Mona macht eine Entdeckung - Friederike von Buchner - E-Book

Mona macht eine Entdeckung E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Charlotte parkte ihren bunten Jeep im Innenhof und stieg aus. »Da bist du ja, Madl«, rief der alte Künstler. »Komm rein in die Halle! Der Kaffee ist fertig. Meine Frau hat uns einen Kuchen gebacken, als sie hörte, du kommst vorbei.« Charlotte strahlte Hans Jäger an. Er war ein älterer Freund ihres Großvaters, Wilhelm Wetter. »Schön, Sie zu sehen! Ich freue mich auch, Herr Jäger.« Hans Jäger tätschelte Charlottes Wange. »Madl, des mit dem Sie, des lässt du jetzt sein. Ich war doch immer der Onkel Hans für dich. Und des bin ich weiterhin.« »Danke!« »Dann zeige mir mal deine Gipsmodelle!« Charlotte öffnete den Kofferraum ihres Jeeps. Sie hatte drei Gipsfiguren dick in Luftpolsterfolie gepackt. Gemeinsam trugen sie sie in die Halle und stellten sie auf den großen Arbeitstisch mitten im Raum. Charlotte packte vorsichtig aus.

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Toni der Hüttenwirt – 249 –

Mona macht eine Entdeckung

Die Spurensuche verändert nicht nur ihr Leben

Friederike von Buchner

Charlotte parkte ihren bunten Jeep im Innenhof und stieg aus.

»Da bist du ja, Madl«, rief der alte Künstler. »Komm rein in die Halle! Der Kaffee ist fertig. Meine Frau hat uns einen Kuchen gebacken, als sie hörte, du kommst vorbei.«

Charlotte strahlte Hans Jäger an. Er war ein älterer Freund ihres Großvaters, Wilhelm Wetter.

»Schön, Sie zu sehen! Ich freue mich auch, Herr Jäger.«

Hans Jäger tätschelte Charlottes Wange.

»Madl, des mit dem Sie, des lässt du jetzt sein. Ich war doch immer der Onkel Hans für dich. Und des bin ich weiterhin.«

»Danke!«

»Dann zeige mir mal deine Gipsmodelle!«

Charlotte öffnete den Kofferraum ihres Jeeps. Sie hatte drei Gipsfiguren dick in Luftpolsterfolie gepackt. Gemeinsam trugen sie sie in die Halle und stellten sie auf den großen Arbeitstisch mitten im Raum.

Charlotte packte vorsichtig aus. Sie prüfte die Figuren mit geschultem Blick.

»Alles ist gut gegangen. Keine Beschädigung!«, sagte sie erleichtert.

Hans Jäger betrachtete die Figuren.

»Das sind schöne Arbeiten, Lotte. Du hast deine ganze Seele hineingelegt. Der große Engel hat einen wunderbaren Gesichtsausdruck.«

Charlotte lächelte und errötete leicht.

»Die beiden kleinen Engel sind Kundenaufträge. Den großen Engel will ich verschenken.«

»Das ist ein wertvolles Geschenk. Wem willst du es schenken??«

Charlotte erröte und schaute verlegen auf ihre Schuhspitzen. Eigentlich wollte sie nicht darüber sprechen. Aber es drängte sie, ihr zu Herz erleichtern.

Hans Jäger erkannte, dass Charlotte etwas auf der Seele lag.

»Es kommt mir so vor, als läge ein schweres Bleigewicht auf dir?«, bemerkte er.

Charlotte seufzte. »Bist ein guter Menschenkenner, Onkel Hans.«

Er bat sie, sich zu setzen. Er schenkte ihr Kaffee ein und legte ihr ein großes Stück Kuchen auf den Teller.

»Also«, sagte Charlotte, »alle Figuren sollen in Metall gegossen werden. Die beiden kleineren Engel werden im Haus stehen, der große wird im Freien stehen, auf dem Friedhof.«

»Das wird ein schöner Grabschmuck. Willst du mir nicht sagen, für wessen Grab er bestimmt ist? Du musst den Menschen sehr geliebt haben.«

Charlotte strich sich verlegen eine Haarsträhne hinter das Ohr. Ihre Augen wurden feucht.

