Mörder im Taxi - Trutz Hardo - E-Book

Mörder im Taxi E-Book

Trutz Hardo

0,0
4,90 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Trutz Hardo ist gern gesehener Gast in vielen Fernsehsendungen. So führte er Jörg Dräger in der Sendung 'Mysteries' zurück in eines seiner früheren Leben. Zuvor tat er Gleiches mit Margarete Schreinemakers. Ob in ORF, SAT1, RTL, VOX, Pro7 oder anderen Programmen, überall trat Trutz Hardo als Reinkarnations- und Rückführungstherapeut hervor. In diesem Buch fasst er seine spannendsten und erschütterndsten Erlebnisse zusammen, denn seine Fahrgäste haben ihm ihre tiefsten Erfahrungen anvertraut... Mörder im Taxi wird man bis zu seinem Ende nicht aus der Hand legen können.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 216

Veröffentlichungsjahr: 2016

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum:

© 2016 by Trutz Hardo

2. Auflage

Umschlaggrafik: T. Wolter (Berlin, pixabay.com)

Titelbild: © Trutz Hardo

Umschlaggestaltung, Korrektorat u. Satz:

Angelika Fleckenstein; spotsrock.de

Verlag: tredition GmbH Hamburg

ISBN:

978-3-7345-1255-1 (Paperback)

978-3-7345-1256-8 (Hardcover)

978-3-7345-1257-5 (eBook)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Trutz Hardo

Mörder im Taxi

Erlebnisse eines Taxifahrers

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Ein Mörder berichtet mir seinen Mord an einem Polizisten

Hatte ich einen Anschlag auf ein Asylantenwohnheim verhindert?

Fahren Sie auch Ausländer?

RIF, die Seife aus Judenknochen

Als Übersetzer auf dem Polizeirevier

Warum und wie ich Taxifahrer geworden bin

Bei der Notoperation assistiert

Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?

Deutschlands berühmteste Filmdiva als mein Fahrgast

Sogenannte „Zufälle” und „Zugefallenes”

Der Bettler als Glücksbringer

Die einen „Fehlschlag” verkündende Tarotkarte

Schwarze Magie am Nazigrab

Der verstorbene Vater als Heuschrecke

Berlin als El Dorado der Lust

Meine Fahrt zur Premiere in der Staatsoper 76

Der beinah tödliche Zauber

Das Bombenattentat im ‚La Belle‘

Wie man Betrunkene wieder aufweckt

Taxifahrten nach Ostberlin vor dem Fall der Mauer

Als die Mauer fiel

Der Tod im Taxi

Mein Fünfhundert-Mark-Trinkgeld

Zwei Tote verabschieden sich

Irreführende Straßenschilder

Brief eines Taxifahrers an den Bürgermeister Berlins

Saß der Taxifahrermörder in meinem Taxi?

Das Thailändische Horoskop

Silvester, die „Nacht der Nächte“

Eine Traumfahrt wird zur Alptraumfahrt

Auf den Trümmern den Glauben an Gott wiedergefunden

Mit dem Pendel die Wasserkreuzung aufgedeckt

Mit dem weltberühmten Geiger im Gespräch

Ich verfluche dich, Hitler!

Erlebnisse außerhalb des Körpers

Die abenteuerliche Flucht über die Grenze

Ist sie deine Geliebte?

Ihr Taxifahrer seid doch so richtige Versager

Letzte Worte

Die Tragik eines Rollstuhlfahrers

Aus Sibirien zurück

Gespräche mit Musikern

Ein verrückter Zechpreller

Der uneingelöste Schuldschein

Vorahnungen, die sich bestätigten

Die Fahrgäste als Anreger meiner kreativen Einfälle

Dem KZ entkommen

Erscheinungen von Verstorbenen

Das „ärmste Schwein der Welt“, die Beichte eines Massenmörders

Vorwort

In diesem Buch präsentiere ich den LeserInnen eine Auswahl meiner Abenteuer als Taxifahrer in der Weltstadt Berlin. Diese Erlebnisse möchte ich nicht chronologisch oder – von wenigen Ausnahmen abgesehen – rubriziert hier vorstellen, sondern sie als ebenso gemischt und abwechselnd darbieten, wie sie mir begegnet waren. So konnte es passieren, dass ich am gleichen Tag mit einem blinden Pfarrer über letzte Dinge sprach und schon bei dem nächsten Fahrgast dessen Beichte als Mörder zu Ohren bekam. Eben dieses Abenteuerliche am Taxifahren hat mich besonders an diesem Beruf gereizt, denn man wusste nie, wohin welche Touren führten und mit wem man sich unterhielt und somit oft Hochinteressantes oder sogar Brisantes erfuhr.

