Mord im Weissen Haus - Jean-Pierre Kermanchec - E-Book

Mord im Weissen Haus E-Book

Jean-Pierre Kermanchec

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Beschreibung

Der 15-jährige Sven kam von der Schule nach Hause und wollte sich schnell für sein Basketballtraining am Nachmittag umziehen.Vor der Einfahrt parkte das Auto seines Vaters und die Haustür stand überraschenderweise offen. Er betrat das Haus und rief nach seinem Vater, aber sein Vater antwortete nicht. Er entdeckte ihn im Wohnzimmer, in einer Blutlache liegend.Schritte auf der Treppe versetzten ihn in Panik. Er rannte aus dem Haus und sah im Fliehen gelb-weisse Senkers und die schwarze Hose eines Mannes, der die Treppe herunterkam.Er verbarrikadierte sich im Auto seines Vaters. Da die Schlüssel steckten liess er den Motor an und raste los.

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Jean-Pierre Kermanchec

Mord im Weissen Haus

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Epilog

Bisher erschienen:

Impressum neobooks

Kapitel 1

Jean-Pierre Kermanchec

Mord im Weißen Haus

Der 15-jährige Sven kam von der Schule nach Hause und wollte sich schnell für sein Basketballtraining am Nachmittag umziehen.Vor der Einfahrt parkte das Auto seines Vaters und die Haustür stand überraschenderweise offen. Er betrat das Haus und rief nach ihm, aber der antwortete nicht. Er entdeckte ihn im Wohnzimmer, in einer Blutlache liegend.Schritte auf der Treppe versetzten ihn in Panik. Er rannte aus dem Haus und sah im Fliehen gelb-weiße Sneakers und die schwarze Hose eines Mannes, der die Treppe herunterkam.Er verbarrikadierte sich im Auto seines Vaters. Da die Schlüssel steckten, ließ er den Motor an und raste los.

Jean-Pierre Kermanchec 1947 geboren. Aufenthalte in USA, Frankreich, Deutschland und Luxemburg. Nach dem Studium der Biologie lange Jahre Tätigkeit in der Industrie. Seit seiner Pensionierung Autor von Kriminalromanen, Kinderbücher und einem historischen Roman. Lebt und schreibt in Luxemburg und in der Bretagne.

Mord im Weißen Haus

Jean-Pierre Kermanchec

Impressum

© 2023 Jean-Pierre Kermanchec

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN 978-3-****-***-*

Printed in Germany

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die Bibliothèque National du Luxembourg verzeichnet diese Publikation in der luxemburgischen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://bnl.public.lu abrufbar.

Seit Tagen lagen die Temperaturen über dreißig Grad. Die Bretagne erlebte einen ungewöhnlich heißen Sommer. Die Bauern jammerten über die zu erwartende miese Ernte, die Gemeindevorsteher grübelten ernsthaft zu Restriktionen der Wasserversorgung, und die Mineralwasserlieferanten kamen der steigenden Nachfrage nicht nach. Einzig die Touristen freuten sich über das Wetter.

Die Strände an der Pointe de Trévignon, am Plage Tahiti und den anderen Orten waren stark frequentiert. Die Neuankömmlinge erkannte man sofort an ihrer weißen oder knallroten Hautfarbe. Die Kinder rannten über den heißen Strand, holten mit ihren kleinen Eimerchen Meerwasser, vermischten es mit dem grobkörnigen Sand und füllten die Mischung in ihre Förmchen für einen ordentlichen Sandkuchen.

Es war Sommer in der Bretagne und das Geschäft mit den Touristen lief auf Hochtouren. Die Terrassen der Restaurants, Bars und Kaffees waren überfüllt, die Crêperien suchten nach Aushilfskräften, und die Eisverkäufer in der Ville Close sahen sich genötigt, neues Eis zu produzieren.

Tudal Huelvan, der pensionierte Lebensmittelkontrolleur, saß auf seiner sonnigen Terrasse im Lieu dit Ti Gwenn. Sein Glas Rosé hatte er zum dritten Mal geleert in der Hoffnung, dass er seinen Frust und Ärger über die Ignoranz seiner Mitmenschen wegspülte.

