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Der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) stehen viele Menschen positiv gegenüber. Nicht wenige sehen in dieser Idee sogar die einzige Möglichkeit, einem drohenden und massenhaften Beschäftigungs- und Einkommensverlust durch fortschreitende Digitalisierung zu begegnen. Teils wird auch die Hoffnung geäußert, ein Bedingungsloses Grundeinkommen könne betreuerische Tätigkeiten wie Pflegearbeit oder Kindererziehung in ausreichendem Maße gewährleisten. Menschliche Arbeit aus den Zwangsverhältnissen zu befreien, ist durchaus erstrebenswert. Aber wie sehen die Finanzierungsmöglichkeiten für ein BGE wirklich aus und was hat dies für Auswirkungen auf die gesellschaftliche Produktion von Gütern und Dienstleistungen? Kai Eicker-Wolf – ein Experte für Wirtschaftspolitik und Verteilungsfragen – stellt die bekanntesten Konzepte zum Grundeinkommen vor und prüft die zentralen Begründungen dieser weitreichenden Reformvorschläge. Dabei zeigt sich, dass die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens weder in seiner sozialutopischen noch in einer neoliberalen Variante wirklich sinnvoll ist. Die Idee eines BGE wird als triviales Heilsversprechen entlarvt, das keinen gangbaren Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe darstellt.
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Kai Eicker-Wolf
Money for nothing?
Das Bedingungslose Grundeinkommen in der Kontroverse
Kai Eicker-Wolf
Money for nothing?
Das Bedingungslose Grundeinkommen in der Kontroverse
ISBN (Print) 978-3-96317-199-4
ISBN (ePDF) 978-3-96317-722-4
ISBN (ePub) 978-3-96317-734-7
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Im April 2019 sorgte eine repräsentative Befragung zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) für Aufsehen. Immerhin 52 Prozent der Bevölkerung stimmten der Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen zu.1 Befürworter_innen dieser Idee sind demnach vor allem unter den jungen Menschen anzutreffen. Sie sind meist höher gebildet, verfügen über ein eher geringes Haushaltseinkommen und sind politisch überwiegend dem linken Spektrum zuzuordnen.
Die Autor_innen der Umfrage schränken allerdings ein: Die hohen Zustimmungsraten seien »nicht mit einer Reformbereitschaft in diese Richtung gleichzusetzen. Sie bedeuten nämlich noch lange nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger ein solches Vorhaben auch dann begrüßen würden, wenn die Finanzierung und die Konsequenzen transparent gemacht würden.«2 In der Tat sind die Möglichkeiten der Finanzierung eines Bedingungslosen Grundeinkommens sowie dessen Auswirkungen auf die gesellschaftliche Produktion von Gütern und Dienstleistungen von entscheidender Bedeutung für die Bewertung, würde die Einführung eines BGE doch eine weitreichende Änderung der bestehenden Wirtschafts- und Sozialordnung bedeuten.
Der jüngste Aufschwung der Debatte um ein Bedingungsloses Grundeinkommen vor rund 15 Jahren ist nur vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklungen und der Wirtschaftspolitik seit der Jahrtausendwende zu verstehen.3 Die Jahre 2001 bis 2005 markieren die längste Zeit einer wirtschaftlichen Stagnation nach dem zweiten Weltkrieg, und die Arbeitslosenquote erreichte im Jahr 2005 mit einem Wert von 13 Prozent einen neuen Höchststand. Mit den Hartz-Gesetzen wurden in den Jahren 2003 bis 2005 Arbeitsmarktreformen umgesetzt, die noch heute in ihrer Wirkung höchst umstritten sind. Von vielen wurden und werden sie etwa aufgrund der verschärften Zumutbarkeitskriterien oder des Abbaus von Beschränkungen im Bereich der Leiharbeit kritisiert. Parallel zur Umsetzung der Hartz-Reformen ist in Deutschland zudem eine Debatte geführt worden, die sich um noch weitergehende Arbeitsmarktreformen drehte. Und schließlich spielt die immer ungleicher ausfallende Einkommensverteilung, die stark gestiegene Armutsgefährdung und insbesondere die zunehmende – und mittlerweile im europäischen Vergleich sehr hohe – Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland eine zentrale Rolle. Die geschilderten Entwicklungen haben letztlich zu einem erheblichen Vertrauensverlust in die Systeme der sozialen Sicherung geführt, was das Interesse an grundlegenden Alternativen befördert hat.