Hans Jägers Herz schmolz vor Mitleid dahin. Er kannte Charlotte nur als fröhlichen Menschen.

»Lotte, du kannst mir vertrauen, wenn du mir dein Herz ausschütten willst. Du weißt, dass ich verschwiegen bin. Vor ein paar Jahren, als du dich nach dem Abitur für eine Stuckateurlehre entschieden hast, bist wochenlang jeden Tag zu mir in die Werkstatt gekommen, und wir haben geredet. Habe ich zu irgendjemand ein Wort gesagt?«

»Ich zweifle deine Verschwiegenheit nicht an, Onkel Hans. Es ist nur so, dass ich Angst habe, dass ich weinen muss, wenn ich darüber rede.«

»Tränen reinigen die Seele und das Herz. Das ist wie beim Regen. Wenn die Regenwolken ausgeregnet haben, ist der Himmel wieder blau. Nun rede schon!«

»Mir ist mein ganzes Leben lang verschwiegen worden, dass Papa doch noch Verwandte hat. Mein Großvater lebt. Ich habe ihn kennengelernt, heimlich. Meine Großmutter, Hedwig Holzer, ist leider verstorben. Den Engel mache ich für das Familiengrab.«

Hans Jäger unterbrach Charlotte nicht. Sie erzählte ihm die ganze Geschichte von Anfang an. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. Der Unterton in ihrer Stimme wechselte von traurig bis empört.

»Onkel Hans, ich bin so wütend. Wenn Papa und Onkel Harry sich mit Großvater gestritten haben, dann ist das noch lange kein Grund, ihn mir vorzuenthalten. Unsere Familiengeschichte ist eine Lüge. Meinem Cousin und meiner Cousine wurde das gleiche Lügenmärchen aufgetischt. Kuno und Sophie sind genauso ahnungslos. Ich habe noch nicht mit ihnen darüber gesprochen.«

Charlotte wischte Tränen aus den Augen.

»Ich liebe meinen Vater und meine Mutter. Ich frage mich, warum sie mich belogen haben? Wie soll ich ihnen jemals wieder vertrauen? Am liebsten würde ich nichts sagen und weiter das falsche Spiel mitspielen. Das wäre einfach, da niemals über die Berghütte und meinen Großvater gesprochen wird. Aber mache ich mich damit nicht auch schuldig? Aber wenn ich sie zur Rede stelle, dann zerstöre ich unsere Familie. Nichts wird wieder so sein wie vorher.«

Hans Jäger rieb sich das Kinn.

»Armes Madl, du steckst wirklich in einer Zwickmühle. Wie du es auch machst, wird es dich belasten.«

»Wie soll ich meinen Eltern und Onkel Harry je verzeihen, dass sie so gelogen haben?«

»Es hat dich bis ins Mark erschüttert. Das verstehe ich.«

Hans trank einen Schluck Kaffee und schenkte Charlotte nach.

»Lotte, jetzt mal neutral betrachtet, es ist eine Kette von falschen Entscheidungen, die aus übersteigerter Liebe so getroffen wurden.«

»Wie meinst du das?«, fragte Charlotte erstaunt.

»Das ist einfacher, als es sich anhört. Dein Onkel Harry war in Karola verliebt. In seinem Herzen stand sie an erster Stelle. Er hielt kritiklos zu ihr. Das war eine falsche Entscheidung. Karola hatte deine Großeltern beleidigt und sehr gekränkt, mit ihren herzlosen und geldgierigen Plänen. Harry hätte sie in ihre Schranken weisen sollen. Das hat er nicht getan – aus falsch verstandener Liebe. Er stellte sich uneingeschränkt auf ihre Seite und riskierte den Bruch mit seinen Eltern. Dein Vater Emil hing sehr an seinem älteren Bruder. Das war auch eine übersteigerte Liebe. Er hätte ihm die Stirn bieten müssen und ihm erklären müssen, dass es so nicht geht. Aber stattdessen schlug er sich auf Harrys Seite. Er zog zu ihm nach München, noch während er in die Lehre ging. Das heißt, er war von Harry und Karola abhängig. ›Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich sing.‹ Das ist ein uralter Spruch, der bis heute seine Gültigkeit hat. Dann heiratete dein Vater. Deine Mutter spielte bei der ganzen Geschichte mit, weil sie deinen Vater liebt. So schließt sich der Kreis. Das soll keine Entschuldigung sein, Lotte. Ich versuche dir nur zu erklären, was dahintersteckt. Da ist aus falsch verstandener Solidarität eine Lawine losgetreten worden, die keiner mehr aufhalten konnte.«

»Es war Unrecht«, stieß Charlotte heraus.