Seit Monaten ärgerte er sich über seine Nachbarn. Über den einen, weil er einen Teil seines Gartens kaufen wollte, um den Verkaufsraum seiner Baumschule zu erweitern, und nicht verstand, was nein bedeutet. Über den anderen, weil der sich weigerte, seine Hecken zu schneiden, die immer höher wuchsen und seinem Gemüsegarten das wenige Sonnenlicht nahmen.

Tudal Huelvan war kein ausgesprochen umgänglicher Zeitgenosse. Nach dem Tod seiner Frau, dem Auszug seines Sohnes, und seit seiner Pensionierung hatte er sich immer mürrischer, verschrobener und unausstehlicher entwickelt. Alles ärgerte ihn. Die Welt hatte sich gegen ihn verschworen, davon war er überzeugt; die Autofahrer nahmen immer nur ihm die Vorfahrt und warfen ihren Müll stets vor seinem Grundstück aus dem Fenster. An den Kassen der Supermärkte drängten sich die Rüpel nur bei ihm vor. Selbst die Paketlieferanten schienen sich gegen ihn verschworen zu haben. Seine bestellten Pakete wurden erst beim zweiten Besuch abgegeben, obwohl er zuhause war.

Anstatt sich seines Gartens anzunehmen, kontrollierte er die Bauern in der Umgebung, vor allem die, die sich der biologischen Landwirtschaft verschrieben hatten. Dabei hätte er genug in seinem Garten zu arbeiten. Selbst für bretonische Verhältnisse besaß er ein überdimensioniertes Terrain. Das Grundstück war so groß, dass es von einem Menschen nicht in seiner Gänze zu pflegen war. Er hatte es von seinen Eltern geerbt, die vor vielen Jahren die 20 Parzellen von einem ledigen Bauern zu einem Spottpreis gekauft hatten, zu einer Zeit, in der er seinen Hof hatte aufgeben müssen. Der Bau, den sein Vater später auf dem Land gebaut hatte, bekam den Namen Ti Gwenn, das Weiße Haus.

Tudal Huelvan hätte es verkraftet, dem Nachbarn eine kleine Fläche abzutreten, damit der das Recht hatte, seinen Verkaufsraum zu erweitern. Aber es betraf nicht das Stückchen Land, es war seine Boshaftigkeit, die gegen den Verkauf sprach. Es hatte ihn auch geärgert, dass sein Nachbar den Bauingenieur, Jules Le Rhun, auf ihn gehetzt hatte. Der Mann war eines Tages bei ihm erschienen und hatte versucht, ihn zum Verkauf der Parzelle zu bewegen. Ansonsten könne der Bau nicht realisiert werden und er würde sein Honorar nicht bekommen, auf das er aber angewiesen sei. Daraufhin hatte Tudal ihm erklärt, dass er nicht bei der Heilsarmee sei.

Aber Tudal Huelvan war Ärger gewohnt. Seine früheren Kontrollgänge durch die Zuchtanlagen, Ställe oder über die Felder der Mais-, Weizen- und Gemüsebauern hatten ihm nicht nur Freundschaften beschert. Er war einer der schärfsten Kontrolleure des Departements, zahlreiche Strafanzeigen bis hin zu Schließungen von Höfen hatte er in seiner aktiven Zeit veranlasst.

Die Sonne versank am Horizont und die Temperaturen auf der Terrasse sanken merklich. Tudal Huelvan stand auf, schnappte die fast vollständig geleerte Flasche und das leere Glas und trat ins Haus. Er verspürte langsam Hunger und würde sich ein einfaches Mahl zubereiten. Er stellte die Flasche und das Glas auf den Küchentisch, öffnete den Kühlschrank, holte die restliche pâté au pommes vom gestrigen Abend raus, Butter, eine halbe Salatgurke und eine weitere Flasche Rosé. Dann schnitt drei Scheiben von seinem Buchweizenbrot ab und legte sie in den Brotkorb. Jetzt nahm er eine Tomate, holte Teller und Messer aus dem Küchenschrank, öffnete eine neue Weinflasche und setzte sich an den Tisch.

Er ließ sich sein Abendbrot schmecken. Nach jedem zweiten oder dritten Bissen griff er zum Weinglas und nahm einen herzhaften Schluck. Tudal merkte nicht, wie ihm der Alkohol zusetzte.