Aktuell werden Forderungen nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen häufig auch mit der Digitalisierung begründet. In Erwartung von Rationalisierungsmaßnahmen, deren Basis digitale Technologien seien, werden zum Teil sehr große Arbeitsplatzverluste prognostiziert. Künstliche Intelligenz und die zunehmende Verbreitung von Robotern, so die Befürchtung, werden dazu führen, dass immer weniger menschliche Arbeit zur Produktion der gesellschaftlich gewünschten Güter und Dienstleistungen erforderlich ist. Als Ausweg wird das Bedingungslose Grundeinkommen gesehen, das unter anderem zur Stabilisierung der Massenkaufkraft dienen soll.
Die Hartz-Reformen sind auch nach der hier vertretenen Ansicht abzulehnen, und auch die zunehmende Ungleichverteilung in Deutschland wird als problematisch eingeschätzt. Trotzdem wird das Bedingungslose Grundeinkommen – dies sei hier schon einmal vorausgeschickt – nicht als sinnvoller Vorschlag angesehen, die genannten Probleme zu lösen. Vielmehr handelt es sich um ein sehr einfaches Heilsversprechen, das unter anderem aufgrund der Unübersichtlichkeit des deutschen Sozialsystems und der Komplexität von wirtschafts- und sozialpolitischen Debatten auf fruchtbaren Boden fällt. Es stellt in den Augen Vieler ganz offensichtlich eine einfache und sozial gerechte Antwort auf komplizierte Sachverhalte dar.
Bevor wir uns kritisch mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen befassen und insbesondere seine ökonomischen Folgen abzuschätzen versuchen, bietet Kapitel 2 zunächst einen Überblick über verschiedene BGE-Vorschläge. Dabei wird allerdings keine Gesamtdarstellung aller BGE-Modelle vorgenommen und es werden auch nicht alle Facetten des Themas debattiert. Es werden lediglich die Konzepte der bekanntesten Vertreter_innen behandelt. Kurz dargestellt werden die Vorstellungen bekannter Einzelpersonen wie die des Unternehmers Götz Werner (Gründer der Drogeriemarktkette dm), des früheren Ministerpräsident von Thüringen, Dieter Althaus (CDU) sowie des Ökonomen Thomas Straubhaar. Außerdem wird ein kurzer Blick auf die Debatten in der Partei DIE LINKE geworfen, in der sich eine breite Strömung für ein Bedingungsloses Grundeinkommen ausspricht. Zahlreiche Befürworter_innen finden sich auch bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, deren Überlegungen ebenfalls kurz beleuchtet werden. Viele Unterstützer_innen dieser Idee sind zudem im globalisierungskritischen Netzwerk Attac aktiv – auch hierauf wird kurz eingegangen.
Nach diesem kurzen Überblick im 2. Kapitel, der auch eine grobe Systematisierung der verschiedenen Vorstellungen vornimmt, werden im nachfolgenden Kapitel 3 die zentralen Argumente hinterfragt, die zur Begründung dieser doch recht radikalen sozialstaatlichen Reformkonzepte ins Feld geführt werden. Dabei sind drei wesentliche Argumentationslinien auszumachen: Technologisch bedingte Arbeitslosigkeit, die seit ein paar Jahren insbesondere mit der Digitalisierung und der sogenannten Industrie 4.0 in Verbindung gebracht wird; die schon erwähnte zunehmende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen sowie Abstiegsängste und zuletzt der demografische Wandel und seine Folgen für die Finanzierung des Sozialstaates.
In Kapitel 4 werden zunächst Überlegungen zu den Auswirkungen der unterschiedlichen Grundeinkommensvorschläge auf die Notwendigkeit einer Arbeitsaufnahme – ökonomisch gesprochen handelt es sich dabei um das sogenannte Arbeitsangebot – und auf die gesamtwirtschaftliche Produktion von Gütern und Dienstleistungen angestellt. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, ob das Bedingungslose Grundeinkommen durch die Möglichkeit von mehr ehrenamtlichem Engagement einen sinnvollen Beitrag für den bestehenden und sich voraussichtlich weiter verschärfenden Personalmangel im Bereich der personenbezogenen Dienstleistungen leisten kann. Zudem stehen Fragen nach der Finanzierbarkeit und den Auswirkungen auf die Einkommensverteilung im Mittelpunkt des Interesses.
