MONDSTATION 1999, BAND 2 - Michael Butterworth - E-Book

MONDSTATION 1999, BAND 2 E-Book

Michael Butterworth

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Beschreibung

Auf dem großen Schirm beobachteten sie das Abheben der Eagle-Schiffe. Sie rasten einer Überlebensmöglichkeit entgegen. Die Aussichten waren etwa so wie die eines winzigen Rettungsbootes, das man mitten in einem irdischen Ozean ausgesetzt hatte, nur dass man dort auf eine Insel oder ein zufällig vorbeifahrendes Schiff hätte hoffen dürfen. Im tiefen Raum konnte man mit solchen Möglichkeiten nicht rechnen.

Und nun bemerkten sie einen winzigen Lichtpunkt, der sich irgendwie von den Millionen Sternen unterschied.

Es war ein glasiges, düsteres, pulsierendes Licht...

Mondstation 1999 – Band 2 von Michael Butterworth, H. W. Springer, M. F. Thomas und J. Jeff Jones enthält fünf Romane aus der legendären Science-Fiction-Serie Mondbasis Alpha 1 (engl. Original-Titel: Space 1999), die seit den 1970er Jahren ein Millionen-Publikum begeistert und heute längst Kult ist: Die unheimliche Kraft, Der Doppelgänger, Die Zeit-Attacke, Invasion der Esper und Der Stahlplanet.

Mondstation 1999 – Band 2 erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX SCIENCE-FICTION-KLASSIKER.

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MICHAEL BUTTERWORTH/H. W. SPRINGER/

M. F. THOMAS/J. JEFF JONES

 

 

Mondstation 1999 – Band 2

 

 

 

Fünf Romane in einem Band

 

Apex Science-Fiction-Klassiker, Band 58

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

Michael Butterworth & J. Jeff Jones: DIE UNHEIMLICHE KRAFT 

Michael Butterworth: DER DOPPELGÄNGER 

Michael Butterworth: DIE ZEIT-ATTACKE 

H. W. Springer: INVASION DER ESPER 

M. F. Thomas: DER STAHLPLANET 

 

Das Buch

 

Auf dem großen Schirm beobachteten sie das Abheben der Eagle-Schiffe. Sie rasten einer Überlebensmöglichkeit entgegen. Die Aussichten waren etwa so wie die eines winzigen Rettungsbootes, das man mitten in einem irdischen Ozean ausgesetzt hatte, nur dass man dort auf eine Insel oder ein zufällig vorbeifahrendes Schiff hätte hoffen dürfen. Im tiefen Raum konnte man mit solchen Möglichkeiten nicht rechnen.

Und nun bemerkten sie einen winzigen Lichtpunkt, der sich irgendwie von den Millionen Sternen unterschied.

Es war ein glasiges, düsteres, pulsierendes Licht...

 

Mondstation 1999 – Band 2 von Michael Butterworth, H. W. Springer, M. F. Thomas und J. Jeff Jones enthält fünf Romane aus der legendären Science-Fiction-Serie Mondbasis Alpha 1 (engl. Original-Titel: Space1999), die seit den 1970er Jahren ein Millionen-Publikum begeistert und heute längst Kult ist: Die unheimliche Kraft, Der Doppelgänger, Die Zeit-Attacke, Invasion der Esper und Der Stahlplanet. 

Mondstation 1999 – Band 2 erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX SCIENCE-FICTION-KLASSIKER. 

  Michael Butterworth & J. Jeff Jones:

  DIE UNHEIMLICHE KRAFT

 

 

 

Erstes Kapitel

 

 

Es traf sie aus dem Nichts!

Es kam so unerwartet und plötzlich, dass Commander John Koenig völlig geschockt und für Sekunden keiner Reaktion fähig war. Er stand nur da und starrte ebenso verblüfft wie das ganze Personal der Kommandozentrale die warnenden Buchstaben auf dem großen Schirm an:

 

VERÄNDERUNG DES HORIZONTS!

 

Darunter blitzte eine Ziffer nach der anderen auf; sie bezeichneten den Beginn der Katastrophe:

0,01°, 0.02°, 0.03°, 0.04°...

»John«, rief Tony Verdeschi, »was, um Himmels willen...? Wir ändern ja unseren Kurs!«

Die Worte des Sicherheitschefs brachen die Starre des Schocks, und Koenig handelte sofort wieder. »Ich sehe es, Tony«, sagte er, »aber ich verstehe es nicht.« Er warf einen raschen Blick über die Schulter. »Yasko«, befahl er, »zeig mir den Horizont.«

Die schöne japanische Computerspezialistin tippte einen ganzen Informationssatz in den Computer.

Unvermittelt hellte sich die graue Fläche des Schirmes auf, über den seit drei harten Jahren sämtliche Daten flackerten, die man sorgfältig sammelte, seit der Mond sich aus der Erdumlaufbahn gesprengt hatte.

Der Mondstützpunkt hatte einen friedlichen, ereignislosen Monat hinter sich. Wertvolle Informationen, die man während des unfreiwilligen und abenteuerlichen Fluges durch den Raum sammeln konnte, waren in die Speicherbank des Hauptcomputers aufgenommen worden. Das war lange zurückgestellt worden, doch es war gut, dass dies endlich geschehen war, weil es die Überlebenschancen gewaltig verbesserte. Als diese überraschende Information hereinkam, war damit aber plötzlich Schluss. Die ruhige, fast ferienähnliche Stimmung war im Nu verflogen.

Über der Schrift VERÄNDERUNG DES HORIZONTS, 2.000, erschienen weitere Daten. Als der Zeiger des Gyroskops langsam und beharrlich der Null entgegenrutschte, überlief es Koenig eiskalt.

Eine gewaltige Kraft wirkte da auf den Mond ein und zog ihn unwiderstehlich einem unbekannten Ziel entgegen?

»Maya!«, rief er, behielt aber die alarmierenden Ziffern im Auge. »Was wirkt da auf uns ein?«

Die Frau beschäftigte sich bereits mit der Analyse des Phänomens. Die Augen der Psychonerin verkleinerten sich in gespannter Konzentration. Blitzschnell tanzten ihre Finger über die Eingabetasten ihres Computer-Terminals. Der kleine Monitor in ihrer Konsole zeigte jedoch nur eine Perlenschnur informationsloser Nullen. Der Sensor kapitulierte vor dem Unerklärlichen.

»John, ich habe keine Daten«, meldete Maya besorgt.

»Yasko, du musst etwas auf dem Schirm finden«, forderte Koenig. »Schauen wir mal, wie es aussieht.«

Yasko suchte, und die erstaunliche Information vom großen Schirm verschwand, um der Samtschwärze des Raumes mit den Millionen Diamantpunkten der Sterne Platz zu machen. Eifrig suchten alle Augen in der Kommandozentrale nach einem bestimmten Punkt, der die geheimnisvolle Kraft erklären konnte.

Tony Verdeschi, der temperamentvolle Italiener, wurde leicht ungeduldig. Greifbare Probleme löste er gekonnt und schnell, aber wenn er vor einem völligen Rätsel stand, sah er rot. »Das sieht genauso aus wie sonst auch«, schnappte er.

»Welcher Faktor könnte für die Kursänderung verantwortlich sein, den wir nicht erkennen können?«, fragte er Maya.

»Nur einer«, erwiderte sie, »ein Schwerkraftzug aus dem Raum.«

Koenig nickte. »Sieh zu, dass du die Quelle lokalisieren kannst.«

Sofort beugten sich Maya und Yasko über ihre Konsolen und erteilten den sensorischen Monitoren ihre Weisungen; diese stellten nämlich den Direkt-Kontakt zur Außenwelt der Basis Alpha dar. Die Kathodenröhren flackerten in einem programmierten Lichter-Code auf.

»Angenommene Position der Schwerkraftquelle«, berichtete Maya dem Commanders und der gespannt wartenden Crew, »...nicht festzustellen«, vollendete sie und schüttelte bestürzt den Kopf.

»Das gibt's doch nicht«, sagte Tony und las die Computeraufzeichnung ab, die aus der Ausgabe ratterte. Auch er schüttelte den Kopf.

Koenig überlegte einen Moment. »Gebt mir einen Drei-mal-Sechzig-Grad-Rundblick«, befahl er.

Noch während er sprach, wurde die mächtige Linse über der Commanderzentrale auf der Mondoberfläche aktiviert. Langsam schwenkte sie herum und erfasste die ganze galaktische Kuppel vor und über ihnen. Nichts deutete auf die geheimnisvolle Schwerkraftquelle.

Die Horizontziffern tickten von 9.00° nach 10.00° und 11.00°.

»John«, sagte Tony leise zum Commanders, »was dann, wenn es ein schwarzer Zwerg ist?«

Dr. Helena Russell stand nahe genug neben ihnen und hörte die Frage. Instinktiv hatte sie einen Platz neben Koenig eingenommen, als die Alarmbereitschaft einsetzte, aber so, dass sie ihn dabei nicht von seiner Aufgabe ablenkte. Jetzt griff sie jedoch nach seinem Arm.

»Wenn wir mit einem schwarzen Zwerg Zusammenstößen...«, begann sie besorgt, sprach aber auch sehr leise.

Koenig sah sie zuversichtlich an, um sie zu beruhigen, dann wandte er sich Tony zu. »Evakuierung vorbereiten!«, befahl er. »Aber schnell!«

Tony lief sofort zum roten Schalter und legte ihn um. Sofort füllte der Lärm der Alarmsirenen alle Korridore des Mondstützpunktes. Tony schaltete die Sprechverbindung zu den Pilotenräumen. »Alle Eagles zur Evakuierung vorbereiten... zur Evakuierung vorbereiten«, wiederholte er.

Helena rief die medizinische Station. »Lazarettabteilung zur Evakuierung vorbereiten«, befahl sie und bestätigte so das Lichtsignal, das jetzt schon im gesamten Hospitalbereich auf blinkte.

