Mörder haben gute Gründe - Anne Poettgen - E-Book

Mörder haben gute Gründe E-Book

Anne Poettgen

4,9

Beschreibung

Mörder haben gute Gründe: es geht um Geld, um Rache, um die Existenz. Es gibt raffinierte Pläne oder spontane Handlungen. Es gibt junge Täter oder alte Täterinnen. Nicht alle Gründe können wir gutheißen. Oft gibt es nur einen Toten, mal gar keinen, mal äußert sich ein Massenmörder, der unbedingt berühmt werden wollte.

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Inhaltsverzeichnis

Mörder haben gute Gründe

Krimidinner

Das Kleingartenparadies

Ich bin unschuldig!

Luftpost

Auf kurzem Weg

Gute Pläne - böse Taten

Letzte Gespräche

Die muss weg

Leseprobe eins - Mord am Kirchberg

Leseprobe zwei - Mord am Kirchberg

Leseprobe drei - Mord am Kirchberg

Der Tote in unserem Garten

Unter uns gesagt

Kaffeekränzchen

Eine Frau zu viel

Ein tragischer Unfall

Was auch wichtig ist

Die Autorin

Impressum

Mörder haben gute Gründe

Mörder haben gute Gründe: es geht um Geld, um Rache, um die Existenz. Es gibt raffinierte Pläne oder spontane Handlungen. Es gibt junge Täter oder alte Täterinnen. Nicht alle Gründe können wir gutheißen. Oft gibt es nur einen Toten, mal gar keinen, mal äußert sich ein Massenmörder, der unbedingt berühmt werden wollte.

Krimidinner

Blutrot schimmerte die kupferne Helmverkleidung am Turm des Schlosses in den Strahlen der untergehenden Sonne. Ingrid und Erika blieben bewundernd stehen, ehe sie die Brücke über den Wehrgraben der schönen alten Anlage überquerten. In der überdachten Toreinfahrt war es bereits unangenehm dunkel. Ingrid und Erika waren auf dem Weg zum Krimidinner im Festsaal des Hauses. Was genau sie erwartete, wussten sie nicht, aber unterhaltend würde es sicher werden. Dazu gutes Essen: drei Gänge samt Weinbegleitung. Der Butler – war es wirklich einer, oder gehörte er schon zum Krimi – rief ihre Namen aus, als sie den Saal betraten: Die Freifrauen von Klingenthal. Klang ganz gut, Ingrid hatte sie angemeldet, Ingrid Klingenthal. Erika hob ihre Hand zum huldvollen Gruß. Das fing ja wirklich gut an. Sie wurden zum Tisch geführt, ein Ehepaar saß bereits dort, er mit weißhaarigem Schnauzer, sie dezent geschminkt. Man begrüßte sich freundlich, die Stimmung war erwartungsvoll, ein Sektglas schnell zur Hand. Ingrid und Erika prosteten sich zu, so hatten sie es erwartet. Sie hatten sich natürlich passend gekleidet: Erika ganz in schwarz, Hose und Bluse, mit einer irren Modeschmuckkette in Silber, Ingrid in einem gut sitzenden Kleid, sie konnte sich das noch leisten. Allerdings stellten beide fest, dass der Altersdurchschnitt deutlich unter ihrem eigenen Alter lag. Die Schauspieltruppe war leicht zu erkennen. Lady Cumberland, „Besitzerin“ des Schlosses, in dem man zu Gast war, Witwe und entsprechend gekleidet. Ein junger Mann, ihr Sohn? Eine schöne junge Frau, die Tochter? Der Butler, tatsächlich Teil der Truppe, eine Mamsell mit Häubchen. Wer ist das Opfer, wer der Mörder, fragte man sich am Tisch. Die Meinungen gingen natürlich auseinander. Erika sah sich um im Saal. Wer kommt zu einem Krimidinner? Ihre Tischgenossen feierten so ihren Hochzeitstag, den wievielten, gaben sie nicht preis. Ingrid und sie waren einfach nur so losgezogen, es war mal wieder eine Abwechslung fällig gewesen.