Kapitel 5 rundet das Buch vor dem Nachwort mit einem zusammenfassenden Ausblick ab.
Besonderer Dank bei der Erarbeitung des Buchs gilt Liv Dizinger, Ingo Schäfer, Patrick Schreiner und Susanne Wolf, die den Entwurf zum Buch gegengelesen haben, und denen der Autor zahlreiche Anregungen und Hinweise verdankt. Ferner sei den Mitarbeiter_innen des Büchner-Verlags für die reibungslose Zusammenarbeit und das sorgfältige Lektorat gedankt.
Unter einem Bedingungslosen Grundeinkommen ist ein Einkommen zu verstehen, »das von einem politischen Gemeinwesen an alle seine Mitglieder individuell, ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Gegenleistung ausgezahlt wird«.4 Alle BGE-Vorschläge haben zum Ziel, bedarfsorientierte und bedürftigkeitsgeprüfte Sozialleistungen (Grundsicherung) sowie die Sozialversicherungen und ihre Leistungen ganz oder zumindest zum Teil zu ersetzen. Das heißt mit anderen Worten: Ausnahmslos alle Menschen, die in einem Staat leben, erhalten ein Einkommen, ohne dafür irgendeine Arbeit oder irgendeinen Beitrag leisten zu müssen. Wie hoch das sonstige Einkommen oder der Vermögensbesitz ausfallen, spielt für den Bezug des Grundeinkommens keine Rolle. Die einzige Unterscheidung, die in einigen BGE-Modellen gemacht wird, ist eine Differenzierung nach dem Alter – Kindern wird dann ein niedrigerer Betrag zugestanden als Erwachsenen. Dafür, so die Idee, entfallen dann andere sozialstaatliche Leistungen wie etwa die Sozialhilfe, die derzeit individuell zu beantragen und die durch einen Bedürftigkeitsnachweis zu begründen ist.
Beim BGE sind grundsätzlich zwei verschiedene Formen zu unterscheiden – die sogenannte Sozialdividende (oder auch Existenzgeld) und die negative Einkommensteuer. Eine Sozialdividende wird in ihrer festgesetzten Höhe an die BGE-Berechtigten ausgezahlt, jedes Mitglied des Gemeinwesens erhält monatlich den entsprechenden Betrag auf sein Konto überwiesen. Auch im Falle einer negativen Einkommensteuer wird zwar jedem Berechtigten der festgelegte BGE-Betrag zugestanden. Allerdings wird dieser mit der auf alle sonstigen Einkommen zu zahlenden Einkommensteuer verrechnet: Ausbezahlt wird also das Grundeinkommen vermindert um die Steuerschuld. Übersteigt die Steuerschuld das Grundeinkommen, muss die Differenz als Steuerzahlung beglichen werden.
Ist das BGE nicht auf Existenzsicherung ausgelegt, wird es manchmal auch als »partielles Grundeinkommen« bezeichnet. Es deckt die existenzsichernden Mindestbedarfe dann nur zum Teil.
In den vergangenen Jahren ist eine Vielzahl von BGE-Modellen und -Konzepten zur Diskussion gestellt worden. Hier werden vor allem jene Vorschläge näher betrachtet, die eine gewisse öffentliche Beachtung gefunden haben, und die auch die Gestaltung des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungssysteme sowie Finanzierungsfragen in den Blick nehmen.5 Unterscheiden lassen sie sich vor allem im Hinblick auf die politische Zielsetzung, und im Folgenden sollen idealtypisch sozialutopische Konzeptionen und neoliberale Konzeptionen einander gegenübergestellt werden. Diese beiden Konzeptionen unterscheiden sich vor allem im Hinblick auf die konkrete Höhe des BGE und auf die Frage, welche weiteren Maßnahmen im Bereich der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Steuerpolitik empfohlen werden.
Sozialutopische BGE-Modelle wollen Existenz und gesellschaftliche Teilhabe durch ein entsprechend hohes Grundeinkommen sichern. Daneben soll der bestehende Sozialstaat ausgebaut und eine generelle Umverteilung von unten nach oben erreicht werden. Die Bezeichnung sozialutopisch wird hier bewusst gewählt, da die entsprechenden Vorstellungen einen sozialen Ausgleich der Gesellschaft anvisieren. Sie sind allerdings auch utopisch, da ihre Umsetzung aus verschiedenen, in den folgenden Kapiteln noch zu erläuternden Gründen nicht funktionieren kann.