»Ja, es war Unrecht. Sie hätten euch Kindern sagen müssen, dass es einen Streit gegeben hatte. Dann hättet ihr selbst entscheiden können, ob ihr Kontakt zu euren Großeltern haben wollt oder nicht.«

»Oma Hedwig kann ich nicht mehr kennenlernen. Dazu ist es zu spät«, sagte sie und sah traurig hinüber zu dem Engelsmodell.

»Sie schaut vom Himmel herab, Lotte. Sie wird sich über den Engel freuen. Ich gieße dir den Engel aus Metall. Wie wäre es mit einem schönen Steinsockel?«

»Die Rechnung kann ich doch bei dir abstottern?«, fragte Lotte.

Er lachte. »Nix da, es wird nix abgestottert! Ich schenke dir die Figur, und ich dulde keine Widerrede.«

Charlotte schaute ihn mit großen Augen an. Dann lächelte sie und bedankte sich.

Hans Jäger holte seinen Terminkalender. Er nannte das ungefähre Datum der Fertigstellung.

»Was würdest du an meiner Stelle machen, Onkel Hans?«

Er seufzte. »Das ist eine schwierige Frage. Ich kann sie dir nicht beantworten, Lotte. Auf jeden Fall musst du nichts überstürzen. Die Sache ist noch ganz frisch. Deine Empörung verstehe ich. Ich kann dir höchstens einen Rat geben: Lass dir Zeit! Wenn sich deine Aufregung und deine Empörung etwas gelegt haben, findest du bestimmt die passenden Worte. Es kommt auch immer auf die Situation an. Du musst einen günstigen Moment abwarten. Der richtige Augenblick ist wichtig.«

»Stimmt! Es widerstrebt mir, die Eltern zu kritisieren und zu tadeln.«

»Das ist verständlich. Jeder Mensch hat im Leben schwierige Situationen zu meistern. Meistens weiß er nicht gleich, wie er damit umgehen soll. Ich habe es immer so gemacht, dass ich nie Vorwürfe geäußert habe. Ich habe Fragen gestellt. Es gab Erschütterungen in meinem Leben, es geht eben im Leben nicht immer bergauf, sondern auch bergab. Wo es Berge gibt, gibt es auch Täler. Höhen und Tiefen gehören zum Leben wie Licht und Schatten.«

»Wie der ›Engelssteig‹ und das ›Höllentor‹, fügte Charlotte hinzu.

Sie schwiegen eine Weile.

»Charlotte, deine Tante Karola hat den Streit provoziert. Dein Onkel hat sie geliebt, trotzdem hätte er sich nicht auf ihre Seite schlagen sollen. Jemanden zu lieben, bedeutet nicht, dass man alles tolerieren muss, was er tut. Solidarität hin, Solidarität her, es gibt Grenzen. Leider erkennen das viele Menschen nicht. So werden sie zu Mittätern.«

Charlotte sah Hans an, dass er nachdachte.

»Soll ich auf dem Stein etwas einmeißeln? Soll der Namen, deiner Großmutter angebracht werden?«, fragte Hans dann.

Charlotte überlegte.

»Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wie lang kann der Text sein?«

»So lang du willst. Wie wäre es mit: ›Für meine liebe Großmutter, die ich nie kennenlernen durfte.‹ Oder: ›Für Omi von ihrer Enkelin Charlotte.‹ Oder: ›Dieser Engel ist eine Antwort von Lotte auf all deine Briefe.‹«

»Das gefällt mir!«

»Du kannst es dir in Ruhe überlegen, Lotte. Erst gieße ich die Figur, dann suche ich den Stein aus für den Sockel. Bis ich ihn bearbeite, dauert es noch etwas. Sicherlich wirst du mich in nächster Zeit öfter besuchen, so wie ich dich kenne.«

»Ja, das werde ich. Es war schön, mit dir zu sprechen. Jetzt ist mir schon etwas leichter. Danke, Onkel Hans!«

»Gern geschehen, liebe Lotte! Du tust mir leid. Das Ganze hat dich tief erschüttert. Doch war es nicht gut, dass du es erfahren hast?«

»Doch, es war wie ein Geschenk des Himmels. Wenn ich Großvater auf der Berghütte besuche, spüre ich deutlich, dass dort ein Teil meiner Wurzeln liegt.«

»Das ist schön. Das freut mich für dich.«

»Er ist ein wunderbarer Mensch. Opa Alois ruht in sich. Er strahlt eine Zufriedenheit aus, wie ich sie noch bei keinem anderen Menschen erlebt habe. Ich bin wirklich sehr, sehr glücklich, dass ich ihn kennenlernen konnte. Er hat mich mit offenen Armen aufgenommen.«

»Was sagte er dazu, dass er und seine Hedwig dir, Kuno und Sophie verschwiegen wurden?«

Charlotte lächelte.

»Er ist darin sehr zurückhaltend. Als ich ihn fragte, meinte er nur, er sei so glücklich, dass er mich habe. Was weiter geschehen werde, wollte er abwarten. Er freut sich so, wenn ich auf der Berghütte bin.«

Charlotte strich sich eine Locke hinter das Ohr, eine ihrer typischen Gesten.

»Ich denke, er ist froh, dass mit mir ein Anfang gemacht wurde. Er liebt Onkel Harry und meinen Vater. Das spüre ich. Er vermisst sie. Sicherlich hat es ihn geschmerzt, dass er nicht an ihrem Leben teilnehmen konnte. Doch wie es wirklich in seinem Herzen aussieht, weiß ich nicht. Es kam jedenfalls kein böses Wort über seine Lippen. Es ist schade, dass es zu diesem Zerwürfnis gekommen war.«

»Das ist es. Manchmal laufen Gespräche aus dem Ruder. Mich würde interessieren, ob dein Onkel Harry und dein Vater von den Briefen wissen, die zurückgeschickt worden sind?«

»Du meinst, Tante Karola hat sie zurückgehen lassen und ihrem Mann nichts gesagt?«

Hans Jäger hob abwehrend die Hände. »Ohne etwas unterstellen zu wollen, könnte es so gewesen sein?«

»Ich werde es herausfinden, denke ich. Vielleicht hatte mein Vater darauf gewartet, dass ihm seine Mutter schreibt?«

Charlotte lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Sie umklammerte mit beiden Händen die Kaffeetasse.

»Also, wenn ich ehrlich bin, habe ich kein inniges Verhältnis zu Tante Karola. Ich wurde nie warm mit ihr. Sie ist eine Intrigantin und der geizigste Mensch, den ich kenne. Ich beziehe das nicht nur auf Geld. Sie ist in allem geizig. Sie zeigt so gut wie nie Gefühle. Wo andere ein Herz haben, hat sie eine Rechenmaschine. Wenn ich darüber nachdenke, halte ich es für möglich, dass sie böse Geschichten ausgesponnen hatte, um meinen Onkel und meinen Vater zu beeinflussen.«

Charlotte seufzte.

»Oft denke ich, ich sollte nichts sagen. Ich habe Angst, in ein Wespennest zu stechen.«

»Das verstehe ich. Das Schicksal hat eine große Verantwortung auf deine jungen Schultern gelegt, Lotte. Freue dich, dass du jetzt einen lieben Großvater hast! Im Augenblick bist du unsicher. Irgendwann wird dir einfallen, was du machen willst und wie du es anstellst. So wie ich dich kenne, willst du niemanden verletzen.«

»Genauso ist es, Onkel Franz.« Charlotte schaute auf die Uhr. »Oh, ich muss los. Ich habe noch ein paar Entwürfe für Stuckarbeiten mit Kunden zu bereden. Sie kommen später. Danach geht es ins Wochenende.«

»Fährst du nach Waldkogel?«

»Na klar, wo sollte ich sonst mein Wochenende verbringen?«, lächelte Charlotte. Ihre Augen strahlten vor Freude.

