mäuler zu mir; und ich war mitten in einem Getrippel wie von vielen Regentropfen, und in einem warmen, befreundeten Duft. Den Wanderern bot ich einen Trunk aus meinem Kruge. Der gab mir eine Münze dafür und jener ein Stück Maiskuchen. Ein Hirte aber, Krupas, der nach Böcken riecht und dem ihr Fell um die Knöchel zottelt, griff in mein Gewand. Ich riß mich los, wie schon oft, und sprang über den Steg. Warum aber schüttelte diesmal mich Zorn? Ich reckte über meine Herde hinweg, denn sie versperrte ihm den Weg, die Hände nach dem Begehrlichen und rief ihm Schmähungen zu. Er lachte, und gekränkt drehte ich ihm den Rücken. Am Rande des Olivenfeldes aber hielt ich den Fuß an und bedachte, daß der Krug, mein schöner, rotgebrannter, mit der fliegenden Nike, mir vom Kopf gestürzt und zerbrochen war. Hin fiel ich da und schrie Wehe und verwünschte, die Arme zum Himmel erhoben, den Verderber. Ach! nicht hat ihn, wie ich’s erflehte, der Blitz hingestreckt, und sicher war er von einer neidischen Gottheit abgesandt — denn mit dem Zerbrechen des Kruges begann die Strafe meines harten Geschickes.

Zwischen den sanften Ölbäumen stürzte ich die Erdstufen hinan und klagte es den guten Gottheiten der Bäume, wieviel ich verloren habe. Auch meinen Schafen jammerte ich’s vor. Der Krug, den der Vater aus Syrakus mitbrachte! Die Mutter wird mich schlagen, sie wird mich verfluchen! Da trat aus ihrer Hütte, unter dem weißen, unbekannten Baum hervor, Rhus, die Hexe, und rief:

„Ei, hole dir einen neuen beim Timander!“

Schreiend floh ich; naht ihr doch niemand ohne Bangen; kein Bursche der Gegend, mag sie immerhin eine schöne Frau sein, tritt in ihren Dienst, aus Furcht, daß sie ihn verzaubere; und niemals auch bleibt ein fremder Knecht ihr lange im Hause. Eines Tages fehlt er, und statt seiner ist ein Esel da oder ein Bock, den vorher niemand gesehen hatte. Sie aber rief mir nach:

„Zum Timander geh’, dem Künstler, droben in der Villa des Faustus!“

Warum mußte ich gehen? Groß war die Furcht vor der Mutter. Die Herde schickte ich heim und am Bergabhang durchschritt ich die Obelisken des Römers. Zwischen den steilen Cypressen eilte über die steinernen Treppen das Wasser, schwemmte Nymphen mit, von Tritonen verfolgt, und bespritzte die grünen Faune, die im Schatten lachten. „Wo ist Timander?“ rief ich, und „Timander!“ antwortete hinter den düster glänzenden Laubmauern eine Dryade. Ich suchte, und ich verlor mich in den langen dunklen Lauben, wo überall Bilder der Gartengötter mich erschreckten und verspotteten. Der Ausgang endlich brannte, ja, ihn umstanden rote Flammen, und in wilder Angst wendete ich den Fuß. Wie aber auch das Ende des nächsten Blätterganges rot beleckt war, wollte ich laufend hindurch, und laufend und in meinem Herzen betend, gelangte ich auf eine Wiese, die ganz voll rosigen Himmels hing. Steinbilder lagen umgestürzt im Grase, und tönerne Krüge und — ihr Götter! — der da glich ganz dem meinen! Nimmst du ihn, Mnais? Nimmst ihn und schleichst zurück? Ich spähte umher: Da entdeckte ich zwischen den Büschen ein niedriges Haus und im Dunkel der Tür einen Jüngling, der mich ansah. Meine Arme sanken herab, die lieben Knie zitterten mir.

Er trat auf die Schwelle; Timander war’s; und er sagte lächelnd:

„Nimm dir den Krug, da du ihn dir ja wünschest, und geh nur!“

Ich bückte mich nach dem Kruge; aber anstatt zu gehen, fragte ich:

„Was tust du? Du bist Timander? Und dies ist dein Haus?“

Er lächelte noch; oder war’s der rosige Himmel auf seinem Gesicht? ja, vielleicht war sein Lächeln der Himmel selbst. Und er antwortete:

„Ich suche in dieser Tonerde den Gott.“

Rasch beugte ich mich darüber.

„Drücke deine Hand hinein,“ sagte er, und dann:

„Nun wird eine Göttin deine Hand bekommen, und vielleicht werden große Herren sie mit den Lippen berühren.“

Da ich ihn nur ansah:

„Freut dich’s? Was du für Augen hast! Wild und wirr von Freiheit, wie die Augen einer Waldfrau, die hier eingebrochen wäre. Gewiß bist du eine? So neugierig stehst du da und so scheu! Rasch muß ich dich festhalten und dir deinen warmen Abdruck rauben!“

Dabei spähte er in mein Kleid, und ich merkte mit Schrecken, daß sich’s vom Laufen verschoben hatte.