Lady Cumberland eröffnete den Abend, stellte ihre Familie vor und kündigte den Besuch eines Erbonkels an. Aha, ein Anwärter auf den Titel „Opfer“. Die Familie stand zusammen, man erörterte die Chancen, im Testament bedacht zu werden. Nötig hatte jeder von ihnen einen warmen Regen. Von Spielschulden war die Rede, von der Notwendigkeit einer Mitgift für die schöne Tochter, von Renovierungskosten für das Familienschloss. Der Onkel trat ein, hoch in den Achtzigern. Tiefe Falten hatte man dem Schauspieler geschminkt. „Aber wir möchten Sie nicht mit unseren Sorgen langweilen, genießen Sie die vorzügliche Vorspeise, die unsere Küche Ihnen jetzt servieren wird ...“

Die Saaltüren schwangen auf, eine Brigade von jungen Kellnern trug die Teller herein, junge Damen reichten Wasser und Wein. Ingrid und Erika sahen sich anerkennend an. Das hatte Format. Aus den Lautsprechern leise Klänge.

Nach der Vorspeise kamen neue Mitspieler dazu, man musste schließlich für Verwirrung sorgen. Was auch gelang. Während das Hauptgericht verzehrt wurde, wurden verwegene Theorien geäußert und verworfen.

Bis zum Nachtisch agierte die Truppe weiter, gegenseitige Verdächtigungen wurden geäußert. Der Erbonkel glänzte durch Abwesenheit. Warum? Ingrid und Erika hatten die Übersicht verloren, alles zu weit weg von ihrem Platz. Jetzt fiel im Hintergrund des Festsaales ein Schuss, noch einer und noch einer. Die Aufregung entsprechend groß, man lief hin und her, man rief nach dem Notarzt. Sirenengeheul, der Notarzt mit Truppe. Die angeschossene Person wurde hinausgetragen. Wer war’s? Die Schlossherrin trat vors Publikum, weinend, und -kündigte die Nachspeise an. Wieder trat die Kellnerbrigade in Erscheinung. Die „Leiche“ war schnell vergessen. Die Bedienung war schweigsam. Sie wollte natürlich die Pointe nicht verraten. Das Publikum war satt und zufrieden, den Täter würde die Truppe gleich präsentieren.

Vor dem Fenster zum Hof blinkte es blau. Die Saaltür öffnete sich: „Niemand verlässt den Saal, bevor wir nicht die Personalien aufgenommen haben.“ Ein dicklicher Kommissar, aber in Zivil, winkte seine Kollegen herein. Jetzt kam also der spannende Schluss des Krimidinners. Junge Beamte gingen von Tisch zu Tisch, Ingrid fragte: „Haben Sie auch einen Ausweis, junger Mann?“ Er hatte. Echt? Auf einem kleinen Block notierte er die Personalien. Durfte er das? Die vier Tischgenossen gaben sich gegenseitig ein Alibi, niemand war vom Tisch aufgestanden während der fraglichen Zeit, kurz vor der Nachspeise. Die lag ihnen jetzt schwer im Magen. Man konnte sich noch nicht entscheiden: Spiel oder Wirklichkeit. Niemand wollte bei der „Auflösung“ blamiert dastehen als derjenige, der an die Echtheit geglaubt hatte. Man hatte mitbekommen, dass die Mitglieder der Schauspieltruppe hinausgeführt wurden. Wenn, ja wenn, das alles echt war, dann waren doch die die Verdächtigen, oder? Wer aus dem Publikum hätte denn ein Interesse daran, einen fremden Schauspieler zu erschießen. Es war doch ein Schauspieler, oder? Nüchtern betrachtet: Jeder hätte der Täter sein können. Es war doch vorher bekannt, wer an diesem Abend auftreten würde. Und auch, wer Gast war, man hatte sich anmelden müssen. Alte Feindschaften? Eifersucht? Geldangelegenheiten? Die ganze Palette. Man war schließlich Krimileser und Krimifilmschauer. Die jungen Beamten verließen den Saal. Wurde nicht da hinten jemand gebeten mitzukommen? Die Show ging also weiter. Leider war die Sicht im Sitzen sehr schlecht; aber aufstehen um die Neugier zu befriedigen? Nein, das gehört sich nicht. Doch – der Schnauzbart erhebt sich: „Ja, ja, sie haben jemand geschnappt, junger Mann, gut gekleidet, wehrt sich gar nicht.“ Wie schön, dass man vom schlechten Benehmen anderer profitieren kann. Warum hätte der sich auch wehren sollen?