Im Gegensatz zu sozialutopischen geht es neoliberalen BGE-Konzeptionen um das Aufbrechen »inflexibler Arbeitsmärkte« und damit um die Senkung von Arbeitskosten. Zwar reklamieren auch neoliberale BGE-Modelle ein Streben nach sozialer Gerechtigkeit für sich. Im Kern geht es aber darum, ganz im Sinne wirtschaftsliberaler Ideen Arbeitsmärkte etwa durch die Beseitigung des Kündigungsschutzes zu flexibilisieren und Lohnkosten zu verringern. Die Sinnhaftigkeit von Tarifautonomie und Flächentarifverträgen sowie sozialen Sicherungssystemen wird dabei grundsätzlich in Frage gestellt. Zudem streben neoliberale BGE-Modelle weitreichende Veränderungen im Bereich der Steuerpolitik an, die hohen Einkommen und Vermögen zu Gute kämen – hierauf werden wir im 4. Kapitel ausführlich zu sprechen kommen.
Von den im Bundestag vertretenen Parteien gibt es in der Partei DIE LINKE und in BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN relevante Debatten oder konkrete Vorschläge zur Einführung eines BGE. Die FDP will zwar in Anknüpfung an die Idee einer negativen Einkommensteuer die steuerfinanzierten Sozialleistungen in einer Leistung und an einer staatlichen Stelle zusammenfassen. Selbstverdientes Einkommen soll auf dieses liberale Bürgergeld angerechnet werden.6 Da das liberale Bürgergeld allerdings nicht bedingungslos gewährt wird, ist es nicht als BGE-Modell zu qualifizieren und wird hier auch folglich nicht behandelt. Eingegangen wird hingegen kurz auf den Diskussionstand zum BGE bei den Globalisierungskritiker_innen von Attac. Die Modelle von der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Attac möchte ich im Folgenden als sozialutopisch charakterisieren.
In der Partei DIE LINKE hat sich im Jahr 2005 eine Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Grundeinkommen gebildet, die parteiintern ein nicht zu unterschätzendes Gewicht hat. Zwar gehört die Forderung nach einem BGE nicht zum Parteiprogramm, aber mit Katja Kipping steht eine bekennende BGE-Anhängerin an der Spitze der Partei. Im Oktober 2016 hat die BAG Grundeinkommen das von ihrem Sprecher Stefan Wolf ausgearbeitete Konzept eines »emanzipatorischen Grundeinkommens« verabschiedet, das sowohl eine Variante als Sozialdividende und eine andere Variante als negative Einkommensteuer enthält.7 Das Modell zielt – flankiert durch weitere Maßnahmen – auf eine Umverteilung von oben nach unten ab und soll darüber hinaus sowohl »die freie Verfügung jedes Menschen über sein eigenes Leben als auch die schrittweise Überwindung der Marktverwertungsabhängigkeit des Menschen ermöglichen.«8 Arbeitszwang wird abgelehnt, Verhandlungsmacht und Autonomie der abhängig Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften werde, so die von der BAG vertretene Meinung, hingegen durch ein Grundeinkommen gestärkt: Ihr BGE-Vorschlag begünstige »die erfolgreiche Durchsetzung von Mindestlöhnen und Arbeitszeitverkürzung, ebenso die ökonomische Besserstellung und Unabhängigkeit der Frauen.«9 Gefordert wird ein BGE in Höhe von 1.080 Euro für Personen ab 16 Jahren und in Höhe von 540 Euro für Personen bis 16 Jahre. Das Kindergeld wird abgeschafft. Parallel zum BGE sind weitere umfangreiche Maßnahmen wie die Erhöhung des allgemeinen Mindestlohns auf 10 Euro – perspektivisch auf 12 Euro – sowie die Umgestaltung der Kranken- und Pflegeversicherung zu einer gesetzlichen Bürger_innenversicherung vorgesehen. Bürger_innenversicherungsmodelle zeichnen sich dadurch aus, dass den Beiträgen alle Einkunftsarten (Löhne, Gewinne, Einnahmen aus Mieten usw.) zu Grunde liegen und alle Bürger_innen in die Kranken- oder Pflegeversicherung einzahlen. Im Krankheits- oder Pflegefall stehen dann allen Versicherten die gleichen Leistungen zu.