Da ich nun von Kind auf ein sehr unstetes und abenteuerliches Leben geführt hatte – besuchte ich doch als Halbwaise und Flüchtlingskind 10 verschiedene Schulen und 8 Internate und trampte späterhin zirka zehn Jahre lang um die Welt und in der Welt herum –, bot sich mir der Beruf als Taxifahrer geradezu als ideale Lösung an, denn hier befand ich mich weiterhin in „Bewegung“ und konnte überraschenden Abenteuern begegnen. Und zumal ich als Autor und Verleger oft tagelang am Schreibtisch zu sitzen hatte, wurde die Aussicht, am nächsten Wochenende wieder in der Taxe durch Berlin zu fahren, zur richtigen Vorfreude. Ja, in all den vierzehn Jahren meines Taxifahrens habe ich mich jedesmal auf meinen nächsten Einsatz gefreut.

Oft habe ich mit Fahrgästen derart interessante Gespräche geführt, dass wir, am Fahrziel angekommen, manchmal noch bei abgeschalteter Uhr bis zu zwanzig Minuten lang im Wagen saßen, um uns weiterhin zu unterhalten. Nach „buchenswerten“ Unterhaltungen habe ich mir am nächsten Halteplatz über das geführte Gespräch Notizen gemacht, die als Vorlage für dieses Buch dienten.

Mir geht es nicht darum, über die hier geschilderten Ereignisse oder die betreffenden Personen zu richten. Ich stelle solche Berichte oft kommentarlos so dar, wie sie sich in meiner Erinnerung zugetragen haben. Da ich einen Hang zum Übersinnlichen habe, ergaben sich ganz natürlich oft Gespräche, die sich auf eine solche Thematik bezogen. Ich hoffe aber, dass für jede Leserin und für jeden Leser vieles in diesem Buch zu finden ist, was gerade sie oder ihn im Besonderen anspricht. Denn die Gespräche mit meinen Fahrgästen dürften oft ein Spiegel sein, in welchem man sich selbst oder andere wiedererkennt. Es versteht sich, dass die meisten Namen verändert wiedergegeben werden, um die Anonymität der Personen und ihres Wohnortes zu wahren.

Ein Mörder berichtet mir seinen Mord an einem Polizisten

Es ist nachts, 11.25 Uhr. Soeben hatte ich zwei Türken in die Köpenicker Straße im hintersten Kreuzberg gebracht. Als ich an der Taxihaltestelle „Schlesisches Tor“ vorbeifahre, sehe ich dort fünf leere Taxen stehen. Mich als sechste Taxe dahinterzustellen, ist zu riskant, denn es könnte bedeuten, dass ich eine halbe bis eine Stunde dort warten müsste, bis ich wieder eine „Fuhre“ bekomme. Also entscheide ich mich, zur nächsten nahen „Taxihalte“ am Kottbusser Tor zu fahren. Dort stehen vielleicht „nur“ zehn Taxen hintereinander, doch mussman meist nicht lange warten, da dort durch Funkaufträge durch „Säule“ (Telephonapparat in einer runden graun, etwa 2 m hohen Säule, die bei Anruf oben ein Licht kreisen lässt und zudem einen Piep-Ton in der Taxe auslöst) oder einsteigende Gäste die Taxifahrer schnell wieder beschäftigt werden.

Auf dem Wege dorthin, durch die Skalitzerstraße fahrend, winkt mir ein etwa fünfzigjähriger Mann zu. Als er hinten eingestiegen war, betrachtete ich ihn mir, da ich das hinten befindliche Licht immer für einsteigende Gäste anschalte, um zu sehen, „wer“ einsteigt. Der Mann war offensichtlich angetrunken. Seine Nase war wie die eines Boxers flach und ein Auge war blau angelaufen. Er nannte mir sein Fahrziel in der Innenstadt.