Er hatte sein Glas gerade wieder gefüllt, da klopfte es an der Haustür.

«Verdammt noch mal, darf man nicht wenigstens beim Essen ungestört bleiben!», rief er durchs Haus. Tudal wankte zur Tür.

Kapitel 2

Romain Le Gag öffnete das große Tor zu seinem Grundstück und verankerte die beiden Hälften. Es würde nicht lange dauern, bis die ersten Kunden das weitläufige Terrain betraten und durch die sechs großen Gewächshäuser spazierten, die Pflanzen betrachteten und auswählten. Sein Blick fiel wie an jedem Morgen aufs Nachbargrundstück. Er ärgerte sich über die Sturheit seines Nachbarn, der verweigerte, ihm die kleine Fläche zu verkaufen. Die Disteln wuchsen bereits über den Zaun, die Brombeerhecken gehörten, wenn schon nicht entfernt, dann wenigstens zurückgeschnitten und die Kastanienbäume mussten gefällt werden. Aber sein Nachbar hatte das nicht vor.

Er betrat den Verkaufsraum und schloss die Tür auf, damit die Verkäuferin, die jeden Augenblick eintreffen würde, ihren Arbeitsplatz hinter der Kasse einnehmen konnte. Romain würde sich heute mit seinem Angestellten Marc um die Anlage der kleinen Werbefläche an der Straßenkreuzung in Lanriec kümmern. Er schaltete den Strom im Verkaufsraum ein, öffnete den Kassenautomaten und verteilte das Wechselgeld in die Fächer. Romain sah den Renault Clio von Anne vorbeifahren. Anne Kerho arbeitete seit zwei Jahren bei ihm. Sie war zuverlässig und hatte bisher keinen Tag gefehlt. Bestens gelaunt betrat sie den Verkaufsraum und begrüßte ihren Chef.

«Bonjour Romain, haben wir nicht unglaubliches Wetter in der Bretagne? Bei dem Sonnenschein macht die Arbeit doch wahnsinnig Spaß.»

«Bonjour Anne, ich gebe dir zwar Recht, aber etwas Regen wäre für die Pflanzen gut und wir könnten uns das Bewässern sparen», antwortete Romain. «Ich fahre mit Marc nach Lanriec, wir müssen die Anlage an der Straße wieder auf Vordermann bringen, es soll die Leute animieren, zu uns zu kommen, und sie nicht abschrecken», fuhr er fort.

«Okay Romain, ich kümmere mich wie immer um den Laden. Wissen die anderen was heute zu erledigen ist?»

«Alle wissen Bescheid. Ich habe am gestrigen Abend die Arbeiten für den heutigen Tag eingeteilt.»

Romain verließ den Raum und suchte das erste Gewächshaus auf. Er hatte bei der Anlage der Gärtnerei und der Baumschule darauf geachtet, dass die Häuser planvoll angelegt wurden. Zier- und Nutzpflanzen waren streng getrennt. Er nahm einen der Einkaufswagen, die vor den Häusern standen, und betrat das Gewächshaus mit den Zierpflanzen und Blumen, das meistbesuchte der ganzen Anlage. Der Anblick erfreute Romain immer aufs Neue. Er wählte die benötigten Pflanzen für die Arbeiten an der Werbefläche aus.

«Chef, kann ich helfen?», fragte Le Run.

«Bonjour Marc, ich habe gleich alles aufgeladen. Hol Du den Transporter, dann fahren wir sofort los», antwortete Romain und schob den Wagen weiter durch den Gang, er packte noch einige Rosenstöcke dazu.

Marc Le Run verließ das Gewächshaus. Er ahnte nicht, dass der heutige Tag für ihn unvergesslich bleiben würde.

Kapitel 3

Peran Pennec stand in seiner Küche und bereitete sein Frühstück zu. Ein Glas Orangensaft, zwei Scheiben Buchweizenbrot, Butter und Apfelgelee und die erste Tasse Kaffee standen auf dem alten Eichentisch. Er holte seine Tabletten gegen seinen erhöhten Blutdruck und den hohen Cholesterinwert aus dem Schrank.

