MONDSTATION 1999, BAND 1 - Michael Butterworth - E-Book

MONDSTATION 1999, BAND 1 E-Book

Michael Butterworth

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Beschreibung

Es war eine unheimliche, fremdartige Landschaft, voll düsterer, qualmender Vulkane und erstarrter, vulkanischer Gesteinsfalten.

Einstmals, vor Jahrtausenden, wimmelte es auf der Oberfläche von Leben. Wo sich nun im erstarrten Felsantlitz gespenstische, vielfarbige Adern wanden und krümmten, hatten einst die weicheren, wärmeren Farben von Bäumen, Blumen, das Blau des Himmels geleuchtet...

Commander Koenig, Doktor Helena Russell, Simon Hays und einige andere zur Kommandozentrale gehörige Besatzungsmitglieder saßen gebannt da und beobachteten schweigend die aufwühlende Szene, die ihnen über die große Bildfläche eingespielt wurde.

Während sie dasaßen und zusahen, schwenkte die in das Eagle-Schiff eingebaute Kamera über die geschändete, verwunschene Landschaft und ermöglichte es ihnen, am Erlebnis der zwei Eagle-Piloten Bill Fraser und Ray Torens teilzuhaben.



Mondstation 1999 – Band 1 von Michael Butterworth und H. W. Springer enthält fünf Romane aus der legendären Science-Fiction-Serie Mondbasis Alpha 1 (engl. Original-Titel: Space 1999), die seit den 1970er Jahren ein Millionen-Publikum begeistert und heute längst Kult ist: Station der Verlorenen, Der Weltenfresser, Kampf um die Zukunft, Das Andromeda-Rätsel und Die Ewigen von Luna.

Mondstation 1999 – Band 1 erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX SCIENCE-FICTION-KLASSIKER.

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MICHAEL BUTTERWORTH/

H. W. SPRINGER

Mondstation 1999 – Band 1

Fünf Romane in einem Band

Apex Science-Fiction-Klassiker, Band 56

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

Michael Butterworth: STATION DER VERLORENEN 

Michael Butterworth: DER WELTENFRESSER 

Michael Butterworth: KAMPF UM DIE ZUKUNFT 

H. W. Springer: DAS ANDROMEDA-RÄTSEL 

H. W. Springer: DIE EWIGEN VON LUNA 

 

Das Buch

Es war eine unheimliche, fremdartige Landschaft, voll düsterer, qualmender Vulkane und erstarrter, vulkanischer Gesteinsfalten.

Einstmals, vor Jahrtausenden, wimmelte es auf der Oberfläche von Leben. Wo sich nun im erstarrten Felsantlitz gespenstische, vielfarbige Adern wanden und krümmten, hatten einst die weicheren, wärmeren Farben von Bäumen, Blumen, das Blau des Himmels geleuchtet...

Commander Koenig, Doktor Helena Russell, Simon Hays und einige andere, zur Kommandozentrale gehörige Besatzungsmitglieder, saßen gebannt da und beobachteten schweigend die aufwühlende Szene, die ihnen über die große Bildfläche eingespielt wurde.

Während sie dasaßen und zusahen, schwenkte die in das Eagle-Schiff eingebaute Kamera über die geschändete, verwunschene Landschaft und ermöglichte es ihnen, am Erlebnis der zwei Eagle-Piloten Bill Fraser und Ray Torens teilzuhaben.

Mondstation 1999 – Band 1 von Michael Butterworth und H. W. Springer enthält fünf Romane aus der legendären Science-Fiction-Serie Mondbasis Alpha 1 (engl. Original-Titel: Space1999), die seit den 1970er Jahren ein Millionen-Publikum begeistert und heute längst Kult ist: Station der Verlorenen, Der Weltenfresser, Kampf um die Zukunft, Das Andromeda-Rätsel und Die Ewigen von Luna.

Mondstation 1999 – Band 1 erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX SCIENCE-FICTION-KLASSIKER.

  Michael Butterworth: STATION DER VERLORENEN

 

 

 

Erstes Kapitel

 

 

Es war eine unheimliche, fremdartige Landschaft, voll düsterer, qualmender Vulkane und erstarrter, vulkanischer Gesteinsfalten.

Einstmals, vor Jahrtausenden, wimmelte es auf der Oberfläche von Leben. Wo sich nun im erstarrten Felsantlitz gespenstische, vielfarbige Adern wanden und krümmten, hatten einst die weicheren, wärmeren Farben von Bäumen, Blumen, das Blau des Himmels geleuchtet...

Commander Koenig, Doktor Helena Russell, Simon Hays und einige andere, zur Kommandozentrale gehörige Besatzungsmitglieder, saßen gebannt da und beobachteten schweigend die aufwühlende Szene, die ihnen über die große Bildfläche eingespielt wurde.

Während sie dasaßen und zusahen, schwenkte die in das Eagle-Schiff eingebaute Kamera über die geschändete, verwunschene Landschaft und ermöglichte es ihnen, am Erlebnis der zwei Eagle-Piloten Bill Fraser und Ray Torens teilzuhaben.

Bei Annäherung an den Planeten übten bestimmte Stellen an dessen Oberfläche eine magnetische Anziehungskraft aus, ein Umstand, der auf die schweigsamen Zuschauer beunruhigend wirkte und unerklärlich schien. Sie versuchten es auch gar nicht, das Geheimnis zu ergründen, und hofften nur, dass der Eagle seine Aufgabe - das Auffinden von Tiranium - erfüllen würde. Tiranium, jenes kostbare und seltene Mineral, das sie so dringend zur Wiederherstellung zerstörter, lebenserhaltender Systeme benötigten.

Gedankenverloren strich sich Helena Russell eine Strähne ihres platinblonden Haares aus der Stirn. Sie fühlte sich noch immer ein wenig flatterig infolge der Auswirkung der Raumverwerfung. Ohne Vorwarnung war der Mond in einen der instabilen Zeitdurchtritte geplumpst. Er - und auf ihm die Mondbasis »Alpha«-war Hunderte Lichtjahre weit von seiner vorherigen Position im Weltraum weggefegt worden. Es war die zweite Verwerfung, die sie in ebenso viel Jahren durchgemacht hatten, und sie befanden sich nun tiefer im Weltraum als je zuvor, gänzlich verloren in einem unbekannten und kartographisch noch nicht erfassten Teil des Universums.

Sie hatten keine Ahnung, wie weit entfernt von der Erde sie sich befanden. Während des Verwerfungsvorganges war ein großer Teil ihrer Ausrüstung beschädigt worden. Gesundheit und Leben der 297 Alphaner standen auf dem Spiel. Wollte man ihnen helfen, sollte ein Überleben der Mondbasis Alpha gesichert werden - dann musste Tiranium gefunden werden!

Das war eine Schicksalsfrage.

Helena Russell stand jetzt vor dem medizinische Daten registrierenden Monitor, auf dessen Bildschirm die Namen Fraser und Torens geschrieben standen. Während die beiden tapferen Piloten viele Zehntausende Meilen draußen im Raum über die Oberfläche dieses neuen, bizarren Planeten dahinglitten, behielt sie deren körperliche Kondition dauernd im Auge. Sollte bei ihnen irgendetwas schieflaufen, würde sie John Koenig sofort den Rat geben, die beiden zurückzubeordern.

»Wir haben engen Sichtkontakt mit dem Planeten«, kam die beruhigende Stimme Bill Frasers über den großen Bildschirm-Lautsprecher. Seinen Worten folgte auf dem Bildschirm das Auftauchen eines Schauerregens von Felsgestein, Staubwolken stoben auf - ein Anblick, der die ganze Bildfläche ausfüllte. Hinter dichten, ausströmenden Rauchschwaden leckten Flammenzungen, dann teilte sich der schwarze Schleier und enthüllte die glühende Krateröffnung eines Vulkans, welche ihnen unheildrohend entgegenstarrte. Die Krateröffnung schien ganz nahe, so nahe, als läge sie in dem Raum, in dem sie sich befanden, unmittelbar vor ihnen.

Lava brodelte und schwappte. Ein zweiter Flammenblitz schoss aus den Tiefen, geschmolzenes, flüssiges Gestein wurde emporgeschleudert und floss den Vulkanabhang hinunter.

»Lasst euch nicht ins Bockshorn jagen«, meldete sich erneut die Stimme des Piloten. »Das war nur ein Griff in die Trickkiste des Eagle! Wir sind noch immer einige hundert Meilen von der Oberfläche entfernt.«

Frasers lächelndes Gesicht erschien auf dem TV-Monitor unterhalb der großen Bildfläche. Koenig und Helena waren sichtlich erleichtert.

»Bill, wie oft muss ich dir noch sagen, dass du diesen Unfug lassen sollst«, sagte Koenig gespielt vorwurfsvoll.

Hinter ihm meldete sich jetzt Lew Picard. »Atmosphäre zum Atmen geeignet, Kohlenstoff 9.2., Wasserstoff 4.2., Stickstoff 8.7. Aber die Oberflächentemperatur ist sehr hoch - 180 Grad...«

»Wundert mich nicht, Lew«, erwiderte ihm Koenig. »Bill! Gibt es Anzeichen von Leben?«

»Nichts, John. Keine Siedlungen, kein Leben.« Seine Worte wurden von unheildrohendem Grollen begleitet. »Nichts, außer Vulkanen. Ist Anne da?«

»Ja, ich bin da, Bill«, entgegnete Anne Fraser, die Frau des Piloten. Sie sprach von der Mondbasis Alpha aus, wo sie dem Technikerstab der Kommandozentrale angehörte. Sie stand vor ihrer Konsole im Hintergrund des Raumes, wo sich auch Koenig und die anderen befanden, ihren Blick unbeirrt auf den Bildschirm gerichtet.

»Halte dich nicht zu lange auf, Liebster«, rief sie. »Ich denke immerzu an dich.«

»Na, dann steht einer sicheren Wiederkehr nichts im Wege«, antwortete der Pilot, dessen lächelndes Gesicht nun wieder auf dem Bildschirm erschien.

»Bill, stellen Sie den Scanner für die Mineralienanalyse ein«, sagte Koenig. »Vergessen Sie nicht ihre eigentliche Aufgabe!«

»Der Scanner arbeitet bereits, lassen Sie die Verbindung mit dem Hauptcomputer herstellen!«

Ein scharfes Klicken ertönte, als Picard kurz auf eine seiner Tasten einhieb. Das Atmosphärenbild auf dem großen Bildschirm lichtete sich, und eine Reihe von Symbolen und Worten zuckte nun vorüber: Mangan Trisilikat... Magnesiumphosphat... Lithiumsulphat... Tiranium...