Hans Jäger brachte Charlotte zum Auto. Er sah ihr nach, wie sie davonfuhr und ihm winkte. Er seufzte. Damals waren sich weder Alois, noch seine Söhne darüber bewusst gewesen, wie lange dieser Streit dauern würde, dachte Hans. Charlotte gehört zur dritten Generation. Es wurde Zeit, dass ein Schlussstrich gezogen und ein neuer Anfang gemacht wird. Dabei wollte er Charlotte, so gut er konnte, helfen.

*

Ramona Hirschers Handy vibrierte in ihrer Schürzentasche. Sie stand hinter dem Tresen des Szenecafés und bediente den Kaffeeautomat.

Sie griff kurz in die Tasche und warf einen Blick auf das Display.

»Ich kann jetzt nicht«, sagte sie leise vor sich hin und steckte das Handy wieder ein.

»Mona, wo bleibt der Kaffee, die Gäste werden ungeduldig«, rief ihr ihre Kollegin zu.

»Nun drängel nicht so! Der Automat braucht eben so lange, wie er braucht. Zaubern kann ich auch nicht«, gab Mona zurück.

Sie drehte sich kurz um. Entlang der Schaufenster standen einige Gäste, die geduldig warteten, bis sie einen Platz bekamen. Alle Tische auf dem Bürgersteig waren besetzt. Fünf Bedienungen nahmen die Bestellungen auf. Alle waren Studentinnen oder hatten gerade Examen gemacht und suchten eine richtige Stelle. Das Arbeitsklima war gut, auch wenn alle während des mittäglichen Ansturms unter Strom standen. Sie wechselten sich ab. Jeden Tag hatte jemand anders Dienst an der Kaffeemaschine und hinter dem Tresen. Ramona warf einen Blick auf die Bahnhofsuhr, die das Café schmückte. In zwei Stunden wird der Ansturm vorüber sein, dachte sie. Es war Mittagspause in den umliegenden Büros.

Bis es so weit war, vibrierte Ramonas Handy noch ein paar Mal. Jedes Mal war es Gila. Typisch, dachte Ramona. Sie kann sich nicht vorstellen, was es heißt, im Stress zu sein, wenn man sein Geld verdienen muss. Ramona kam aus einfachen Verhältnissen. Ihr Vater war Arbeiter und ihre Mutter putzte in einem Hotel. Ramona war ihr einziges Kind. Sie sollte es weiterbringen als sie. Viel Geld konnten ihr ihre Eltern nicht geben. So hatte Ramona während des gesamten Studiums gejobbt, meistens in Kneipen und Cafés. Sie hatte an der Kasse gesessen und Zeitungen ausgetragen. Bei Gila war es anders. Sie kam aus einem vermögenden Elternhaus. Sie hatte noch niemals gearbeitet. Es war auch nicht notwendig, dass sie eine Stelle fand. Gilas Mutter hatte deutlich zu ihr gesagt, dass es jetzt an der Zeit sei, Ausschau nach dem passenden Mann zu halten. Trotz dieser Gegensätze waren Ramona und Gila Freundinnen, seit sie sich an der Universität begegnet waren. Gila schätzte an Ramona, dass sie keinen Neid kannte. Ramona nahm Gila gern überall mit hin. Sie hatte ihr gezeigt, wie man stilsicher wird und wie es in besseren Kreisen zugeht. Dafür war sie ihr dankbar.

Während der Schicht, die bis zum späteren Nachmittag ging, dachte Ramona öfter an Gila. Was sie nur wieder wollte? Wenn du arbeitest, dann arbeitest du, hatten ihr ihre Eltern beigebracht. Nach diesem Motto handelte sie.

Ramonas Schicht war gerade zu Ende, als das Handy wieder klingelte. Auf dem Weg zu ihrem Fahrrad, das im Hof hinter dem Café stand, nahm sie das Gespräch an.