Nach dem Frühstück würde er seinen Rasen auf Vordermann bringen, die verblühten Rosen abschneiden und die vier Buchsbaumkugeln wieder in Form schneiden. Doch zuvor würde er den Ouest-France lesen, die Zeitungslektüre gehörte zu seinem täglichen Ritual.

Peran lebte das Leben eines alleinstehenden Rentners. Seit sechs Jahren war er jetzt schon pensioniert. Die Werft in Concarneau war für ihn über 30 Jahre sein Arbeitsort und sein zweites Zuhause gewesen. Er hatte sein Leben in der Funktion eines Schiffsmechanikers geliebt. Seine Kollegen waren glücklich, so schnell wie irgend möglich in den Ruhestand zu treten, er hatte er immer wieder versucht, ein weiteres Jahr herauszuschinden. Am Ende hatte er die Pension zwangsläufig akzeptiert.

Wie an jedem Tag schlug Peran zuerst die Lokalseite von Concarneau auf und sah nach, ob ein ihm bekanntes Schiff im Trockendock lag. Wenn er am Nachmittag Zeit hatte, fuhr er nämlich gerne in den Hafen und spazierte zu seiner alten Arbeitsstelle. Ein Fischtrawler wurde zurzeit überholt. Peran kannte das Schiff genau. Er hatte in den vergangenen Jahren mehrmals daran gearbeitet, es war in Lorient stationiert. Das Trockendock der Werft führte die Schiffe immer wieder nach Concarneau, wenn sie eine Reparatur, Auffrischung oder eine Inspektion nötig hatten.

Peran blätterte weiter und las die anderen Artikel der Region. Zwischendurch biss er in sein Brot, nippte an seinem Kaffee und nahm dann die Pillen mit dem Orangensaft ein. Den Sportteil überging er, für Sport hatte er nichts übrig, nicht einmal für Fußball war er zu begeistern. Seine Kollegen waren verrückt darauf und hatten ihn nach jedem Spiel von Brest, Rennes oder Guingamp mit allen Einzelheiten versorgt. Peran hatte freundlich zugehört.

Er beendete sein Frühstück, räumte den Tisch ab und stellte das Geschirr in die Spülmaschine.

Im Garten fiel sein Blick auf die Hecke, die entlang der Grenze zum Nachbargrundstück wuchs. Die hätte einen Schnitt dringend nötig aber Tudal Huelvan hatte ihn massiv verärgert. Nach vielen Jahren Freundschaft war es vor drei Jahren zum Bruch gekommen. Genaugenommen erinnerte sich Peran gar nicht mehr, um was es sich bei ihrem Streit gehandelt hatte. Nicht ausgeschlossen, dass sie diesen unliebsamen Zwist längst hätten beilegen können. Aber er ließ die Hecke aus Bosheit seit drei Jahren wachsen.

Peran aktivierte den Rasenmäher und mähte Rasen. Hinterher räumte er auf und bereitete das Mittagsessen zu. Am Nachmittag fuhr er in den Hafen.

Wie immer stellte er seinen Wagen auf dem Parkplatz gegenüber des Restaurants La Coquille ab und lief am Kai entlang zum Trockendock. Er sah den Trawler schon von Weitem. Er erhielt einen neuen Anstrich, das Salzwasser hatte die Farbe heftig angegriffen. Arbeiter standen auf einer Hebebühne und schliffen den Rost und die restliche blaue Farbe vom Schiffsrumpf ab. Der Unterschied zum strahlend weißen Aufbau war eklatant. Drei Männer arbeiteten zudem an der Schiffsschraube und dem Ruder. Peran bemerkte Sehnsucht. Die ehemaligen Kollegen winkten ihm zu, das erfüllte ihn mit Freude. Sie hatten ihn nicht vergessen.

Peran schlenderte zur Versteigerungshalle, der criée, und dann weiter zur Ville Close. Dort würde er mit der kleinen Fähre wieder zurückfahren. Auf der Straße, die an den Hafenanlagen vorbeiführte, preschte jäh ein schwarzer SUV aus einer Seitenstraße. Der Fahrer schien die Kontrolle über das Fahrzeug verloren zu haben. In voller Fahrt kam der Wagen auf ihn zugerast. Dann riss der Fahrer das Steuer um und schoss knapp an ihm vorbei. Er atmete tief durch.