Aber wie geht denn das jetzt weiter, diese Frage stand allen auf der Stirn geschrieben. Wir haben Zeit, dachten und sagten Erika und Ingrid. Es wurde noch Kaffee serviert. Das beruhigte die Gemüter erst einmal. Sicher würde gleich der Geschäftsführer des Hauses oder der Kommissar – oder vielleicht doch die Lady Cumberland …? Ja, was denn wohl? Der Kommissar: „Wir bitten, die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen, aber wir haben einen Mord aufzuklären.“

Einen Mord beim Krimidinner – wie originell – dachte Ingrid, die zu solchen Glossen neigte. Wie bedrückend, einen Mord hautnah zu erleben, dachten dann wohl beide, als sie sich auf den Weg zum Parkplatz machten. Schweigend. Weitere Aufklärungen gab es nicht, man müsste morgen früh in die Zeitung schauen. - Bei einem Krimidinner im Festsaal unseres Schlosses passierte tatsächlich ein Mord. Der Täter, ein junger Mann, Gast beim Dinner, konnte festgenommen werden. Er nutzte die Gelegenheit, als bei der Schauspielertruppe Schüsse fielen, um seine alternde Geliebte zu erschießen. Dem Vernehmen nach hatte sie ihn zum Alleinerben in ihr Testament eingesetzt. – So die örtliche Zeitung.

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Das Kleingartenparadies

Meier-Brandt, seit kurzem Kriminalhauptkommissar, stand am schiefen Törchen der Parzelle 15 im Kleingartenparadies. Von Paradies konnte hier keine Rede sein: In der Laube lag eine Leiche. Um sie herum der ganze Aufwand des Ermittlungsteams. Meier-Brandt sah sie durch die offene Tür herumwuseln. In der Laube war es zwar schattig, aber entschieden stickiger als hier draußen. Da nahm er in Kauf, dass die Julisonne auf seine schütteren Haare knallte. Nach einer kurzen Tatortbesichtigung war er hierher geflüchtet. Um 10.30 Uhr hatte der Notarzt die Polizei verständigt. Er hatte Eric Bauer, dem Pächter dieses Gartens nicht mehr helfen können. Der Nachbar, der den Notarzt gerufen hatte, Friedrich Wüllberg, saß vor der Laube auf einer Bank, neben ihm Polizeiobermeister Jellen, der seine Aussage aufgenommen hatte. Der hatte auch die Namen der Leute, die die Notarztsirene aus ihren Gärten gelockt hatte, notiert, samt Parzellennummer und häuslicher Adresse. Meier-Brandt wartete auf den Leichenwagen, er wunderte sich, wie wenig Bäume es hier draußen gab, schade. Sobald alle verschwunden sind, würde er noch einmal in aller Ruhe den Tatort auf sich wirken lassen. Diesen Fall musste er klären, schnell. Er hatte ständig das beklemmende Gefühl, etwas beweisen zu müssen.

Meier-Brandt hatte alles, was Dienst hatte, um 14.00 Uhr im Konferenzraum versammelt. Es ging um die Aufgabenverteilung: „Um die Mutter kümmere ich mich, die Adresse liegt vor – Unterstraße 50. Wir müssen wissen, wo Eric Bauer beschäftigt war. Lutz, sie gehen noch mal zu Frau Ammermann von der Geschäftsstelle des Kleingartenparadieses, gleich vorn am Eingang. Sie wird inzwischen notiert haben, wer heute Morgen die Anlage betreten hat. Bringen sie auch die Liste aller Pächter mit. Und fragen sie nach, ob es vielleicht eine Videoüberwachung gibt.“ Lutz war Oberkommissar, einer der Adretten beim KK 11. „Und bitten sie Herrn Wüllberg, morgen früh hierher zu kommen.“ Meier-Brandt blickte in die Runde: „Wer hat Lust, Zeit im Kleingartenparadies zu verbringen? Jellen hat eine Liste der Neugierigen hergebracht. Zwei von euch sind da schon erforderlich.“ Das Wetter war gut und die beiden Anwärter machten sich gern auf den Weg. „Sind die Fotos inzwischen hier? Nein, dann werten wir sie morgen aus.“ Meier-Brandt hatte die Aufgaben verteilt, die schwerste war für ihn: der Besuch der Mutter von Eric Bauer.

Mittwochmorgen 9.00 Uhr. Konferenzraum, die Zweite. „Was haben wir? Ich war gestern am späten Nachmittag mit Frau Adele Bauer auf der Parzelle. Gestohlen wurde nach ihren Angaben nichts. Es gab auch nie etwas Wertvolles, das sich zu stehlen lohnte. Über die offenstehende Schublade am Schrank wunderte sie sich. Vielleicht eine Reparatur, die ihr Sohn sich vorgenommen hatte, das Ding hatte immer geklemmt. Daher vielleicht auch die Sägespäne am Boden. Ihre Nachbarn sind das Ehepaar Eberhard und Hildegard Schwarz und auf der anderen Seite Helmut und Ursel Berger, wohnen hier am Ort. Irmgard, Sie suchen bitte die Adressen heraus.“ Kollegin Irmgard war hochgeschreckt, eifrig nickte sie Meier-Brandt zu, der fortfuhr: „Ihr Sohn war nicht verheiratet, eiserner Junggeselle, hatte zurzeit keine Freundin, arbeitete bei der Telekom, Querstraße 100, als Fernmeldetechniker im Schichtdienst. Daher konnte er oft im Garten helfen, den sie beide gemeinsam gepachtet haben. Mit den Nachbarn kamen sie gut aus, Frau Schwarz war oft zu Besuch, ihr Mann nicht so oft, obwohl seine Schreinerei nicht gut ging. Die Nachbarn auf der anderen Seite waren ganz neu in der Anlage.“ Lutz hatte die Liste der Pächter und eine Kassette der Video-Kamera. Die Kamera wurde erst bei Dienstbeginn eingeschaltet. Vorher sicherte das eiserne Tor die Anlage. Frau Ammermann hatte zusätzlich angegeben, dass der Wagen von Frau Schwarz schon vor acht Uhr auf dem Parkplatz gestanden hatte. Die Video-Kassette ergab, dass neben einigen jungen Frauen nur drei Männer, nämlich Bauer – 8.10 Uhr, Wüllberg – 9.30 Uhr und Schwarz – 9.45 Uhr am Vormittag auf die Anlage gekommen waren. Von den Nachbarn hatte niemand etwas gesehen, außer dass Herr Schwarz sich mit der Hecke, die seine Parzelle von der Parzelle Bauer trennt, beschäftigt hatte, so das Ehepaar Müller. Genaues hatten sie nicht gesehen.

Weitere Befragungen ergaben: Herr Schwarz gab an, nicht auf der Anlage gewesen zu sein, legte eifrig seine Arbeitszettel vor, die belegten, wo er am Vormittag gewesen war. „Herr Schwarz, uns liegen die Video-Aufnahmen von gestern Morgen vor. Darauf sind sie eindeutig zu erkennen – 9.45 Uhr genau.“ Schwarz gab daraufhin zu: „Ich hatte eine kleine Reparatur zu machen und bin auf dem Weg von einer Besprechung zur nächsten Baustelle kurz in der Anlage gewesen. Eric, also Herrn Bauer, habe ich nicht getroffen.“ Nur kurz stimmt, laut Kamera war das bis 10.10 Uhr.