Koenig überwachte den Monitor, um die Kursänderungen zu beobachten. Wieviel Zeit mochte ihnen noch bleiben? Mindestens das sorgfältig ausgewählte Personal, das von der kleinen Eagle-Flotte in Sicherheit gebracht werden konnte, war sofort abflugbereit.

VERÄNDERUNG DES HORIZONTS 17.00°, meldete nun der große Schirm.

»Veränderungsrate konstant«, berichtete Maya. Plötzlich lehnte sie sich bestürzt vorwärts. »Aber die Annäherungsrate beschleunigt sich!«

Das wurde von Tony bestätigt. »Wir kommen dem Zentrum dieser Kraft schnell näher. Viel Zeit haben wir nicht mehr.«

Grimmig gab Koenig den einzig möglichen Befehl, der vielleicht sein letzter sein konnte. »Evakuierung«, befahl er.

 

Auf dem großen Schirm beobachteten sie das Abheben der Eagle-Schiffe. Sie rasten einer Überlebensmöglichkeit entgegen. Die Aussichten waren etwa so wie die eines winzigen Rettungsbootes, das man mitten in einem irdischen Ozean ausgesetzt hatte, nur dass man dort auf eine Insel oder ein zufällig vorbeifahrendes Schiff hätte hoffen dürfen. Im tiefen Raum konnte man mit solchen Möglichkeiten nicht rechnen.

Und nun bemerkten sie einen winzigen Lichtpunkt, der sich irgendwie von den Millionen Sternen unterschied. Es war ein glasiges, düsteres, pulsierendes Licht.

»Scharf einstellen und vergrößern«, befahl Koenig. Das Licht wurde von der Teleskoplinse in den Schirmmittelpunkt gerückt und erschien nun als ein glühender Ball in einer orangefarbenen Wolke.

»Identifizieren!«, rief er.

Maya erwiderte: »Nur Schätzungen möglich.«

»Nur Schätzungen?«, wiederholte er enttäuscht. »Warum nimmt unser Computer das nicht auf?«

Tony prüfte ihn auf seinen Sonderstromkreisen. »Scheint verändert zu arbeiten«, meldete er verblüfft.

Maya und Koenig tauschten besorgte Blicke, doch mit diesem Problem konnte man sich später auch noch befassen, falls es ein Später gab.

»Ist es das, was uns vom Kurs abdrängt?«, fragte Koenig und deutete auf den Planeten vor ihnen.

»Nein, John«, antwortete Maya. »Ich nehme an, das ist nur ein kleiner Planet, dessen Schwerkraft nicht größer ist als bei uns.«

Und dann tauchte plötzlich ein unbekanntes Raumschiff auf dem Schirm auf.

Einen solchen Schiffstyp hatte Koenig bisher noch nie gesehen. Ein Eagle war es nicht; dieses Schiff war kleiner und schlanker, hatte aber doch irgendwie bekannte Umrisse. »Schiff abfangen«, befahl er.

Tony nahm Verbindung zu Eagle Eins und Zwei auf und befahl ihnen, aus der Evakuierungsformation auszuscheren. Einen Augenblick später meldete sich der Pilot von Eagle Eins.

»Eagle Eins an Mondbasis. Wir haben jetzt Sichtkontakt.«

Koenig nahm über sein eigenes Gerät mit dem Piloten Verbindung auf. »Kommandozentrale an Eagle Eins«, meldete er sich. »Stellt ihr ein abnormes Kraftfeld bei diesem Raumschiff fest?«

»Nein, John. Schwerkraft ist normal.«

Koenig lehnte sich nachdenklich zurück und schüttelte den Kopf. Er lauschte dem Informationsaustausch, als die Eagles in Abfangposition gingen. Das fremde Raumschiff setzte stur seinen Kurs zum Mond fort, so dass die Abfangschiffe keine Schwierigkeiten hatten. Es machte keinerlei Ausweichbewegungen. Er beobachtete, wie Eagle Eins unvermittelt mit einer Zündung der Richtungsraketen dem fremden Raumschiff entgegenraste.

»Eagle Eins an Raumschiff«, hörte er den Piloten sagen. »Eagle Eins an Raumschiff. Könnt ihr mich hören?« Eine Weile herrschte Schweigen, und kaum jemand wagte vor Spannung Atem zu holen. »Wir sind Freunde«, fügte der Pilot nach einer Weile noch hinzu.

Sie nahmen an, dass auf dem Schiff kein Leben sei, doch plötzlich kam aus der Grabesstille eine Antwort. Es war eine jugendliche, hallende Stimme, die alle überraschte.

»Hallo, Eagle Eins!«, rief sie. »Ich freue mich, euch zuhören. Eagles vom Planeten Erde, der guten alten Terra! Wow! Und das ist doch der liebe, gute, fette alte Mond, was?«

Der Pilot des Eagle war ebenso verblüfft wie das Personal der Kommandozentrale. Das konnte doch nur ein Witz sein! Er zögerte nur einen winzigen Augenblick, weil er sich nicht gerne auf den Arm nehmen ließ. Dann überlegte er noch einmal und wusste, dass dies wirklich war, was er eben gehört hatte. Er musste also die Verständigung aufrechthalten.

»Eagle Eins an Raumschiff. Das ist der Mond.« Er holte tief Atem und fügte die Standardbitte hinzu. »Identifiziert euch, bitte.«

»Hallo, Eagle!« Die Stimme schien ihn nicht gehört zu haben. Sie schien sich auch nicht an die allgemein vereinbarten Verständigungsregeln halten zu wollen. »Wie geht's euch? Meine Blechdose ist eine Swift, auch von der Erde.«

Natürlich, dachte Koenig, als er das hörte. Die Swift war eine Modellvorgängerin der Eagle-Schiffe, konstruiert eigens für die Erforschung des tiefen Raumes. Aber allein konnte dieses Schiff doch gar nicht so weit gekommen sein! Swifts wurden von großen Mutterschiffen hinausgeschleppt.

Er brauchte keine Fragen zu stellen, denn die fröhliche Stimme sprach weiter. »Ich war mit drei anderen Swifts und einem Mutterschiff auf Sternmission. Die Erde verließen wir im Jahr neunzehnhundertsechsundneunzig.«

Koenig veranlasste sofort eine Überprüfung durch den Computer. Diesmal flackerte die Antwort ohne Verzögerung auf Mayas Monitor auf. »Sternmission neunzehnhundertsechsundneunzig«, wurde da bestätigt. »Mutterschiff und vier Swifts unter dem Kommando eines Captain Michael.«

»Was geschah damit?«

»Verbindung brach ab. Schicksal unbekannt.«

Koenig überlegte, während sich der Eagle der Swift näherte. Beide, und dazu noch Eagle Zwei, wurden vom Mond angezogen.

»Hallo, Baby«, meldete sich wieder die Swift-Stimme. »Sag mal, war da nicht früher eine Basis auf dem Mond? Und hieß die nicht... hm... Alpha? Gibt's die noch? Und ist sie bemannt?«

»Mondbasis Alpha arbeitet«, bestätigte der Pilot des Eagle,

Diese Worte brachten Koenig die Krise verstärkt zu Bewusstsein. Die Logik sagte ihm, eine ausgefallene und ungewöhnliche Schwerkraft müsse sich auf die Eagles und das Swift-Raumschiff sehr stark auswirken, doch sie schienen davon nichts zu bemerken.

»Wir könnten viel besser arbeiten, wenn wir mehr über diese Schwerkraft wüssten«, sagte er und warf Maya einen fragenden Blick zu. »Haben wir inzwischen mehr Daten hereinbekommen?«

»Nein, Sir. Die auf den Monitor wirkenden Kräfte scheinen sich stabilisiert zu haben. Ich werde aber nachprüfen, um zu sehen, ob diese Schwerkraft wirklich eine Bedrohung darstellt, oder ob unser Computer eine Macke entwickelt hat.«

Koenig wollte gerade nach der Wahrscheinlichkeit einer solchen Panne fragen, als er von der aus den Lautsprechern der Kommandozentrale hallenden Swift-Stimme abgelenkt wurde.

»Swift an Alpha... He, fette Alpha! Junge, Junge, hör mir mal zu.« Helena lachte, weil die Stimme eine so lässige Sprache führte. »He, ich hab schon so lange keinen mehr gesehen oder gehört, dass ich's schon aufgegeben habe.« Tony wusste nicht recht, was er davon zu halten hatte, denn er beschäftigte sich noch immer mit der Katastrophe, die so unmittelbar bevorzustehen schien. »He, ihr dort!« plärrte die Stimme ungeniert. »Kann ich runterkommen und bei euch futtern?«

Koenig überlegte kurz, dann schaltete er sein Mikrophon auf den offenen Kanal. »Mondbasis Alpha an Swift. Kommen Sie herunter und leisten Sie uns beim Lunch Gesellschaft.« Dann schaltete er den Kanal wieder ab. Tony nickte er bedeutungsvoll zu.

Mit seinem Transmitter ging Tony nun auf eine Spezialfrequenz. »Waffenabteilung«, sagte er. »Laser bereithalten. Ziel: hereinkommendes Raumschiff der Swift-Klasse. Entfernung etwa fünfhundert Kilometer.«

Eine geschäftsmäßige Stimme erwiderte: »Waffenabteilung bestätigt Kommandozentrale. Verteidigungssystem aktiviert und einsatzbereit.«

Tony gab die Koordinaten der sich nähernden Swift in das automatische Zielsystem der Laser und drückte den Aktivierungsknopf, so dass Koenig auf seinem Kontrollschirm alles beobachten konnte, was nun geschah. Der Commander brauchte jetzt nur den Feuerknopf zu drücken, und dann wäre die Swift nur noch ein Haufen Raumschrott.

Die beiden Eagles setzten sich links und rechts von der Swift in Begleitposition, doch sie hielten genügend Abstand, da sie wussten, welche Vorsichtsmaßnahmen Koenig ergreifen konnte. Als die Swift sich zu einem Landekissen hinabfallen ließ und unter Einsatz der Bremsraketen sanft aufsetzte, blieben die Eagles oben und passten scharf auf.

»Helena«, sagte Koenig und ging zur Tür der Kommandozentrale, »hättest du Lust, das Empfangskomitee zu vervollständigen?«

 

Zwei Sicherheitsmänner warteten schon am Eingang zum Tunnel, der sich zur Luftschleuse der Swift geschoben und dort angedockt hatte. Beide hielten ihre Stunner vorsichtshalber in Anschlag. Man hatte die Männer auf äußerste Aufmerksamkeit und Vorsicht gedrillt, als sie die Flugsicherheitsschule auf der Erde besuchten. Diesen Eindruck der Effizienz fand Koenig ausgezeichnet und pflegte ihn entsprechend. Alle dreihundert Mitglieder der Mond-Crew wurden ständig dazu ermuntert, ihre Fähigkeiten laufend zu trainieren und zu verbessern.

Die beiden Posten salutierten zackig, Koenig erwiderte den Gruß und ging in den Tunnel voran. Er war nur einen Schritt von der Luftschleusentür entfernt, als sie sich aufschob und ein wenig Luft zischend herausströmte. Innen sah er die Passagierkabine, die nur schwach beleuchtet und nach dem vage vertrauten Muster älterer Schiffe eingerichtet war. Nur die lavendelblaue dicke Polsterung unterschied sich von der funktionellen der neuen Schiffe wesentlich. Das stellte Helena sofort fest.

»Hier ist der Commander der Mondbasis Alpha«, kündigte Koenig laut an. »Wir kommen an Bord.«

Keine Antwort.

Die Sicherheitsposten legten die Sicherungen ihrer Waffen zurück und schoben sich vorsichtig hinein. Der Passagierraum war leer und schien auch schon lange nicht mehr benützt worden zu sein. Schnell ging der Lieutenant weiter zur Tür der Pilotenkanzel. Der andere Posten hielt seine Waffe schussbereit, als sich die Tür öffnete.

Der Lieutenant sprang in die Kabine, und sein Blick huschte von einem leeren Sitz zum anderen. Pilot, Copilot und Navigator waren nicht da. Das Cockpit war ebenso verlassen wie ein ausgeplündertes Grab.

Im Tunnel berichtete der aufgeregte, fast verstörte Lieutenant: »Sir, da ist nicht einer zu sehen.«

Auch Koenig war sehr verblüfft und beschloss, ein rascher Rückzug wäre wohl am sichersten. »Okay, Lieutenant«, sagte er, »dann wollen wir also umkehren.«

»Nicht das geringste Zeichen, dass einer da ist...«

»Sieht alles ordentlich aus? Und wirkt etwas irgendwie ungewöhnlich?«

Der Lieutenant schüttelte den Kopf. »Kann ich nicht sagen, Sir. Das Schiff ist nur ganz leer.«

Aus der Swift und durch ihre offene Tür war nun eine laute, klare Stimme zu vernehmen. »Okay, Kumpels, okay. Ihr habt euch also umgeschaut.« Alle vom Empfangskomitee drehten sich erstaunt um. »Ah, ich sehe schon, ihr seid gut bewaffnet. Hm, vorsichtige Leute. Jedenfalls habe ich gesehen, dass ihr wirklich von der Erde seid. Ist also okay. Wir sind alle Freunde.«

»Wer sind Sie?«, platzte der Lieutenant heraus.

»Komme schon, komme schon. Wo ist euer Commander?«

»Ich bin hier«, erwiderte Koenig.

»Und wie heißt du?«

Koenig sah Helena an, die sich auch über die lässige Missachtung des Protokolls zu wundem schien. Vielleicht war sie auf die lange Einsamkeit im Raum zurückzuführen. »Koenig«, sagte er schließlich.

Helena stellt nun selbst eine Frage. »Und wie heißen Sie?«

»Ah, Lady, blöde Frage. Ich hab keinen Namen. Wart mal einen Moment, bin gleich bei euch.«

Wieder hatten die beiden Sicherheitsleute ihre Waffen schussbereit, als sie nun in die Luftschleuse der Swift schauten. Verwirrt ließen sie die Stunner aber sinken. In der Schleuse stand nämlich ein viereckiger Schrank von ungefähr vier Fuß Höhe. Er rollte auf versenkten Rädern heran; an der Vorderseite blinkten einige Lämpchen, und ihre Leuchtkraft wurde, je nach Energiezufuhr, stärker und schwächer. Obenauf war ein Videoscanner mit einer dreifachen Linse, der sich nun jeden einzelnen Angehörigen des Empfangskomitees vornahm. Eine dicke bräunliche Röhre folgte in ihrer Helligkeit dem Sprachfluss.

»König?«, fragte die inzwischen bekannte Stimme, und die bräunliche Röhre leuchtete einmal auf.

Koenig hob seine Hand. »Das bin ich.«

»Fein, dich kennenzulernen.« Die Linse schwang weiter zu Helena.

»Aha. Und du bist die Lady.«

»Ich bin Doktor Russell.«

»Freut mich, Doktor Russell. Wie geht's? Wollt ihr mich jetzt mal in eurer süßen kleinen Mondbasis rumführen?«

Der Schrank rollte sicher und bestimmt vorwärts, ganz wie eine königliche Hoheit auf Besuch. Plötzlich blieb er stehen. »He, da sind doch hoffentlich keine Stufen oder Treppen?«, fragte er. »Seht ihr, ich hab ja Räder und kann mir keinen Sturz leisten. Da haben sie nicht dran gedacht, als sie mich machten. He, Kumpels, und gebt auf meine Antenne acht.« Der Schrank schaukelte ein wenig, um die allgemeine Aufmerksamkeit auf den Metallstreifen zu lenken, der wie ein Schwanz vom Rücken herabhing und auf dem Boden nachschleifte. »Ich sag's euch lieber, was was ist, he? Das heißt, wer ich bin.«

Koenig musterte die unglaubliche Maschine ein wenig amüsiert und sehr vorsichtig. »Ja«, meinte er. »Wer bist du denn?«

»Wie ich schon gesagt hab, Sternmission neunzehnhundertsechsundneunzig. Unser Mutterschiff und die anderen Swifts sind auf einem Planeten gelandet, der jetzt ganz in der Nähe ist. Wir nannten ihn Planet D.« Koenig hätte schwören mögen, dass in der Stimme des Schrankes eine vorwurfsvolle, klagende Note mitschwang. »Und alle sind gestorben, alle. Einfach gestorben sind sie. Seither bin ich dauernd im Orbit und warte auf ein anderes Missionsschiff der Erde.«

Auch Helena hatte die Traurigkeit in der Stimme des Schrankes gehört. Die Wissenschaftlerin in ihr wusste aber, dass eine Maschine keine Gefühle haben konnte, und trotzdem hatte sie Mitleid. »Warst du«, fragte sie, »ein Mitglied der... ah... ursprünglichen Crew?«

»Ich bin ein rollender, sprechender und sehender Kopf, ein schönes Ersatzgehirn für den alten Computer der Swift. Er liefert die Energie, lagert die Daten - aber ich denke. Meine Antenne erlaubt mir, mich zu bewegen, während ich mit meinem... Körper sagen wir mal, Kontakt halte.«

Der Lieutenant musterte den Schwanz des Schrankes misstrauisch, streifte aber zufällig mit der Fußspitze über dessen Ende. Sofort spielten die Lichter und Zeiger an der Vorderseite verrückt sie zuckten und blitzten. »Du Trottel, du sollst nicht draufsteigen, hab ich dir doch gesagt! Ich kriege sonst Zustände, und von den Kopfschmerzen will ich erst gar nicht reden.«

»Entschuldige«, sagte der Lieutenant und trat einen Schritt zurück.

Koenig fühlte sich unsicher und gereizt. Er wusste, dass er jetzt eine ganz bestimmte Frage stellen müsste, doch die war ihm entfallen. »Und wie sollen wir dich nennen?«, fragte er stattdessen.

Der Schrank schien sich schnell wieder beruhigt zu haben.

»Ich hab doch schon gesagt, dass ich keinen Namen hab. Mich gibt's nur einmal, also brauch ich auch keinen.«

»Du hast dich vorher Kopf oder Gehirn genannt...«

»So heiß ich nicht, das bin ich. Übrigens, das erste Wort, das ich sagen konnte, war Brain, aber ich hab's nicht richtig verstanden und die Buchstaben umgedreht. Wenn ihr mir einen Namen geben wollt, dürft ihr also Brian zu mir sagen.«

Das war also erledigt. Koenig gab Anweisung, zur Mondbasis zurückzukehren; der Tunnel löste sich von der Swift, verschloss sich auf beiden Seiten und machte sich auf den Rückweg. Brian hielt diese Idee für großartig und meinte dazu, es wäre doch ein himmlischer Spaß, den ganzen Tag damit hin und her, auf und ab zu fahren.

»Übrigens«, bemerkte Koenig, als sie durch einen Korridor zur Kommandozentrale gingen, »wir haben eine Kursveränderung des Mondes festgestellt. Ziemlich ausgeprägt sogar. Hat dein Computer... hast du darüber irgendwelche Daten?«

»Nein, hab ich nicht.« Brians Lichter blinzelten. »Was soll das heißen - Kursveränderung? Was zieht euch denn an?«

»Das möchten wir ja erst herausfinden«, erklärte Helena.

»Du meinst einen Schwerkraftzug? Wie zum Beispiel vom Planeten D? Ein Kollisionskurs wär ja gerade nicht besonders fein. Herrje, da muss ich mal nachschauen.«

 

In der Kommandozentrale warteten Tony, Maya und Yasko ungeduldig und besorgt auf die Rückkehr des Commanders und Helenas. Tony hatte bereits die Evakuierung abgeblasen und die Eagles zum Standort zurückbeordert.

Maya machte sich immer größere Sorgen um die Zuverlässigkeit des Basiscomputers. Auf Routinefragen antwortete er noch langsam und ziemlich unsicher; solche Schwierigkeiten hatten sie vorher nicht mit ihm gehabt.