Was war das? Wurde das Fahrzeug verfolgt? Eine ganze Zeitlang rührte Peran sich nicht von der Stelle. Er empfand sich in einer Art Schockstarre. Langsam legte sich die Bewegungslosigkeit und Peran wandte sich wieder seinem Weg zu.

Er war sicher, dass das Zusammentreffen mit dem SUV nicht ihn betraf. Er war im falschen Moment am falschen Ort gewesen.

Kapitel 4

Morgane betrachtete sich seit einer halben Stunde im Spiegel. Es war ihr unmöglich zu akzeptieren, dass sich in ihrem sonst so makellosen Gesicht Akne bildete. Ausgerechnet heute, wo sie die bewundernden Blicke des männlichen Geschlechts brauchte, die Eifersucht der Frauen und die Bestätigung ihres Freundes, dass sie das Highlight von Concarneau war. Vermochte sie den Makel unter Make-up verstecken, wenigstens für den Nachmittag oder würde es jedem sofort auffallen? Morgane war verzweifelt und wütend. Sie würde sich in einigen Stunden mit Hugo treffen und mit ihm gemeinsam die Eröffnung einer Kunstausstellung besuchen.

Die Einladung hatte sie vor einer Woche erhalten. Es war nicht irgendeine Ausstellungseröffnung, sondern die Vernissage von Mike Brampton. Seit Monaten geisterte sein Name durch die Weltpresse und jeden bewegte die Frage, wie solch ein Ausnahmekünstler dazu überredet worden war, seine dritte Ausstellung ausgerechnet in der Bretagne, in Quimper, in den Räumen einer völlig unbekannten Galeristin zu eröffnen. Die große Welt würde anwesend sein, das war Morgane von ihrer Freundin mitgeteilt worden, der Besitzerin der Galerie, die ihr die Einladung vermittelt hatte. Es war ihre Gelegenheit, von einem Fotografen entdeckt zu werden.

«Fühle dich geehrt», hatte sie ihr gesagt und hinzugefügt, dass sie ihren Freund mitbringen dürfe. Hugo war nicht begeistert, bei dem Gedanken der Einladung zu folgen. Malerei gehörte nicht zu seiner Leidenschaft.

«Hugo, die gesamte Kunstwelt schaut auf diesen Künstler und das Fernsehen wird darüber berichten. Ich könnte entdeckt werden und endlich ein Fotomodel werden. Du weißt, wie viel mir daran liegt. Bitte lass mich nicht allein gehen. Wie sähe das aus?»

«Wie sieht es aus, wenn du dort mit einem Mann auftauchst, der keine Ahnung von Kunst hat? Ich kann nur dumme Sprüche klopfen, falls mich jemand auf die Bilder von diesem Brampton anspricht. Wahrscheinlich würde ich sagen, dass sie aussehen, als ob ein Fünfjähriger wild mit Farbe um sich geschmissen hat.»

«Warum sagst du das? Du kennst seine Bilder doch nicht.»

«Ich habe mir einige im Internet angesehen. Da findest du eine ganze Menge über dieses Ausnahmetalent, wie überall zu lesen ist. Ich kann mit den Bildern nichts anfangen. Wenn er wenigstens Segelboote malen würde oder Felsenküsten oder sonst etwas Gegenständliches aber nur wild mit Farbe um sich zu werfen ist keine Kunst für mich.»

«Nur weil du keine Ahnung von Kunst hast und dich nicht dafür interessierst, bedeutet das nicht, dass ich mich nicht dafür interessieren darf. Du wirst deinem Vater immer ähnlicher.»

«Lass meinen Vater aus dem Spiel. Ich gehe ja mit zu dieser Vernissage. Aber dann begleitest du mich zur Bootsausstellung in Nantes im nächsten Monat. Bis jetzt bist du nicht ein einziges Mal dorthin mit gegangen», erwiderte Hugo.

Morgane sagte es ihm zu, obwohl Boote ihr überhaupt nichts bedeuteten. Sie hasste es, ein Schiff zu betreten und seekrank zu sein.

Das hatte sich vor einer Woche abgespielt und jetzt saß sie vor ihrem Spiegel und war gezwungen, diese bescheuerte Akne, oder was es auch immer war, verschwinden zu lassen.

