Mörderisches Bonn - Andreas J. Schulte - E-Book

Mörderisches Bonn E-Book

Andreas J. Schulte

4,7

Beschreibung

Ein Profikiller hat Probleme vor einer Grundschulklasse seinen Beruf zu erklären. Eine Rentnerin findet beim Spaziergang am Rhein Beethoven tot im Wasser. Ein paar ältere Damen gründen ein Start-up und wollen an die Börse, ihr Geschäftszweig: Auftragsmorde. Mit viel Humor und Spannung sorgt Krimiautor Andreas J. Schulte für elf Kriminalfälle in Bonn und Umgebung. Nebenbei präsentiert er 125 Freizeittipps für die Stadt und die Region zwischen Siebengebirge, Drachenfels, Godesburg und Kottenforst.

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Andreas J. Schulte

Mörderisches Bonn

11 Krimis und 125 Freizeittipps

Impressum

Dieses Buch wurde vermittelt durch die Literaturagentur Lesen & Hören 8261

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG („Text und Data Mining“) zu gewinnen, ist untersagt.

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2017 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Dominika Sobecki

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © dihetbo / Fotolia.com und © Valentyna Chukhlyebova / shutterstock.com

ISBN 978-3-8392-5368-7

Widmung

Für Tine. In Erinnerung an unseren persönlichen Glücksmoment unter der Regina-Pacis-Statue im Hofgarten.

Karte

Vorwort

»Das ist jetzt deine Stadt.«

Immer wenn ich über die Autobahnbrücke der A 562 fahre, muss ich an diesen einen Satz denken. Ich war gerade nach Bonn umgezogen und fuhr mit einer Freundin über den Rhein. Auf der einen Seite das Siebengebirge und das Rheinpanorama, auf der anderen Seite die CDU-Zentrale und das Abgeordnetenhochhaus des Deutschen Bundestages.

Ich konnte es damals noch gar nicht richtig fassen, dass ich nicht mehr im Ruhrgebiet, sondern in der Bundeshauptstadt lebte, studierte und als Journalist arbeitete.

»Das ist jetzt deine Stadt.«

Zwölf Jahre lang war Bonn das tatsächlich für mich. In diesen zwölf Jahren arbeitete ich in Bonn, Bad Godesberg und Meckenheim als Radio-Journalist und PR-Berater. Knapp vier Jahre davon lebte ich im Stadtteil Lannesdorf, Blick auf den Drachenfels inklusive. 1988 bis 1992, das war die spannende Zeit, in der das Ende der mehr als 40-jährigen Bonner Ära eingeleitet wurde. Man traf noch genug Zeitzeugen, die sich gut daran erinnerten, dass die Bundeshauptstadt Bonn zunächst mal als Provisorium angesehen wurde, weil man ja doch innerhalb einer Dekade wieder nach Berlin gehen würde. Doch dann kam es ganz anders. Und so richtete man sich ebendoch in Bonn ein. Im Vergleich zu Berlin hat sich Bonn tatsächlich eine gewisse rheinische Beschaulichkeit bewahrt. Im Regierungsviertel konnte man die wichtigsten Punkte leicht zu Fuß erreichen. Ja, man war sogar gut beraten, zu Fuß unterwegs zu sein, denn die Parkplatzsituation war hier alles andere als günstig.

Kurz: Der oft gehörte Ausspruch vom »Bundesdorf« Bonn hatte in gewisser Weise schon seine Berechtigung.

Heute, mehr als 20 Jahre später, hat sich vieles in Bonn verändert. Die Vereinten Nationen und der Post-Tower haben die Stelle von Abgeordnetenhochhaus und CDU-Parteizentrale übernommen.

Wenn ich aber bei einem Bonn-Besuch über den Marktplatz schlendere oder mich mit Krimi-Kollegen und -Kolleginnen zum Syndikats-Stammtisch treffe, dann ist das alte »Bonn-Gefühl« wieder da. Nur, dass man eben doch nicht mehr als Student durch den Hofgarten läuft. Da gibt es jetzt andere, die sich hier auf dem Rasen sonnen oder noch schnell ein Seminar vorbereiten.

Für diese elf Kurzgeschichten habe ich Bonn neu für mich entdeckt, habe Orte kennengelernt, die ich aus meiner Bonner Zeit noch gar nicht kannte.

Vielleicht geht es Ihnen beim Lesen ja auch so, dass Sie Lust bekommen, Bonn am Rhein für sich zu entdecken. Völlig zu Unrecht hat mal ein US-Korrespondent behauptet: »Das Beste an Bonn ist, dass man in vier Stunden in Paris sein kann.«

Glauben Sie davon kein Wort. Ein Besuch in Bonn lohnt sich, denn bei allen Veränderungen ist es doch immer noch eine spannende Stadt geblieben.

Und sie wird immer auch ein kleines bisschen »meine Stadt« bleiben.

Ihr

Andreas J. Schulte

Bonn modern: Shopping und Stadtführungen

Es macht Spaß, in Bonn einkaufen zu gehen. Eine Zeit lang galt dabei sogar die Kaufhauskette mit den zwei Buchstaben, die böse Zungen mit »Charme und Anmut« übersetzen, als Geheimtipp für günstige Herrenanzüge. Möglicherweise, weil es im politischen Bonn genug Abnehmer gab, die danach verlangten.

Aber auch, wenn Sie keinen Anzug kaufen möchten, kommen Sie in der Innenstadt auf Ihre Kosten. Neben den Ketten, die man in jeder deutschen Großstadt findet, gibt es noch eine ganze Reihe kleinerer Geschäfte. Sei es der Schuster, der Ihnen maßgeschneiderte Schuhe anfertigt, oder der Hutladen mit seiner riesigen Auswahl an Kopfbedeckungen. Heimlicher Favorit in unserer Familie ist die Zweigstelle des Werksverkaufs eines bekannten Gummibärchen-Produzenten geworden.

Aber man sollte sich da nicht ganz satt essen, das wäre schade, denn in Bonn gibt es eine Fülle von Restaurants, ob nun jahrhundertealt, asiatisch, vietnamesisch, russisch oder modern mit Veggie-Burgern auf der Karte. Wer hier nicht etwas nach seinem Geschmack findet, dem ist nicht zu helfen.

Übrigens: Bleibt Ihnen nur wenig Zeit, um selbst auf Entdeckungstour zu gehen, empfehle ich Ihnen eine der zahlreichen Stadtführungen. Auch hier haben Sie die Qual der Wahl. Es gibt Themenrundgänge, Fahrten im Cabriobus, Führungen per Rad oder Führungen, die das Umland einschließen.

Informationen erhalten Sie unter anderem bei:

Tourismus & Congress GmbH

Platz der Vereinten Nationen 2

53113 Bonn

Tel. 0228/910410

www.bonn-region.de

oder bei der

Bonn-Information

Windeckstraße 1

53111 Bonn

Tel. 0228/775000

www.bonn.de

Und Hopp AG

»Götz! Sie haben doch Erfahrung mit Wirtschaftsthemen? Sie wissen schon, Umsatz, Rendite, Net-Cash, Dividenden und so was?«

Chefredakteur Claus Ambrosius Keller, von allen nur kurz CA genannt – kein Wunder bei den Vornamen – wippte ungeduldig vor Götz Bertrams Schreibtisch auf den Fußballen.

Als Chefredakteur stand er praktisch kraft seines Amtes unter Dauerstress. Seit er aber aufgehört hatte, dicke Havannas zu rauchen, und auf Malzbonbons umgestiegen war, hatte sich zu dem Dauerstress auch noch eine Dauergereiztheit gesellt, die allen in seinem Umfeld das Leben schwer machte.

»Ja, CA, ich habe mein Volontariat in Frankfurt in der Wirtschaftsredaktion der FAZ gemacht. Ich war da …«

»Gut, gut, hab jetzt keine Zeit für Ihre Lebensgeschichte. Mir reicht ein einfaches ›Klar, kann ich übernehmen, CA‹. Also?«

Götz Bertram konnte nur mit Mühe ein Augenrollen und eine Grimasse unterdrücken.

»Klar, CA, kann ich übernehmen.«

»Na, bitte, geht doch.«

»Ach, wenn ich noch etwas fragen dürfte?«

»Was denn noch?«

»Würden Sie mir wohl auch verraten, was ich gerade übernommen habe?«

Wenn Götz Bertram geglaubt hatte, er würde durch seinen Wechsel von Frankfurt nach Köln, von der Zeitungsredaktion hin zu einem der größten Radiosender der Republik, die Karriereleiter herauffallen, hatte er sich gründlich getäuscht. In Köln war er wieder der Anfänger, der Jungspund, der sich erst einmal seinen Platz erarbeiten musste, trotz Studium, langjähriger Arbeit als Freier und Volontariat. Sein Problem war, dass er mit den Themen, die er bislang bearbeiten durfte, noch Jahre brauchen würde, um sich zu profilieren. Ein Beitrag über den Haribo-Store in Bonn, eine Reportage über einen Kindergarten, der gegen Baulärm protestierte und eine Demo von Dreijährigen organisierte, eine Meldung über die Fahrplanänderungen bei der »Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt«.

Der Gummibärchen-Laden war cool gewesen, aber sonst? Götz war sich nicht mal sicher, ob sein Stück über die Fahrplanänderungen überhaupt auf Sendung gegangen war.

Er lenkte seinen Golf in den Kreisverkehr am Ende der Bonner Straße, um auf die A 555 Richtung Bonn zu kommen. Er konnte förmlich die anderen Kollegen schadenfroh vor sich hin grinsen sehen: Bertram, der Neue, bei einem Außentermin in Bonn. Aber nicht, weil hier eine große Pressekonferenz angesetzt worden war, sondern um einen ganzen Tag eine Handvoll Seniorinnen zu begleiten. Alte Damen, die vor einem Jahr eine eigene Firma gegründet hatten und jetzt damit an die Börse gehen wollen.

Das klang so dermaßen abgedreht, dass es schon fast wieder gut werden konnte, dachte Götz. Mal ehrlich, wann gab es schon mal einen Börsengang, bei dem der Vorstand zusammen geschätzte 300 Jahre alt war?

Und ein paar Damen durch die Stadt zu begleiten war allemal besser, als CAs schreckliche Launen zu ertragen. Götz’ Stimmung besserte sich zunehmend. Er mochte Bonn. Vor ein paar Wochen hatte er mit Freunden an einer Stadtführung teilgenommen. Sie hatten lange gebraucht, um sich zu einigen, welche Tour die beste war. Zwei seiner Freunde hatten in Bonn studiert, sie plädierten für die Brau- und Wirtshaustour, aber die Frauen in der Runde wollte lieber die Kulinarische Stadtführung inklusive Imbiss mitmachen. Am Ende hatte sich dann die Clique für eine »Stadt, Land, Fluss«-Tour entschieden, weil man dabei nicht nur Bonn, sondern auch das Siebengebirge und den Petersberg kennenlernte. Oben auf dem Petersberg war ihm Julia aufgefallen, er hatte einfach nicht die Augen von ihr lassen können. Am Abend waren sie noch durch die Stadt geschlendert, um sich einen Absacker zu genehmigen. Auf dem Marktplatz, wo an sechs Tagen in der Woche Händler ihre Verkaufsstände aufbauten, hatte sich Julia plötzlich bei ihm eingehakt und lächelnd an ihn gedrückt. Die süße Julia: lange braune Haare, die wie alter Cognac schimmerten, nette Stupsnase, Sommersprossen und eine unglaubliche Figur.

Götz seufzte. Julia war danach leider mit drei Freundinnen nach Korsika abgereist, aber am Wochenende würde sie zurückkommen. Wenn das heute vorbei war, würde er auf jeden Fall schon mal eine Nachricht auf ihrer Mailbox hinterlassen. Wenn der Tag heute vorbei war, wie das klang – als ob heute groß etwas passieren würde. Obwohl – diese Seniorinnenfirma war schon merkwürdig. Allein der Name: »Und Hopp AG«. Was zum Teufel sollte das bedeuten? Egal, in einer knappen halben Stunde weißt du mehr, dachte Götz.

»Lotte, komm doch mal her, der junge Mann vom Rundfunk ist da!«

Götz Bertram war rechtzeitig in Bonn-Duisdorf eingetroffen. Auf dem Parkplatz des Weck-Werksverkaufs war ihm der knallrote Mercedes-Bus mit einem Fahrer im schwarzen Anzug daneben sofort aufgefallen. Und während er noch unschlüssig neben seinem Golf stand und sich suchend umschaute, war eine ältere Dame mit stahlblauer Dauerwelle zielstrebig auf ihn zugelaufen.

»Sie müssen der junge Mann vom Rundfunk sein«, die Dame drehte sich um und rief noch einmal laut: »Lotte, nun komm doch mal her.«

»Ja, guten Tag, ich heiße Bertram, Götz Bertram.«

»Josefine Mauerbrecht, aber meine Freunde sagen nur Fine. Sie dürfen auch Fine sagen. Die jungen Leute heute nehmen das ja nicht mehr so ernst mit dem Siezen, da muss man mit der Zeit gehen.« Fine Mauerbrechts Charme war umwerfend.

Götz lächelte. »Sehr gern. Also, Fine, ich hoffe, ich komme nicht zu spät?«

»Aber nein. Wir sind ja auch nur hier, weil unsere Erika so gerne kleine Kuchen im Glas backt. Und wo wir doch heute den ganzen Tag in Bonn Zeit haben, wollte sie unbedingt hierhin zum Werksverkauf. Sie wissen schon, Götz, des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Ah, da bist du ja, Lotte. Götz, darf ich vorstellen: Lotte Aller. Lotte kümmert sich bei uns um die Finanzen.«

Götz musterte Lotte. Sie war das genaue Gegenteil von Fine Mauerbrecht. Lotte Aller war groß, bestimmt über 1,80 Meter, und wog geschätzte 120 Kilogramm. Ihre ungeheuren Massen waren von einer roten Seidentunika verhüllt, aus der man leicht ein Biwakzelt hätte schneidern können.

Götz’ Hand verschwand beim Händedruck in Lottes Pranke. Er zuckte schmerzlich zusammen, als sie ihm breit lächelnd fast die Finger zerquetschte.

»Lotte Aller, hallöchen, schön, Sie kennenzulernen.«

Lottes Stimmlage bewegte sich irgendwo zwischen Reiner Calmund und Ivan Rebroff. »Fine, ich hab den Mädels Bescheid gesagt, dass es gleich weitergeht. Erika ist zwar gerade im Kaufrausch, aber schließlich wollen wir nicht den ganzen Tag zwischen Einmachgläsern und Glasflaschen verbringen. Fünf Minuten werden wir uns allerdings noch gedulden müssen.«

Götz schaute abwechselnd Fine und die gewaltige Lotte an. Das würde ganz eindeutig ein spannender Tag, so viel stand schon mal fest.

»Haben Sie denn auch Ihr Aufnahmegerät dabei, Jungchen?«

»Natürlich«, Götz nestelte den kleinen Digitalrekorder aus der Jackentasche.

»Nee, wat sind die winzig geworden!«, entfuhr es Lotte.

Götz lächelte die beiden Frauen an. »Was halten Sie davon, wenn Sie mir vorab schon mal ein paar Fragen beantworten?«

»Warum nicht«, Fine Mauerbrecht nickte zustimmend.

Götz setzte sich einen kleinen Kopfhörer auf und startete die Aufnahme. »Verraten Sie mir bitte noch einmal für die Aufnahme Ihren vollen Namen und ihre Funktionen bei der ›Und Hopp AG‹. Ich kann Sie dann auch aussteuern.«

»Gerne, ich bin die Josefine Mauerbrecht, aber meine Freundinnen nennen mich nur Fine. Ich bin die gewählte Vorstandsvorsitzende.«

»Lotte Aller, ›Chief Financial Officer‹, will sagen Finanzvorstand, ›Madame la Cash‹, sozusagen.«

»Äh, ja gut, fangen wir doch gleich mit Ihnen an, Lotte. Eine kleine Gruppe von Seniorinnen gründet eine Firma, was an sich schon ungewöhnlich ist …«

»Na, na, Jungchen, steht ja nirgendwo geschrieben, dass es eine Altersbegrenzung für Start-up-Gründer gibt, nicht wahr? Nein, die ›Surroundings‹ passten, wir haben natürlich vorher ein ›Proof of Concept‹ gemacht, schließlich wollen wir ergebnisorientiert arbeiten. Mit einem radikalen ›Downpricing‹ ist ja niemandem geholfen.«

Götz verschlug es kurz die Sprache. Überrascht starrte er Lotte Aller an. Hatte sie das gerade wirklich alles gesagt?

»Wenn ich Sie da richtig verstanden habe, Lotte, dann haben Sie mit einer Machbarkeitsstudie den Markt geprüft und wollen keine Niedrigpreis-Politik?«

»Genau! Wenn wir uns auf unsere ›Core Values‹ konzentrieren, dann sind wir nicht darauf angewiesen, ein paar ›Quick Wins‹ abzustauben. Wir setzen mit unserer Arbeit ›Benchmarks‹.«

Wenn CA das hier mitanhören könnte, dachte Götz amüsiert, das Gesicht würde ich gerne sehen. Sicherheitshalber prüfte er noch mal, ob sein Rekorder auch wirklich alles aufzeichnete. Das würde ihm ja keiner glauben.

»Nun, das bringt uns auch schon zu einer Frage an Sie, Fine. Vielleicht können Sie erklären, was die ›Und Hopp AG‹ überhaupt macht und wie es dazu kam?«

»Jau, Fine, das erzählst du besser mal eben, ich hole derweil die beiden Mädels aus dem Laden, sonst verpassen wir noch unseren Termin für die Rundfahrt mit dem Cabriobus«, dröhnte Lotte.

Fine Mauerbrecht nickte kurz, dann strahlte sie Götz wieder mit diesem herzlichen Oma-Lächeln an. »Ach, Götz, das ist ja schnell erzählt. Die ›Und Hopp AG‹ versteht sich als Dienstleister in schwierigen Lebenslagen, sozusagen als Unternehmensberater für Privatpersonen. Es begann vor gut einem Jahr. Es war ein heißer Sommertag und ich saß mit Lotte, Erika und Heidemarie im Garten unserer Seniorenresidenz.«

*

Gut ein Jahr vorher im Garten der Seniorenresidenz »St. Marien« im Rheintal

»Habt ihr es auch gesehen, die Stefanie Bieber hat schon wieder ganz rot geweinte Augen.« Heidemarie Schmitz schüttelte mit mitfühlender Miene den Kopf. »Das arme Ding. Ob sie Sorgen mit dem Betrieb hier hat?«

»Ach was, Steffi muss sich doch keine Gedanken über die Finanzen machen. Bei dem, was wir hier alle zahlen, trägt sich die Seniorenresidenz dreimal«, brummelte Lotte und genoss mit geschlossenen Augen die Sonne in ihrem Liegestuhl.

»Ja, aber was ist es dann?«, fragte Erika Zwergelt und nippte an ihrer Tasse Grüntee.

»Ich glaube, Steffi hat private Sorgen«, stellte Fine Mauerbrecht fest, »ich werde sie mal fragen.« Fine stemmte sich aus ihrem Liegestuhl hoch, um der Leiterin der Seniorenresidenz »St. Marien« im Rheintal einen Besuch abzustatten.

»Wenn Fine jemanden zum Reden bringen will, dann redet der auch über kurz oder lang, die ist hartnäckig«, brummte Lotte und lehnte sich zufrieden im Liegestuhl zurück, der bedenklich unter ihrem Gewicht knarrte.

Fine Mauerbrecht brauchte nur fünf Minuten, um Stefanie Bieber davon zu überzeugen, dass sie sich mal mit ihr zu ihren drei Freundinnen setzen sollte.

»So, Steffi, jetzt erzählen Sie doch mal. Was bedrückt Sie, Kindchen?«

Stefanie Bieber schaute in vier Gesichter, die zugleich Neugierde und Mitgefühl ausstrahlten. Als Leiterin der Seniorenresidenz sollte sie eigentlich professionelle Distanz zu den Bewohnern halten, aber es war unmöglich, das Damen-Quartett nicht zu mögen.

»Ach, nichts weiter. Ich … ich hab nur privat gerade ein paar Sorgen. Nichts, was Sie weiter beschäftigen sollte. Das geht schon wieder.«

»Unsinn, Kindchen«, fiel ihr Heidemarie Schmitz ins Wort, »das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, dass Sie großen Kummer haben.«

»Genau. Und wir Frauen müssen schließlich zusammenhalten«, ergänzte Erika.

»Jede Wette, da steckt ein Kerl dahinter«, weissagte Lotte düster.

»Also …?«, bohrte Fine nach.

Und dann tat Stefanie Bieber etwas, das sie noch vor zehn Minuten für unmöglich gehalten hätte, sie erzählte den vier Frauen den Grund ihres Kummers: »Ulrich, mein Mann, hat ein Verhältnis. Mit irgendeinem Flittchen aus seinem Fitnessclub. Nicht mal 25 ist die.«

»Kriegst die Tür nicht zu, dabei wissen die Kerle gar nicht, was sie an uns reiferen Frauen haben«, schnaubte Lotte.

»Gut, dass ich aus dem Alter raus bin«, seufzte Erika.

»In dem Alter warst du nie, Liebelein«, erwiderte Lotte, aber so leise, dass es gerade nur Fine hören konnte, die ihrer Freundin ermahnend den Ellenbogen in die Rippen stieß.

Stefanie Bieber blinzelte mit einem schiefen Lächeln ein paar neue Tränen weg. »Das Problem ist, dass ich damals alles bezahlt hab. Ulrichs Ausbildung, die Anzahlung fürs Haus. Ulrich hat dafür später Geld in die Lebensversicherungen investiert.«

»Lassen Sie mich raten, Steffi, im Erlebensfall ist er der Begünstigte.« Lotte schüttelte den Kopf. »Es ist doch immer die gleiche Geschichte.«

»Dann lassen Sie sich doch scheiden und ziehen Sie dem Kerl so richtig, wie sagt man heute, die Hosen aus«, schlug Fine vor.

Stefanie Bieber schüttelte den Kopf. »Eine Scheidung kommt nicht infrage. Vergessen Sie nicht, dass diese Seniorenresidenz einen kirchlichen Träger hat, da wird eine Scheidung beim Führungspersonal nicht gern gesehen.«

»Herrgott noch mal. Der Kerl nimmt Sie aus wie eine Weihnachtsgans und lacht sich dann eine Liebschaft an, die gut 20 Jahre jünger ist als Sie. Und Ihnen sind die Hände gebunden«, ereiferte sich Heidemarie, »damit darf man ihn doch nicht durchkommen lassen.«

Jetzt flossen bei Stefanie Bieber die Tränen reichlich. »Aber genau das wird passieren. Er wird damit durchkommen oder ich stehe ohne Haus und Altersvorsorge da.«

»Na, na, Kindchen, verzweifeln Sie mal nicht gleich. Vielleicht fällt uns ja noch eine Lösung ein«, tröstete Fine.

Nach dem Abendessen trafen sich die vier Frauen in Erikas Apartment. Normalerweise spielten sie hier immer ihre Runde Rommé, doch heute blieben die Spielkarten in der Schublade.

»Ich hab mir mal Gedanken gemacht«, brummte Lotte und schenkte sich aus einer Karaffe einen großzügigen Cognac ein. »Solche Typen landen immer wieder auf den Füßen, der zieht das durch, macht sich einen flotten Tag mit dem Flittchen und unsere Steffi guckt in die Röhre. Nein, ich sag euch, der Kerl muss verschwinden.«

»Du meinst, er soll verreisen?«, fragte Erika.

»Unfug – er muss ins Gras beißen.«

»Das ist gar keine schlechte Idee, Lotte«, stimmte Fine zu, »aber es muss wie ein Unfall aussehen, dann braucht Steffi keine Scheidung und sie kassiert die Lebensversicherung.«

»Ich könnte vergifteten Kuchen backen«, schlug Erika vor. »Welchen Teil von ›Es muss wie ein Unfall aussehen‹ hast du gerade nicht gehört, Liebelein?«, stöhnte Lotte.

»Aber wenn er eine Allergie hätte?«, erwiderte Erika ihrer Freundin trotzig.

In Lottes Blick mischte sich so etwas wie Bewunderung. »Kleines, ich nehm alles zurück, das ist gar nicht mal übel, ehrlich.«

Erika wuchs unter dem Lob Lottes glatte fünf Zentimeter.

Heidemarie griff inzwischen zu ihrem Handy. »Ja, hallo, Stefanie, Heidemarie Schmitz hier. Sagen Sie, ist Ihr Gatte allergisch? Nein! Was? Ach, nur so ein Gedanke. Wir sehen uns dann morgen.«

Heidemarie beendete das Telefonat. »Fehlanzeige, Mädels, der untreue Sack ist rundum gesund. Schade, Erika, aus deiner Idee wird wohl nichts.«

»Dann finden wir eben etwas anders«, verkündete Fine resolut, »ab morgen nehmen wir die Gewohnheiten dieses Herrn Bieber genau unter die Lupe.«

Die vier Frauen teilten sich die Aufgabe auf. Wer schöpft bei einer Rentnerin, die unschuldig auf einer Bank in der Sonne sitzt, schon Verdacht? Nur dass besagte Bank einen guten Einblick in den Garten des Ehepaars Bieber ermöglichte.

»Kinder, ich glaube, ich habe da eine Idee«, Erika kicherte ganz aufgeregt, »der Bieber hat doch diesen Koi-Karpfen-Teich. Ob er wohl schwimmen kann?«

Lotte seufzte tief. »Sag mal, Erika, wie stellst du dir das vor? Das Fischbecken ist doch nicht mal drei Meter breit, und Bieber ist schließlich kein Kleinkind, das in jeder Pfütze ertrinken kann.«

»Warte mal, Erikas Idee ist gar nicht so blöd«, warf Fine ein, »ich muss morgen mal im Garten was prüfen.«

Fine prüfte und danach wussten die vier Damen, was sie wissen mussten. Der Teich wurde mit Unterwasserstrahlern beleuchtet. Stromleitungen und Wasser. Besser, man kannte sich damit aus. Heidemarie Schmitz kannte sich aus, nicht umsonst hatte ihr verstorbener Gatte den »Elektrofachhandel Schmitz und Söhne« geführt. In mehr als 40 Ehejahren schnappt man da so manches auf.

An einem Samstagnachmittag, keine fünf Tage, nachdem Stefanie Bieber den vier netten älteren Damen ihren Kummer anvertraut hatte, schwamm Ulrich Bieber mit dem Gesicht nach unten leblos im Koi-Karpfen-Teich seines Gartens.

*

Gegenwart, Parkplatz Weck-Werk

»Wie die Polizei feststellte, war das alles ein bedauerlicher Unfall, ein unglückliches Zusammenspiel von schlecht verlegter Stromleitung und Feuchtigkeit«, erklärte Fine lächelnd.

Götz dagegen traute seinen Ohren nicht. »Wollen Sie damit sagen, dass Sie zusammen mit Ihren Freundinnen diesen untreuen Ehemann umgebracht haben?«

Fine zwinkerte ihm vergnügt zu. »Nein, da haben Sie mich falsch verstanden. Wie kommen Sie denn auf so eine Idee? Es war ein Unfall, passiert öfter, als man denkt. Mehr als ein Dutzend Menschen sterben jedes Jahr bei Stromunfällen.«

Bevor Götz nachhaken konnte, deutete Fine mit dem Zeigefinger an ihm vorbei. »Da, sehen Sie, da kommen Lotte, Erika und Heidemarie. Dann wollen wir mal. Sie fahren doch mit uns? Wir haben einen Fahrer und den Bus da vorne gemietet, Wir bringen Sie später wieder zu Ihrem Auto zurück. Was halten Sie davon?«

Götz Bertram schaute zu den Damen und auf seinen Rekorder, bevor er stumm nickte.

In den nächsten vier Stunden hatte Götz das Gefühl, neben sich zu stehen und alles wie in Trance zu erleben. Er war wie vor den Kopf geschlagen. Hatte er wirklich ein Interview aufgezeichnet, in dem eine ältere Dame zugab, zusammen mit ihren Freundinnen einen Mann mittels Stromschlag umgebracht zu haben? Heimlich beobachtete er die vier Rentnerinnen und kam zu dem Schluss, dass es sich da tatsächlich um ein Missverständnis handeln musste. Man musste sich schließlich die vier nur ansehen: die kleine agile Fine mit ihrer Dauerwelle, die große massige Lotte mit dem Brummbass, Erika, die alle zwei Minuten wie ein kleines aufgeregtes Mädchen in die Hände klatschte und kicherte, und schließlich Heidemarie, die in ihrem maßgeschneiderten Hosenanzug aussah, als sei sie einer Modezeitung für die Dame ab 50 entsprungen. Götz wusste nicht, wie alt Heidemarie war, aber seine 55-jährige Mutter sah älter aus.

Die vier Damen genossen ihren Tag in Bonn. Die Stadtrundfahrt im Cabriobus und den anschließenden Stadtbummel durch die Fußgängerzone. Sie machten Fotos von sich, wie sie in der Bonngasse lächelnd neben dem im Pflaster eingelassenen Bodenstrahler knieten, der das Bild von Beethoven zeigte. Götz musste die vier dann noch in der Acher­straße fotografieren, wie sie Arm in Arm am höchsten Punkt der Innenstadt standen.

Erst als die Damenrunde im Brauhaus Bönnsch an einem Tisch saß, sich mit den einzigartig geformten Bönnsch-Gläsern zuprostete, traute er sich, den Rekorder wieder herauszuholen.

»Darf ich?«, fragte er und schaute in die Runde.

»Aber natürlich, mein Lieber, dafür sind Sie schließlich heute hier«, antwortete Fine und ihre drei Freundinnen nickten zustimmend.

»Nun, Fine, Sie haben mir ja bereits kurz berichtet, wie es zu der Firmengründung kam. Auslöser war ja offenbar der tragische Unfall des Ehemannes Ihrer Seniorenresidenz-Leiterin.«

»Tragisch ist gut«, gluckste Lotte, bevor sie ihr Bönnsch auf Ex hinunterkippte.

»Meint der Herr Götz den Ulrich Bieber?«, fragte Erika.