„Sie waren vor kurzem noch in eine Schlägerei verwickelt, nicht wahr?“

„Dem ‚Jugo‘ (Jugoslawen) habe ich die Fresse zerschlagen. Der hat sich doch tatsächlich an meine ‚Puppe‘ (Freundin) rangemacht und sie geknutscht.“

„Und? Ist die Polizei alarmiert worden?“

„Der Drecksack ist gleich abgehauen. War auch besser so. Sonst hätte ich ihn vielleicht ebenfalls umgebracht, diesen ‚Wichser‘.“

„Wie, Sie haben schon jemanden umgebracht? Erzählen Sie?“

„Willst’d wirklich wissen, wen ich umgebracht habe?“

„Ja, erzählen Sie.“

„Ich hab’ einen Polizisten erschlagen.“

„Und wie viele Jahre waren Sie dafür im ‚Bau‘?“

„Ich hab‘ ihn einfach verschwinden lassen. Niemand weiß, was aus ihm geworden ist. Niemand weiß, dass er umgebracht wurde.“

„Wirklich? Wie haben Sie das denn gemacht?“

„Willst’d wirklich die Geschichte wissen?“

„Ja, klar.“

„Ich hab‘ sie noch keinem erzählt. Du bist der erste. In den siebziger Jahren waren in Griechenland die ‚Juntas‘ (Militärjunta) an der Macht. Das Militär und die Polizisten machten, was sie wollten. Ich bin zu meinem Freund nach Kreta gefahren …“

„Kreta kenne ich gut, ich habe dort viele Winter verbracht. Wo wohnte denn dein Freund?“

„In X.., an der Südküste.“

„Den Ort kenne ich ebenfalls.“

„Mein Freund ist Grieche. Er hat dort ein Restaurant. Der Polizist stammte vom Festland und langweilte sich dort zu Tode, war ein aufgeblasenes Schwein. Jawohl. Der ging immer in jede Kneipe oder Taverne und verlangte Ouzo, Retsina oder Kaffee, ohne zu bezahlen. Zu meinem Freund kam der Großkotz und bestellte die teuersten Gerichte – und bezahlte nie, dieses Schwein. Jeder im Ort fürchtete sich vor diesem Dreckskerl. Oft war er betrunken. Mein Freund klagte mir oft sein Leid. Er hatte eine Riesenwut im Bauch. Er sagte, er würde ihn am liebsten umbringen. ‚Dann bringe ihn doch um‘, sagte ich. Aber er ist ein Feigling. Jeder im Ort würde sich freuen, wenn dieses Schwein umgebracht würde. Ich sagte zu meinem Freund: ‚Wenn der Saukerl heute wieder kommt und bestellt sein Essen, dann sagst du ihm: ‚Ab heute wird bezahlt!‘ – Du musst mit ihm energisch sein. Wenn ihr euch alle duckt, macht er mit euch, was er will. ‚Versprichst du mir, dass du ihm nachher sagst, dass er bezahlen soll? Ich stehe dir bei, wenn er herumpoltern sollte.‘

Dann kam dieser Protz, dick und fett. Als er sich gesetzt hatte, rief er meinen Freund und bestellte Wein und Essen. Ich schubste meinen Freund an und flüsterte ihm zu: ‚Jetzt sag ihm, dass er aber von jetzt an immer bezahlen muss!‘ Mein Freund hatte Schiss in der Hose. Aber als er ihm das gesagt hatte, schnellte das betrunkene Schwein hoch, zog seine Pistole und schoss fluchend und grölend auf ihn. Aber er schoss daneben und mein Freund konnte sich schnell zurückziehen.

Ich saß am Nebentisch und schwor mir: Dieses Schwein bringe ich um. Der hat nichts Besseres verdient.

In den folgenden Tagen überlegte ich mir, wie ich ihn wohl beseitigen könnte. Wenn man den Ort in östlicher Richtung an der Küste entlang verlässt, kommt man an eine Stelle, wo eine steile Klippe direkt zum Meer hinuntergeht. Die Wellen kommen direkt an diese Klippe, (Ich kannte diesen steilen Abhang ganz genau und wusste, dass er diese Fakten richtig wiedergab). Und ich wusste, dort muss ich ihn hinunter werfen. Die Wellen werden seine Leiche hinausspülen und vielleicht fressen ihn die Fische, sodass er einfach verschwunden sein wird. Ich legte mir oben über der Klippe am Rande des schmalen Pfades einen größeren Stein zurecht, mit dem ich dieses Schwein totschlagen wollte.“

