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Über diesen Band: Dieser Band enthält folgende Krimis von Pete Hackett: Wer mit dem Tod handelt Trevellian und der Tod in Chinatown Trevellian und die Agenten im Fegefeuer Jack Skerrit ist wild entschlossen, die Agenten Trevellian und Tucker zu töten, als er nach langen Jahren aus dem Gefängnis kommt. Doch seine Spur kreuzt sich mit denen gefährlicher Terroristen, die mit Selbstmordanschlägen zahlreiche Leute in den Tod reißen. Wie passen ein Rauschgifthändler und fanatische Mörder zusammen?
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Seitenzahl: 321
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Mörderisches Fegefeuer: Titel 3 Top Krimis
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Wer mit dem Tod handelt
Trevellian und der Tod in Chinatown
Trevellian und die Agenten im Fegefeuer
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER STEVE MAYER
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Krimi von Pete Hackett
Ein CassiopeiaPress E-Book
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© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress
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»Der Mann heißt Aleksandr Smirnov«, gab der Beamte von der SRD zu verstehen. »Er trieb tot im Wasser, und zwar dort, wo der Newton Creek in den East River mündet. In seiner Brust fanden wir zwei Einschusslöcher.«
»Wie lange war er schon tot?«, fragte Special Agent Owen Burke. Er, sein Kollege Ron Harris, Bill Carter vom Police Department und der Pathologe, Dr. Bellows, befanden sich im Kühlraum der Gerichtsmedizin. Einer der Schübe war herausgezogen. Carter hatte das weiße Tuch über dem Gesicht des Leichnams zurückgeschlagen. Das Gesicht des Toten war gelblich-grau, die Augen waren halb geöffnet, der Mund wie zu einem stummen Schrei aufgerissen.
Es war ein schrecklicher Anblick. Selbst die Agents, die einiges gewöhnt waren, verspürten Beklemmung. Sie mussten die Brutalität des gewaltsamen Todes wieder einmal hautnah erleben.
»Der Coroner meint, dass der Tod am Nachmittag beziehungsweise am frühen Abend des 19. Oktober zwischen 17 und 19 Uhr eingetreten ist. Der Leichnam kann nur eine Nacht im Wasser gelegen haben. Am Morgen des 20. Oktober sah ihn eine Frau, die mit ihrem Hund unterwegs war, im Wasser treiben.«
»Hatte der Tote Ausweispapiere bei sich? Oder ist er polizeilich registriert?« Ron Harris stellte diese Frage.
»Smirnov ist vorbestraft. Er verschob bis vor fünf Jahren zusammen mit einem Mann namens Morgan Hudgins gestohlene Nobelkarossen nach Saudiarabien. Hudgins sitzt deswegen immer noch. Smirnov, der in dem Geschäft nur eine kleinere Rolle spielte, kam mit drei Jahren davon. Er ist russischer Staatsangehöriger, zweiunddreißig Jahre alt, geschieden, und wohnte in der 10th Street, Ecke Columbia Avenue. Die Hausnummer ist 214.«
»Was ist mit dem anderen Mann?«, fragte Owen Burke.
Der Pathologe deckte das Gesicht des Toten wieder zu und ließ die Bahre in der Wand verschwinden, ging einen Schritt weiter, zog den nächsten Schub heraus und schlug das Tuch zurück. Die G-men schauten in ein erstarrtes Gesicht. Auch die Augen dieses Leichnams waren geöffnet. In ihnen schien sich das letzte Grauen im Leben des Mannes auszudrücken.