»Liebelein, hat unsere Steffi zwei Männer gehabt?«

»Aber warum redete er da von einem Unfall?«

»Weil es ein Unfall war«, brummte Lotte und Heidemarie stieß Erika den Ellenbogen in die Rippen.

»Ach so, den Herrn Bieber meinten Sie, Herr Götz«, erklärte Erika mit rotem Kopf eifrig, »ja, das war ein Unfall.«

Götz nahm sich vor, so zu tun, als sei das alles hier gar nicht gesagt worden.

»›Und Hopp AG‹ ist aber doch ein sehr ungewöhnlicher Name?«

»Aber er drückt das Wesentliche aus, und er ist einprägsam«, sagte Heidemarie. »Bei uns geht es schnell, quasi hoppla-hopp, und das ist für ein Dienstleistungsunternehmen doch das A und O.«

»Ich habe eine Facebook-Fan-Seite angelegt, die hat schon mehr als 2.500 Freunde«, berichtete Erika stolz.

»Ja, Erika ist bei uns für die sozialen Netzwerke verantwortlich.« Fine bestellte mit einer Handbewegung eine neue Runde Bier. »Und sie backt natürlich die Kuchen.«

»Es gibt nämlich ganz schön viele, die allergisch sind, ist doch so.« Erika schaute ihre Freundinnen an und die nickten.

»Wie gesagt«, nahm Fine den Faden wieder auf, »ich koordiniere alles, Lotte kümmert sich um die Finanzen und Heidemarie ist für die technischen Details zuständig.«

»Und Sie wollen als Auftragsmör…, ich meine, als Auftragsproblemlöser an die Börse?«

»Oder wir suchen uns ein paar stille Teilhaber, da müssen wir uns noch untereinander ›committen‹. Wir wollen das Geschäft ja noch erweitern. Stillstand wäre da Rückschritt«, antwortete Lotte.

»Im Moment werden wir unter der Hand weiterempfohlen, doch so kann man nicht expandieren. Erika ist dabei, unsere Webseite auf Vordermann zu bringen, aber da bleibt eben manches im Tagesgeschäft liegen.«

»Oder anders ausgedrückt: Weil bei uns mancher im Tagesgeschäft liegen bleibt, fehlt uns die Zeit, höhö.« Lotte hatte sowohl ihr zweites Glas als auch beide Gläser von Erika ausgetrunken.

Fine sah Götz’ Gesicht. »Die Lotte meint das nicht so ernst, mein Lieber. Wie gesagt, Sie haben ein Problem, dann rufen Sie uns an, oder Sie schreiben Erika eine Mail und wir kümmern uns darum.«

Götz wusste, dass es besser war, den Rekorder auszuschalten. Besser für seine Story, besser für ihn.

»Vielleicht könnten Sie mich jetzt doch zu meinem Auto zurückfahren, ich muss ja noch in die Redaktion«, bat er.

»Aber natürlich, mein Lieber. Was war das doch für ein wundervoller Tag, den wir zusammen erlebt haben – nicht wahr?«

Fine strahlte, Heidemarie nickte, Erika klatschte begeistert in die Hände und Lotte rülpste laut, bevor sie murmelte: »Wunnervolle Tach, jawoll.«

*

Zwei Tage später

»Bertram! Sagen Sie mal, wollen Sie mich verarschen?« Claus Ambrosius Keller knallte Götz ein paar Papierseiten auf den Tisch.

»Was haben Sie sich denn dabei gedacht? Diese halbgare Story, das ist doch kein Wirtschaftsstück. Ich dachte, Sie hätten das gelernt, oder haben Sie bei der FAZ nur Kaffee geholt? Also, zum Mitschreiben für Sie: In Ihrem Beitragsentwurf wird nicht erklärt, was dieses Senioren-Start-up tatsächlich tut. Womit verdienen die ihr Geld, was haben die für Umsätze, welchen Gewinn vor Steuern und Abschreibungen, welchen Profit, wie sehen die Quartalszahlen aus, wo sehen sie Zukunftsmärkte?« CAs fleischige Hand klatschte bei jedem Satz laut auf die Manuskriptseiten.

»Nun, das war nicht so einfach, wie man sich …«

»Himmel noch mal, nicht so einfach? So verflucht schwer kann das doch nun auch wieder nicht sein. Wenn man diese Sülze hier liest, erfährt man ja rein gar nichts. Null-Inhalt! Verkaufen die Fische oder Mörsergranaten? Meine Fresse, ich will Fakten, Fakten und nichts als Fakten in so einem Beitrag. Und hier, ich hab mir auch schon die geschnittenen Statements angehört, die Sie da rausgesucht haben.« CA donnerte eine CD auf den Tisch. »Wen haben Sie da interviewt, Ivan Rebroff und Schlumpfinchen? Dieses ewige Gekicher geht einem ja genauso auf die Nüsse wie der Brummbass. Nein, da tu ich Rebroff Unrecht, dessen Stimme hatte Wohlklang. Ich bin morgen auf der Tagung. Übermorgen will ich den fertigen Beitrag auf dem Tisch haben, ohne Wenn und Aber. Und zwar einen Beitrag, bei dem sich ihr ehemaliger Chefredakteur in Frankfurt nicht vor Scham unter dem Schreibtisch verstecken muss.«

»Sie haben mich aber für morgen eingeteilt, um …«

»Sagen Sie mal, brülle ich zu undeutlich? Dann bearbeiten Sie eben zwei Themen gleichzeitig. Der Tag hat 24 Stunden, lassen Sie die Mittagspause weg, dann sind es 25 – alles klar? Übermorgen. Auf meinem Schreibtisch. Oder Sie können Ende der Woche schon mal anfangen, neue Bewerbungen zu tippen.«

Claus Ambrosius Keller stürmte aus Götz’ Büro wie ein wutschnaubender Stier. In den übrigen Bürozimmern herrschte atemlose Stille, bevor nach einer gefühlten halben Ewigkeit wieder Tastaturgeklapper und Stimmengemurmel einsetzte.

Götze sackte in seinem Schreibtischstuhl zusammen. Genau eine solche Szene hatte er befürchtet. Natürlich war ihm klar, dass er in seinem Beitrag um die Wahrheit herumgeschlichen war, wie die Katze um den berühmten heißen Brei. Aber was bitte hätte er denn schreiben sollen? Die Wahrheit? Dass es da draußen vier rüstige Seniorinnen gab, die sich innerhalb eines Jahres zu ausgebuchten Auftragsmörderinnen hochgearbeitet hatten und jetzt international expandieren wollten?

Götz stellte sich Erika in Verhandlungen mit den hartgesottenen Bossen der Cosa Nostra vor – und musste unwillkürlich grinsen. Obwohl – Lotte würde wahrscheinlich jeden Mafioso am ausgestreckten Arm verhungern lassen.

Natürlich war das eine Wahnsinnsstory, aber wenn er die schrieb, würde ihm irgendjemand glauben? Im Leben nicht!

Dann brauchte er erst gar nicht bis übermorgen zu warten, dann konnte er auch gleich anfangen, seinen Lebenslauf auf Vordermann zu bringen.

Wütend nahm er die Manuskriptseiten von seinem Schreibtisch, knüllte sie zusammen und warf sie in den Papierkorb.

Er griff nach der CD, die er im Studio vorbereitet und mit dem Entwurf zur Freigabe abgeliefert hatte, und wollte sie schon in die geöffnete Schublade pfeffern, als ihm die Visitenkarte ins Auge fiel.

Fast behutsam nahm er das kleine Stück Karton heraus und drehte es nachdenklich in den Fingern. Viel stand ja nicht darauf: »Und Hopp AG – wenn es schnell gehen muss« las er auf der Vorderseite, und auf die Rückseite war lediglich eine Mobilnummer gedruckt.

Wenn es schnell gehen muss. Für ihn war Übermorgen schon ziemlich bald.

Bevor er da anrief, konnte er aber genauso gut noch etwas klären. Götz wählte CAs Sekretariat. Zwei Minuten später hatte er eine Liste mit sechs Punkten vor sich liegen.

Er wählte die Mobilnummer. Es klingelte zweimal, dann meldete sich – die Stimme war unverkennbar – Lotte Aller. »Und Hopp AG, wie können wir Ihnen helfen?«

»Lotte, Götz hier, Götz Bertram.«

»Jungchen, das ist aber nett, dass Sie sich noch mal melden. Warten Sie, die Fine sitzt gleich neben mir, ich geb Sie weiter.«

»Ja, Götz, was für eine Überraschung. Stimmt was nicht mit dem Interview?«

»Nein, Fine, mit dem Interview ist alles in Ordnung. Nur …«

»Ja, was?«

»Nur mit meinem Chef nicht.« In kurzen Sätzen beschrieb Götz sein Dilemma.

»Ach, das klingt aber doch machbar. Übermorgen, sagen Sie?«

»Ja, übermorgen schon, aber ich hätte da auch eine Liste, Herr Ambrosius ist allergisch.«

Fines Lachen perlte durch den Hörer. »Ach, das ist doch nett. Ich geb es gleich weiter! Erika, du kannst wieder einen Kuchen backen!«

Freizeittipps »Bonn modern: Shopping und Stadtführungen«

1 Haribo-Store

Hans Riegel, Bonn – aus diesen drei Wörtern wurde der Firmenname zusammengestellt, der 1920 im Bonner Handelsregister eingetragen wurde: »Haribo«. Der Süßwarenkonzern mit seinen berühmten Gummibärchen, Lakritzschnecken und den unzähligen anderen Konfektsorten ist jetzt seit fast 100 Jahren in Bonn ansässig, auch wenn immer mal wieder darüber spekuliert wird, aus Platzgründen umzuziehen.

Neben dem traditionellen Fabrikverkauf in der Friesdorfer Straße gibt es an der Universität den weltweit ersten Haribo-Store. Das Sortiment dürfte das Herz jedes Gummibärchen-Fans höherschlagen lassen. Ein Glück für mich, dass es den Store zu meinen Studienzeiten noch nicht gab, ich hätte ernsthafte Gewichtsprobleme bekommen.

Öffnungszeiten unter www.haribo.com/deDE/shops/haribo-store-bonn.html

2 Brau- und Wirtshaustour

Diese Tour gehört zu den zahlreichen Themenführungen, die in Bonn angeboten werden. Wer immer wissen wollte, »wo berühmte Bonner schon ihr Bier tranken«, der ist hier richtig. Die Tour führt durch verschiedene Bonner Traditionswirtshäuser und bei Bierkostproben und rheinischen Spezialitäten, wie »Himmel un Ääd« oder »Bönnsch-Brot« mit Butterschmalz, erfährt man viel über die Bonner Geschichte. Gebucht werden kann die Tour ab acht Personen bei der Tourismus & Congress GmbH.

Weitere Informationen und die aktuellen Preise unter www.bonn-region.de

3 Kulinarische Stadtführung

Hier geht es nicht nur um die Brauhaustraditionen in Bonn. Bei der kulinarischen Stadtführung kann man sich sozusagen die Stadt auf der Zunge zergehen lassen. Während man das eine oder andere Häppchen genießt, erfährt man als Zugabe viel über Bonn und die Architektur der Stadt.

Informationen und Buchungen unter www.eat-the-world.com/bonn

4 »Stadt, Land, Fluss«-Tour

Wer denkt bei diesem Namen nicht an die verregneten Spielenachmittage in den Ferien? Nur, dass Sie bei dieser Tour nicht eine Stadt, einen Fluss oder ein Land mit dem gleichen Anfangsbuchstaben aufschreiben müssen. Vielmehr führt diese Stadttour auch aus der Innenstadt heraus. Hier wird nicht nur Bonn, sondern auch der Nationalpark Siebengebirge und der Petersberg vorgestellt. Eine rund dreistündige Tour, die man allerdings nur als Gruppe buchen kann.

Informationen und Buchungen unter www.bonnticket.de

5 Petersberg

Der Petersberg ist Teil des Naturschutzgebiets Siebengebirge (siehe dazu auch »Tote rudern keine Boote«) und neben dem Drachenfels sicher der berühmteste »Gipfel« unter den Bergen des Siebengebirges. Das liegt nicht an seiner Höhe von 331 Metern (nur der Wolkenburg und der Drachenfels sind noch etwas niedriger), sondern an dem berühmten ehemaligen Gästehaus der Bundesregierung. Doch die Geschichte des Petersbergs ist viel älter.

Oben auf der Basaltkuppe, wo bereits im 1. Jahrhundert nach Christus eine keltisch-germanische Fliehburg stand, wurde im 12. Jahrhundert ein Kloster errichtet. Die Mönche waren es auch, die dem Gipfel, der ursprünglich »Stromberg« hieß, seinen neuen Namen gaben: »Mons sancti petri« – der Berg des heiligen Petrus – oder eben Petersberg.

Ende des 19. Jahrhunderts entstand auf dem Petersberg ein Hotel. Eine Zahnradbahn – ähnlich der, die man heute noch am Drachenfels erleben kann – brachte die Gäste auf den Gipfel, von dem man einen fantastischen Blick ins Rheintal hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Petersberg Sitz der Alliierten Hohen Kommissare. Seine einzigartige Lage und vor allem die Tatsache, dass man die einzige Zufahrtsstraße perfekt absperren und sichern kann, machte dann den Petersberg zum idealen Ort, um hohe Staatsgäste zu beherbergen und internationale Konferenzen mit höchster Sicherheitsstufe zu veranstalten.

Heute betreibt die Steigenberger-Hotelgruppe auf dem Petersberg ein Grandhotel (www.steigenberger.com).

Wer als Wanderer auf dem Petersberg nicht mit verdreckten Schuhen in die Grandhotel-Atmosphäre eintauchen will, für den gibt es draußen auch einen Biergarten.

6 Marktplatz

Wie in vielen anderen Städten auch war der Marktplatz in Bonn der zentrale Punkt. Hier, wo heute ein großer Obelisk steht, gab es früher einen Brunnen, der von der kurfürstlichen Quelle gespeist wurde. An einem Ende des dreieckigen Marktplatzes, in Richtung Hofgarten, steht das Alte Rathaus der Stadt. Ich persönlich kann mich an einen Gänsehautmoment erinnern, als ich auf dem völlig überfüllten Marktplatz den ersten »neuen« Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober erlebte. Es war spätabends und abwechselnd mit einem Kollegen habe ich vom Marktplatz aus mit einem C-Netz-Funktelefon Live-Reportagen für unseren Radiosender eingesprochen.

Übrigens: In Bonn bieten an sechs Tagen in der Woche Händler auf dem Marktplatz ihre Waren an, das kenne ich von keiner anderen Stadt.

7 Weck-Werke

Wenn ein Produkt- oder Firmenname in der deutschen Sprache als Verb aufgegriffen wird, dann ist das schon etwas Besonderes. Viele kennen das Haltbarmachen von Obst und Gemüse durch Einkochen nur unter dem Begriff »einwecken«. Lange Zeit dachte ich, das sei eben ein Verb aus dem Badischen, bis mir klar wurde, dass es dort die Firma Weck gibt, die seit fast 120 Jahren Einmachgläser produziert. In Bonn-Duisdorf hat das Unternehmen einen Werksverkauf. In dem Shop können sich Einkoch-Fans mit den bekannten Einmachgläsern versorgen.

Öffnungszeiten und Informationen unter www.weck-glaswerk.de

8 Rundfahrt mit dem Cabriobus

»Wer nicht laufen will, kann fahren« – so wirbt der Veranstalter für seine Stadtrundfahrt mit dem eigens umgebauten Cabriobus. Bei der Stadtrundfahrt unter dem Motto »Bonn gestern, heute, morgen« wird die ganze Bandbreite der Bonner Geschichte präsentiert: angefangen in der Römerzeit über die Ära der barocken Kurfürsten bis hin zum bundespolitischen Bonn.

Die Tour dauert rund 2,5 Stunden, mit der »Bonn Regio WelcomeCard« (siehe dazu auch »Sport ist Mord«) spart man 30 Prozent des Fahrpreises. Informationen und Buchung über die Bonn-Information (siehe oben).

9 »Walk of Fame«

In Zusammenarbeit mit einer großen Bonner Tageszeitung, dem »Bonner General-Anzeiger«, entstand der Bonner »Walk of Fame«. Hier werden berühmte Bonner Persönlichkeiten geehrt, die entweder in der Stadt gelebt haben oder über ihre Arbeit eng mit der Stadt verbunden waren. Dafür wurden Bodenstrahler ins Pflaster eingelassen, auf deren Glasscheiben Porträts der Geehrten abgebildet sind. Hier sind unter anderem Ludwig van Beethoven, Clara und Robert Schumann, August Macke, Konrad Adenauer, Willy Brandt und der ehemalige französische Außenminister Robert Schuman vertreten.

Das Porträt Ludwig van Beethovens befindet sich in der Bonngasse, unmittelbar am Geburtshaus des großen Komponisten und Musikers.

10 Acherstraße

Wenn Sie vom Marktplatz aus in Richtung Bonner Münster gehen, dann liegt die Acherstraße rechts von Ihnen, gegenüber dem Remigiusplatz, wo die Blumenhändler stehen. Weil diese Gasse ursprünglich hinter (»achter« oder »acher«) der Stadtmauer lag, heißt sie heute Acherstraße. Ungefähr zwischen den Hausnummern 10 und 12 weist eine kleine Bronzeplatte im Straßenpflaster darauf hin, dass man sich nun auf dem höchsten Punkt der Bonner Innenstadt befindet. Sage und schreibe 61,64 Meter über N. N.

Kurz: Ab hier kann es nur noch bergab gehen.

11 Brauhaus Bönnsch

Hier wird das Bönnsch gebraut und serviert. Das Bier ist – der Name lässt es schon erahnen – das »Konkurrenzprodukt« zu dem weiter im Norden üblichen Kölsch. Bönnsch ist ein naturtrübes, obergäriges Bier und kommt in eigens geformten krummen Gläsern mit Griffmulden auf den Tisch. Wer wissen will, wie das Bönnsch entsteht, für den gibt es Brauhaus-Führungen. Natürlich kann man im Bönnsch auch rheinische Spezialitäten genießen, und der Wirt weist ausdrücklich darauf hin, dass man seine Gläser vor Ort kaufen kann.

Informationen zu Veranstaltungen, Öffnungszeiten und Führungen unter www.boennsch.de

Parks in Bonn