»Bill, du hast es geschafft!«, rief Helena voll Freude. »Du hast eben ein großes Tiraniumlager entdeckt!«

»Genau das, was uns die Doktorin verordnete!« verkündigte Koenig. Dann befahl er Fraser: »Eagle Eins-zurück zur Basis!«

Alle im Kommandoraum strahlten. Frasers lächelndes Gesicht wurde auf dem Schirm wieder sichtbar. Man sah, wie sich seine lächelnde Miene jäh verdüsterte und höchste Beunruhigung ausdrückte. Aus dem Hintergrund vernahmen sie Torens' Stimme, die Fraser in dringendem Ton etwas zurief.

»Einen Augenblick!«, rief Fraser der Kommandozentrale zu.

Sein Bild verschwand vom Bildschirm. Auch die Symbole und Worte waren verschwunden, stattdessen sah man wieder die Planetenoberfläche. Sie wirkte jetzt noch bösartiger und bedrohlicher als vorhin, so, als wäre sie drauf und dran, sich selbst in Stücke zersprengen zu wollen.

Die Besatzung der Kommandozentrale starrte in verwunderter Ratlosigkeit auf die chaotische Szenerie, bemüht, eine Erklärung zu finden. Das Panorama verschwand und wurde von der Nahaufnahme eines großen Felsblockes verdrängt, der auf dem Boden des Planeten lag. Während sie ihn betrachteten, ging er in ein stürmisches Glühen über.

Ein fahles, intensives, türkisfarbenes Glühen. Die Umrisse des Felsblockes lösten sich auf, und die pulsierende Form nahm nun die Gestalt eines riesigen, leicht beweglichen Lichtballes an, der sich langsam und stetig in die raucherfüllte Luft erhob.

»Auf Weitsicht übergehen!«, befahl Koenig, der kerzengerade in seinem Sessel saß und das Bild anstarrte.

Der Bildschirm war bereits vollständig von dem blaugrünen Licht überflutet. Sandra Benes an der Übertragungskonsole drückte einen Knopf. Auf dem Bildschirm flammte sofort eine neue Perspektive der Planetenoberfläche auf.

Sie sahen jetzt, dass die riesige Lichtkugel Kurs auf sie nahm. Wieder füllte das Bild, das sie abgab, die ganze Bildfläche des Schirmes aus - und dann war sie plötzlich verschwunden.

»Bill... ihr werdet von einem seltsamen Licht verfolgt!«, rief Koenig. »Macht, dass ihr wegkommt... aber schnell!«

Hilflos saß er in seinem Sitz da.

Hinter ihm schrie Annette auf. Simon Hays brüllte ins Mikro: »Alarm! Alarm-Mannschaften auf die Posten!«

»Bill! Weiche aus! Mach Ausweichmanöver, Mensch!« befahl Koenig. »Nichts wie Ausweichmanöver!«

 

Im Inneren der Pilotenkanzel des Eagle drangen Koenigs Worte krächzend aus dem Lautsprecher.

Torens wünschte sich jetzt an die Stelle des Befehlsgebers, anstatt der Befehlsempfänger sein zu müssen. Er war jung, erst sechsundzwanzig, und er wollte noch nicht sterben.

Seine Hände bewegten sich hastig über das Steuerungspult. Lichter und Zahlen flammten hektisch auf den Schirmen des mächtigen Schiffes auf. Er schluckte erregt und versuchte, sich auf seine Tätigkeit zu konzentrieren.

Der Bordcomputer arbeitete ruhig und logisch und unterstützte ihn bei seiner Aufgabe. Die Antriebe seines Raumschiffes kamen auf Touren, der gewaltige Rumpf wurde während des Ausweichmanövers hin und her geschleudert.

»Es hat keinen Zweck, Ray. Wir können das Ding doch nicht abhängen«, sagte Fraser in aller Ruhe. Er war älter, etwa Mitte Dreißig, von kräftigem Körperbau und bediente die Steuerung weitaus gekonnter.

»Wir schaffen es nicht, Alpha«, rief er in die Sprechanlage. »Es hat sich an uns einfach angehängt!«

»Kommen Sie, Fraser...! Los!« Koenigs Stimme kam über Tausende von Meilen krächzend durchs All.

»Bill... Bill...«, hörte Fraser seine Frau unter leisem Schluchzen flüstern, für ihn so laut, als stünde sie neben ihm.

Fraser wandte sich zu Torens um. Seine Kiefermuskeln arbeiteten krampfhaft.

»Wir müssen es weiter versuchen«, sagte er zu dem Jüngeren.

Beide gingen wieder an ihre Apparate und führten mit dem Schiff ein steiles Sturzmanöver aus. Doch der Ball draußen im All blieb ihnen unerbittlich auf den Fersen.

Als sie wieder auf den Schirm sahen, war er sogar noch näher gekommen. Doch dann schien die hellgrüne Kugel des Spieles überdrüssig.

Ihre Oberfläche schwoll an.

Mit trotziger Bitterkeit musste sich Fraser eingestehen, dass ihr Verfolger seine Geschwindigkeit immens gesteigert hatte. Ein Entkommen war nunmehr völlig ausgeschlossen. Das schafften die Eagle-Antriebe nicht.

»Na, mach nur ruhig so weiter«, sagte er zu dem jüngeren Torens, der noch immer an der Steuerung hantierte und die letzte Entwicklung auf dem Bildschirm nicht verfolgt hatte.

 

Der große Bildschirm in der Kommandozentrale wurde jetzt weiß. Er flammte in blendender Helligkeit auf. Schützend hoben die Alphaner ihre Hände vor die Augen.

Wieder klärte sich der Bildschirm, und nun sahen sie, dass die Lichtkugel hinunter auf die Planetenoberfläche raste.

Über die starken Lautsprecher des Bildschirms ertönten Frasers Schmerzensschreie. Seine zur Hysterie gesteigerte Stimme ließ sie auf springen, entsetzt von den Folgerungen, die sich aus dem Hergang des eingetretenen Vorfalls ergaben.

Sie ahnten, dass etwas Unheimliches vor sich ging, doch so hervorragend ihre Sonden und Sensoren auch arbeiteten - sie konnten ihnen nicht sagen, was genau den zwei Piloten zustieß. Sie konnten über das Unbekannte keinen Aufschluss geben.

Und das Unbekannte war es - die unbekannten Weiten und die Gefahren des Alls im Besonderen - was ihnen Entsetzen einflößte.

»Ann ist ohnmächtig geworden!«, rief Helena. Sie war die erste, die sich wieder gefasst hatte. Ihr Verstand wandte sich instinktiv ihren Pflichten zu, und sie kam der unglücklichen Technikerin eilends zur Hilfe.

»Krankenstation... Kommandozentrale!«, rief sie in die Sprechanlage.

Koenigs Verstand begann Sekundenbruchteile später aktiv zu werden. Doch blieb er reglos sitzen und starrte wütend den leeren Schirm an. Seine Hände umklammerten die Armstützen seines Stuhles, dass die Knöchel weiß hervortraten, während er die Einzelheiten eines Aktionsplanes überdachte, den er blitzschnell ausgearbeitet hatte.

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Koenig saß noch immer da und starrte den Bildschirm an. Er war körperlich ein großer Mann, verfügte über scharfen Verstand, doch hatte er in letzter Zeit so viel durchgemacht, dass seine Führungsqualitäten auf die Probe gestellt worden waren.

In den Pioniertagen der Raumfahrt, ehe man die Mondbasis Alpha von der Erde aus hinausgeschossen hatte, war er als Pilot ausgebildet worden. Als einer der ersten Astronauten war er draußen im All gewesen, und er konnte sich sehr gut vorstellen, wie den beiden Piloten, mit denen sie jetzt den Kontakt verloren hatten, zumute war. Er wusste, welchen unbekannten Gefahren sie ausgesetzt waren - wenn sie überhaupt noch am Leben waren.

»Laserbatterie eins - aktiviert«, meldete Jameson von der Haupteinheit auf der Mondoberfläche,

»Kampfschiff Eagle Fünf in Position«, meldete sich die Stimme eines Piloten von der Abschussrampe.

»Kampfschiff Eagle Sechs in Position«, meldete eine andere Stimme.

Koenig hörte all die Stimmen seines Stabes, der seine Befehle alle ausführte. Mondbasis Alpha hatte sich vollkommen in einen potentiellen Todesplaneten verwandelt, der nur noch vor Waffen starrte. Sollte der geheimnisvolle Planet angreifen, würde es das Ende für ihn und seiner Leute bedeuten, dachte er voller Ingrimm.

Aber sie konnten ihn nicht einfach in die Luft jagen, weil Fraser und Torens da draußen waren... wenn sie noch lebten. Und er musste davon ausgehen, dass sie noch am Leben waren, dachte er wütend.

»Abwehrschilde ausfahren! Oberflächenlaser abwehrbereit. Kampf-Eagles startklar«, erklang neben ihm die Stimme Simon Hays'

»Ich riskiere kein einziges Menschenleben, ehe ich nicht weiß, womit wir es zu tun haben«, sagte der Commander. Er stand auf und ging zu Picard hinüber.

»Es muss Leben auf diesem Planeten geben.«

»John, ich habe kreuz und quer Kontrollen gemacht. Kein Anzeichen von Leben auf der Oberfläche.«

»Und unter der Oberfläche?«

»Der Planet ist eine wahre Hölle... Leben, wie wir es kennen, kann darauf nicht existieren.«

»Commander Koenig!«

Eine warme, freundliche Stimme dröhnte in die Kommandozentrale. Sie kam vom Bildschirm her, und alle drehten sich blitzschnell um.

Das Bild eines distinguierten, intelligent wirkenden Humanoiden - etwa um die Fünfzig - füllte den Bildschirm aus. Er hatte dunkle, stechende Augen, geschärft durch langjährige Erfahrung. Er war von gut gebauter Statur, wenn auch ein wenig schwammig, trug einen dunkelblauen Umhang mit silbrigem, samtähnlichem Kragen. Der braune Bart war säuberlich zurechtgestutzt, das Haar silbern und kurzgeschnitten. Auf dem Kopf wuchs ein roter Haarschopf wie ein Hahnenkamm.

Er lächelte väterlich. Doch hinter der Freundlichkeit steckte ein Anflug von Arroganz - vielleicht auf eine Psychose zurückzuführen und das mahnte sie zur Vorsicht.