„Und wie hast du den Polizisten dorthin gelockt?“

„Ich habe ihm am Abend gesagt: ‚Dort hinten in einer Bucht liegt eine Leiche. Ich zeige sie Ihnen.‘ Es war schon dunkel. Er ging voraus. Als wir auf dem schmalen Weg oberhalb der Klippe waren, hab‘ ich den Stein aufgehoben und ihn auf seinen Kopf geschlagen. Er ist gleich umgekippt. Ich warf den Fettsack dann in das Meer hinunter.“

„War er denn schon gleich tot?“

„Weiß ich nicht. Aber sein Körper ist zuerst auf einen Fels aufgeschlagen. Das wird er nicht überlebt haben. Dann sackte er in das Wasser.“

„Und niemand hatte erfahren, was geschehen war?“

„Niemand. Ein ganzer Suchtrupp von Polizisten hat nach ihm Ausschau gehalten. Wir wurden alle verhört. Doch hatte auch niemand uns beide zusammen gesehen. Sein Leichnam ist nie gefunden worden. Dieses Schwein hab‘ ich fertig gemacht.“

„Bereust du nicht deine Tat?“

„Ja, es ist nicht so leicht, mit diesem Mord umzugehen. Aber es tröstet mich auch wiederum, dass jener Polizist ein solches Schwein war und dass ihn ein gerechtes Schicksal ereilt hatte.“

„Würdest du eine gleiche Tat nochmals begehen?“

„Ja, ich glaube, solch ein Schwein würde ich nochmal umbringen. Er hätte nichts anderes verdient gehabt.“

Hinter mir saß ein wirklicher Mörder, der mir eine Mordtat gebeichtet hatte. Sollte ich, nachdem er ausgestiegen war, die Polizei alarmieren? Taxifahrer sind oft die Beichtväter der Nation. Sie sind für den Beichtenden anonym, und während einer Taxifahrt ergibt sich oft die beste Gelegenheit, sein Herz von einer schweren Last zu erleichtern. Ich habe nicht die Polizei verständigt, weil diese Mordtat lange zurücklag und auch im Ausland geschehen war. Oder hätte ich doch die Polizei verständigen sollen, wie im folgenden Fall?

Hatte ich einen Anschlag auf ein Asylantenwohnheim verhindert?

Nach dem Fall der Mauer hatten sich in den neuen Bundesgebieten rechtsradikale Gruppen gebildet, die sich oft weniger an der Nazivergangenheit berauschten, als dass sie ihre Aggressionen vernehmlich an Ausländern ausließen. Die Ausschreitungen gegen Ausländer in den alten Bundesländern wie in Mölln und Solingen fanden auch in Brandenburg ihre Gegenstücke, sodass viele in Deutschland befindliche Ausländer, selbst wenn sie hier geboren waren, jene rechtsradikalen Anfeindungen und Angriffe befürchteten. In Berlin gab es auch ausländische Jugendgruppen, die sich gegen solche Angriffe zu wehren suchten, wobei es oftmals zu regelrechten Schlachten kam.

Und oft hatte ich lederjackenbekleidete Skinheads oder Rechtsradikale in der Taxe, die ausländerfeindliche Parolen von sich gaben oder z.B. sagten: „Endlich mal eine Taxe ohne Kanaken am Steuer. Mit solchen fahren wir nämlich nicht. Die sollen dort bleiben, wo sie herkommen. Die nehmen uns die Arbeit weg.“

Und wenn ich mal etwas zugunsten der Ausländer sagte, dann wurde das als Provokation aufgefasst, und einmal – es war am Baumschulenweg in Treptow – wäre eine Gang von drei Rechtsradikalen beinahe auf mich losgegangen. Ich bin immer froh, wenn solche Kerle wieder ausgestiegen sind.

In der Yorckstraße steigt zu später Stunde ein junger und, wie es sich herausstellte, betrunkener Mann ein. Als Ziel gibt er die „Hasenheide“ in Neukölln an. Er macht irgendeine abfällige Bemerkung über Ausländer, und er fügt hinzu: „Morgen kannst du was in der Zeitung lesen. Heute Nacht wird ein Asylantenheim angezündet.“

„Woher weißt du das?“

„Gestern Abend haben wir den Plan ausgeheckt. Heute Nacht um 2 wird das Asylantenheim in Erkner angezündet.“

„Warum bist du jetzt hier und nicht dort dabei?“

„Ich muss in die Stadt. Ich wäre dort sonst der erste Verdächtige. Ich hab‘ schon zuviel gegen Ausländer unternommen. Ich kann leider nicht dabei sein.“

Wie war es möglich, dass er mir diesen Plan verriet? Sicher, er war alkoholisiert. Hatte eine unsichtbare Kraft ihn dazu gezwungen, mir den geplanten Anschlag zu verraten? Wie dem auch sei, nachdem ich ausgestiegen war, parkte ich meinen Wagen am Hermannplatz und verständigte per Telefon die Polizei, indem ich all das, was ich erfahren hatte, weitergab. Noch waren es zwei Stunden vor dem geplanten Anschlag.

Ich könnte mir denken, dass die Polizei mit Blaulicht dort vorgefahren ist, und dadurch die ‚Attentäter‘ von ihrem Vorhaben abgeschreckt haben dürfte. Auf jeden Fall war nächsten bzw. übernächsten Tags nichts über einen geplanten oder vereitelten Asylantenheimvorfall in den Zeitungen zu lesen.

Aber da wir gerade schon beim Thema sind, möchte ich noch zwei diesbezügliche Ereignisse schildern.

Fahren Sie auch Ausländer?

Im Februar 1993 stieg am Hermannplatz eine etwa fünfzigjährige Frau ein, nachdem sie sich vorerst erkundigte, ob ich auch ‚Ausländer‘ mitnehme.

„Ja selbstverständlich!“

Als sie hinten Platz genommen hatte, fragte ich sie, warum sie denn gefragt habe, ob ich Ausländer mitnähme. Worauf sie, die sich mir als Jugoslawin zu erkennen gab, entgegnete: „Ich habe es schon öfter erlebt, dass Taxifahrer sich geweigert haben, mich mitzunehmen. Einer hatte sogar gesagt, warum ich in Deutschland den Deutschen den Arbeitsplatz wegnehme. Ich habe Angst vor Taxifahrern. Doch wenn ein Taxifahrer nett zu mir ist, dann zahle ich für meine Fahrt in den Wedding 50 Mark.“

Ich entgegnete ihr, dass ich mir nur schwer vorstellen könnte, dass ein Taxifahrer sich weigern sollte, eine nicht betrunkene Person besonders für eine solch lange Tour nicht chauffieren zu wollen. Und ich sagte weiterhin, dass ich auf keinen Fall ein extra Trinkgeld annehmen möchte.

Ich bin besonders ausländerfreundlich, habe ich doch 12 Jahre meines Lebens im Ausland verbracht und war überall als „Fremder“ gern gesehen und freundlich behandelt worden. Und da ich von meinen vielen Reisen her weiß, wie es einem in einem fremden Land oft zumute ist, bin ich sogar besonders hilfreich, wovon die übernächste Geschichte ein Beispiel geben wird.

Als wir in Wedding ankamen, betrug der auf der Uhr angezeigte Fahrpreis noch weniger als 30 Mark. Sie, die einen Pelzmantel trug und mir erzählte, dass ihr Mann ein Geschäft in Berlin führe, reichte mir 50 Mark. Als ich herausgeben wollte, wies sie mein Vorhaben zurück. „Nein, nein. Sie behalten den Rest. Sie waren sehr nett. Und wie ich Ihnen sagte, gebe ich für diese Fahrt allen netten Taxifahrern 50 Mark.“

Sollten wirklich viele deutsche Taxifahrer sich Ausländern gegenüber feindlich verhalten? Das war mir unvorstellbar. Wenn jedoch viele AusländerInnen gleiche Erfahrungen mit ausländerfeindlichen Taxifahrern gemacht haben sollten, dann würden viele der AusländerInnen sicherlich lieber die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen als Taxis, und dem Taxigewerbe würden dadurch viele „Fuhren“ entgehen.

Doch nun will ich ein krasses Gegenstück erzählen.

RIF, die Seife aus Judenknochen

Drei Wochen später – ich stehe als erster Wagen vor der „Gutschmidt-Halte“ – wird meine Haltestelle angesprochen mit der Frage „Sind Sie Deutscher?“ Solch eine Frage hört man von der Vermittlung äußerst selten. Öfter wird ein Nichtrauchertaxi oder Rauchertaxi, eine Kombitaxe oder ein Taxi angefordert, dessen Fahrer hundert Mark wechseln kann oder für jemand einen Einkauf tätigen soll. Es ist schon selten, dass jemand eine Taxifahrerin und nicht einen Taxifahrer bestellt oder jemand mit besonderen Sprachkenntnissen anfordert. Aber dass ein „Deutscher“ verlangt wird, ist äußerst selten und lässt die herabsetzenden Kommentare der Taxikollegen per Funk nicht nur von ausländischen Kollegen laut werden. Da ich schon lange gewartet hatte, nahm ich den Auftrag an, wohl wissend, dass ich aus der in der Gropiusstadt befindlichen Kneipe einen „Republikaner“ einladen werde. Ich nehme grundsätzlich alle Leute mit, mit der einzigen Voraussetzung, dass sie nicht volltrunken sind und nicht zur Taxe angetorkelt kommen. Aber darüber später noch mehr.

Es steigt ein korpulenter Mann ein, der wohl schon die Sechzig überschritten haben mag. „Sie sind doch Deutscher?“ Ich bejahe. „Nun gut, dann fahren Sie mich in die Niemetzstraße nach Neukölln. Ich hatte Ihrer Taxivermittlung gesagt, dass ich nur einen deutschen Fahrer haben will. Das Fräulein wollte erst den Auftrag nicht annehmen. Aber ich sagte, dass ich dem Taxifahrer 50 Mark Trinkgeld geben werde. Dann hat sie den Auftrag an Sie weitervermittelt. Ich gebe Ihnen nachher 50 Mark Trinkgeld – wie versprochen. Vorhin hatte ich ebenfalls ein Taxi bestellt. Als ich aus der Kneipe herauskam, erblickte ich einen schwarzen Mann am Steuer. Ich denke: ‚Ich seh nicht recht.‘ Ich fragte ihn: ‚Woher kommst du?‘ Er antwortet: ‚Aus Ghana.‘ Ich sagte: ‚Geh zurück in dein Land. Hier hast du 5 Mark für die Fahrt. Aber mit dir fahr‘ ich nicht.‘ Dann bestellte ich bei einer Funktaxivermittlung eine Taxe mit einem deutschen Fahrer. Aber das Fräulein legte gleich wieder auf. Na, beim dritten Mal hat‘s endlich geklappt.“

Der leicht angetrunkene Mann erzählte mir, dass er jetzt pensionierter Versicherungsmann sei und heute eine monatliche Rente von über 10.000 Mark beziehe. Er bekannte, dass er spielsüchtig sei und schon eine Entziehungskur hinter sich habe. Wie ich schon vermutete, war er „Republikaner“, der auf keinen Fall gewillt sei, irgendwelche Ausländer zu unterstützen. „Schaun Sie, 100.000 Ärzte sind arbeitslos. Die SPD und CDU lassen viel zu viele Ausländer ins Land. Ich mache mit Ihnen eine Wette, dass bis zu meinem Tod die Republikaner die Regierung in Deutschland bilden.“

Er zündete sich eine Zigarette an. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass er in einer „NICHTRAU-CHERTAXE“ sitze.

„Aber wenn ich Ihnen ein Trinkgeld von 50 Mark gebe, dann kann ich doch sicher in Ihrem Taxi rauchen?“

Was sollte ich dagegen einwenden.

Und schon schien er als Nochimmer-Nazi bei einem seiner Lieblingsthemen angekommen zu sein.

„Hitler wollte ja die Juden nicht vernichten. Er wollte sie ausweisen. Aber die Ausländer wollten sie ja nicht. Die haben sie sogar zurückgeschickt.“

Und ich dachte: Dieses Charakter-Schwein gibt jetzt auch noch den Ausländern die Schuld am Völkermord der Juden.

Er erzählte mir aus seiner Jugend als Hitlerjunge in den letzten Kriegsjahren. Ich fragte ihn: „Haben Sie damals von der Judenvergasung gewusst?“

„Aber natürlich. Wir alle wussten davon. Vielleicht gab es einige, die nichts wissen wollten. Aber wir in der Hitlerjugend wussten alle Bescheid. Das war kein Geheimnis. Wir wuschen uns damals mit einer bräunlichen Kernseife. Die hieß „RIF“. Wir wussten, dass sie aus Judenknochen hergestellt war, und dass RIF bedeutete: ‚Ruhet in Frieden‘. Wir alle haben uns mit dieser Judenkernseife gewaschen. Wir wussten alle Bescheid.“

Nach allem, was ich bei meinen historischen Recherchen für meinen vierbändigen Farbroman herausfinden konnte, wurden Knochen der vergasten Juden nie für die Seifenherstellung verwendet. Jedoch ist hier der Umstand von erschreckender Bedeutung, dass Jugendliche von dieser Möglichkeit überzeugt waren, beziehungsweise also ein mögliches Gerücht als Tatsache wie etwas Selbstverständliches in ihr nationalsozialistisches Denken integriert wurde. Vielleicht meinte RIF etwas ganz anderes, obwohl solch eine Namensgebung ganz der Perfidie vieler SS-ler entsprochen haben könnte.

Am Fahrziel angekommen, zahlte er erst die Fahrgebühr von ca. 20 Mark, und dann drückte er mir tatsächlich 50 Mark in die Hand. „Das ist für Sie. Nein, mit einem Nigger fahre ich in keiner Taxe.“

Ich wünschte so manchem deutschen Schriftstellerkollegen, dem nichts mehr zum Schreiben einfallen sollte, Taxifahrer zu werden. Er hätte mehr als genügend Stoff aus erster Hand.

Als Übersetzer auf dem Polizeirevier

Diese nun zu schildernde Begebenheit hat mich ähnlich wie das soeben berichtete Ereignis tief beschämt, ein Deutscher zu sein.

An einem Freitagabend gegen 19 Uhr erhielt ich an der „Theo-Halte“ (Theodor-Heuss-Platz) den Funkauftrag, zu einem Hotel in der Heerstraße zu fahren und auf dessem Hof den Fahrgast in Empfang zu nehmen.

Dort stieg ein etwa sechzigjähriger Ausländer ein und zeigte mir auf einem Zettel das Fahrziel: Polizeirevier, Gallwitzallee, Lankwitz. Da er englisch sprach, fragte ich ihn, warum er dorthinfahren wolle. Er war sehr nervös und erzählte mir nun folgendes:

„Meine Frau hat mich soeben von dort angerufen. Ich solle sofort kommen und sie aus der Zelle befreien.“

„Weshalb ist sie denn eingesperrt?“

„Ich weiß es auch nicht genau. Sie sagte, man habe sie beschuldigt, etwas gestohlen zu haben. Wie Sie wissen müssen, bin ich Professor der Medizin aus Kairo. Im ICC findet zurzeit ein großer Medizinerkongress statt. Hier treffe ich wieder viele Kollegen aus aller Welt, und wir tauschen unsere Erfahrungen aus. Heute Nachmittag hielt ich einen Vortrag. Meine Frau wollte aber noch im X einkaufen. Denn heute Abend findet ein großer Ball statt und sie wollte sich noch ein Kleid aussuchen. Ich gab ihr das Geld. Sie wollte um sechs wieder zurück im Hotel sein. Wie Sie sehen, hatte ich mich schon umgekleidet. Ich wartete und wartete. Ich machte mir schon Sorgen, dass ihr etwas passiert sein könnte. Dann kam ihr Anruf. Sie hatte schrecklich geweint. Sie beteuerte mir, dass sie unschuldig sei. Meine Frau hat noch nie in ihrem Leben etwas gestohlen. Sie ist in unserem Land eine der am höchsten bezahlten Bibliothekarinnen. Wir sind reich. Ich fahre in Kairo einen Mercedes. Meine Frau hat keinen Grund, etwas zu stehlen. Ich habe ihr für den heutigen Nachmittag über 1.000 Mark zum Einkaufen mitgegeben. Wir sind zum ersten Mal in Deutschland. Ich hatte mich so darauf gefreut, endlich mal nach Berlin zu kommen.“

Ich vertröstete ihn und meinte, dass sicherlich ein Missverständnis vorliege, ich aber – so er möchte – gerne mit auf die Polizeistation käme, um ihm behilflich zu sein und auch zu übersetzen.

Er nahm mein Angebot dankend an.

Ich parkte die Taxe vor dem Eingang des Polizeireviers und begleitete meinen Fahrgast in das Gebäude. Nachdem wir unser Anliegen vorgebracht – ich stellte mich als Übersetzer des Ägypters vor – und uns ausgewiesen hatten, wurden wir in einen angrenzenden Flur neben der Amtsstube gebracht, wo uns bedeutet wurde zu warten.

Bald darauf brachte eine Polizistin die Frau des Professors in unseren Flur. Ihr Gesicht war ganz verweint. Sie umarmten sich kurz, und ich wurde ihr als Taxifahrer und Übersetzer vorgestellt. Sie begann nun, ihrem Mann den Vorgang auf Arabisch zu berichten, doch bat ich sie, Englisch zu sprechen, damit ich die Einzelheiten mitbekommen konnte, um später der anwesenden Polizei den Sachverhalt darlegen zu können.

Wie sie angab, hatte sie sich in jenem berühmten Kaufhaus schon ein Kleid ausgesucht. Dann entdeckte sie eine Bluse, für die sie sich ebenfalls entschied. Auf dem Wege zur Kasse kam sie an einer Auslage vorbei, in welcher für die Damen Zierblumen aus Draht und Papier für 9,80 Mark das Stück angeboten wurden. Sie wählte unter diesen sich eine aus, die sie sich am heutigen Abend auf der Brusthöhe des Kleides anbringen wollte. Während sie an der Kasse anstand, war sie im Zweifel, ob so eine Papierblume eigentlich passen würde, und entschied sich, diese doch nicht zu bezahlen und sie nachher wieder in jene Auslage zurückzulegen.

Nachdem sie das Kleid und die Bluse bezahlt hatte, wollte sie zu jener Auslage zurückgehen, wurde aber von einem anderen Tisch mit Utensilien angezogen, hinter dem sich ein weiterer Tisch mit anderen Dingen befand, die ihr Interesse auf sich zogen. Somit hatte sie sich schon einige Meter von der Kasse entfernt, als ein junger Herr auf sie zukam, ihr eine Ausweiskarte vorhielt und sie bat, mit in einen Hinterraum zu kommen. Sie hatte ihn fragen wollen, wieso sie mitkommen solle. Doch er sprach kein englisch oder wollte ihr auch nicht antworten.

In ihrem Beisein wurden im Büro der Abteilungschefin die Tüten untersucht – sie hatte vorher noch andere Gegenstände eingekauft – und deren Inhalt mit den Rechnungen – insgesamt über 1.000 Mark – verglichen. Doch man fand, dass alles ordentlich bezahlt war bis auf jene Papierdekorationsblume im Wert von 9,80 Mark. Man fragte sie, warum sie diese nicht bezahlt hätte, und sie erklärte, dass sie diese wieder zurück zur Auslage zu bringen beabsichtigte. Man wollte ihr keinen Glauben schenken, zumal man ihr unterstellte, sie habe das Preisetikett an der Zierblume wissentlich schon entfernt. Man habe ihr gesagt, dass man leider die Polizei verständigen müsse und sie sich jetzt zu gedulden habe, bis jene gekommen sei. Sie habe versucht, ihren Mann anzurufen, aber er war noch nicht auf seinem Hotelzimmer.

Schließlich seien zwei Polizisten gekommen und hätten sie wie eine Verbrecherin durch einen Hinterausgang zu einem vergitterten Mannschaftswagen gebracht, sie in den Hinterraum einsteigen lassen, die Türen verschlossen und sie nach weiter Fahrt durch die Stadt bis hierher gebracht.

Ich tröstete sie und versicherte ihr, dass dies ja nur eine Bagatellsache sei – und ob schuldig oder nicht – sie sicherlich gleich entlassen werden würde, nachdem ich ihren Fall jetzt den Polizisten zu Protokoll geben würde. Die Darstellung ihrer Sicht der Dinge wurde durch meine Übersetzung – ich hatte der Polizei auch rechtmäßig versichert, dass ich früher Englischlehrer am Gymnasium war – zu Protokoll genommen, während Zwischenfragen gestellt wurden und auch der Professor mir immer wieder auftrug, der Polizei zu sagen, dass seine Frau unschuldig sei, dass sie noch nie gestohlen habe, dass sie eine der höchstbezahlten Beamtinnen seines Landes sei.

Die Polizisten waren verhalten freundlich. Und der Professor ließ durch mich fragen, ob er jetzt seine Frau mitnehmen könnte, da der Ball schon begonnen habe und ihre Freunde auf sie warteten. Doch man antwortete, dass, da es sich um eine Anzeige wegen Diebstahls handele, der Fall vor einen Richter gebracht werden müsse. Man habe schon herumtelephoniert, aber es sei keiner der für solche Notfälle vorgesehenen Richter zu erreichen gewesen. Sie müsse leider bis zum nächsten Tag auf der Polizeistation bleiben.