»Den Namen dieser Person kennen wir nicht«, erklärte Carter sachlich. »Sie lag tot – erschossen – auf der Yacht, die vor Roosevelt Island, etwas südlich der Queensboro Bridge führerlos im East River trieb. Sein Alter dürfte bei Mitte dreißig liegen, und der Tod dürfte zur selben Zeit eingetreten sein wie bei Smirnov.«
»Und es ist sicher, dass beide Morde in Beziehung zueinander stehen?«
»So gut wie, Agent«, versetzte Carter nickend. »Auf der Yacht wurden Blutflecke sichergestellt, die nur von Smirnov stammen können. – Wie ich schon sagte: Dieser Tote ist noch nicht identifiziert. Aber wir wissen, wer Besitzer der Yacht ist. Sein Name ist Dimitri Fjodorow. Er ist ein russischer Millionär, der in New York lebt. Sein Geld machte er mit Erdgas. Fjodorow ist zweiundfünfzig Jahre alt. Er besitzt mehrere Villen in Long Island, lebt aber die meiste Zeit in seiner Wohnung in Tribeca, Hubert Street. Er bewohnt dort ein Penthouse mit Blick auf den Hudson und New Jersey.«
»Interessant«, murmelte Owen Burke. »Wir werden uns mit Mr. Fjodorow ganz sicher etwas intensiver befassen. Gibt es sonst noch etwas, was wir wissen müssen?«
»Auf der Yacht wurden außerdem die Fingerabdrücke eines Mannes namens Demjan Saizew sichergestellt. Ebenfalls Russe, siebenunddreißig Jahre alt, er wohnt in den Jacob Rijs Houses. Saizew war mal wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz angeklagt, kam aber mit einer Bewährungsstrafe davon.«
»In welchem der Häuser lebt Saizew?«, erkundigte sich Ron Harris.
Carter konnte nicht nur mit der Hausnummer, sondern auch mit der Nummer des Apartments aufwarten, in dem Saizew wohnte.
Ron Harris notierte sich Namen und Anschriften.
»Mehr kann ich Ihnen im Moment nicht sagen, Agents«, gab Carter zu verstehen. »Die Akte erhalten Sie, sobald sämtliche Berichte fertig gestellt sind. Sollte sich wider Erwarten noch irgendetwas ergeben, was von Bedeutung sein könnte, dann lassen wir Sie es wissen.«
»Danke.«
Burke, Harris und Carter verließen die Gerichtsmedizin. Draußen verabschiedete sich der Mann von der SRD. »Wen knöpfen wir uns zuerst vor?«, fragte Ron Harris. »Fjodorow oder Saizew.«
»Saizew«, antwortete Burke. Und als sie im Dodge Avenger saßen, ließ er erneut seine Stimme erklingen. Er sagte: »Wie es scheint, sind nur Russen im Spiel. So ganz nebenbei habe ich vernommen, dass sich in Manhattan die Russen stark zu machen beginnen. Drogen, Prostitution, Schutzgelderpressung … Kann es sein, dass Smirnov und Co. einer anderen Mafia in die Quere gekommen sind?«
»Ich schließe es zumindest nicht aus«, antwortete Ron Harris, der am Steuer saß und sich auf den Verkehr konzentrierte. »Aber sprechen wir doch mit Saizew. Vielleicht erfahren wir etwas, das für uns von Interesse ist.«
»Oder der Bursche hat Dreck am Stecken und hustet uns was«, knurrte Burke.
In der 10th Street fand Ron Harris einen Parkplatz, in den er mit viel Geduld und Können den Dodge manövrierte, dann marschierten die Agents zwischen die Hochhäuser der Wohnsiedlung, die nach einem Journalisten benannt war, der von 1849 bis 1914 lebte.
Das Apartment lag in der neunten Etage eines der Gebäude. Die Agents wiesen sich beim Doorman aus, durften passieren und benutzten den Aufzug. Wenig später läutete Ron Harris an der Wohnungstür. Es knackte im Lautsprecher der Gegensprechanlage, dann erklang eine dunkle Stimme: »Wer ist da?« Der Mann sprach mit hartem Akzent.