»Sie wissen, wer ich bin - aber wer sind denn Sie?« Koenig ging damit sofort zum Angriff über und ließ sich seine Überraschung nicht anmerken.

Die Gestalt schien überlegene Kraft auszustrahlen, während sie antwortete: »Ich bin Mentor vom Planeten Psychon.«

»Warum haben Sie unser Schiff angegriffen? Wir kamen in friedlicher Absicht.«

Die Gestalt gab sich erstaunt und zog die Brauen hoch. »Sie schicken ein bewaffnetes Schiff gegen unseren Planeten aus und reden von Frieden?«

Mentor trat zur Seite. Neben ihm kam jetzt eine Anordnung farbiger, futuristischer Röhrengebilde ins Bild. Im Inneren der Röhren hoben und senkten sich Flüssigkeitssäulen, deren Oberflächen gewölbt waren, wobei jede der Flüssigkeiten ein anders getöntes Licht ausschickte. Die stürmisch brodelnden Flüssigkeiten tauchten Koenig und Hays in ein warmes, psychedelisches Glühen.

Die Kamera, mit der Mentor die Röhrenanordnung projiziert hatte, und die er völlig zu meistern schien, machte mehrere Schwenks durch den Raum, in dem er sich befand. Jetzt kam eine Reihe schimmernder Tische von metallähnlicher Struktur ins Bild.

Die Tische trugen große, durchsichtige, kuppelförmige Gefäße, die mit einer zarten, gehirnähnlichen Substanz gefüllt waren, die in Nährflüssigkeit schwebte und voll Energie pulsierte. Die Gefäße waren durch Röhrenleitungen, die von rasch strömenden Flüssigkeiten durchpulst waren, mit einer Anordnung von Nährbänken verbunden.

Der große Fremde hatte sich nunmehr in den Mittelpunkt der kreisförmig angeordneten Kuppelgefäße begeben und nahm an einer lichterfüllten Steuerungskonsole Platz. Auf einem Bildschirm über seinem Kopf tauchte jetzt Koenigs Gesicht auf.

Koenig sah sich selbst sprechen. Trotz seines Zornes konnte er nicht umhin, den Unbekannten zu bewundern. Gleichzeitig bedachte er, dass er vor der hohen Intelligenz des Mannes auf der Hut sein müsse. Er hatte das Gefühl, dass sich Mentor als ein überaus mächtiger Gegner erweisen würde.

»Unser Schiff, das Sie eben gekapert haben, war ein Forschungsschiff auf der Suche nach Mineralvorkommen«, sagte Koenig in beherrschter Ruhe. »Wir hielten Ihre Welt für unbewohnt.«

Mentor sah zum Bildschirm auf, der Koenigs Gesicht zeigte.

»Ein oft gehörtes Argument, Commander, ein Argument, das den Tod von Millionen unserer Leute im Gefolge hatte. Schon andere Fremdlinge haben uns in der Vergangenheit unter diesem Vorwand angegriffen.«

Koenig ging auf dieses Thema nicht weiter ein. »Was ist mit meinen Leuten geschehen?«, fragte er.

»Ihre Piloten sind in Sicherheit... aber der Eagle ist irreparabel beschädigt.«

»Lassen Sie meine Männer zurückkehren, und wir werden alles tun und in Frieden abziehen. Mehr wollen Sie doch nicht, oder?

»Ja, Commander - Frieden!«, erwiderte Mentor. Seinen Worten haftete ein düsterer, zweifelnder Unterton an.

Koenig erkannte, dass er diese Äußerung wohl als charakteristisch für diesen Menschen hinnehmen musste. »Sie haben meine feierliche Versicherung, dass wir keine Feindseligkeiten Vorhaben«, sagte er zu dem Fremden.

»Und ich nehme Ihre Versicherung an«, erwiderte Mentor aalglatt. »Wir können also einen Plan für die Rückkehr der Piloten fassen.«

Koenig sah, dass nun der Großteil des Raumes, in dem sich Mentor befand, auf dem Bildschirm gezeigt wurde. Auf einem Wandvorsprung lag ein ausgewachsener Ozelot, behaglich schnurrend, und sah Mentor lippenleckend und bewundernd an. Mentor streckte eine umhüllte Hand aus und streichelte das Tier liebevoll. Die Augen des Ozelots schimmerten fast wissend.

»Das ist kein gewöhnliches Tier«, flüsterte Hays eindringlich.

Mentor sah zu Koenigs Gesicht auf. »Schicken Sie ein weiteres Eagle-Schiff. Ich werde Ihnen bezüglich des Landeplatzes Anweisungen geben.«

Hays schüttelte den Kopf. Koenig blickte in den Bildschirm. »Nein, das könnte zu weiteren Missverständnissen führen. Warum kein Treffpunkt im All?«

»Sieht aus, als trauten Sie uns so wenig wie wir Ihnen.«

»Auch wir wurden in der Vergangenheit hintergangen, Mentor«, sagte Hays.

»Dann treffen wir uns also im All, Commander!« Mentor machte ein nachdenkliches Gesicht. »Sie brauchen Minerale? Sehr schön. Schicken Sie mir einen Wissenschaftler, damit wir die technischen Details besprechen, und Sie bekommen Ihre Minerale.«

Koenig runzelte die Stirn und wechselte einen Blick mit Hays. Dann sah er wieder auf den Bildschirm. »Sie sind sehr großzügig - danke!«

Wieder füllten die vertrauten Züge des geheimnisvollen Mentor den Bildschirm, und trotz ihrer bösen Ahnungen fühlten sich Koenig und Hays wider Willen davon angezogen. Er war offenbar ein gerissener Halunke.

»Das ist ein geringer Preis für den Frieden«, erklärte Mentor. Erstaunlicherweise waren nun alle Spuren von Bösartigkeit aus Miene und Stimme verschwunden. Er schien der perfekte Freund. »Zufällig erlitt einer Ihrer Piloten geringfügige Verletzungen... Vielleicht können Sie auch einen Arzt schicken.«

»Machen wir, Mentor«, sagte Koenig.

»Freue mich schon, Sie kennenzulernen, Commander.«

Mentors Züge verblassten allmählich, der Bildschirm war wieder leer. Hays und der Commander sahen einander gedankenvoll an.

»Seine Freundlichkeit gefällt mir nicht, John«, bemerkte Hays.

»Mir auch nicht«, erwiderte Koenig. Er wandte sich an Mark MacInlock, den Chefpiloten. »Bestücken Sie Eagle Vier mit zusätzlichen Antriebsaggregaten, und machen Sie ihn startklar.«

»Jawohl!«

Der Chefpilot verließ die Kommandozentrale.

Hays sah Koenig fragend an. »Zusätzliche Antriebe? Sie haben es wohl ziemlich eilig, hinzukommen?«

Koenig erlaubte sich die Andeutung eines Lächelns. »Vielleicht eilt es mir noch mehr, wegzukommen!«

Der andere nickte verstehend.

Der weiße Ozelot streckte die Krallen, hob den Kopf und gähnte herzhaft.

Die verhüllte Gestalt Mentors bewegte sich geschmeidig von jenem Raum weg, von dem aus er mit dem Commander gesprochen hatte, und kam auf das Tier zu. Er streckte die juwelengeschmückte Hand aus und streichelte die große Katze. Gehorsam erhob sie sich und machte einen Buckel.

»Na, was hältst du von diesen Alphanern, Maya?«, fragte er.

Die Katze sah ihn wissend an und sprang herunter. Noch ehe das Tier den Boden berührt hatte, begann es zu glühen. Nun wurde es von einem undurchsichtigen Energiefeld eingehüllt, dann trat daraus die zittrig-schimmernde Gestalt eines jungen, wunderschönen, braunhaarigen Mädchens von etwa einundzwanzig Jahren hervor.

Die Umrisse der Gestalt verfestigten sich. Schließlich hatte sie die molekulare Umwandlung vollendet, eine Kunst, die sie in aller Vollkommenheit beherrschte - beobachtet von dem lächelnden Mentor.

»Du siehst blendend aus, meine Liebe!« Er streckte ihr zur Begrüßung die Hände entgegen.

Sie trug ein atemberaubendes Spitzenkleid von lebhafter Hautfarbe, besetzt mit schimmernden Steinen, die bei jeder Bewegung glitzerten und funkelten. Das volle, brünette Haar war in einem Knoten zusammengefasst. Die Brauen waren markant gewölbt und reichten weit seitwärts, was ihren feinen weiblichen Zügen eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Luchs verlieh.

Sie ließ sich von ihrem Vater umarmen und einen zärtlichen Kuss auf die Wange geben. »Vater, mir gefallen die Alphaner. Hübsche Menschen, nicht? So anders als die anderen.« Sie sah wirklich bildschön aus. Und wirkte fast zu unschuldig.

Ihr Vater sah sie mit fürsorglichem Blick an. »Sie kommen offensichtlich aus einer der unseren ähnlichen Kultur - die natürlich nicht so fortgeschritten ist.«

Seine Tochter lachte fröhlich. Er fragte sich, was sie wohl denken mochte. Ihre Gestalt begann zu flackern, und sie nahm jetzt die Gestalt des Commanders an. Jedes einzelne Detail stimmte haargenau. »Na, wäre ich nicht ein guter Alphaner, Vater?«

»Lass das, Maya!«, warnte er sie streng. Er schien bestürzt, konnte aber seine Bewunderung nicht verhehlen. Er musste sich eingestehen, dass ihre Fähigkeiten außerordentlich waren. Sie war in der Kunst, die er sie gelehrt hatte, ein Naturtalent... in der Kunst der toten Psychoner, die er an sie weitergegeben hatte. Sie war der letzte Sproß ihres Geschlechts.

»Entschuldige«, sagte Maya. Sie schien gekränkt. Die Gestalt Koenigs verwandelte sich in einen hellfarbigen Baum. Ihr Vater runzelte die Stirn, obwohl sein Blick diesmal nicht so streng ausfiel.

»Ich lehrte dich die unschätzbare Kunst der Molekularumwandlung - und du gehst damit so um... alberne Spielerei!« schalt er sie.

Der Baum verwandelte sich wieder in seine Tochter zurück. Sie lächelte gewinnend. »Vater, du lehrtest mich diese Kunst, weil du wusstest, dass ich sie mir möglicherweise selbst würde aneignen können.«

»Das stimmt. Du bist klug, Maya. Eines Tages werden wir ein anderes Betätigungsfeld für deine Talente suchen müssen.«

»Wenn ich dürfte, würde ich dir gern bei deiner Arbeit helfen.«

»Da gibt es manches, was du nicht verstehst... noch nicht verstehst«, antwortete der Vater geduldig.

»Und diese Alphaner? Werden sie uns helfen, unseren Planeten wieder aufzubauen?«, fragte sie.

»Ja, Maya... Aber jetzt lauf los...«

Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und wandte sich zum Gehen.

Mentor sah ihr nach.

In einiger Entfernung drehte sie sich um und blickte zurück. Wieder lächelte sie spitzbübisch. Dann verwandelte sie sich neuerlich in einen Ozelot und sprang davon.

Er lächelte kopfschüttelnd. Jede Ermahnung war verlorene Liebesmüh. Sie war eben noch ein richtiges Kind.

Als er sich unbeobachtet fühlte, fuhr er sich sorgenvoll mit der Hand über die Stirn. Er konnte seiner zahllosen Sorgen nicht mehr Herr werden.

Seitdem das Schiff des Commanders auf dem Bildschirm aufgetaucht war und seine Scanner ihm alles Wissenswerte über den Eagle, die Alphaner und ihre Heimat auf der Mondbasis übermittelt hatten, war er zutiefst beunruhigt. Kein unbekanntes Gefühl für ihn.

Es überfiel ihn immer, wenn herumstreifende, fremde Lebensformen seinen Planeten in unmittelbarer Nähe passierten und ihn, Mentor, zwangen, sein verdammenswertes Ziel weiter zu verfolgen. Sein Inneres war mit gewaltigen Energievorräten ausgestattet.

Es war die Energie des Universums, die er mittels seiner einzigartigen Zellstruktur - die auch alle Angehörigen seines zum Untergang bestimmten Geschlechtes aufwiesen - nach Belieben anzapfen konnte. Sie durchflutete sein Inneres, konnte anschwellen und wieder abklingen. Mit dieser Energie konnte er das Universum zerstören.

Er brauchte mit dem Commander also nicht zu feilschen.

Aber er war ein Mann von Ehre und hatte seine Prinzipien. Er war ein Mensch, der Mitleid kannte. Er wollte nicht als Schurke angesehen werden. Vor allem aber lag ihm daran, in den Augen seiner heißgeliebten Tochter nur als liebevolle, väterliche Gestalt dazustehen.

Manchmal sehnte er sich danach, dass sie endlich ganz erwachsen wäre und er ihr die ganze Bürde an Verantwortung, die er zu tragen hatte, erklären könnte. Aber wie die Dinge lagen, konnte er sich darüber gegenüber niemandem aussprechen.

Mentor war völlig vereinsamt auf einem toten Planeten. Mit einer heftigen Gebärde seiner Hände verscheuchte er diese Gedanken.

Dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu. Ruhig drückte er einen Knopf der vor ihm stehenden Konsole. Der Bildschirm über ihm erhellte sich, und es erschien das Bild eines kahlen, bleichen Humanoiden. Er sah verbraucht aus, die Augen tot und glanzlos. Mit gefühllosem Ausdruck - leblos, teilnahmslos und ohne Regungen - blickte er seinen Herrn und Meister an.

»Mach den alphanischen Piloten bereit«, sagte er zu dem Aufseher. Das Gesicht nickte und verschwand.

Eilig drehte Mentor ab und wandte sodann seine Aufmerksamkeit den Röhren voller farbiger, sprudelnder Flüssigkeiten zu, die ihre kostbaren, lebensspendenden Strahlen in den Raum ausschickten. Diese Röhren waren es, die für ihn von größter Bedeutung waren. Das Versprechen, das sie in sich bargen, übertraf alles andere.

Er beugte sich über den Computer und tauchte die Hände in die sich dauernd ändernden, wirbelnden Lichtstreifen - und nahm deren heilende Energie in sich auf.

Der Bildschirm flammte auf und riss ihn aus seinen Zukunftsträumen. Das Bild von Eagle Vier erschien. Das Raumschiff bewegte sich auf den mit dem Commander vereinbarten Treffpunkt zu. Mentor stand auf und beobachtete interessiert das Manöver.

Er schien hocherfreut. »Sie kommen, Maya! Es sind Ehrenmänner!«

Der tote, verhasste Globus von Psychon hing vor dem Eagle im Weltraum. Die mächtigen Motoren des Schiffes donnerten. Tief im Inneren des feurigen Schiffsherzens fanden die Atomspaltungen statt, die das Schiff durch die dunkle, leere, leblose Vorhölle auf der Bahn ihrer Rettungsmission vorantrieben.

Aus der Sichtscheibe eines Raumfahrerhelmes starrten die nachdenklichen Augen Helena Russells. Sie beobachteten auf dem TV-Monitor, der sich im Inneren der Pilotenkanzel von Eagle Vier befand, den unheildrohenden, immer größer werdenden Planeten.

Helena steckte in dem gleichen orangefarbigen Raumanzug wie Koenig, Picard und MacInlock, die an den Steuerungskonsolen hantierten.

»Wir liegen richtig, John«, meldete MacInlock, der Chefpilot. Seine behandschuhten Hände glitten über Tasten und Knöpfe. In seinem unförmigen Anzug wirkte er reichlich unbeholfen. Aber er war es gewohnt, darin zu arbeiten.

Koenig streckte die Hand aus und betätigte einen Schalter. »Mentor, hier spricht Koenig.«

Der Monitor zeigte wiederum das Innere des Raumes auf Psychon, in welchem Maya und Mentor ihnen aufmerksam zusahen.

»Wir haben den Treffpunkt erreicht«, fuhr Koenig fort, beunruhigt darüber, dass man über seine Absichten unheimlicherweise informiert zu sein schien.

Mentor bewegte sich unmerklich in seinem wallenden Gewand und lächelte seiner Tochter zu.

»Mein Schiff trifft sich in Kürze mit dem Ihren, Commander«, sagte er zuvorkommend.

»Und Sie übergeben uns unsere Piloten?«

»Selbstverständlich.«

Mentor trat jetzt an die Konsolen mit den farbigen Röhren des geheimnisvollen Computers und fuhr mit der juwelengeschmückten Hand über eine der Röhren. Die darin befindliche brodelnde Flüssigkeit erzeugte nun ein Getöse, gleich dem gewaltigen Heulen eines Windes, der sich in geschlossenen Kaminen verfängt.

Koenig reagierte rasch. Er drückte einen weiteren Knopf. Sofort erlosch das Bild und wurde von einer Aufnahme der Planetenoberfläche abgelöst.

»Näher heran, John«, sagte Helena. »Ich möchte sehen, was sich auf der Oberfläche tut.«

Jetzt erschien eine neue Szenerie. Es war die gleiche, wie die von Max Ernst gemalte Landschaft, Felskonturen mit wirren Farbstreifen und Flecken, Vulkane, die ihr Inneres ausspien.

MacInlock hatte seinen Platz bei den Steuerungskonsolen verlassen, nachdem er den Eagle endlich in einen sicheren Orbit gesteuert hatte, und half nun Koenig.

Die Kamera begann, das zerklüftete, einsame Gelände abzutasten, übermittelte aber nichts Außergewöhnliches - keinerlei Anzeichen irgendeiner Aktivität.

Aber dann erspähten sie das, was sie suchten. Es war ein großes, teilweise zylindrisches Objekt mit flachem, rundem Schweif, das sich plötzlich inmitten der Gebirge erhob.

»Fixiere das, Mark!«, rief Koenig. »Das muss Mentors Schiff sein.«

Doch das Bild des flachen, grauen, fischähnlichen Schiffs hatte bald die ganze Bildfläche des Bildschirms voll eingenommen, und sie mussten die Kamera auf Fernbild einstellen.

Das Schiff stieg so rasch auf, dass es Augenblicke später wiederum die Bildschirmfläche abdeckte.

»Himmel!«, stieß der Chefpilot überrascht hervor. »Das schlägt ja sämtliche Rekorde. Das steigt ja... an die hundert Meilen pro Sekunde ab der Nullbeschleunigung! Gegen eine Schwerkraft von...« Er zog die Messangaben seiner Konsole zu Rate, »...von etwas über ein G! Die Insassen müssen einem gewaltigen Andruck standhalten... Wie können die das überleben?«

Koenig starrte bedrückt auf den Bildschirm. »Keine Ahnung.«

Plötzlich erschrak er. »Fraser und Torens... die sind doch an Bord dieses Schiffes!«

Der Bildschirm flackerte und erlosch sodann. Koenig fluchte. Jetzt erschien das Gesicht von Sandra Benes auf dem Bildschirm. Sie wirkte bekümmert. Der Commander wurde wütend. »Sandra - warum benutzen Sie nicht die Sprechanlage?«, fragte er ungehalten.

»Entschuldigen Sie, John... ich... wir haben das Schiff verfolgt. Mein Scanner lieferte so merkwürdige Werte...«

»Weiter...«

»Nun ja - dieser Mentor soll doch an Bord sein - oder?«

Koenig nickte ungeduldig.

»Ich kann aber keine Anzeichen von Leben feststellen.«

»Keine Anzeichen...?« Helena trat einen Schritt vor. »John...« Sie fasste erschrocken nach seiner Schulter.

Koenig starrte ergrimmt auf den Bildschirm. »Welches Steuerungssystem benutzt er?«, fragte er die bestürzte Technikerin.

»Meine Scanner zeigen ein automatisches System an. Magnetische Energiestufen, die stark fluktuieren.«

»Man hat uns hereingelegt...!«, presste Koenig mit fahlem Gesicht hervor. Er drückte auf einen Knopf, und das Bild des fremden Raumschiffes erschien wieder. Es hatte inzwischen gestoppt und war längsseits gegangen.

Sie konnten im vorderen Rumpfteil eine Reihe dunkler Öffnungen feststellen. Aus dem flachen, sohlenförmigen Rumpf ragten Antriebsraketen heraus. Das Schiff sah grau, leblos und unheimlich aus... ein blinder Riesenfisch, der dennoch mittels innerer, untrüglicher Sinnesorgane zu sehen vermochte.