Hugo gab heute einige Stunden Unterricht am europäischen Zentrum für maritime Ausbildung. Seit wenigen Jahren arbeitete er dort als Lehrer. Morgane war Buchhalterin in Saint-Yvi. Sie wartete ungeduldig, dass sie endlich entdeckt würde und als Supermodel auf dem Titelblatt der Vogue oder einer vergleichbaren Zeitung auftauchte. Und nun, wo sie im Begriff war zum Star zu werden, ausgerechnet jetzt erschien dieser blöde Ausschlag.

Bestimmt war es eine Reaktion auf ihren Ärger, den sie kürzlich mit Hugos Vater hatte. Tudal lehnte sie ab und versuchte, Hugo davon zu überzeugen, dass Morgane nicht die Richtige für ihn sei. Sie ist nur ein Püppchen, hatte er gesagt. Sie hatte sich darüber geärgert und wütend das Haus verlassen. Hugo war ihr gefolgt, erfolglos bemüht sie zu beruhigen.

Nur wenige Stunden bis zum großen Auftritt. Morgane sah weiterhin gebannt auf ihr Spiegelbild und hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie diesen Ausschlag in so kurzer Zeit in den Griff bekommen könnte.

Kapitel 5

Tudal kaute an dem letzten Bissen und öffnete die Haustür.

«Was willst du denn hier? Mich beim Essen stören oder hast du einen vernünftigen Grund herzukommen?»

«Den habe ich durchaus, es ist mehr als nur ein vernünftiger Grund und er duldet keinen Aufschub. Da kann ich keine Rücksicht auf deine Essenszeiten nehmen.»

«Dann raus mit der Sprache, ich habe keine Lust, ewig hier zu stehen», erwiderte Tudal missmutig.

«Könnten wir das nicht drinnen besprechen? Oder beabsichtigst du unbedingt an der Haustür stehen zu bleiben?»

«Wenn es sein muss, dann komm halt rein. Aber ich habe keine Lust, stundenlang zu diskutieren.»

«Es wir nicht so lange dauern», antwortete Alain Keribin, ein Bauer aus Saint-Yvi bei Concarneau.

Tudal führte ihn in die Küche und bot ihm Platz am Tisch an.

«Es stört sicher nicht, wenn ich mein Frühstück beende», sagte er dem Bauern.

«Lass dich nicht stören. Es handelt sich um deinen Nachfolger. Der Mann war vorgestern auf meinem Hof und hat mir deinen letzten Bericht unter die Nase gehalten. Er wolle sich selbst ein Bild vom Hof machen, meinte er und nicht nur den Stall sehen, sondern alle Unterlagen. Sämtliche Rechnungen, Lieferscheine und mein Lager musste ich ihm zeigen», berichtete Keribin.

«Was ist daran so eilig, dass du mich beim Essen stören musst?»

«Ich habe in meinem Lager einen Rest von einem uralten Pflanzenschutzmittel gehabt, du weißt schon, das, das sie vor acht Jahren verboten haben. Jedenfalls ist der Dupont, so heißt dein Nachfolger, jetzt der irrigen Meinung, dass ich immer noch damit arbeite, und hat verfügt, dass ich nichts von meiner Ernte ausliefern darf. Das ist mein Ruin!»

«Wie konntest du so blöd sein, dieses alte verbotene Mittel in deinem Lager zu lassen? Das hätte schon längst entsorgt gehört.»

«Du hast gut reden. Das kostet Geld. Ich habe auf jeden Cent zu achten. Also habe ich mir gesagt, es frisst ja kein Brot, wenn es im Schuppen lagert. Sobald es mir wieder besser geht, werde ich es entsorgen. Aber wie kann es mir besser gehen, wenn ich nichts mehr von der Ernte verkaufen darf? Du musst mit deinem Nachfolger reden und ihm klarmachen, dass ich das alte Zeug schon seit Jahren nicht mehr einsetze.»

«Du meinst, das ginge so einfach? Ich bin pensioniert und habe darauf keinen Einfluss mehr. Außerdem ist es nicht so einfach, mit einem Pariser zu diskutieren. Die wissen immer alles besser.»