»Die Special Agents Burke und Harris vom FBI New York«, antwortete Owen Burke. »Wir möchten Mr. Demjan Saizew sprechen.«
»Moment.«
Drei Herzschläge später wurde die Tür geöffnet. Der Mann, der sich den G-men zeigte, war ungefähr eins achtzig groß und dunkelhaarig. Er verriet nicht die Spur von Nervosität oder Unruhe. »Ich bin Demjan Saizew. Weshalb möchten sie mich sprechen?«
»Es geht um zwei Leichen und Ihre Fingerabdrücke, die auf der Yacht eines reichen Mannes mit Namen Dimitri Fjodorow sichergestellt worden sind.«
Saizew kniff die Augen leicht zusammen. Ansonsten zuckte in seinem Gesicht kein Muskel. Es war glatt und wirkte undurchsichtig. Ein Pokerface. »Ich bin ein guter Bekannter von Dimitri Fjodorow. Aber bitte, drücken Sie sich etwas deutlicher aus, Gentlemen. Was hat es mit den beiden Leichen auf sich?«
»Der Name des einen Mannes ist Aleksandr Smirnov. Er wurde auf Mr. Fjodorows Yacht ermordet, ebenso der andere Mann, dessen Identität noch nicht bekannt ist. Die Yacht trieb im East River.«
»Aleksandr ist tot?«, entfuhr es dem Russen. Jetzt zerbrach die Glätte in seinen Zügen. Entsetzt fixierte er abwechselnd die G-men. »Erschossen! Ich – ich kann das gar nicht glauben.«
»Es ist so. Sie kannten Smirnov also.«
»Er arbeitete für Fjodorow.«
»Ich denke, dass Sie uns helfen können, auch den anderen Toten zu identifizieren. Haben Sie Zeit? Wir würden gerne mit Ihnen zur Gerichtsmedizin fahren. Wir können uns ja während der Fahrt miteinander unterhalten.«
»Ich hole nur meine Jacke und ziehe mir Schuhe an«, erklärte Saizew.
Sekundenlang starrte Saizew in das erstarrte Gesicht des Toten. In seinen Mundwinkeln zuckte es. Plötzlich nickte er. »Ich kenne ihn. Sein Name ist Boris Popow. Boris ist vierunddreißig Jahre alt.«
»In welchem Verhältnis stand er zu Dimitri Fjodorow?«, kam es von Ron Harris.
»Auch er war bei ihm beschäftigt.«
»Welche Art von Beschäftigung war das denn?«, hakte Harris nach.
»Er und Smirnov arbeiteten für Fjodorow als Bodyguards. Insgesamt beschäftigt er vier Leibwächter.«
»Und Sie – arbeiten Sie auch für Fjodorow?«
Saizew begann an seiner Unterlippe zu nagen. Sein Blick hatte sich am starren Gesicht des Leichnams festgesaugt.
»Haben Sie meine Frage nicht verstanden?«, knurrte Ron Harris.
»Wir sind lediglich gute Bekannte«, stieß Saizew hervor.
»Das ist sicher auch der Grund, weshalb Ihre Fingerprints auf Fjodorows Yacht festgestellt wurden«, mischte sich Owen Burke ein.
»Ja, ich war einige Male auf dem Boot.«
»Auch am 19. Oktober, zwischen 17 und 19 Uhr, zum Zeitpunkt der Ermordung der beiden?«
Saizews Miene verfinsterte sich. »Langsam, G-man, ganz langsam. Versuchen Sie bloß nicht, mir die Sache ans Bein zu schmieren. Das läuft nicht.«
»Das habe ich nicht vor«, konterte Burke. »Wozu braucht Fjodorow vier Bodyguards?«
»Nun, er ist ein reicher Mann, und er fürchtet, dass man ihn entführt oder vielleicht sogar zu töten versucht.«
»Hat er denn Feinde?«
»Ein Mann wie er hat immer Neider und solche, die ihm missgünstig gesinnt sind.«
»Uns ist zu Ohren gekommen, dass sich in Manhattan eine Russenmafia stark zu machen beginnt«, brachte sich Ron Harris wieder ins Gespräch ein. »Kann es sein, dass Fjodorow in diesem Verein eine Rolle spielt?«
Als Harris zu sprechen begonnen hatte, was Saizews Gesicht zu ihm herumgezuckt. Jetzt irrte sein Blick ab. »Ich habe keine Ahnung.«
»Sie fürchten Fjodorow, nicht wahr?«
»Warum sollte ich?«
»Möglicherweise fürchten Sie auch die Mafia, von der ich gesprochen habe.«
Saizew lachte auf. »Sie ziehen da etwas an den Haaren herbei, G-man.«
»Okay, Mr. Saizew, wir bringen Sie wieder nach Hause«, erklärte Owen Burke. »Sollte Ihnen noch etwas einfallen, rufen Sie mich an.«
Burke gab dem Mann eine von seinen Visitenkarten.
Nachdem sie Saizew in der 10th Street abgesetzt hatten, fuhren die Agents nach Tribeca. Dimitri Fjodorow bewohnte das Penthouse in einem Hochhaus. Wer sich in dieser Gegend eine Wohnung leistete, musste in der Tat ein vermögender Mann sein. Ein etwa dreißigjähriger Mann öffnete die Wohnungstür. Ohne die Spur einer Gemütsregung musterte er Burke und Harris. Er starrte sie an, als nähme er Maß …
»Ist Mr. Fjodorow zu Hause?«, kam es fragend von Owen Burke.
»Wer will das wissen?«
»Ich bin Special Agent Burke vom FBI New York. Das ist mein Kollege Special Agent Harris. Mr. Fjodorows Yacht trieb im East River. An Bord befand sich ein Toter. Ein weiterer Leichnam wurde an der Mündung des Newton Creek in den East River aus dem Wasser gefischt. Bei den Toten handelt es sich um Aleksandr Smirnov und Boris Popow. Sie arbeiteten für Mr. Fjodorow. Das ist der Grund, aus dem wir mit Ihrem Chef sprechen möchten.«
Burke hatte mit klarer, präziser Stimme gesprochen. Sein Tonfall verriet, dass er keinen Widerspruch dulden würde.
Auch jetzt zeigte der Mann keine Gefühlsregung. »Ich frage Mr. Fjodorow, ob er mit Ihnen sprechen möchte.«
Die Agents wechselten einen schnellen, viel sagenden Blick. Dann stieß Ron Harris hervor: »Wir kommen nicht als Bittsteller zu Mr. Fjodorow, mein Freund. Wir sind auch nicht hier, um uns wie solche wieder wegschicken zu lassen. Also holen Sie Ihren Boss her, oder bringen Sie uns zu ihm. Natürlich können wir auch anordnen, dass er bei uns im Federal Building erscheint. Wenn Ihnen das lieber ist …«
Der Bodyguard schoss Ron Harris einen nicht gerade freundlichen Blick zu, dann knurrte er: »In Ordnung, treten Sie ein. Ich denke, Mr. Fjodorow ist bereit, mit Ihnen zu sprechen.« Er gab die Tür frei.
Fjodorow lag im luxuriös eingerichteten Wohnzimmer auf der Couch und schaute fern. Obwohl es auf den Abend zuging, war er nur mit einem Bademantel bekleidet. Es handelte sich um einen eins fünfundachtzig großen, schwergewichtigen Mann mit Halbglatze und wässrigen, blauen Augen.
In einem der schweren Ledersessel saß eine blondhaarige Frau von höchstens dreißig Jahren. Sie war eine Schönheit. Niemand brauchte den Agents zu sagen, dass es sich um Mrs. Fjodorow handelte. Eine bemerkenswerte Erscheinung. Kaum ein Mann konnte sich der Faszination dieser Frau entziehen.
Mit einem Ruck saß Fjodorow. Seine Brauen schoben sich zusammen. »Wen bringst du da, Anatoli?« Seine Stimme klang wie fernes Donnergrollen.
»Die Special Agents Burke und Harris«, versetzte der Leibwächter. »Sie drohten …«
Die Tür zu einem Nebenraum öffnete sich und ein Mann Mitte dreißig ließ sich sehen. Ein weiterer Bodyguard. Er fixierte die beiden FBI-Beamten unverhohlen.
»Special Agents?«, stieß Fjodorow hervor. »Polizei! In meiner Wohnung!« Ein zorniges Funkeln zeigte sich in seinen Augen. Sein Mund hatte sich böse verkniffen. Er starrte abwechselnd die Agents an. »Wer gibt Ihnen das Recht, einfach meine Wohnung zu betreten? Haben Sie einen Grund? Können Sie einen richterlichen Beschluss vorweisen?«
Jetzt übernahm es Owen Burke zu sprechen. »Immer mit der Ruhe, Mr. Fjodorow. Es sind zwei Morde geschehen. Bei einem der Toten handelt es sich um Aleksandr Smirnov, bei dem anderen um Boris Popow. Sie wurden auf Ihrer Yacht ermordet. Und wir wissen, dass beide bei Ihnen beschäftigt waren.«
Sekundenlang herrschte Schweigen. Scheinbar musste Dimitri Fjodorow dieser Eröffnung erst verarbeiten.
»Ich vermisse die beiden seit vier Tagen«, murmelte Fjodorow schließlich. Er sprach jetzt gemäßigt. Das Funkeln in seinen Augen verlosch. »Meine Yacht liegt normalerweise am Pier 42 in Greenwich Village. Es sind über zwei Monate her, dass ich zum letzten Mal auf dem Boot war.«
»Es trieb führerlos im East River. Ihre Bodyguards wurden erschossen.«
»Das ist ja furchtbar!«, entfuhr es der schönen Frau im Sessel. Sie griff sich an den Kopf. Eine theatralische Geste.
»Ich weiß nicht, wie Smirnov und Popow mit meiner Yacht auf den East River gekommen sind«, erklärte Fjodorow. »Wahrscheinlich haben sie mir die Schlüssel gestohlen und …«
»Warum sprechen Sie nicht weiter?«, fragte Harris.
Fjodorow zuckte mit den massigen Schultern. »Es ist nur eine Vermutung. Aber es ist Fakt, dass ich Ihnen die Schlüssel für das Boot nicht gegeben habe.«
»Die Morde sind sicherlich nicht grundlos geschehen«, gab Owen Burke zu verstehen. »Wir wissen nicht, ob Smirnov und Popow die Yacht mit Ihrer Genehmigung oder in Ihrem Auftrag benutzten. Die beiden wurden ermordet. Ihre Yacht spielt dabei eine Rolle. Welche Rolle das ist, das werden wir herausfinden.«
Dimitri Fjodorow zeigte ein spöttisches Lächeln. »Ich würde Ihnen gerne helfen, Gentlemen.« Er hob wie bedauernd die Hände. »Leider habe ich nicht den Hauch einer Ahnung, wie Smirnov und Popow auf mein Boot kamen und weshalb sie sterben mussten.«
»Fjodorow weiß sehr wohl, wie seine beiden Leibwächter auf die Yacht kamen«, bemerkte Owen Burke, als sie in Richtung Federal Plaza fuhren. »Die beiden waren mit der Yacht nicht zufällig auf dem East River unterwegs. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass Fjodorow in der Russenmafia, die sich in Südmanhattan zu etablieren scheint, eine wichtige Rolle spielt.«
»Bezüglich dieser Organisation wissen wir überhaupt nichts Konkretes«, murmelte Ron Harris. »Der Hinweis stammt von Cody Short. Für einen Zwanziger erzählt dir Cody alles, was du hören willst.«
»Du magst Cody nicht«, murmelte Burke. »Tatsache ist aber, dass er uns schon so manchen wertvollen Hinweis geliefert hat.«
»Er ist eine Ratte, ein Parasit!«, stieß Ron Harris scharf hervor. »Einer wie er müsste längst hinter Gittern verrotten.«
»Einer wie er hat sein Ohr immerzu am Pulsschlag des Verbrechens«, entgegnete Burke. »Und wenn in der Unterwelt Manhattans etwas Großes läuft, dann weiß das Cody – und dann erfahren auch wir es. Ich rufe Cody mal an.«
»Tu was du nicht lassen kannst.«
Burke nahm das Handy der Freisprechanlage. Gleich darauf meldete sich Cody Short. »Hi, Cody«, grüßte Owen Burke. »Was gibt es Neues?«
»Tja, was soll es schon geben. Jeder Tag ist ein Daseinskampf, das Leben wird immer teurer, die Geschäfte laufen immer schlechter.«
»Du tust mir ja so leid, Cody. Ich fange gleich an zu weinen.«
»Willst du mich auf den Arm nehmen?«, blaffte der V-Mann giftig. »Was willst du? Du rufst doch nicht aus Langeweile an?«
»Hast du in Sachen Russenmafia was Neues in Erfahrung gebracht?«
»Seid ihr etwa schon dran an den Kerlen?«
»Noch versuchen wir lediglich die Entwicklung zu beobachten.«
»Schon gut. Ich weiß, dass es mich nichts angeht. Im Moment kann ich dir nichts sagen, Owen. Aber ich will mich gern ein wenig umhören. Wenn ich was erfahre, rufe ich dich an. Allerdings müssten wir uns treffen. Du weißt schon …«
»Natürlich, Cody. Du hast es klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Dein Leben ist ein Daseinskampf.«
»Wie wahr. Ich rufe dich an.«
Burke beendete das Gespräch und steckte das Handy in die Halterung.