Zögernd schaltete Koenig die Funkanlage ein. »Mentor, geben Sie uns ein Zeichen, wenn Sie zum Andocken bereit sind.« Er sah seine Leute an. »Keine Antwort...«Er wandte sich wieder dem Bildschirm zu. »Ich wiederhole: Geben Sie Zeichen, wenn sie zum Andockmanöver bereit sind!«

Ein Piepsen ertönte, und auf dem TV-Monitor erschien Hays erschrockenes Gesicht. »John... auf dem Schiff gibt es kein Lebewesen, keine Art von Lebensformen. Auch Fraser und Torens sind nicht an Bord.«

Koenig rappelte sich in seinem Raumanzug auf. Er wusste nicht, ob er erfreut oder enttäuscht sein sollte.

Aber es war dazu ohnehin zu spät.

Eine Serie heftiger Stöße erschütterte den Eagle und schleuderte die Insassen zu Boden. Kaum auf den Beinen, wurden sie wieder umgeworfen. Koenig und MacInlock krochen zu ihren Steuerungsaggregaten und konnten sich in die Pilotensitze hochzerren und bedienten mühsam die Apparate.

»Wir sind von magnetischen Kräften... gestört... ja... magnetische Energie... eben jetzt... wieder«, brachte er stoßweise hervor.

»Ja, John... es kommt von Mentors Schiff her... es strahlt... magnetische... Energie aus...«, krächzte MacInlock. »Wir... verlieren... an Höhe.«

»Volle Kraft voraus!«, rief Koenig.

MacInlock drückte den Steuerungsknüppel und die mächtigen Antriebsaggregate des Eagle erwachten gleichzeitig donnernd zum Leben.

Allmählich ließ das Schütteln nach, als die Antriebe den Eagle aus dem magnetischen Griff des Fisch-Schiffes befreiten.

»Wir sinken noch immer«, meldete MacInlock. »Jetzt... plötzlich wieder rascher...!« Entmutigt fügte er hinzu: »Es ist umsonst. Volle Kraft voraus genügt nicht. Zum Henker, was ist das?«

»Hilfsantriebe auf halbe Kraft«, befahl jetzt Koenig.

Wieder wurde das Schiff von einer mächtigen Energiewelle erschüttert, als die Hilfsaggregate einsetzten. Die Erschütterungen wurden immer heftiger.

Das Schiff kippte um, und sie mussten sich an ihre Sitze klammern, als der Boden nach oben gekehrt wurde. Aus dem Steuerpult vor ihnen schlugen Flammen.

»Der Eagle schafft es nicht!«, keuchte MacInlock. »Er bricht entzwei!« In dem Rauch und in der Hitze konnte er sich kaum verständlich machen.

Koenig bekam ein Gefühl, als würde ihm die Haut unter seinem Raumanzug vom Leibe gerissen. Eine Auswirkung der mächtigen Gravitationskräfte einerseits und der nach oben gerichteten Antriebskraft des Eagle andererseits, der mit zitterndem Rumpf zu entkommen versuchte. Aber auch eine Auswirkung der Anziehungsenergie des magnetischen Lassos, das man um sie geworfen hatte. Koenig versuchte, halb gelähmt, zu dem Hilfsantriebsknopf, vor dem MacInlock saß, hinüberzulangen, Aber er vermochte sich kaum zu rühren. Seine Muskeln schienen infolge des auf ihnen lastenden Druckes den Dienst versagen zu wollen. Sein ganzes Ich schrie vor Pein.

»Volle Kraft...«, flüsterte er.

Er schaffte es, den Finger auf den Knopf zu legen und zu drücken. Ein mächtiger Hammerschlag traf den Eagle. Die Hilfsantriebe gingen jetzt auf volle Kraft. Um ihn herum wurde die Kabine weiß.

Die zupackenden Klauen schienen ihm jetzt ganze Fleischfetzen auszureißen. Er klammerte sich verzweifelt an seine Sinne, während sein Schiff mit dem Fisch-Schiff ums Leben kämpfte.

Und dann spürte er plötzlich Freiheit. Er schien mit traumhafter Geschwindigkeit durchs All zu rasen. Dankbar nahm er zur Kenntnis, dass Eagle Vier den Kampf gewonnen hatte. Sie entfernten sich von ihrem Angreifer, sie hatten sich befreien können.

»Wir haben es geschafft«, stieß Koenig hervor.

Er drehte sich nach Helena und Hays um, die sich mühsam auf die Beine kämpften. MacInlock stemmte sich zu der vor ihm schwelenden Konsole hoch. Sein Anzug war rußverschmiert. Er traf Anstalten, das Schiff wieder in den Griff zu bekommen.

Hinter den Sichtscheiben ihrer Raumhelme lächelten sie einander zu. Hays drückte eine Taste, und der TV-Monitor wurde hell.

Die Oberfläche von Psychon entfernte sich rasend schnell. Das unheimliche, graue Schiff hob sich nur mehr als kleiner, entfernter Fleck davon ab und wurde rasch immer kleiner.

»Wir kehren zur Basis zurück«, sagte Koenig, »und tanken auf.«

Seine behandschuhten Hände machten sich am Steuer zu schaffen. Doch da stieß Hays einen Schreckensruf aus.

»John... schauen Sie! der Lichtball...!«

Alarmiert sahen sie alle auf den Bildschirm. Der so kurzlebige Ausdruck der Erleichterung wich aus ihren Gesichtern.

Der graue Fisch hatte sich in die helle Todeskugel türkisfarbener Energie verwandelt, die Eagle Eins gekapert hatte.

Koenig und MacInlock kämpften wieder mit der Steuerung. Aber die Lichtkugel ließ nicht locker.

Helena, Hays und Picard suchten verzweifelt Halt, während die Piloten mit dem Eagle eine Reihe von kühnen Ausweichmanövern durchführten.

Doch es war zu spät. Das Schiff schien stehenzubleiben. Koenig drückte sämtliche Tasten, aber das Schiff reagierte nicht mehr.

Der Bildschirm zeigte das helle, grünliche, pulsierende Glühen eines Lichtes aus der Tiefe eines Ozeans. Das seltsame Licht durchflutete die Kabine und hüllte sie in seinen Zauber.

Sie fühlten vollkommenen Frieden... körperlich und seelisch, und sie kämpften verzweifelt gegen die beseligenden Visionen, von denen sie übermannt wurden.

»Wir verlieren an Höhe«, meldete Helena.

Durch die grüne Flut auf dem Bildschirm sahen sie die vulkanischen Gipfel des Planeten Psychon wieder auftauchen. Das Schiff nahm Kurs auf einen der Gipfel, gelenkt von der Lichtkugel, und sie begannen einen sanften Abwärtsflug in seinen Krater.

Der Eagle wurde tief in dessen Inneres getragen. Die Szenerie, die sich ihnen auf dem Kraterboden bot, war an Seltsamkeit nicht zu überbieten. Sie befanden sich inmitten eines großen, weißgrauen Aschenmeeres.

Halb begraben in der Asche, ragten die Formen von Raumschiffen empor, von denen einige nach ihrer Konstruktion und ihren Emblemen noch zu bestimmen waren. Aber die meisten waren unbekannte, fremde Schiffe. Alte und neue. Still und tot lagen sie da. Man merkte, dass sie hier achtlos abgelagert worden waren. Wie von einer Riesenhand hingestreut lagen sie da.

»Ein Raumschiff-Friedhof!«, rief Helena erschrocken.

»Und wir mittendrin!« ergänzte Koenig.

Um sie herum türmten sich die Trümmer der großen Schiffe.

Mit leichtem Aufprall landeten sie. Das grüne Licht wurde schwächer, erlosch schließlich, und sie saßen nun da im kalten Licht ihres eigenen Schiffes, der nackten Wirklichkeit überlassen.

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

»Eagle Vier an Mondbasis Alpha...«

MacInlocks Worte, in das Mundstück seiner Sprechanlage gesprochen, klangen gedämpft in der Grabesstille der Pilotenkanzel.

»Alpha kommen. Hören Sie mich?«

Helena, Hays und Picard umstanden ihn bedrückt. Ihre Raumanzüge hatten sie abgelegt, der fürchterlichen Hitze wegen, die sich darin gestaut hatte. Koenig teilte Waffen an sie aus.

In der Kabine roch es noch immer nach versengtem Plastikmaterial. Die weißen Schaumbläschen der Löschanlage waren allgegenwärtig.

»Ich erwisch sie nicht«, sagte MacInlock entmutigt.

»Los, weiter«, mahnte Koenig. Er gab Picard ein Raketengewehr und nahm sich selbst einen Stunner.

»Willkommen auf Psychon«, ertönte plötzlich Mentors tiefe, warme Stimme.

Koenig drehte sich blitzschnell zum Monitor um, auf dem Mentor nun erschienen war. Mentor schien mit sich selbst zufrieden und strahlte sie wohlwollend an.

»Keine Angst, Commander.«

»Ich habe niemals Angst, wenn ich es mit einem Ehrenmann zu tun habe«, entgegnete Koenig sarkastisch.

Das Gesicht Mentors auf dem Bildschirm wurde größer. »Ach... Sie sind ungehalten... und ich gebe zu, dass Sie allen Grund dazu haben. Haben Sie ein wenig Geduld, dann werden Sie alles begreifen.«

»Ich begreife alles, was sie wollen... aber erst, nachdem ich meine Piloten gesehen habe...«, erwiderte Koenig, der sich sehr zusammennehmen musste, um sich seine Wut nicht anmerken zu lassen.

Helena beugte sich vor und packte den Commander an der Schulter, denn auf dem Bildschirm sah man nun das Bild eines der vermissten Piloten.

»Ihr Wunsch ist mir Befehl«, ertönte Mentors Stimme als Untermalung.

Helen grub vor Entsetzen die Nägel in Koenigs Schultern.

Der für gewöhnlich überaus freundliche Ray Torens saß unter einer Konstruktion, die einer Trockenhaube bei einem Friseur glich. Er befand sich in jenem Abteil von Mentors Räumlichkeit, wo die gehirnähnliche Substanz in ihrer Nährflüssigkeit brodelte. Torens wirkte erregt und gespannt. An seinem Kopf waren Drähte angebracht, über ihm hing die durchsichtige Haube, die offenbar über ihn gesenkt werden sollte.

Aber am schrecklichsten waren zwei gräuliche, mumienhafte Gestalten, welche die Arme des Eagle-Piloten festhielten, so dass er sich nicht bewegen konnte. Reglos standen sie auf jeder Seite. Ihre Leiber waren mit einem ekelhaften, pilzartigen Bewuchs bedeckt. Es waren zwei von Mentors Aufsehern.

Zwei weitere Aufseher schleppten nun den sich wehrenden Bill Fraser herein und versuchten, ihn auf einen zweiten Sitz zu zwingen.

Fraser bemerkte geistesgegenwärtig Koenigs Gesicht auf dem Bildschirm in Mentors Raum und kämpfte mit gesteigerter Kraft, um sich zu befreien.

»Die Art und Weise meines Vorgehens liegt in unserem beiderseitig en Interesse«, erklang wieder Mentors selbstzufriedene Stimme, und die in der Kabine von Eagle Vier lauschenden Alphaner kochten bei seinen aufreizenden Worten vor unterdrückter Wut.

Plötzlich sahen sie, dass Fraser sich aus dem Zugriff der Aufseher befreit hatte und auf den Bildschirm zusprang. Sein Gesicht füllte die Scheibe aus. »Er lügt...«, stieß er atemlos hervor. Er schob Mentor aus dem Weg und schrie laut: »Traut ihm nicht. Er lügt!«

Blaue Energiestrahlen schossen aus den Augen eines Aufsehers und trafen den verzweifelten Piloten. Er fiel bewusstlos um.

Koenig und die anderen taten einen Schritt auf den Bildschirm zu, doch konnten sie nicht helfen... noch nicht.

»Sie müssen die Unterbrechung entschuldigen. Ihr Pilot hat Fieberphantasien«, äußerte Mentor ungerührt.

»In diesem Fall möchte ich ihn untersuchen«, fiel ihm Helena heftig ins Wort.

»Das werden Sie in Kürze... aber jetzt bleiben Sie bitte im Schiff, bis wir wieder Kontakt mit Ihnen aufnehmen.«

Der Bildschirm erlosch.

 

Die trügerisch warmen und kraftvollen Farben von Psyche blitzten auf und begannen zu wirbeln. Die Flüssigkeit wogte verheißungsvoll im Inneren der tausend Röhren, ihre Atome schwanger von den gespeicherten Leben der schon längst untergegangenen Rasse der Psychoner.

Psyche wartete darauf, dass ihr zusätzlich die Lebenskräfte der Alphaner zugeführt würden - um Psychon wieder bewohnbar zu machen und die verkrustete und verschlackte Oberfläche des Planeten, dessen Schöpfung sie war, wieder mit Leben zu erfüllen. Sie barg in sich das Geheimnis des Lebens.

In ihr war außerdem dieselbe rastlose Energie des Universums gefangen, die sich in ihrem Herrn ihr natürliches Ventil geschaffen hatte. Psyche war von Energien abhängig wie ein Tier von der Atemluft - sie war ihr Antrieb und ihr Verderben. Denn wenn die empfindlichen elektro-biologischen Mechanismen in ihr nicht sorgfältigst gewartet wurden, wenn sie Schaden erlitten, dann würde die Kraft sie auf dem allerdirektesten Weg verlassen.

Und jetzt bebten ihre Milliarden Partikel, belebt vor Erfüllung, als sie spürte, wie die Energie des Alphaners in sie überging.

Torens wehrte sich zunächst verzweifelt auf seinem Sitz unter der gewölbten Haube, doch schließlich gab er nach und saß erschöpft da. Schweiß strömte über sein Gesicht. Die Hände der zwei Pilzmonster, die seine Handgelenke festhielten, fühlten sich wie Stahlbänder an. Es war, als ob Roboter zupackten.

Er sah nach oben, zu der unheilvollen, durchsichtigen Haube und fragte sich, was Mentor mit ihm vorhatte. Seine Widerstandskraft war erlahmt. Er hatte sich heiser gebrüllt, und es hatte nichts genützt.

Wenigstens war er nicht tot, und damit hatte sich seine schlimmste Befürchtung an Bord des zum Untergang verurteilten Eagle Eins noch nicht erfüllt.

Frasers lebloser Körper lag auf dem Boden in jenem Raum, in dem sich der Computer befand... in der »Grotte«, wie Mentor sie nannte.

Ein durchscheinendes, vom Boden bis zur Decke reichendes Beobachtungsfenster trennte ihn von seinem Kameraden.

Mentors große, von einem wallenden Umhang verhüllte Gestalt stand neben dem Computer. Die liebenswürdige Miene hatte sich verhärtet. Torens sah, dass er den zwei lebenden Leichnamen, die Fraser betäubt oder getötet hatten, einen Befehl gab. Die Aufseher traten mit mechanischen Bewegungen vor, hoben den Körper hoch und schleppten ihn hinaus.

Mentor drehte sich nun um und sah Torens an. Er trat an das Fenster. Die Hände hielt er in den großen Samtmanschetten seines Gewandes versteckt.

Er spähte mit strengem Blick herein.

Die Situation war jetzt so, dass Torens sich wieder rührte und gegen sein Los ankämpfte. »Ich bin doch kein Versuchsaffe!«, rief er.

Mentor schüttelte betrübt den Kopf wie ein Arzt, der einen unheilbar kranken Patienten ansieht. Er löste die verschränkten Arme und drückte einen Knopf an seinem Gürtel.

Im Inneren der Haube über Torens ertönte ein surrendes Geräusch. Der Pilot sah hinauf. Sein Gesicht verwandelte sich bei dem verzweifelten Bemühen, sich zu befreien, in eine Grimasse, verzerrt, die Stirnadern zum Platzen angeschwollen.

Die Haube senkte sich langsam auf ihn herab. Immer tiefer kam sie. Er spürte Schwindel, während die drohende Öffnung immer näher kam. Von ihr schien eine mächtige, lähmende Kraft auszugehen.

Er schrie auf, als das Schwindelgefühl sich verstärkte und ein stechender Schmerz seinen Kopf durchzuckte. Der Schmerz schien ihm den Schädel zu spalten. Dann kam gnädige Schwärze. Die surrende Haube bedeckte jetzt seinen Kopf vollständig. Torens sank in seinem Sitz zusammen.

Nun erhob sich ein unheimliches, kreischendes Geräusch im Inneren der Grotte, wo sich Psyche und auch Mentor befanden. Das Geräusch ähnelte einem heulenden, ununterbrochenen Kreischen, teils von einem Tier, teils von einer Maschine stammend.

Es war das Geräusch der Psyche.

Die Flüssigkeiten in ihren Röhren begannen stürmisch zu brodeln. Die Flüssigkeitssäulen hoben und senkten sich wie Kolben in ihren Glasbehältern. Weiße Bläschen entstanden, bildeten eine Schaumschicht in den unter Druck stehenden Flüssigkeiten und strömten an die Oberfläche der Flüssigkeiten.

Die gehirnähnlichen Massen in ihren Nährtanks begannen zu glühen, und das von ihnen ausströmende Licht flackerte und zuckte in ihrem Rhythmus.

Unter der Haube im Inneren des Gehirnübertragungsaggregates richtete Torens' Gestalt sich wieder zu einer Art Leben auf. Er verfiel in wilde Zuckungen.

Sein ganzer Körper schüttelte sich und bebte. Er starrte mit großen Augen vor sich hin, als wäre er hellwach. Dann verdrehte er die Augen nach oben und stieß einen grässlichen Schrei aus, der von Angst und Schmerz kündete. Sein bemitleidenswertes Bewusstsein wurde ihm aus dem Kopf gesaugt.

Die Erinnerungen des Piloten, seine Lebensenergien, wurden auf die glühenden Gehirne übertragen, und Psyche seufzte in einem wilden, ekstatischen Behagen auf, das sich in der Grotte als unerträgliche elektronische Oszillation manifestierte.

Mentor hielt sich zähneknirschend die Ohren zu. Dann erstarb das Kreischen des Computers. Die Flüssigkeiten beruhigten sich, und die glühenden Gehirnmassen nahmen wieder den normalen Zustand an.

Mentor ließ die Hände sinken. Er schien erfreut, trat an die Nährtanks und studierte eine Reihe von Zeigern.

Maya trat ein. Er bedachte sie mit einem gütigen Lächeln. Sie trat voll Stolz an die Tanks neben ihren Vater, erfreut über seinen offensichtlichen Erfolg.

»Sieh mal, Maya...« Mentor zog sie an sich und zeigte ihr die Messwerte.

»Ein Ansteigen von Psyches Energiestufe! Wieso denn, Vater?« Sie schien erstaunt.

»Der Pilot der Alphaner, dieser Torens, ist eine Verbindung mit ihr eingegangen. Da ist das Ergebnis.«

»War er einverstanden?«, fragte seine Tochter zweifelnd.

»Ja.«

»Und es gibt keine schädlichen Nebenwirkungen?«

Mentor schürzte die Lippen. Im Hintergrund seiner Augen wurde ein unsicheres Flackern sichtbar. Er drückte liebevoll ihren Arm.

»Keine!«, versicherte er ihr. »Sieh doch... er ist müde. Ich habe einen der Aufseher angewiesen, er möge sich um ihn kümmern, bis er sich ausgeruht hat.«

Tochter und Vater blickten durch das Beobachtungsfenster. Torens kam langsam zu sich. Er machte einen schläfrigen und benommenen Eindruck. Die zwei Aufseher halfen ihm auf die Beine und führten ihn hinaus.

Maya wandte sich mit strahlendem Lächeln an ihren Vater. »Das ist ja wunderbar, Vater... Werden uns die anderen auch helfen? Es sind so intelligente Menschen.«

Mentor wandte sich um, so dass seine Tochter sein Gesicht nicht sehen konnte. Dabei fiel sein Blick auf den an der Wand angebrachten Bildschirm. Er zeigte die Gestalten von Koenig und den Alphanern, die sich eilig einen unterirdischen Gang entlang bewegten.

Er antwortete: »Ja, ich bin sicher, dass sie es tun werden.«

Er hob unvermittelt die Fingerspitzen an die Schläfen und runzelte in Konzentration die Stirn - der Bildschirm erlosch, bevor seine Tochter Gelegenheit hatte, die verzweifelten Gestalten darauf zu sehen.

 

Der sich windende unterirdische Gang, aus dem Fels herausgehauen, führte die Besatzung des Eagle steil nach unten.

Die Luft war heiß und beißend von den ätzenden Schwefeldioxydschwaden.

Die Wände, vom Licht ihrer Fackeln erleuchtet, wiesen dieselben vielfarbigen Mineraladern auf, wie die Gebirgszüge auf der instabilen Oberfläche des Planeten. Sie glänzten und schimmerten vor Feuchtigkeit, und man sah Dutzende seltener und unbekannter Metalle, darunter Tiranium - jenes kostbare radioaktive Metall, dessentwegen sie auf Psychon gekommen waren. Es war eine Ironie des Schicksals, dass das Metall nun in so großen Mengen um sie herum vorkam und seine Gewinnung jetzt für sie nur mehr von sekundärer Bedeutung war.

Trotzdem sammelte Helena im Gehen lose Brocken davon ein und steckte sie in ihre Ärztetasche. In wenigen Sekunden hatte sie so viel eingesammelt, dass die Wiederherstellung der Lebenserhaltungssysteme gewährleistet wäre und Mondbasis Alpha für Monate ausgesorgt hätte.

Sie lief Koenig und den anderen nach, die inzwischen eine Öffnung in dem muffigen Gang gefunden hatten. Seitdem sie Eagle Vier verlassen hatten, waren sie, wie ihr schien, stundenlang in den Katakomben umhergeirrt und hatten nach einem Eingang in Mentors Festung gesucht. Sie war nun erleichtert zu sehen, dass sie endlich ein Ziel erreicht hatten.

Koenig gebot mit erhobenem Arm Stille, und sie schlich so leise wie möglich dem reglosen Trio nach. Durch die dampfhaltige Luft drangen schwache hämmernde Geräusche an ihr Ohr.

Vorsichtig spähten sie um eine Ecke in das Gewölbe. Eine gleichermaßen surreale wie Entsetzen einflößende Szene bot sich ihren Blicken dar.

Der Gang weitete sich zu einer riesigen, von Menschenhand geschaffenen Kaverne, in der die Luft schwer war vor vulkanischen Dampfschwaden. In diesem Dunst bewegten sich bizarre Gestalten. Sie bearbeiteten mit schweren Schürfgeräten die Felsflächen und hackten wild drauflos. Es waren Lebensformen aller Arten und Größen, irdischen und fremdartigen Ursprungs.

Eine große Reptilsgestalt mit semi-humanoidem Fischkopf schwang unermüdlich einen Pickel gegen einen Geröllbrocken, der von der Oberfläche abgesprengt worden war. Ein gedrungenes blaues Lebewesen mit Riesenkopf und hervorquellenden Augen wusch lethargisch die Mineralklumpen, die es gewonnen hatte, nach reinem Metall aus.

Ein Humanoider mit Fell und missgestalteten Gliedmaßen starrte mit Untertassenaugen leer um sich. Er schien nicht zu wissen, was er anfangen sollte. Sein Blick, der ihnen eisig durch Mark und Bein fuhr, schien sie direkt anzustarren.

Auf dem holprigen Grund liegend, fast völlig in durchscheinende Dämpfe gehüllt, sahen sie ein wahrhaft seltenes Wesen. Seine unteren Partien bestanden aus einem pflanzlichen Wurzelsystem, und darauf befand sich ein humanoider Oberkörper, bedeckt mit einer scheckigen, borkenartigen Haut. Matt und ausdruckslos schwankte es auf der Felsoberfläche hin und her.

Seinen Augen entströmte eine beängstigende Flüssigkeitsmenge.

Und um sie alle herum die erbärmlichen Gestalten der fungoiden Aufseher. Sie standen stocksteif mit verschränkten Armen da und boten den Eindruck absoluter Autorität.

Die Alphaner sahen einander wie betäubt an.

»Verschiedenartige Lebensformen«, flüsterte Helena.

»Die stammen sicher von den Raumschiffen, die wir draußen sahen«, bemerkte Koenig.

MacInlock starrte die Gestalten in fasziniertem Entsetzen an.

»Wie die sich bewegen... wie die aussehen!«

»Sie leiden an irgendeinem Gehirnschaden«, meine Helena. Sie schauderte. »Jetzt wissen wir, was Mentor mit seinem Willkommen meint.«

Weder die Grubensklaven noch die Aufseher schienen von ihrer Anwesenheit Notiz zu nehmen. Sie gaben also ihre Deckung auf und gingen quer durch die Kaverne.

Dann betraten sie wieder einen Gang, der tiefer ins Planeteninnere führte. Allmählich verklangen die Geräusche hinter ihnen, doch plötzlich wurde die Stille durch eine Woge des Gelächters erschüttert.

Es war ein irres, erschreckendes, sadistisches Lachen, das spöttisch vor ihnen widerhallte, ein Geräusch, das ihnen durch Mark und Bein drang.

Es folgte ein Schmerzensschrei. Der Schrei verklang, und abermals trat Stille ein.

Erschrocken sahen sie einander an. Mit den Waffen im Anschlag gingen sie weiter. Gleich darauf erreichten sie wieder eine Kaverne, größer als die vorherige. Darin machten sich noch viel mehr der werkenden, ziellosen Sklaven zu schaffen. Die Eindringlinge bahnten sich wachsam den Weg durch die Scharen, als Helena einen Schrei ausstieß.

»Torens!«

Die gespensterhafte Gestalt des Piloten kreuzte ihren Weg. Seine Augen waren glasig und leblos. Er starrte leer vor sich hin, als er, einen mit Erz beladenen Container ziehend, an ihnen vorüberschlurfte.

»Torens!«, rief Koenig entsetzt aus.

Er fasste nach dem Ärmel des Piloten.

Torens jedoch riss sich los und setzte seinen Marsch, einem lebenden Leichnam gleichend, fort. Er schleppte das Erz zu einem größeren Container.

»Er erkennt uns nicht!«, rief MacInlock.

Helena schluckte schwer. Sie war aschfahl geworden. Diesen Symptomen war sie nur selten begegnet, doch wusste sie, was sie anzeigten. »Man hat sein Bewusstsein zerstört«, sagte sie zu den anderen.

Zutiefst besorgt stürzte Koenig auf Torens zu.

»Torens...«, setzte er an.

Weiter kam er nicht. Ein massiver Vorschlaghammer traf sein Nervensystem. Er spürte, wie sein Körper jegliches Gefühl verlor.

Als er zu sich kam, lag er auf dem Boden. Sein ganzer Körper schmerzte. Koenig rappelte sich mühsam auf. Matten Blickes beobachtete er Torens und den Container.

»Ein Energiefeld...«

Während er überlegte, wie er sich dem Piloten nähern könnte, ertönte von hinten ein schlurfendes Geräusch. Ein Aufseher kam näher, mit steifen mechanischen Schritten. Das Gesicht maskengleich, abweisend. Hinter den schmalen Augenöffnungen pulsierte ein dumpfes blaues Licht.

Koenig brachte instinktiv den Stunner in Anschlag und feuerte. Ein starker, bleistiftdünner Lichtstrahl traf den pilzartigen Schirm, der Kopf und Schultern des Wesens fast vollständig bedeckte.

Plötzlich war es verschwunden. An seiner Stelle lag ein kleiner rauchender Felsbrocken.

»...ich hatte nur auf Betäubung eingestellt...« brach Koenig das entsetzte Schweigen.

Picard machte ein grimmiges Gesicht.

»Molekularumwandlung«, sagte er. »Das haben wir schon beim Raumschiff und den Lichtkugeln gesehen... und jetzt wieder.«

Während sie hinsahen, verwandelte sich der Fels in ein wirbelndes Band vertikalen Lichtes. Es erlosch allmählich, und vor ihnen nahm Mentor Gestalt an. Er wirkte sehr verärgert.

»Werfen Sie die Waffen weg, Commander.«

Koenig versuchte, an Mentors Trugbild vorbeizukommen.

»Davon kann ich Ihnen nur dringend abraten«, sagte Mentor scharf. »Mein Abbild ist von einem Energiefeld umgeben. Sie kommen da nicht durch.«

Picard lachte höhnisch. Er legte mit der Raketenwaffe an und zielte auf Mentors Projektion.

»Sein Abbild ist nur eine elektromagnetische Erscheinung«, sagte er. »Laserenergie von ausreichender Stärke könnte den Stromkreis entladen und das Bild verschwinden lassen.«

Mentors Miene nahm einen warnenden Ausdruck an.

»Koenig, ich warne Sie. Was immer Sie anwenden, es wird sich gegen Sie richten.«

Picard sah Koenig an. »Ich denke, dass ich den Strahl neutralisieren könnte.«

Koenig war seiner Sache nicht sicher. »Warten Sie, Lew...«, setzte er an.

Aber Picard trat vor und feuerte auf das Trugbild.

Eine massive Ladung schoss im Bogen hervor und blendete sie. Der Bogen traf auf, aber anstatt das Bild zu zerreißen, prallte er von seiner Oberfläche ab und schnellte zurück.

Er traf Picard. Er hüllte ihn in einen strahlenden Energieball. Als das Licht sich klärte, war er verschwunden.

»Picard!«, schrie Helena auf.

Koenig und MacInlock erhoben die Waffen gegen das Bild, aber noch in der Bewegung wurden die Waffen in rauchende Trümmer verwandelt, die sie fallen ließen.

»Commander, Widerstand ist gleich Dummheit«, dröhnte Mentors Stimme. Seine Miene hatte sich wieder gemildert - als hätte eine so zwingende Demonstration seiner Kräfte die Psychose in ihm gemildert.

Helena starrte noch immer zu der Stelle hin, wo Picard verschwunden war. Koenig fasste nach ihrem Arm. Er zog sie mit sich, den Gang entlang, gefolgt von MacInlock und Hays.

Mentor starrte ihnen düster nach. »Nun denn«, sagte er.

Sein Abbild löste sich in Luft auf.

Gleich darauf füllte unheimliches grünliches Glühen die dumpfen Tunnels. Es kräuselte sich wie tropisches, durchscheinendes Seewasser. Es hatte seinen Ursprung an einem Punkt, der vor der Eagle-Besatzung lag.

Sie blieben stehen und starrten den geraden, Gang entlang.

»Es ist... der Ball!«, rief MacInlock warnend. Aber für eine Reaktion war es zu spät.

Die blendende Kugel, die Eagle Eins angesaugt hatte und später auch ihr eigenes Raumschiff, war wieder zur Stelle. Sie kam immer schneller, schließlich mit enormer Geschwindigkeit auf sie zu. Bevor sie zum Laufen ansetzen konnten, hatte die Kugel sie erfasst, und sie fühlten, wie ihr Bewusstsein in völlige Schwärze gesaugt wurde.

 

Hunderttausende Meilen entfernt streiften die empfindlichen tastenden Fotosensoren von Mondbasis Alpha über den dunklen Himmel.

In der Kommandozentrale unter der Mondoberfläche beobachteten Sicherheitschef Tony Verdeschi, Sandra Benes, Jameson und andere die Bilder, die die Kameras ihnen überspielten.

Sie waren voller Sorge, nervös und müde. Sie hatten Psychon lokalisiert, und der Bildschirm wurde von der qualmenden toten Oberfläche des Planeten ausgefüllt.

Sandra saß an ihrer Konsole. Sie fuhr mit der Hand durch das Kraushaar und schüttelte den Kopf.

»Such weiter, Sandra... die sind irgendwo da unten«, sagte Verdeschi.

Eine Tür glitt auf, und Annette Fraser trat mit einem Tablett voller Gefäße ein. Sie sah am ärgsten aus. Auf ihren Wangen mischten sich Tränen mit zerronnener Wimperntusche. Während des Gehens zitterte das Tablett in ihrer Hand. Und sie hatte sich so bemüht, die Fassung nicht zu verlieren! Sie hatte helfen wollen - denn sie wusste, dass sie ihrem Mann Bill Fraser nicht helfen konnte, wenn sie sich dem herzzerreißenden, erbarmenheischenden Schmerz hingab.

Sie setzte das Tablett klappernd ab und verteilte die Kaffeebehälter. Niemand sagte ein Wort, niemand hätte etwas zu sagen gewusst. Es gab auch nichts zu sagen.

Sandra starrte die gelieferten Bilder an. »Sie sind irgendwo da draußen, aber ich kriege keine näheren Angaben herein«, jammerte sie. »Wir bekommen immer nur die Planetenoberfläche herein... und diese Schockwellen. Die werden immer stärker. Aber sie gehen nicht von Psychon aus. Sie kommen aus einem völlig anderen Sektor.« Ihre Verwirrung war total.

»Es muss sich um Interferenzwellen irgendwelcher Art handeln. Ich würde mir darüber im Augenblick nicht den Kopf zerbrechen«, meinte Verdeschi. Er sah mit grimmiger Miene den Film auf dem Bildschirm. »Unser auf Psychon gerichteter Strahl muss von einem Scanner-Schirm abgewehrt werden. Sieht aus, als würde Mentor unser Vorhaben blockieren.«

Annette verteilte weiter Kaffee, und er nahm die Gelegenheit wahr, Sandra über Annette auszufragen. »Wie geht es ihr?«

Die Technikerin schüttelte den Kopf und seufzte. »Solange sie weiß, dass er lebt, schafft sie es gerade noch.«

»Ich habe Angst, dass sie überschnappt.«

»Haben Sie Geduld mit ihr, Tony, die beiden sind schließlich erst seit zwei Monaten verheiratet.«

Sie war den Tränen nahe. Wieder sah sie hinunter auf ihre Messwerte. Die Angaben verschwammen vor ihren Augen und verloren jegliche Bedeutung.

 

Die dunklen Wellen wogten durch Koenigs Kopf. Allmählich kam er wieder zu sich. Er lag auf irgendeinem Sitz.

Der Raum schien schmerzhaft hell, als er die Augen öffnete, doch konnte er die verschwommenen, undeutlichen Umrisse nicht in den Blick bekommen.

Etwas lag auf dem Boden und starrte ihn an. Ein Lebewesen.

Kopfschüttelnd setzte er sich auf. Sein Sichtvermögen kam schlagartig wieder, und er warf einen Blick zu der Gestalt hin.

Er langte nach der Waffe und drückte sich an die Wand, als er sah dass das Lebewesen ein ausgewachsenes, großes Löwenweibchen war.

Es sah ihn seelenruhig mit zuckenden Bartspitzen an. Anders als alle Löwinnen, die er bis jetzt gesehen hatte, schien diese hier überaus intelligent.

Der Raum, in den man ihn geschafft hatte, war klein und viereckig und führte auf einen Gang hinaus.

Er wollte sich an der Löwin vorbei zum Ausgang schleichen. Doch während seines Bemühens begannen die Umrisse des Tieres zu flimmern. Sie verwandelten sich in eine Energiesäule. Die Säule verschwand, und an ihrer Stelle stand die betörend schöne Frau, die er in Gesellschaft Mentors, ihres Kerkermeisters, gesehen hatte.

»Habe ich Sie erschreckt, Commander?«, fragte sie mit schüchternem Lächeln.

Koenig unterdrückte seine Überraschung... und sein Begehren. »War das nicht der Zweck der Übung?«

»Verzeihen Sie mir. Das wollte ich nicht.« Sie schien gekränkt.

»Ihr Psychoner habt was übrig für Spaß und Spiel. Wer sind Sie?«, fragte er zynisch.

»Maya, die Tochter Mentors.«

»Seine Tochter - und ebenso trickreich.«

Er ging auf sie zu und wollte sie anfassen, aber seine Hände kamen in Berührung mit einem Kraftfeld.

»Ohhh«, schnappte er nach Luft, als die elektrische Ladung seinen Körper durchjagte. Koenig zog sich eilends zurück. »Damit möchte ich nicht wieder in Berührung kommen.«

»Tut mir leid, ich hätte sie warnen sollen... vor dem Kraftfeld.«

»Natürlich«, sagte Koenig trocken und rieb seine versengten Hände. »Wo sind die anderen?«

Jetzt machte Maya ein ehrlich überraschtes Gesicht.

»Warum sind Sie so unfreundlich?«, fragte sie.

Koenig sah sie kühl an. Er kochte innerlich. »Man hat mich belogen«, fing er wütend an. »Angegriffen. Ich musste mit ansehen, wie man meine Leute misshandelt, sie tötet. Soll ich weiterreden?«

Maya sah ihn beunruhigt und ein wenig von oben herab an. »Commander, Sie haben sich wohl noch nicht völlig erholt.«

»Mentor hat uns betrogen!«, rief Koenig lauter als beabsichtigt. Sein Gesicht hatte sich gerötet. »Er hat uns grausam vernichtet!«

Jetzt war es an der katzenhaften Frau, wütend zu sein. Ihre Augen funkelten. »Mein Vater täte niemandem etwas zuleide!«

Noch ehe Koenig antworten konnte, hatte sie nach dem Goldanhänger ihrer Halskette gefasst. Ihre schmalen Finger berührten eines der blitzenden, strahlenförmig angeordneten Glieder des Anhängers.

Das Kraftfeld schimmerte auf und erlosch.

»Kommen Sie«, sagte sie eisig. »Er möchte Sie sehen.« Sie führte ihn den Korridor entlang, und Koenig folgte ihr.

Es war absurd, aber er hegte Schuldgefühle wegen seines Zornausbruches vorhin, denn an ihrer geraden Art war etwas, das anzeigte, dass sie von den Machenschaften ihres Vaters nichts wusste.

Bald hatten sie den Raum erreicht, wo Torens und Fraser gewaltsam dem gehirnzerstörenden Prozess unterzogen worden waren.

Koenig ballte die Fäuste.

Die wallend umhüllte Gestalt Mentors hob die Arme, als er sie sah. Er ließ zur Begrüßung ein verzerrtes Lächeln sehen.

Koenig würgte es vor Übelkeit.

»Kommen Sie, Commander Koenig.«

Koenig schritt an ihm vorbei und betrat die »Grotte«. Maya wollte ihm folgen, doch ihr Vater gebot ihr Einhalt.

»Jetzt nicht, meine Liebe. Der Commander und ich müssen wichtige Dinge besprechen«, sagte er sanft.

»Aber, Vater, der Commander ist sehr beunruhigt. Ich möchte dabei sein, wenn du ihm alles erklärst.«

Sie sah selbst einigermaßen beunruhigt aus.

Während Koenigs Blick über die farbigen, pulsierenden Röhren auf der Empore vor ihm glitt, nahmen seine Ohren ihren Kummer und die sanfte, aber feste Antwort ihres Vaters wahr.

»Keine Angst, Maya«, sagte Mentor. »Der Commander wird sicher für alles Verständnis haben. Geh jetzt. Später kannst du dich mit ihm unterhalten.«

Koenig hörte ihren ungeduldigen Ausruf und ihre Schritte, als sie hinauslief. Er drehte sich nicht um und wartete stattdessen, dass Mentor näher kam.

»Das ist Psyche, mein lieber Commander, ein biologischer Computer«, sagte Mentor in seinem Rücken.

Koenig wandte den Blick nicht von den farbigen Röhren. Wider Willen war er fasziniert.

»Geschaffen aus den Seelen und Körpern derjenigen unserer Leute, welche die Katastrophe überlebten, die uns überwältigte, als die Natur anfing, verrückt zu spielen.«

»Wo sind meine Leute?«, fragte Koenig ohne Umschweife.

»Sehen Sie sich zunächst Psyche an«, sagte Mentor, schon um vieles kühler. »Unser Schicksal ist miteinander verknüpft, müssen Sie wissen.«

»Wir bestimmen selbst über unser Schicksal«, sagte Koenig, doch Mentor schnitt ihm das Wort ab.

»Sie haben diesen Planeten gesehen. Ein vulkanischer Hochofen. Mittels Psyche werde ich ihn verwandeln, ihn wieder zu der schönen Welt machen, die er einst war. Eine Welt, in der unsere Zivilisation einen neuen Anfang findet.«

Der glühende Fanatismus, den sie in Mentor gespürt hatten, drückte sich in diesen Worten noch eindringlicher und spürbarer aus. Koenig fühlte, dass seine Psychose möglicherweise echt war, und er wählte seine Worte bedachtsamer, um seine Leute nicht zu gefährden.

»Ist ja gut, Mentor. Sie haben einen schönen Traum. Ich unterhalte mich gern mit Ihnen darüber, wenn ich erst meine Leute gesehen haben werde.«

Aber Mentor schien seine Worte gar nicht zu hören,

»Psyche braucht zur Errichtung ihres Zieles Energie. Eine Energie, die man nur im Gehirn intelligenter Lebensformen findet, mit anderen Worten, sie braucht Ihre Alphaner.« Koenig prallte entsetzt zurück.

»Diese Wesen in den Gruben... Torens... Sie haben ihr Gehirn an diese Maschine verfüttert?«

Mentor sah ihn flehentlich an. Seine Stimme klang hysterisch, als er sagte: »Koenig, es gibt keine andere Energiequelle...«

»Und warum halten Sie sie in Schächten und Gruben? Warum lassen Sie sie nicht wenigstens anständig sterben?«, fragte Koenig voller Verbitterung.

Mentor geriet in Erregung. »Ich würde es tun, aber ihre Arbeit ist nötig, damit wir Metall für Psyches physisches Dasein gewinnen.«

Koenig war außer sich. »Sie erwarten von mir, dass ich meine Leute dieser... dieser Ruchlosigkeit aussetze?«