Neben den LINKEN bilden die BGE-Befürworter_innen in der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ebenfalls eine relevante Strömung, die sich im Jahr 2007 im Grünen Netzwerk Grundeinkommen zusammengeschlossen hat.10 Das Netzwerk sieht im BGE »eine zentrale Antwort auf die ökonomischen, sozialen und ökologischen Probleme unserer Zeit«.11 Erklärtes Ziel ist es, »die politischen Entscheidungen innerhalb der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens auf den Weg zu bringen.«12 Mit Blick auf das im Herbst des Jahres 2020 angestrebte neue Grundsatzprogramm hat das Netzwerk im März 2019 ein Positionspapier verabschiedet.13 In diesem wird ein BGE gefordert, das »Existenz sichern sowie die kulturelle, soziale und politische Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen«14 soll. Das grüne BGE zielt u. a. darauf ab, sich anderen, nicht bezahlten Tätigkeiten wie Ehrenamt, Pflegearbeit oder Kindererziehung ausreichend widmen zu können. Einhergehen soll die Einführung des BGE, die allerdings »behutsam« zu gestalten sei,15 mit der Entwicklung der Arbeitslosenversicherung zu einer »Arbeitsversicherung«, die insbesondere Angebote zur Weiterbildung bereitstellt. Außerdem sollen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu Bürger_innenversicherungen werden. Des Weiteren wird ein Ausbau der öffentlichen, barrierefreien Infrastruktur angestrebt.
Eine genaue Höhe für das grüne BGE wird in dem Positionspapier nicht genannt, auch zur Finanzierung gibt es keine Ausführungen. Ein konkreter Vorschlag findet sich allerdings in einem Beschluss der Grünen Jugend Hessen aus dem Jahr 2017:16 Gefordert wird hier ein Grundeinkommen in einer Höhe von monatlich 1.000 Euro für alle Bürger_innen, Kinder sollen 500 Euro pro Monat erhalten. Das BGE soll in Form einer negativen Einkommensteuer ausgezahlt werden.
Auch in der globalisierungskritischen Nichtregierungsorganisation Attac gibt es eine breite Strömung, die für ein Bedingungsloses Grundeinkommen wirbt. Zusammengeschlossen haben sich die BGE-Befürworter_innen in der AG Genug für Alle, deren konzeptionelle Vorstellungen in einem Positionspapier zusammengefasst sind.17 Danach strebt die Attac-AG ein BGE an, das die Existenz sichert und eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Die Höhe des BGE soll die Pfändungsfreigrenze nicht unterschreiten – diese wird für Juli 2019 mit 1.179,99 Euro angegeben. Eine konkrete Ausgestaltung des BGE in Form einer negativen Einkommensteuer wird als akzeptabel angesehen. Daneben wird für den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge plädiert sowie für eine präventive Sozialpolitik und den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur. Renten- und Krankenversicherung sollen in solidarisch finanzierte Bürger_innenversicherungen umgewandelt werden. Das BGE-Konzept von Attac sieht über die genannten Punkte hinaus einen gesetzlichen Mindestlohn vor, der bei voller Erwerbstätigkeit ein Einkommen »deutlich oberhalb der Armutsgrenze« garantiert, damit das Grundeinkommen nicht zu Lohnkürzungen führt. Abgesehen vom BGE wird darüber hinaus die Einführung einer Kindergrundsicherung gefordert, die unabhängig von anderen Sozialleistungen gewährt wird und bedarfsdeckend ausfallen soll.
Neben den genannten Gruppierungen und Arbeitszusammenhängen gibt es mit Dieter Althaus, Götz Werner und Thomas Straubhaar drei Einzelpersonen, die in den vergangenen Jahren mit umfangreichen BGE-Konzeptionen an die Öffentlichkeit getreten sind. Ihre Vorschläge folgen eher neoliberalen Vorstellungen.
Dieter Althaus war in den Jahren von 2003 bis 2009 Ministerpräsident von Thüringen. Bereits während seiner Amtszeit hat er sich als Befürworter eines BGE hervorgetan. Die vielleicht bekannteste Person, die ein BGE befürwortet, ist Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm. Und bei Thomas Straubhaar handelt es sich um den einzigen etwas prominenteren Wirtschaftswissenschaftler, der sich für ein BGE ausspricht. Straubhaar ist Professor für internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Hamburg und ehemaliger Präsident des wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituts Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA). Nach dessen Auflösung leitete er bis 2014 das liberal ausgerichtete Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI).