Mord ist auch eine Lösung - Jean G. Goodhind - E-Book
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Mord ist auch eine Lösung E-Book

Jean G. Goodhind

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Beschreibung

Mord im Nobelhotel Der angesagte Innenarchitekt Philippe Fabiere, der Honey Drivers Hotel ein neues Gesicht verleihen sollte, wird ermordet. Waren seine Kollegen wirklich so neidisch auf seine tollen Ideen? Haben sie auch sein Antiquitätenlager ausgeräumt? Oder hat der neue russische Besitzer des Nobelhotels, in dem man Philippes Leiche fand, seine Hand im Spiel? Ein neuer Fall für die Hotelbesitzerin Honey Driver und Steve Doherty, ihren charmanten Begleiter. „Skurrile Handlung und viel britischer Humor.“ Brigitte „Eine moderne Miss Marple in bester britischer Krimitradition.“ Für Sie

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Jean G. Goodhind

Mord ist auch eine Lösung

Honey Driver ermittelt

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Ulrike Seeberger

Impressum

Die Originalausgabe unter dem Titel

Deadly Lampshades

erschien 2009 bei Severn House Publishing Ltd., Sutton, Surrey.

ISBN E-Pub 978-3-8412-0226-0

ISBN PDF 978-3-8412-2226-8

ISBN Printausgabe 978-3-7466-2727-4

Aufbau Digital,

veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, September 2011

© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin

Die deutsche Erstausgabe erschien erstmals 2011 bei Aufbau Taschenbuch, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

Copyright © 2009 by Jean Goodhind

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über dasInternet.

Umschlaggestaltung Mediabureau Di Stefano, Berlin

unter Verwendung mehrere Motive von iStockphoto:

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Inhaltsübersicht

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Informationen zur Autorin

Impressum

Inhaltsübersicht

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

|5|Kapitel 1

Der Empfangsbereich im Green River Hotel wurde gerade vollkommen neu gestaltet, und Honey Driver war so aufgeregt wie ein Kind kurz vor der Bescherung an Heiligabend. »Jetzt habe ich es drei Jahre in Draculas Salon ausgehalten. Es wird höchste Zeit, dass ein bisschen Licht hier reinkommt.«

Sie hatte sich für einen Louis-Quatorze-Look entschieden: alles in Kobaltblau und Cremeweiß mit funkelnden Kronleuchtern und kunstvoll verzierten, auf Französisch getrimmten Spiegeln.

Der rote Teppich war verschwunden, sämtliche Holzelemente waren abgeschmirgelt, und Philippe Fabiere, ein dunkelhäutiger Typ mit wasserstoffblondem Haar aus dem Londoner East End, hatte bereits die nötigen Lacke, Tapeten und Möbel bestellt.

Philippe Fabiere, erste Sahne unter Baths Innenarchitekten, war bei Hoteliers ungeheuer gefragt, die ihre Häuser aufrüsten wollten und damit ihr Geschäft aufzuwerten hofften. Er war außerordentlich extravagant, tyrannisch und irgendwie natürlich auch ein Blender. Sein Pseudonym hatte er so gewählt, dass es sehr à la française wirkte. Zu allem Überfluss hatte er sich auch noch einen dazu passenden Akzent antrainiert. Das war eigentlich verständlich, denn man hatte ihn auf den Namen George Theodore Washington getauft, der nun gar nicht passte, wenn man ein megaehrgeiziger Innenarchitekt war und blondgefärbtes Haar, kastanienbraune Haut und einen künstlerisch angehauchten – genauer gesagt: papageienbunten – Kleidungsstil hatte. Er hatte Honey einmal anvertraut, sein Vater sei begeisterter |6|Hobby-Historiker und interessierte sich besonders für amerikanische Geschichte. Da sein Nachname tatsächlich Washington war, hatte er bei der Geburt seines Sohnes der Versuchung einfach nicht widerstehen können.

Abgesehen davon war George – beziehungsweise Philippe, wie er lieber genannt wurde – inzwischen der angesagteste Innenarchitekt, um den sich alle kultivierteren Hoteliers von Bath rissen. Honey musste ihn einfach engagieren. Wenn alles nach Plan lief, würden die Arbeiten innerhalb von zwei Wochen abgeschlossen sein.

Zufrieden strahlend ließ Honey die Augen über die nackten Wände, die abgeschliffenen Fußbodendielen und die abgeschmirgelten Sockelleisten schweifen. Im Augenblick sah es allerdings noch eher nach der Höhle von Fred Feuerstein aus als nach dem Versailles Ludwig des Vierzehnten. Deprimierend eigentlich. Zum Glück besaß sie eine lebhafte Phantasie.

»Wartet mal ab, bis das alles hier fertig ist«, seufzte sie.

Ein Maler in einem schmuddeligen Overall, der mit Tausenden verschiedener Farbspritzer verziert war, hebelte gerade mit einem Spachtel eine Farbbüchse auf. Der Deckel löste sich mit einem vertrauenerweckenden »Plop«. Nun, es klang nicht gerade wie ein Champagnerkorken, aber doch irgendwie nach einer Feier. Die erste Farbrolle mit Kobaltblau wurde auf die Wand aufgetragen, und schon wehte das Aroma frischer Farbe durch den Raum. Stillschweigend gratulierte Honey sich, dass sie so vernünftig gewesen war, keine Zimmerreservierungen anzunehmen. Gäste mochten einfach keine Unordnung, auch wenn sich damit auf lange Sicht ihr Komfort erhöhen würde. Es hätte nur Beschwerden gehagelt. Also hatte sie Philippe zwei Wochen Zeit für die Renovierungsarbeiten gegeben und erst einmal alle Gästebuchungen abgelehnt.

Sie brachte ihre Zufriedenheit laut zum Ausdruck. »Bin ich froh, dass wir keine Gäste haben.«

Lindsey knurrte irgendetwas Unverständliches. Im Augenblick |7|schaute nur das hintere Ende von Honeys Tochter unter dem Empfangstresen, einem großen, eingebauten Möbel mit vielen Fächern, Schubladen und Regalbrettern, hervor. Lindsey versuchte gerade, verschiedene Computerkabel zu entwirren, die sich zu einem großen, unordentlichen Knäuel verheddert hatten. Denn auch der Empfangstresen sollte eleganter gestaltet werden, um besser zu Philippes künstlerischen Vorstellungen zu passen.

»Dieser Kobaltton ist wirklich genau die richtige Farbe«, fügte Honey verträumt hinzu und verschränkte zufrieden die Arme, während eine nackte Gipswand allmählich dunkelblau wurde.

Völlig verstaubt kam Lindsey auf Knien hinter dem Tresen hervorgekrabbelt. Sie rümpfte das Näschen. »Stinkt ein bisschen.«

Honey nahm eine gute Lunge voll von der nach frischer Farbe riechenden Luft. »Es ist so ein sauberer Geruch. Ein neuer Geruch.«

Der gleiche rote Teppich, mit dem der Empfangsbereich ausgelegt gewesen war, hatte auch die geschwungene Treppe geziert, die zu den Gästezimmern hinaufführte. Nun würde das tiefe Rot durch einen strapazierfähigen, aber luxuriösen Läufer in tiefstem Herbstgold ersetzt werden. Inzwischen klapperten die Schritte von Mary Jane – klipp-klopp – die Stufen hinunter. Mary Jane, der einzige noch übriggebliebene Gast des Hotels, kam nach unten.

»Ich habe eine Beschwerde«, sagte Mary Jane.

Honey zwinkerte. Es war noch früh am Morgen, und Mary Janes apfelgrüner Trainingsanzug würde garantiert jeden aus dem Tiefschlaf aufwecken. Sie hatte dieses schrille Teil zu einem stark reduzierten Preis auf einem Flohmarkt erstanden, Mary Jane hatte ihn sogar noch ein ganzes Stück weiter heruntergehandelt. Kragen und Manschetten waren in Quietschrosa abgesetzt, und auch der Reißverschluss prangte in dieser leuchtenden Farbe. Das Ganze blendete so sehr, dass die Vorbesitzerin wahrscheinlich heilfroh war, das |8|Ding endlich los zu sein. Mary Janes Turnschuhe schillerten in allen Regenbogenfarben und passten wiederum glänzend zu den hölzernen Papageien-Ohrringen, die an ihren Ohrläppchen baumelten.

Honey war höchst verständnisvoll. »Das tut mir leid, Mary Jane. Was gibt es denn?«

Feiner Staub rieselte von Mary Janes Wangen, während sie redete. Sie neigte dazu, sehr viel Puder zu verwenden. Überall, wohin sie ging, hinterließ sie eine Spur, einschließlich eines deutlichen Gesichtsabdrucks auf ihrem Kopfkissen.

»Es geht um Sir Cedric«, sagte sie nun mit hohler Stimme und blickte verstohlen über die Schulter.

»O je«, meinte Honey. Sie hatte viel Geduld mit Mary Jane. Die war eine sehr nette Person. Es hatte nicht lange gedauert, bis Honey die unendlichen Gespräche über längst verstorbene Ahnen, die Mary Jane zufällig regelmäßig besuchten, als vertrauten Teil ihres Lebens empfand. Sir Cedric zum Beispiel lebte in einem Wandschrank in Mary Janes Zimmer, hatte Mary Jane ihnen berichtet.

»Ihn bringt der Farbgeruch völlig aus der Fassung. Er mag es nicht, wenn sich etwas ändert. In diesem alten Haus ist im Laufe der Jahrhunderte schon zu viel verändert worden.«

Mary Jane wohnte ständig im Hotel. Sie war zufällig in diesem Zimmer gelandet, als sie sich vor einigen Jahren in Bath zu Besuch aufhielt, und hatte beschlossen, dass dies der Ort war, wohin sie gehörte. Schon bald danach hatte sie den Sonnenschein Kaliforniens gegen das eher wechselhafte Wetter Englands eingetauscht.

Honey hatte gelernt, über Sir Cedric zu sprechen, als sei er einfach nur ein weiterer Gast – der allerdings nicht den üblichen Zimmerpreis bezahlte, aber andererseits auch die Hoteleinrichtungen kaum benutzte. Sie entschuldigte sich entsprechend wortreich. »Bitte übermittle ihm meine aufrichtige Entschuldigung, aber es musste einfach sein. Ich bin sicher, dass ihm die neue Ausstattung gefallen wird, wenn die Arbeiten erst beendet sind.«

|9|Honey nahm an, dass Sir Cedric nachts umherwanderte. Sie wollte lieber nicht in die Einzelheiten gehen. Denn wenn sie das geringste Interesse zeigte, würde Mary Jane stundenlang über ihren Familienstammbaum reden.

»Du verstehst das nicht«, antwortete Mary Jane, und ihre Augen hatten das seltsame Leuchten, wie immer, wenn sie von Sir Cedric sprach. »Geister, die in einem Haus residieren, hassen es, wenn ihre alten Gewohnheiten gestört werden, und reagieren dann mit Anzeichen größten Missmuts.«

Honey blickte auf die Uhr. »Nun, ich bin sicher, wenn wir die Fenster weit aufmachen, wird er nicht allzu sehr gestört.«

Mary Jane wirkte ein wenig unsicher.

»Schau mal«, fuhr Honey fort und fragte sich nicht zum ersten Mal, warum sie all das anstandslos hinnahm. Aber da sie sich verpflichtet fühlte, ihren einzigen Gast zu besänftigen, gab sie Mary Jane ein Versprechen.

»Ich sag dir was: Sobald Philippe kommt, rede ich mit ihm ein Wörtchen darüber. Ich bin sicher, wir können eine Lösung finden – und wenn wir nur eine weniger stark riechende Farbe kaufen.«

Mary Jane war noch immer nicht überzeugt. »Braucht dieser Philippe noch lange, bis er herkommt?«

»Nein«, antwortete Honey und schüttelte energisch den Kopf. »Ich erwarte ihn jeden Augenblick. Überlass das alles nur mir. Ich krieg das hin.«

Mary Janes Gesicht sah noch immer nicht sonderlich beruhigt aus.

»Hast du schon gefrühstückt?«, fragte Honey, die dringend das Thema wechseln wollte.

Bei der Erwähnung von Essen wandelte sich Mary Janes Miene.

»Doris hat mir das Frühstück aufs Zimmer gebracht. Es wartet oben auf mich. Dann gehe ich mal wieder hoch und lasse es mir schmecken. Bis ich fertig bin, ist dein Innenarchitekt sicher längst dagewesen und wieder fort.«

|10|»Zweifellos«, sagte Honey mit mehr Gewissheit in der Stimme, als sie verspürte. Es war bereits nach neun, und Philippe hatte versprochen, um acht zu kommen. Bis jetzt hatte er sich noch nie verspätet. Aber einmal war ja immer das erste Mal, überlegte sie. Oder nicht?

Mary Jane stakste auf ihren langen Beinen wieder durch den Eingangsbereich und die Treppe hinauf.

Honey schaute zu Lindsey herunter, die immer noch auf den Knien lag. »Sir Cedric wird nicht gern gestört.«

»Ich hab’s gehört«, meinte Lindsey, stand auf und wischte sich den Staub von den Händen. »Meinst du, er checkt aus?«

»Das geht in Ordnung, solange er seine Rechnung zahlt. Etwa zweihundert Jahre zu einem mittleren Preis von fünfzig Pfund pro Nacht – das wären etwa fünfzigtausend, ein paar Tausend mehr oder weniger …«

»Der pflegeleichteste Gast, den wir je hatten«, murmelte Lindsey, während sie wieder zu ihrem Kabelsalat unter den Tresen krabbelte.

Honey nahm einen Stift zur Hand und sah ein paar Zimmeranfragen durch. Manche waren mit der Post gekommen, andere per E-Mail. Zum Glück waren sie alle für eine Zeit, zu der die Renovierungen wahrscheinlich abgeschlossen sein würden. Honey verbrachte etwa eine Stunde mit diesen Schreibarbeiten, schaute dann auf ihre Armbanduhr und die alte Schuluhr, die im Büro an der Wand hing. Zehn Uhr. Philippe Fabiere war noch immer nicht da.

Die Maler hatten gerade eine Teepause eingelegt. Als sie zurückkamen, spazierte einer von ihnen auf Honey zu.

»Tut mir leid, wenn ich Sie störe, meine Liebe. Aber Philippe sollte uns noch Grundierleim mitbringen.«

»Grundierleim?« Was war das denn? Sie hatte keine Ahnung, aber sie versuchte, zumindest so zu schauen, als wäre sie voll im Bild.

»Die Versiegelung, die wir auf den alten Gips aufbringen müssen, ehe wir die Wände streichen. Sie wissen, was ich meine?«

|11|»Überlassen Sie das nur mir. Ich rufe ihn an.«

Genau das machte sie auch. Sie wählte Philippes Privatnummer zu Hause. Keine Antwort. Beim achten Klingelton schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Sie hinterließ keine Nachricht, sondern wählte Philippes Handy-Nummer. Auch da keine Antwort. Sie entschied sich, als »Anruf in Abwesenheit« aufgeführt zu werden, und legte auf. Eine Flut von Postwurfsendungen drohte ihren Schreibtisch völlig zu überschwemmen. Das musste alles weg. Sie hatte gerade die Arme ausgebreitet, um alles in einer einzigen Zangenbewegung zu greifen und in einen Müllsack zu stopfen, als das Telefon klingelte. Philippe Fabieres Nummer leuchtete auf dem Display ihres Telefons auf.

»Hallo, Phil. Sind Sie das?«

»Wer ist am Apparat?«

»Ich.« Sie erkannte Steve Dohertys Stimme. Na, das war aber mal eine Überraschung!

»Honey? Warum hast du denn unter dieser Nummer angerufen?«

»Warum sollte ich nicht?«

Sein Tonfall ließ sie Schlimmes ahnen, aber sie erklärte es ihm trotzdem.

»Ich wollte meinen Innenarchitekten erreichen. Der sollte heute Morgen kommen. Moment mal. Das hat vorhin nicht gut geklungen, Steve. Ich will mal in meine Kristallkugel schauen. Du wirst mir gleich eine schlechte Nachricht übermitteln. Stimmt’s?«

Es folgte eine Pause, eine gedankenschwere Pause.

»Er wird wohl gar nicht kommen.«

Doherty hatte die Stimme eines Super-Machos, die aber total sinnlich und verlockend klingen konnte, wenn sie nicht gerade an einem Fall arbeiteten. Jetzt ging es eindeutig um Arbeit.

»Das hört sich schlimm an.«

»Schlimmer geht’s nicht.«

»Mord.«

|12|»Du sagst es, Babe. Hast du ihn sehr gut gekannt?«

Sie spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals festsetzte. Philippe war ein netter Kerl, vielmehr ein netter Kerl gewesen, und sie hatte ihn inzwischen recht gern. Er legte eine solch energiegeladene Begeisterung für seinen Beruf an den Tag, dass seine Augen glänzten, wenn er ein besonders luxuriöses Stück Stoff, eine interessante Farbe oder eine schillernde Tapete anschaute. Er warf scheinbar ohne großen Plan alle möglichen Dinge zusammen, und immer sah das Ergebnis phantastisch aus.

»Er war ein netter Kerl. Und dazu noch ein toller Innenarchitekt. Alle arbeiteten mit ihm. Er war nicht billig, aber ganz bestimmt der Allerbeste. Die anderen waren da weit abgeschlagen.«

Wieder diese unheilvolle Pause. Doherty wälzte schwere Gedanken.

»Steve?«

»Er hatte also Konkurrenten? Weißt du, wer die waren und ob es in letzter Zeit da Streitigkeiten gegeben hat?«

»Das kann ich mit ein paar Anrufen schnell rausfinden.«

»Meld dich wieder.«

»Wo bist du denn?«

»St. Margaret’s Court.«

»Lass mich nur machen. Sobald ich was rausgefunden habe, sage ich Bescheid.«

Als sie auflegte, spürte sie, dass Lindsey sie von unten herauf anschaute und auf eine Erklärung wartete.

»Philippe ist ermordet worden.«

»Von einem seiner Konkurrenten?«

Honey zuckte die Achseln. »Wer weiß?«

»So was würde Casper wissen.«

Da hatte sie recht. Der Vorsitzende des Hotelfachverbands von Bath war eine Quelle interessanter Informationen, besonders wenn es um Ästhetik, Kunst und Kultur ging, vor denen die Stadt Bath nur so strotzte. Honey rief bei ihm an und erzählte ihm, was geschehen war.

|13|»Der arme Junge«, rief er. »Er war nicht nur der beste Innenarchitekt in unserem kleinen Winkel der Welt, er war ganz gewiss der beste im ganzen Land!«

Honey musste ihm zustimmen.

»Gibt es viele Eifersüchteleien in diesem Gewerbe?«

Casper lachte laut los. »Natürlich! Diese Leute sind Künstler! Kreative Leute, meine Liebe, haben Unsicherheiten, die wir anderen uns gar nicht vorstellen können. Sie leben von ihrem guten Ruf. Mehr noch: sie müssen den unanfechtbaren Ruf haben, der Allerallerbeste zu sein.«

»Wo sollte ich anfangen?«

»Na, zunächst mal wäre da Julia Porter. Dann Dylan Sylvester vom Sugar Moon Design House. Ich melde mich, wenn mir noch jemand einfällt.«

»Zu gütig von Ihnen.«

Sie hatte nicht sarkastisch sein wollen. Es war ihr einfach nur so herausgerutscht. Casper erwartete Großes von ihr. Sie sollte dabei helfen, die Verbrechensrate in der Stadt so gering wie möglich zu halten, aber er selbst wollte sich seine sorgfältig manikürten Finger nicht mit den dreckigen Einzelheiten schmutzig machen. Das überließ er ihr.

Seine Stimme wurde ernst und grimmig. »Ich will, dass der Schuldige so schnell wie möglich eingekerkert wird. Es ist mir völlig egal, wie Sie das hinkriegen. Sehen Sie einfach zu, dass Sie es hinkriegen.«

Sobald der Hörer aufgelegt war, sprach Lindsey aus, was Honey durch den Kopf gegangen war.

»Ich wette, es ging um Konkurrenzneid.«

»Wieso denkst du das?«

»Die würden doch jeden Wettbewerber erdrosseln, wenn sie glaubten, dass sie so ihren eigenen Ruf steigern könnten. Natürlich nur mit einer Seidenschnur. Oder mit etwas ähnlich Geschmackvollem in der Art.«

Honey dachte an ihre kurze Bekanntschaft mit Philippe zurück, daran, wie er beinahe sabberte, wenn er Stoffe oder Farben anschaute, an seinen verletzten und defensiven |14|Blick, wenn er kritisiert wurde, an seine Eifersucht, wenn der Name eines Konkurrenten fiel.

Sie schaute zu ihrer Tochter hinunter, die wieder unter dem Tresen herumwühlte.

»Du hast recht«, sagte sie. »Du hast völlig recht.«

|15|Kapitel 2

Es war die schlimmste Situation, die man sich vorstellen konnte. Die Sache wäre weniger kompliziert gewesen, wäre nicht draußen auch noch ein Reisebus vorgefahren. Der große, glänzende Bus war in einem eleganten Rote-Bete-Ton lackiert, den vornehmere Menschen wahrscheinlich als Burgunderrot bezeichnen würden. In goldenen Lettern prangte der Name des Unternehmens auf der Seite des Fahrzeugs.

Doherty beäugte die bunt gemischte Touristengruppe, die aus dem Bus kletterte, obwohl man sie gebeten hatte, sitzen zu bleiben. Wenn man sie so sah und die babylonische Sprachverwirrung anhörte, konnte man beinahe glauben, dass der Bus sie gerade auf einer wilden Fahrt rund um den Globus eingesammelt hatte. Viele von ihnen waren Senioren. Kaum hatte Doherty sie erblickt, da wusste er schon, dass es Ärger geben würde.

Die Seniorentruppe war aus dem Bus ausgestiegen und wurde nun unten an der hochherrschaftlichen Treppe aufgehalten, die zur ebenso eindrucksvollen Eingangstür des St. Margaret’s Court Hotels hinaufführte. An den erhobenen Stimmen und den geschwenkten Spazierstöcken konnte man ablesen, dass die Leute nicht sonderlich glücklich darüber waren. Wie eine Schar wütender Gänse hatten sie sich um den Reiseleiter und zwei Polizisten in Uniform versammelt, von denen man erwartete, dass sie die Öffentlichkeit in Schach hielten. Aber die Reisegesellschaft war nicht der Meinung, dass sie »Öffentlichkeit« wäre. Sie waren Touristen. Sie waren Gäste, die gutes Geld gezahlt hatten, um in einem Original-Herrenhaus aus der Zeit Elisabeths I. |16|zu übernachten. Und nun erklärte man ihnen, sie dürften nicht hinein.

Hauptsächlich für die gehbehinderten Gäste hatte man auf eine Hälfte der Treppe eine mit Teppich überzogene Rampe gelegt. Einer der Polizisten kam mit besorgter Miene auf dieser Schräge zu Doherty hinaufgelaufen. Er schob seine Mütze ein wenig nach hinten, ehe er zu sprechen anfing.

Doherty betrachtete ihn aus dem Augenwinkel. Constable Shaun Jones, sonst meist als »Jonesey« bekannt, war jung und hatte ein frisches Gesicht. Doherty verspürte leichten Neid. Auch er war einmal so jung und begeistert gewesen und so aufgeregt, als er seinen ersten Mordfall erlebte. Wie das frische junge Gesicht würde mit der Zeit auch der Enthusiasmus verschwinden und der sarkastischen Einsicht weichen, dass es unter den Menschen genauso viel Boshaftigkeit wie Güte gab.

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