Sie blickte rasch auf, als Koenig durch die Haupttür kam. Sie wartete auf die Ergebnisse eines Testprogrammes, das sie gerade eingegeben hatte. Dann wurden ihre Augen immer größer, weil sie das nicht zu glauben wagte, was sie sah.

Brian rollte herein. Seine Frontlichter blinkten vor Neugier. »He, Leute!«, rief er. »Wie geht's euch?« Die Videolinse schwenkte rasch von einer Seite zur anderen und blitzte. »Mir geht's gut, damit ihr's gleich wisst. Einfach großartig. Nett, euch alle kennenzulernen. Ich hab schon gefürchtet, jetzt müsste ich ein paar Jahrhunderte lang Daumen drehen.«

Yasko hatte ihre Konsole verlassen, weil sie gerade die Ersatzstromkreise auf einem Reparaturtrolley überprüfte, um den Maya gebeten hatte. Brian rollte direkt auf sie zu, und ihre katzenhaften Augen wurden sehr groß vor Staunen.

»He, Hühnchen, wie heißt du?«

»Y... Yasko.«

»'ne hübsche Kleine bist du, Yasko. Was hast du heut Abend vor? Ha, ha, ha, ha. Mach ja nur Spaß... Aber sag mal...« der Schrank beäugte den chromblitzenden Reparaturwagen. »Eigentlich könnte ich ja hier dein Freund sein. Bloß diese gelben Plastikräder da...« Er überraschte sie alle mit einem richtigen, lauten Pfiff, wie ihn junge Amerikaner hübschen Mädchen nachschicken.

Keiner sagte etwas. Alle waren viel zu verblüfft. Dann schlug Brian eine schallende Lache an, und sein bräunliches Licht blitzte und blinkte wie irr. »Ha, ha, ha, ha! Ich mach ja nur Spaß, Kumpels. Dieser Werkstattwagen... Hab ja gar nichts übrig dafür, ha, ha, ha, ha. Gelbe Räder, na so was!«

Helena hatte Mühe, nicht mitzulachen, und Koenig hielt auch nur unter Schwierigkeiten seine Miene ernst. Nur Maya schien gegen diese überströmende Fröhlichkeit immun zu sein. Sie war so sehr mit den Launen des Computers beschäftigt, und deshalb stand ihr auch Angst in den Augen, als Brian, der Schrank, direkt zur Computereingabe rollte.

»He«, sagte er. »Dein Computer sieht ja genauso aus wie der meine. Holographische Programmierung Zehn, ja? Er und ich, wir vertragen uns miteinander, nur reden kann er nicht... Mit der Stimme, mein ich.« Brian stieß plötzlich eine ganze Reihe scharfer Pfiffe aus, dann gab er ein sonores Piepen von sich und ließ seine Frontlichter flackern. Die Monitorlichter der Eingabebank des Basiscomputers blinkten zur Antwort einige Male. Maya schaute entgeistert zu. »Ha, ha!« lachte Brian und drehte sich um. »Das war nur eine kleine Begrüßung in der Computersprache. Der arme Kerl tut mir leid, verstehst du. Er wurde ja nie geboren.«

Koenig versuchte gastfreundlich zu sein. »Nun ja«, meinte er, »wir würden dir ja gerne einen Imbiss anbieten, wenn wir wüssten, ob wir das auch haben, was du gerne magst.«

»Nein, ich war doch nur ein bisschen freundlich zu euch. Mensch, ich hab doch keine Verdauungsorgane. Ein paar Kilowatt reichen mir ganz gut.« Brian rollte zu den Mitteltüren. »Hört mal, ich geh jetzt und schau wegen dieser Kursveränderung nach. Doc Russell, wenn du mal einen Moment Zeit hast, dann zeig ich dir meine bescheidene Hütte. Und außerdem hätt ich dir gern ein paar Fragen gestellt zum Tod meiner Crew...« Der Schrank machte eine verehrungsvolle Pause. »Und auch zum Tod meines Kapitäns. Vielleicht kannst du die Ursache finden.«

Helena nickte. »Ich helfe natürlich gerne.«

»Macht es dir was aus, wenn ich mitkomme?«, fragte Koenig, der selbst größtes Interesse am Schicksal der Sternmission hatte. Es konnte ja immerhin sein, dass es mit den ungewöhnlichen Vorfällen des Tages zu tun hatte.

»Macht mir doch nichts aus. Warum denn? Freut mich, wenn du mitkommen willst.«

 

Nachdem sie gegangen waren, sah Tony zu, wie Maya einen neuen Computertest vorbereitete. »Was sollte denn das alles bedeuten?«, fragte er. »Und was, zum Teufel, war das überhaupt?«

Maya runzelte die Brauen. »Ein mobiler, selbstprogrammierender Computer, meine ich. Der sich auch selbst überwacht.«

»Dann klingt das also fast so, als sei er lebendig?«

»Das hängt davon ab, wie du leben definierst. Atmen kann das Ding nicht, auch nicht essen oder sich vermehren. Es scheint aber selbständig zu denken.« Maya griff nach Tonys Hand. »Ich weiß nicht, weshalb, Tony, aber mit dieser Maschine habe ich ein ungutes Gefühl.«

»Ein ungutes Gefühl?« Tony lächelte nachsichtig. »Komm, Maya, gib ihr doch eine Chance. Sie prüft etwas für uns nach, und das könnte sehr nützlich sein, weil wir ja nicht wissen, wohin wir unterwegs sind.« Er drückte ihr fest die Hand. Der Kontakt war ihm angenehm. »In Wirklichkeit bist du ja nur eifersüchtig, weil dein Gehirn auch wie ein Computer arbeitet. Du fürchtest die Konkurrenz.«

Maya überhörte den Scherz. »Ich bin einfach der Meinung, da stimmt etwas nicht. Gib mir mal einen Kanal zur Swift, damit wir sehen, was sie dort tun.«

Tony ging zur Kommunikationskonsole und drückte auf einen Knopf. Der Monitorschirm, auf dem noch immer die Informationen über die Horizontveränderung erschienen, wurde grau. Nun hätte eigentlich das Innere der Swift erscheinen müssen, doch die Mattscheibe blieb leer.

Tony drückte wieder auf den Knopf, es veränderte sich aber nichts. Besorgt beugte sich Maya über ihre eigenen Instrumente und tippte eine Anfrage an den kränkelnden Computer. Sie bekam keine Antwort.

Einen Moment lang herrschte entsetzte Stille, dann sprang Maya auf und rannte zum roten Alarmknopf; sie schlug mit der Faust darauf.

»Du hast doch gar kein Recht, das zu tun!«, schrie Tony erbost. »Nur der Commander kann roten Alarm geben, in seiner Abwesenheit nur ich!«

Maya schaute ihn ungeduldig an. Tony hörte mitten in seiner Schimpftirade auf und musterte den Monitor der Basisverständigung. Auf keinem Schirm flackerte eine Antwort. Auch das Alarmsystem war tot.

»Wir sind abgeschnitten!«, schrie Tony Yasko zu. »Sieh zu, dass du den Commanders und Doktor Russell sofort hierher zurückbringst!«

In diesem Moment war ein winziges Zittern im Boden der Kommandozentrale zu spüren. Unter normalen Arbeitsbedingungen hätten sie es niemals bemerkt, doch jetzt konnte es ihnen nicht entgehen. Sofort wussten sie, dass die Swift startete.

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

John Koenig flog durch die Passagierkabine und knallte in das gepolsterte Schott. Die plötzliche Beschleunigung hatte ihn und Helena überrascht, nur hatte sie das Glück gehabt, rückwärts auf einen Sitz zu fallen. Koenig schaute auf, und da drehte sich alles um ihn. Brian wippte gefährlich auf seinen Rädern vor und zurück, konnte sich aber aufrecht halten.

»Tut mir leid, Leute«, sagte er. »Sind ein bisschen schnell abgereist. Nur keine Panik jetzt, sonst bekommen wir Schwierigkeiten. Lasst mich jetzt in Ruhe, bis ich das Schiff unter Kontrolle habe.«

Koenig wollte davon jedoch nichts wissen, denn er war zornig. »Was nimmst du dir da heraus? Ich bestehe darauf, dass...«

»Halt doch die Klappe«, bellte Brian.

Koenig und Helena wurden von dieser Wesensänderung der Maschine sehr überrascht. Dann loderte Koenigs Wut noch heißer als vorher. Er wurde knallrot, doch Helena hob begütigend eine Hand.

»John, vergiss nicht, das ist doch nur eine Maschine.«

Davon wollte Koenig jedoch nichts wissen. Er zog sich auf die Füße, so dass Brian zurückrollen musste, um ihm aus dem Weg zu gehen. Plötzlich legte sich die Swift auf die Seite, und Koenig tat ein paar unfreiwillige Schritte rückwärts.

»Ohhh!«, jammerte Brian. »Ich hab dir's doch gesagt! Setzt euch doch endlich und legt die Gurte an. Ich schau mal schnell zum Flugdeck hinauf und bring dort alles in Ordnung.«

Koenig sah ihm nach, als er durch die Tür in die Pilotenkanzel ging und hantelte sich dann zu Helena hinüber. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er.

Sie nickte, aber Brian schien die Frage auch gehört zu haben, denn er schrie zurück: »Ja, bei mir ist alles in Ordnung. Wird auch gut sein!«

»Mit dir habe ich nicht gesprochen«, entgegnete ihm Koenig. »Wohin fährst du übrigens?«

»Ich? Zu meiner Pilotenkonsole, hab ich doch gesagt«, schnarrte der Schrank. »Reiß dich doch zusammen, Koenig.«

Koenig bedeutete Helena, sie solle dort bleiben, wo sie sei, und stelzte vorsichtig zur Tür der Pilotenkabine. In seinen dunklen Augen war eine stählerne Entschlossenheit. Er griff nach seinem Handlaser und hielt ihn vor sich in Anschlag.

Brian konzentrierte sich völlig auf die Instrumente, überprüfte alle Maschinenfunktionen und das Navigationsprogramm. Zwischen ihm und der Kontrollkonsole schienen Kurzinformationen hin und her zu fliegen, als die Dreifachlinse sich dem Pilotenschirm zuwandte. Auch Koenig konnte sie sehen, und darauf wurde die schimmernde weiße Mondoberfläche sehr schnell kleiner.

Der Linsensatz schwang herum zu König, als Helena hinter ihn trat. »Ah, ah, Commander«, sagte Brian. »Ganz ruhig bleiben, bis ich den Kurs festgelegt hab.«

»Den legst du sofort zur Mondbasis Alpha fest«, befahl Koenig.

»Dorthin sind wir unterwegs«, erwiderte ihm Brian. Auf dem Pilotenschirm verschwand die Oberfläche des Mondes, dafür erschien ein teleskopisches Großbild des mit orangefarbenen Wolken umgebenen Planeten.

»Planet D?«, fragte Helena.

»Lady, du hast's kapiert.« Brian drehte sich sofort um und zog sich in eine Lücke in der Kontrollwand zurück. Da ließ er sich vom Rest des Werkzeugladens nicht mehr unterscheiden, und Koenig verstand nun recht gut, weshalb ihn die Sicherheitsleute übersehen hatten.

Vorsichtig ging Koenig zum Pilotensitz weiter, hielt aber seinen Laser genau auf den Teil der Wand gerichtet, den er als Brian kannte. Mit der freien Hand prüfte er nach, ob das Schiff auf die Instrumente ansprach und eine Kursänderung möglich wäre.

»Die sind alle durch mich geleitet«, sagte Brian.

»Du programmierst sofort das Schiff zur Rückkehr nach Alpha.« Koenig hob dazu drohend den Laser.

»Dann schieß doch. Wenn du mich nämlich zerstörst, öffnen sich sofort die Schleusenkammern, dann wirst du mit der Lady in den Raum hinausgefegt.« Die Dreifachlinse erfasste Helena, als sie sich nach den Schränken mit den Raumanzügen der Crew umschaute. »Und wenn du auch nur eine Bewegung zu den Anzügen machst, dann lass ich die Luft raus, bevor du noch deinen Fuß auf den Boden kriegst. Setz dich!«

Helena zögerte und dachte über Brians Drohung nach. Natürlich konnte er die Luftschleusen öffnen, und dann wurde sie mit John wie zwei Kinderpuppen in den Raum hinausgeworfen. Brian brauchte ja, um funktionieren zu können, keine Luft, und ihm würde dabei gar nichts geschehen. Helena ließ sich also erst einmal im Stuhl des Navigators nieder.

»Und jetzt, Commander«, sagte Brian voll Überheblichkeit, »leg deine Kanone weg... Hierher, auf dieses Regal.«

Koenig hielt aber die Waffe weiter auf den Mittelpunkt der Konsole gerichtet. »Ich will Verbindung mit Alpha haben«, forderte er.

»Natürlich kriegst du sie. Aber leg dein Schießeisen erst weg.«

Koenig schüttelte den Kopf. »Dir traue ich nicht.«

»Pech. Entweder du legst deine Kanone weg, oder du fliegst hinaus. Vergiss nicht, Koenig, ich kann keinen von euch hinauswerfen, ohne dass der andere mit muss. Wenn du gehst, geht sie also mit. Fertig? Eins... zwei...«

Ein bisschen Luft zischte. Die Sternenkarten neben Helena hoben sich von der Wand ab, und ein Schreibstift rutschte über die Konsole. Koenig drehte sich um. Er sah, dass Helena vor Angst ganz blass war.

Koenig beugte sich auf seinem Sitz ein wenig vor und legte den Laser auf das schmale Regalbrett. Als er seine Hand zurücknahm, schwang sich das Brett nach oben, und der Laser verschwand mit einem lauten Klicken durch irgendein Abfallsystem in den Raum. Leer fiel das Brett wieder zurück.

»Und jetzt, Commander«, sagte der Schrank fröhlich. »Jetzt bediene ich dich, aber nicht mit einem Lächeln, weil ich nichts zum Lächeln hab, aber bedienen werd ich dich.«

Koenig und Helena schauten auf den Pilotenschirm und sahen in die Kommandozentrale von Alpha hinein. Tony, Maya und Yasko waren deutlich zu sehen; es ließ sich aber auch nicht leugnen, dass dort etwas schiefgegangen sein musste.

In der Kommandozentrale wusste man natürlich nicht, dass man beobachtet wurde. Alle arbeiteten verzweifelt daran, den Computer wieder funktionstüchtig zu machen. Maya gelang es schließlich, auf einer direkten Leitung durchzukommen zum Lazarett, aber alles, was sie auf den Schirm bekam, war eine geschlängelte Linie, die anzeigte, dass Strom vorhanden war.

»Nur die mathematische Sinus-Welle«, stellte sie fest. »Egal auf welchen Knopf ich auch drücke.« Sie versuchte einen zweiten Kanal, einen dritten, immer mit dem gleichen Erfolg. Ihr ultralogischer Verstand sagte ihr, dass es auch nur eine Antwort geben könne, doch aufgeben wollte sie nicht. »Tony, versuch doch mal die Gedächtnisbank von deiner Seite her. Frag nach dem Datum«, bat sie.

Tony gab seine Frage ein und bekam den gleichen Lichtwurm auf den Schirm. Er fragte nach dem Monddurchmesser, nach den Tagen, seit sie den Erdorbit verlassen hatten, nach der Anzahl der in der Basis beschäftigten Leute - immer nur die gleiche Wellenlinie.

Maya schob ihren Stuhl zurück und ließ hilflos die Hände in den Schoß fallen. »Entweder sind alle Computerleitungen blockiert«, sagte sie, »oder es wurden alle Daten gelöscht. Jedenfalls ist er lahm.«

»Und die ganze Mondbasis«, bemerkte Tony. »Und auch noch blind dazu.«

Maya stand auf und deutete mit einem zitternden Finger zum Himmel. »Das war diese verdammte Maschine! Die hat nämlich die gleichen Computerelemente wie wir. Als der komische Schrank hereinkam, hat er einen Löschungsbefehl gegeben.«

Die Türen zur Kommandozentrale gingen auf, und der Pilot von Eagle Eins kam herein. Er sah sehr besorgt aus. Die Mienen der Leute, die er dort vorfand, erleichterten ihn auch nicht gerade.

»Was geht denn hier vor?«, fragte er. »Ich sitze schon die ganze Zeit am Abschusskissen und warte darauf, von euch zu hören.«

»Unser ganzes Kommunikationssystem ist leergefegt«, erklärte Tony grimmig. »Und zwar alles.«

»Verdammt!«

Maya schoss ein Gedanke durch den Kopf. »Und was ist mit dem Computer von Eagle Eins? Funktioniert der?«

»Natürlich.«

»Worauf warten wir dann noch?«, schrie Tony. »Dann holen wir doch eine Eagle-Squadron zusammen. Der Commander und Dr. Russell sind an Bord dieser Swift entführt worden. Wir müssen sie zurückholen.«

 

An Bord der Swift wurde die Verbindung schnell abgeschnitten, der Schirm wurde blass. Koenig schaute zu Brians Dreierlinse und sah, dass die Röhre darunter blinkte, ein Zeichen, dass der Schrank reden wollte.

»Das ist eine gute Crew, Koenig.« Die Stimme klang sehr vergnügt. »Weißt du, was deine Knaben und Mädchen zeigen? Loyalität.« Brians Schrank rollte ein Stückchen aus der Wand heraus und wieder zurück, als tue er einen Tanzschritt. »Wow! Das gefällt mir. Ehrlich. Das muss ich festhalten.«

Ohne Warnung wurde der Schirm der Pilotenkonsole wieder lebendig. Diesmal waren die Abschusskissen für die Eagles zu sehen, von denen gerade die Eins, Zwei, Drei und Sieben abhoben. Sie stiegen in geschlossener Formation auf, und unter ihnen hingen lange Feuerschwänze. Für Koenig und Helena war es ein aufmunternder Anblick, doch Brian schien er gar nicht zu stören.

»Festhalten, Leute«, warnte er, »ich nehme jetzt Geschwindigkeit weg.«

Koenig überlegte, was der verrückte Schrank als nächstes tun würde.

Der Pilot von Eagle Eins bemerkte, dass die Swift ihre Bremsraketen gezündet hatte und darauf wartete, eingeholt zu werden. Das erklärte er Tony und Maya, die besorgt hinter seinem Stuhl standen.

»Es könnte aber eine Falle sein«, bemerkte Tony. »Wir fächern uns besser auf und kreisen sie ein.«

Die anderen Eagles zogen davon, um sich der Swift aus verschiedenen Richtungen zu nähern.

Tony war gerade dabei, sie hereinzurufen, als er das grimmige Gesicht von Commander Koenig auf dem Schirm sah.

»Commander Koenig!«, rief der Pilot erstaunt.

»Pilot«, befahl Koenig, »ihr werdet sofort zur Mondbasis zurückkehren.«

»Meine Information, Sir, geht dahin, dass Sie und Dr. Russell gefangen gehalten werden.«

Koenig nickte. »Das ist auch so, aber wenn ihr nicht jetzt sofort zur Mondbasis zurückkehrt, werden eure Computer geblendet, und dann kommt ihr nämlich überhaupt nicht mehr zurück.«

Im Hintergrund machte Tony den gerissenen Schrank aus, der Koenig etwas zuschrie. »Sag ihnen doch, dass alles in Ordnung ist. Ich geb euch zu essen und zu trinken, was ihr wollt. Und wenn ihr Musik wollt - die kann ich euch auch bieten.«

»Wir sind... wir werden versorgt«, sagte er nach einem Blick zum sprechenden Schrank. »Und nun bestätigen Sie meinen Befehl.«

Der Pilot seufzte. »Befehl erhalten«, antwortete er.

Tony beugte sich über den Schirm, ehe der Kontakt unterbrochen wurde. »Was will denn diese verrückte Fruchtpresse überhaupt?«, fragte er schnell.

Das passte Brian nun gar nicht. »Fruchtpresse?«, kreischte er. »Dir geb ich gleich eine Fruchtpresse, du mäusehirniges, haariges Hacksteak!«

Ehe der Schrank etwas Unüberlegtes tun konnte, schaltete sich Koenig ein. »Eagle Eins«, bellte er. »Zur Mondbasis zurück! Aber plötzlich!«

Der Pilot bestätigte noch einmal den Befehl, setzte den Kurs zur Rückkehr und führte die anderen Eagles zurück nach Alpha. Maya leistete ein wenig Gedankenarbeit, und da nahm ein Plan auch schon eine vage Gestalt an. Sie würde warten. Waren sie erst weit genug entfernt, würde das Gehirn der Swift auch das Interesse verlieren. Dann konnte sie dafür sorgen, dass niemand den Funkverkehr mithören konnte. Es musste doch eine Möglichkeit geben, den wahnsinnigen Schrank ein wenig zu überraschen.

 

Die Swift ging in einen Annäherungsorbit für den Planeten D. Unter ihnen wirbelten die dunkel schmutzig-gelben Wolken und warfen einen schwachen Schimmer des Lichtes der fernen Sonne zurück. Koenig überlegte, dass dies doch kein sehr erfreulicher Anblick für die Mannschaft einer Sternenmission hatte sein können. Mehr als eine oberflächliche Erforschung konnten sie doch unter diesen Verhältnissen nicht vornehmen. Sicher hatten sie auch nicht damit gerechnet, dass ihr Besuch eine Ewigkeit dauern würde.

Auch Helena stellte fest, dass der kleine Planet nicht anziehend aussah. Vielleicht hätte sich nie jemand um ihn gekümmert, wenn er nicht ganz offensichtlich eine Atmosphäre gehabt hätte. Wahrscheinlich hatten die Astrobiologen auch nur einen informativen Besuch vorgehabt, um zu sehen, ob es irgendwelche Muster gab, die des Sammelns wert wären.

»Wie sieht es auf der Oberfläche aus?«, fragte sie Brian.

»Fast wie auf dem Mond. Meistens trocken... Ein bisschen Eis.«

»Aber der Planet hat doch eine Lufthülle. Mit Sauerstoff?«

Der Schrank ließ ziemlich lange auf die Antwort warten, und dann hatte die Stimme einen recht gezwungenen Gleichmut, fast so, als wolle er lügen. »Ja, ja, natürlich mit Sauerstoff. Aber da gibt es auch so was wie einen Nebel. Diese orangefarbenen Wolken gehen bis zum Boden runter, und sie könnten vielleicht sogar giftig sein.«

Helena warf Koenig einen nervösen Blick zu. Er wog diese Information sorgfältig ab, und Brian schien das Misstrauen der beiden zu spüren. »Ah, macht euch doch keine Gedanken, Leute!«, rief er voll gezwungener Fröhlichkeit. »Seid doch glücklich. Ich hab euch miteinander hergebracht. Ich kann euch alle Zeit der Welt bieten. Was wollt ihr mehr? Ihr liebt euch doch, was?«

Koenig schaute Helena fest an, ehe er antwortete. »Nein«, sagte er.

»Natürlich nicht«, bestätigte sie.

Die Lichter an Brians Vorderseite blinkerten nachdenklich, als der Schrank diese Antworten verdaute. »Macht es euch was aus, wenn ich euch teste?«, fragte er. »Da muss ich schon sicher sein. Wir haben in der Passagierkabine zwei Luftschleusen. In jede geht einer von euch.«

»Und wenn wir nicht wollen?«, fragte Koenig.

Brian gab sich nicht einmal die Mühe, zu antworten. Er summte leise vor sich hin, und da veränderte sich die Beleuchtung der Kabine; sie wurde trüber, als Brian die Ultraviolettstrahlung verstärkte.

Bald war die Kabine mit dieser Strahlung gesättigt. Helen schrie vor Schmerz.

»Mach die Augen zu«, riet ihr Koenig.

»Das hilft euch gar nichts«, erklärte Brian lachend. »Ich kann die Strahlung so verstärken, dass eine Augäpfel schrumpfen.«

»Bitte, dreh die Strahlung ab«, flehte Helena.

»Wollt ihr dann in die Schleusen gehen?«

»Ja, ja«, bestätigte Koenig. »Dreh bloß dieses verdammte Licht ab.«

Das purpurne Licht verschwand, das Summen ließ nach, und das normale Licht wurde heller. Schnell folgte Koenig Helena zu den Schleusen. Die inneren Zwillingstüren standen offen. Koenig zögerte, doch dann erinnerte er sich an den unerträglichen Schmerz der Ultraviolettstrahlung und trat in die rechte Schleuse.

»Das ist fein, Koenig«, sagte Brian, der unter der Tür stand.

Er war ihnen gefolgt. »Und jetzt du, Lady. In die andere Schleuse. Keine Angst.«

Helena hatte trotz dieser Versicherung ein flaues Gefühl im Magen, trat aber doch hinein und drehte sich um.

»Okay. Braves Mädchen.« Brian rollte ein Stück zurück und dann wieder vorwärts. Er schien also wirklich zufrieden zu sein. »Und jetzt muss ich das über euch zwei aber wirklich rauskriegen. Ich muss einfach.« Er rollte näher an die Schleuse heran. »Koenig, liebst du diese Dame?«

»Nein«, antwortete Koenig und starrte verdrossen in die Dreierlinse.

»Hm... Und Doktor Russell, liebst du diesen Mann?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das habe ich dir doch schon gesagt.«

Plötzlich schoben sich die Transparenttüren der beiden Schleusen zu. Koenig schlug zornig mit der Faust dagegen. Brians Stimme kam liebenswürdig durch die Sprecher in den voneinander getrennten Luftschleusen.

»Jetzt lass ich ganz langsam die Luft raus«, erklärte er ihnen. »In beiden Kammern ist ein schwarzer Knopf...« Koenig und Helena sahen diesen schwarzen Knopf neben einem grünen und blauen. »Jetzt, Leute, wird die Luft immer dünner, immer dünner. Wenn einer von euch den Knopf drückt, dann strömt die verbliebene Luft in die andere Kammer. Begriffen? Koenig, wenn du auf deinen Knopf drückst, bekommt die Lady deine restliche Luft, und wenn du, Doktor Russell, auf deinen Knopf drückst, gibst du deine ganze Luft Koenig, so dass er leben kann.«

Helena war voll eisiger Angst. »John!«, schrie sie die Trennwand an.

Auch Koenig schrie. »Helena! Helena! Kannst du mich hören?«

Der Schrank lachte keckernd. »Ich muss euch noch sagen, dass ihr nicht miteinander reden könnt. Nichts da, Leute. Fertig? Los geht's!«

Koenig und Helena hörten das Zischen, als die Luft langsam ausströmte. Zuerst war es nur eine psychologische Wirkung, aber dann kam die physische: sie spürten die Qual des Erstickens.

Helena schlug mit der Faust auf die Trennscheibe. »Brian!«, schrie sie, »lass mich mit John sprechen!« Siebegann schon zu keuchen.

Auch Koenig hämmerte an die Wand, und seine Augen huschten verzweifelt zwischen der Dreierlinse und dem schwarzen Knopf hin und her. Er spürte, wie seine Lungen erbittert um jeden Atemzug kämpften.

Brian beobachtete die beiden in den Schleusenkammern, las Verzweiflung in Helenas und Wut in Koenigs Gesicht. Und die Zeiger, die den Luftgehalt registrierten, fielen immer schneller der Null entgegen. In den Kammern konnten sich Helena und John kaum mehr auf den Füßen halten. Fast gleichzeitig zuckten ihre Hände hoch, um den schwarzen Knopf zu drücken.

»Ho, ho, ho, ho!«, heulte Brian vor Vergnügen. »Beide zur gleichen Zeit! Ihr könnt wieder eure Luft bekommen.«

Das köstliche Sauerstoffgemisch zischte zurück in die Schleusenkammern, und als der Druck hoch genug war, öffnete Brian die Türen. Helena und John taumelten heraus und sanken auf dem Boden zusammen.

»Leute, ihr liebt euch!«, verkündete Brian triumphierend. »Wunderbar, jetzt brauch ich nur einen von euch als Geisel zu behalten, dann hab ich einen Erfolg nach dem anderen. Sieht ganz so aus, als sei schließlich allein ich der Gewinner.«

Koenigs Blut kochte, als er die schmerzenden Augen hob und zusah, wie der verhasste Schrank wieder an die Wand in der Pilotenkanzel zurückkehrte. Er wusste, dass Brian sie jetzt immer unter Druck halten konnte, doch er hatte keine Ahnung, wie er das tun würde.

Brian führte die Swift mühelos zur Landung auf dem Planeten D. Er brauchte nur das allererste Landeprogramm wieder in den Autopiloten einzugeben. Die Vertikaljets hielten die Swift genau über dem alten Landeplatz, so dass der Schrank das Schiff sanft auf das Stoßdämpferkissen setzen konnte.

Koenig ließ den Schirm nicht aus den Augen, als die Außenkameras die Umgebung aufnahmen. Der ständig treibende orangenfarbene Nebel ließ aber nicht viel erkennen. Ihm passte es gar nicht, dass er da hinausgehen sollte, ohne auch nur die geringste Ahnung von dem zu haben, was er draußen vorfinden würde. Brian weigerte sich, Informationen über das zu geben, was mit der Crew der Sternmission geschehen war, obwohl Koenig sich leicht ausrechnen konnte, dass er ziemlich viel wissen musste.

Helena war sogar noch besorgter als Koenig, als sie die Raumanzüge aus den Schränken holte und sie auf tadelloses Funktionieren überprüfte. Sie hatte keine Ahnung, weshalb Brian unbedingt wollte, dass John hinausgehen sollte, denn sie war sich darüber klar, dass es hier große Gefahren gab. Warum konnte der Schrank denn nicht selbst hinausgehen?

Schließlich fand sie, dass die Anzüge in bester Ordnung waren. Alles funktionierte, der Temperaturregler arbeitete ordentlich, obwohl Brian meinte, der sei gar nicht nötig, und auch genügend Luftvorrat war im Zylinder. Wie mochte das Schicksal dieser Leute aussehen, die einst diese Anzüge als ihr Eigentum betrachtet hatten? Sollte John etwa gezwungen werden, dieses zu teilen?

Koenig trat zu ihr, nahm ihr den Anzug ab und trug ihn in die Passagierkabine, um ihn dort anzuziehen. Brian folgte Helena, als sie zu Koenig ging und ihm beim Anziehen half.

»Komm, komm, Lady«, drängte der Schrank. »Ein bisschen schneller.«

Nervös fummelte Helena an den Verschlüssen herum. »Ich beeile mich doch schon, so gut ich kann«, erwiderte sie.

»Das glaub ich dir nicht, Lady... Du trödelst ganz absichtlich herum.« Brian zeigte so etwas wie den Beginn einer paranoiden Hysterie.

»Warum verlangst du von John, dass er da hinaus geht?«, fragte sie zornig. »Warum gehst du nicht selbst?«

Brian schien um eine Antwort verlegen zu sein. Nervös rollte er auf seinen Rädern vor und zurück, und seine Dreierlinse drehte sich wie ein Leuchtturmscheinwerfer, als suche er nach einer Ablenkungsmöglichkeit. »Hm... Na, ja...«

Seine bräunliche Vokalröhre schien sogar rot anzulaufen. »Es ist nur... Weißt du, da draußen ist's zu holprig für mich. Ich hab dir doch gesagt, dass ich Räder hab. Ich könnte das Terrain ja gar nicht überwinden.«

Endlich hatte Koenig den Anzug an. Er prüfte alle Instrumente und auch das Radio nach. Dann setzte er den Helm auf und befestigte ihn. Die Sichtplatte war noch offen.

»Eines will ich noch wissen, weil du mir's nicht gesagt hast«, forderte Koenig, als er zur Luftschleuse ging, »warum soll ich da hinaus? Was willst du damit erreichen?«

»Richtig, Koenig, richtig. Na ja, Tatsache ist, dass wir ungefähr hundertfünfzig Meter von meinem alten Mutterschiff entfernt gelandet sind. Ich will hinübergehen und den Nukleartreibstoff holen. Den steck ich dann in meine Vorratstanks. Ganz einfach, was?«

Helena schüttelte den Kopf. »Warum Treibstoff? Du hast doch noch genug hier. Der reicht noch tausend Jahre.«

»Genug!«, kreischte Brian. »Was, zum Teufel, sind für mich schon tausend Jahre? Das Mutterschiff hat so viel Vorrat, dass er mir eine Million Jahre reicht! Damit bin ich unsterblich!«

 

Brian gab ihm noch eine Menge Warnungen auf den Weg, ja keinen Betrug zu versuchen, kein Doppelspiel. Hier gab es keinen Tunnel für Koenig, und so musste er über die Leiter am Rumpf der Swift absteigen. Die Planetenoberfläche lag ungefähr dreißig Fuß unter ihm, verschwand aber im orangefarbenen Nebel.

Zum Abschied hatte der boshafte Schrank noch einmal das Ultraviolettlicht eingeschaltet, so dass Helena wieder vor Schmerz schrie. Damit wollte er nur daran erinnern, was geschehen könnte, wenn... Und natürlich hatte der Luftschleusentest ihm bewiesen, was Koenig tun würde, um Helena in Sicherheit zu wissen.

Koenig hatte keine Ahnung von dem, was ihn unten erwartete. Hätte ihm nur Brian wenigstens verraten, wie die Lebensbedingungen waren! Die Atmosphäre schien sogar angenehm warm zu sein, und nach den Messungen seines Lebenserhaltungssystems musste der Sauerstoffgehalt der Luft hoch genug sein, um sie atembar zu machen. Aber Brian hatte darauf bestanden, er müsse den Anzug anziehen und ihn funktionsfähig erhalten. Deshalb musste noch eine bestimmte Gefahr drohen, die nicht so ohne weiteres zu erkennen war, die aber auch die ganze Mannschaft der Sternmission das Leben gekostet hatte.

Natürlich ließ Brian nicht zu, dass Koenig eine Waffe in die Hand bekam, und so musste er unbewaffnet hinaus. Wusste der Himmel, was da auf ihn wartete! Und wenn Koenig eine Gefahr erkennen konnte, war es auf jeden Fall schon zu spät. Dieser verdammte, undurchsichtige Nebel! Wenn er nur hätte sehen können!«

Als er sich dem Boden näherte - weil er ja die Leiter hinabkletterte -, verschwand der Bauch der Swift in den Nebeln, und er sah unter sich blaue, zerklüftete Felsspitzen aufragen. Mit einem Fuß tastete er nach einem festen Tritt. Der Boden gab erst nach, dann wurde er fester, fast so wie auf dem Mond. Er setzte auch den anderen Fuß auf und drehte sich langsam um. Bis jetzt war es gutgegangen.

Sehr vorsichtig bewegte er sich vorwärts. Er ließ die dicksohligen Stiefel des Raumanzuges durch den Staub schleifen, damit er nicht über versteckte Felsen oder in Löcher fiel. Der Nebel spielte dick und undurchsichtig um seine Knie.

Er war noch nicht weit gekommen, als plötzlich der Nebel für eine Sekunde ein wenig aufriss; er hatte eine Sichtweite von ein paar Schritten, und da entdeckte er dann den ersten.

»Was ist, Koenig, was ist los?«, rief Brian so aufgeregt, dass die Schrankstimme in seinem Helm dröhnte.

Koenig wurde sich darüber klar, dass er wohl hörbar den Atem eingesogen haben musste, denn er sah vor sich einen Mannschaftsangehörigen der Sternenmission. Er trug keinen Raumanzug, und so konnte Koenig genau das in Todesangst verzerrte Gesicht des Mannes sehen, der hier seinen letzten Augenblick erlebt hatte. Langsam, sehr langsam musste sich die Leichte zersetzt haben, denn es ließ sich noch genau erkennen, dass der Mann nicht durch Gewalteinwirkung gestorben war. Auch nach dem Tod hatte niemand und nichts daran manipuliert, und daraus schloss Koenig, dass auf dem Planeten D nicht viel tierisches Leben sein konnte. Und aus der geringen Verwesung ließ sich überdies schließen, dass auch Mikroorganismen so ziemlich fehlten.

»Ich habe einen von der Mannschaft gefunden«, meldete Koenig über das Helmmikrophon. Zwei Schritte weiter fand er den zweiten; auch er trug keinen Raumanzug, hatte keine äußerliche Verletzung, wies aber die gleiche Miene furchtbarer Todesangst auf.

Als Koenig das Mutterschiff erreichte, hatte er mehr als fünfzig Leichen gezählt. Alle befanden sich im gleichen Zustand.

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

Helena schaute auf den Schirm, sah aber nichts als nur den Nebel, in den Koenig eingetaucht war. Falls Brians Instruktionen stimmten, musste er bald beim Mutterschiff sein, wenn nicht... Sie versuchte die beunruhigenden Gedanken über eine mögliche Gefahr von sich wegzuschieben.

»Ich wollte, ich könnte ihn sehen«, sagte sie zu Brian.

»Auf dem Planeten D ist die Sicht immer ein bisschen dürftig, Lady«, sagte der Schrank und rollte zum Schirm, um den eintönigen Ausblick zu genießen. »Keine Angst«, sagte er, »solange er meinen Weisungen folgt, passiert ihm nichts.«

Helena musterte den Schrank mit dem Computerkleinzeug und versuchte das bizarre, die Unsterblichkeit suchende Monstrum zu durchschauen, das sie beide entführt hatte. »Wie bist du eigentlich gemacht worden?«, fragte sie ihn.

»Mein Meister, Captain Michael, hat mich gemacht«, antwortete Brian stolz. »Er hat mich so programmiert, dass ich sprechen kann. Und er wurde... er hatte mich sehr gern.«

Helena wunderte sich, wie ein Vater eine so hässliche Kiste lieben konnte. »Was war er für ein Mensch?«, fragte sie interessiert.

Der Schirm in der Pilotenkanzel ersetzte das Bild der trüben

Atmosphäre durch ein Standfoto. Ein dunkelhaariger Mann mit breitem Gesicht schaute gleichgültig in die Kamera. Auch dieses Bild verschwand, und das nächste zeigte den gleichen Mann, aber düster blickend.

»Das ist er«, bestätigte Brian. »Das ist mein Vater.«

Die Bildergalerie wurde unterbrochen von Koenigs Stimme, die klar aus dem Lautsprecher kam. »Koenig ruft Swift. Ich habe das Mutterschiff erreicht. Ich muss herumgehen zur Blindseite, um zu den Luftschleusen zu gelangen.«

»In Ordnung, Koenig«, erwiderte Brian. »Mach weiter. Aber beeil dich.«

»John? John?«, rief Helena vergeblich, als der Funkkontakt abbrach.

»Nur ruhig, Lady«, mahnte Brian, der in die Konsole zurückglitt. »Wir haben jetzt keine Verbindung zu ihm, bis er wieder rauskommt.«

Koenig hatte keine Schwierigkeit, um das riesige Mutterschiff herumzukommen, und er fand sich auch innen gut zurecht, denn alle Korridore waren gut gekennzeichnet, und die ganze Anlage war ihm aus seiner Ausbildungszeit auf der Erde bekannt. Erst eilte er zum Kontrollraum, um den Treibstoffbestand und dessen Stabilität nachzuprüfen. Er wollte auch das Kapitänslog zu finden versuchen, denn daraus konnte er vielleicht mehr über das Schicksal der Mannschaft des Schiffes erfahren.

Er drehte alle Lichter an und entdeckte, dass die Hilfsstromquellen tadellos funktionierten. Das Schiff war auch versiegelt und wies den richtigen Druck auf, so dass er seinen Helm öffnen konnte.

Bereitwillig öffnete sich die Tür zum Kontrollraum, und er betrat ihn; er war lang und schwach beleuchtet. Von hier aus hatte der Commander den Kurs für den Sprung nach den Sternen festgelegt. Koenig entdeckte die Instrumentenwand neben der Tür und schaltete die großen Deckenleuchten ein. Als er sich umdrehte, hielt er vor Überraschung den Atem an.

»Hi, Commander«, lächelte Tony und ließ seinen Laser sinken.

Maya stand hinter ihm und lachte vor Erleichterung.

»Tony! Maya!« Koenig schüttelte den Kopf.

Tony erklärte. »Wir sind vor dir gelandet und kamen an Bord, um hier zu warten.«

Endlich fing Koenig an, zu begreifen. Er runzelte die Brauen. »Dann habt ihr also auch gesehen...«

»Ja«, antwortete Maya. »Es war schrecklich. Als wir landeten, machte ich Atmosphärentests. Sie ist sonst ganz in Ordnung, aber der Nebel ist ein sehr kompliziertes und äußerst giftiges Gas. Es bedeckt den ganzen Planeten.«

Tony winkte aufgeregt. »Und die sind alle ohne Raumanzüge hinausgegangen. Sie müssen verrückt gewesen sein.« Er deutete quer durch den Raum. »Nicht einmal das Schiff haben sie versiegelt. Als wir hereinkamen, mussten wir erst die Luftschleusen schließen und wieder die Atmosphäre herstellen.«

Tony schaute zum Ende des Raumes und sah einen Mann, der über dem runden Commander-Tisch zusammengesunken war. Er ging zu ihm und las die Tischplatte ab. CAPTAIN V. MICHAEL stand da.

Koenig sah unter dem ausgestreckten Arm gerade so viel von dem Gesicht des Kapitäns, dass er genau wie bei den anderen die vor Todesangst verzerrten Züge feststellen konnte. Er hatte also hier an seinem Tisch gesessen, und der Nebel war durch die weit offenen Türen eingedrungen. Draußen schlenderte die Mannschaft in aller Ruhe in ihren schrecklichen Tod. Koenig versuchte sich den Grund dafür zu überlegen. Dann kam ihm ein scheußlicher Gedanke.

»Maya«, fragte er, »kannst du einmal einen schnellen Test machen, wie es um das Intelligenzsystem des Schiffes steht?«

»Ja, Sir.« Sie betrat die Kapitänskonsole, als Tony und Koenig die Leiche aus dem Weg schafften und sie vorsichtig auf den Boden legten.

Maya aktivierte den Computer und brachte alle Antwortstromkreise zu glühendem Leben. Sie aktivierte den Hauptschirm des Kontrollraumes und wartete auf Koenigs Fragen, um sie dem Computer einzugeben. »Sieh mal, ob wir den letzten Logeintrag der Mission bekommen«, sagte er schließlich.

Maya kodierte die Frage und schaute auf den Schirm. Die Antwort kam sofort - eine gleichmäßig geschwungene Leerwelle.

»Genau wie auf der Mondbasis«, bemerkte Tony.

Koenig sah seinen Verdacht bestätigt. »Dieser Schrank Brian ist verrückter, als ich dachte.«

Maya drückte ihre Meinung so aus: »Er hat den Computer und die Sensoren seines eigenen Mutterschiffes geblendet. Deshalb wusste die Crew nichts von dem toxischen Gas. Er hat sie alle umgebracht.«

Langsam ging Koenig herum und verdaute diese Information, wusste aber natürlich, dass er schnell wieder zur Swift zurückkehren musste. Helenas Leben war mehr gefährdet, als er zuerst geglaubt hatte.

»Warum hat er dich denn entführt?«, fragte ihn Tony.

Koenig zuckte die Schultern. »Er will, dass ich den Treibstoff von diesem Schiff zur Swift transportiere.«

Maya war bestürzt.

»Er hat uns erklärt, er will ewig leben«, sagte Koenig.

»Und was tun wir jetzt?«, wollte Tony wissen.

Koenig zuckte die Achseln. »Ich hole den Treibstoff und bringe ihn zur Swift. Wir können Helenas Leben nicht aufs Spiel setzen.«

»Könnten wir sie vielleicht von der Swift wegholen und das kleine Monster in die Atmosphäre blasen?«

Koenig schüttelte den Kopf. »Geht nicht«, erklärte er. »Er wird Helena so lange festhalten, bis ich mit dem Treibstoff zurückkomme. Und da gibt es noch einen Grund. Einen sehr wichtigen sogar. Diese Swift hat den einzigen arbeitenden Computer in diesem Teil des Universums, der unsere Gedächtnisbank vom Mondstützpunkt ersetzen kann. Unsere Banken sind ja gelöscht. Wenn wir den nicht bekommen, sterben wir alle sowieso.«

Koenig ging rasch weiter zum Privatbüro des Kapitäns. Der Routine entsprechend musste dort der Schlüssel zum Treibstofflager des Schiffes zu finden sein. Tony und Maya betraten den Raum zusammen mit ihm.

An der Wand entdeckte er das kleine Kästchen mit dem ganzen Satz der Kapitänsschlüssel, die sauber aufgereiht hinter dem Perspex-Gerät hingen. Captain Michael musste sein Büro ziemlich überstürzt verlassen haben, denn Schaltdiagramme und Stücke elektrischer Ausrüstung waren über den Boden, auf den Tischen und überall verstreut.

Maya ging zur Raummitte und musterte genau den rechteckigen Stahlrahmen, der an zwei Seiten Platten angeschraubt hatte. Einige gedruckte Schaltpläne von Stromkreisen waren bereits an der richtigen Stelle eingefügt, und die noch nicht verbundenen Farbdrähte standen wie gefrorene Luftschlangen nach allen Seiten.

»Es sieht ganz so aus, als habe Captain Michael an etwas gearbeitet, ehe er starb«, bemerkte Maya.

»Das spielt jetzt keine Rolle«, sagte Tony.

Koenig blieb stehen und betrachtete das halbfertige Gerät, das Maya nun untersuchte, und dann schaute er schnell die Stromkreisdiagramme an. »Da bin ich nicht ganz sicher«, widersprach er nachdenklich. »Ich glaube, Tony, das ist sogar wichtiger, als du vermuten kannst. Schau mal, du kehrst jetzt zum Eagle Eins zurück und sagst dem Piloten, er soll sich bereithalten, aber ihr tut keinen Schritt, bevor ihr von mir hört. Maya und ich werden das Treibstofflager finden, um den Vorrat zur Swift zu bringen.«

Als Tony gegangen war, sah Maya Koenig an und fragte: »Commander, wie sehen die Pläne aus?«

»Wir müssen Brians Gehirn manipulieren. Es brechen.«

Maya runzelte die Brauen.

»Mir müssen den Schrank in einem solchen Maß verwirren, dass er nicht mehr weiß, was er tut. Er kann sich sehr aufregen und unvernünftig sein. Und wir müssen jetzt versuchen, ihn über die Grenze zu treiben.« Koenig blinzelte. »Hast du Captain Michaels Gesicht gesehen, Maya?«

»Ja«, antwortete sie und rief sich die Grimasse des Todes ins Gedächtnis zurück, um sich dann vorzustellen, wie er normal ausgesehen haben musste. »Ja, das habe ich gesehen.«

 

Helena wartete ungeduldig im Pilotenabteil der Swift auf Koenigs Rückkehr. Angestrengt lauschte und beobachtete sie. Brians Lässigkeit war schon ziemlich fadenscheinig geworden.

»Dieser verdammte Koenig lässt sich aber verdammt viel Zeit«, beklagte er sich.

Helena war sich darüber klar, dass Koenig wahrscheinlich einen Plan ausarbeitete und dafür natürlich einige Minuten brauchte. Möglich war natürlich auch, dass ihm etwas zugestoßen war, aber sie wusste, es nützte nichts, wenn sie sich darüber den Kopf zerbrach. Deshalb versuchte sie Brian zu beruhigen.

»Das glaube ich nicht«, sagte sie. »Er muss doch erst die Treibstoffvorräte finden, dann muss er den Tresor öffnen und schließlich auch noch eine Möglichkeit finden, sie zurückzubringen.«

Brian ließ sich aber nicht so leicht beruhigen. »Lady, du hast keine Ahnung, was das für mich bedeutet. Ist der Kerl zuverlässig?«

»Er ist zuverlässig«, versicherte sie ihm.

Die Dreierlinse des Schrankes ging auf höchste Vergrößerung. »Da ist er ja!«, kreischte er fröhlich.

Helena musste ein paar weitere Minuten warten, ehe sie Koenigs Umrisse durch den Nebel stapfen sah. In seinen Armen trug er einen langen Metallzylinder.

»John! John!«, schrie sie ins Mikrophon.

Diesmal hörte er sie, und seine Stimme kam knatternd und knisternd durch. »Koenig an Swift. Ich kehre mit den Treibstoffvorräten des Mutterschiffes zurück.«

Brian blitzte so aufgeregt mit sämtlichen Lichtern, dass man Angst haben konnte, bald müsse bei ihm eine Sicherung durchbrennen. »Hast du auch alles mitgebracht, Koenig? Wirklich alles?« Seine Stimme verriet äußerste Ungeduld. »Koenig, antworte mir endlich!«

Koenig wollte nicht mehr gedrängt und herumkommandiert werden. Deshalb antwortete er ganz beiläufig: »Koenig an Swift. Bist du bereit, mich zu empfangen?«

»Jaaaaa!«, heulte Brian vor Entzücken.

Endlich kletterte Koenig hinauf zur Luftschleuse der Passagierkabine. Helena wartete schon an der inneren Schleusentür auf ihn und fiel ihm um den Hals. Brian rollte aufgeregt vor und zurück, während sie ihm half, den Anzug auszuziehen.

Der Zylinder hing noch an dem Kabel, das Brian herabgelassen hatte, um ihn dann heraufzuziehen. »König, mach doch weiter!«, schrie er.

»Lass ihm doch Zeit«, forderte Helena ungehalten.