»Er würde für eine Handvoll Dollars die Seele seiner Großmutter dem Teufel verkaufen«, knurrte Ron Harris geringschätzig. Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Pfeif auf Cody! Wir sollten uns lieber noch einmal Demjan Saizew vorknöpfen. Er weiß mehr, als er zugibt. Möglicherweise waren Smirnov und Popow geschäftlich unterwegs. Ich schließe nicht aus, dass sie mit der Yacht irgendeine Ware übernehmen sollten. Vielleicht hatten sie auch etwas an Bord, auf das ein anderer scharf war, der aber dafür nichts bezahlen wollte. Die Geschichte, dass sie den Schlüssel gestohlen und mit dem Boot eine Spritztour unternommen haben, kann Fjodorow seiner Großmutter erzählen.«
»Sprechen wir Morgen mit Saizew«, stimmte Burke zu.
»Ich weiß nichts«, presste Demjan Saizew zwischen den Zähnen hervor. Es klang ungeduldig. Trotzig schaute der Russe Owen Burke an. Er war genervt. Das verriet jeder Zug in seinem Gesicht.
Sie befanden sich im Wohnzimmer Saizews. Burke saß in einem Sessel, Harris auf der Couch, Saizew hatte ebenfalls in einem Sessel Platz genommen.
»Wie eng waren Ihre Kontakte zu Fjodorow?«, fragte Burke.
»Nun, wir waren befreundet.«
»Er soll sehr reich sein.«
»Verdammt reich. Okay, Agents. Ich will es Ihnen nicht verheimlichen. Dimitri und mein Vater waren gute Freunde. Als mein Vater starb, nahm sich Dimitri meiner an. Er war so etwas wie mein väterlicher Freund.«
»Sie bewegten sich also im unmittelbaren Umfeld Fjodorows!«, ließ Owen Burke nicht locker.
»Nun ja …«
»Keine Ausflüchte!«, stieß Ron Harris unduldsam hervor. »Wir können Sie vorläufig festnehmen. Wir haben zwei ermordete Männer und am Tatort wurden Ihre Fingerabdrücke gefunden. Raten Sie mal, an welcher Stelle auf unserer Liste der Verdächtigen Sie stehen, Saizew.«
»Ich sagte Ihnen doch schon, dass ich des Öfteren auf der Yacht war.«
»Sie waren sicherlich auch des Öfteren bei Fjodorow zu Besuch. Und Sie wissen einiges über die Machenschaften des Herrn. Smirnov und Popow waren in einer besonderen Mission im Auftrag Fjodorows unterwegs. Für die beiden wurde es zu einem Himmelfahrtskommando. Reden Sie, Mann! Weshalb schipperten Smirnov und Popow mit der Yacht Fjodorows auf dem East River herum? Was haben Sie befördert, beziehungsweise was sollten sie übernehmen? Gibt es die Russenmafia, von der wir gehört haben?«
Saizew fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Er atmete tief durch. Plötzlich erhob er sich und nahm eine unruhige Wanderung im Wohnzimmer auf. Drei Schritte hin, drei zurück. Die Agents beobachteten ihn. Es war deutlich – Saizew trug schwer an seiner Unschlüssigkeit.
»Falls Sie die Mafia fürchten«, sagte Burke. »Wir können Sie ins Zeugenschutzprogramm aufnehmen und …«
Saizew winkte unwirsch ab. »Es gibt keine Mafia!«, stieg es aus seiner Kehle. Unvermittelt unterbrach er seine unruhige Wanderung und wandte sich den Agents zu. »Fjodorow hat eine weiße Weste. Er hat mit irgendwelchen dubiosen Geschäften nichts am Hut. Ich kann Ihnen nichts sagen.«
»Sie haben Schiss, Saizew!«, erklärte Owen Burke, jedem Wort eine besondere Betonung verleihend. »Verdammt, Mann, reden Sie! Ich sehe es Ihnen an der Nasenspitze an, dass Sie uns eine Reihe wichtiger Dinge verheimlichen. Also nehmen Sie die Zähne auseinander und spucken Sie aus, was Sie wissen. Wenn Sie Fjodorow und die Mafia fürchten müssen, verleihen wir Ihnen eine neue Identität und Sie werden an einem Ort leben, den nicht einmal wir kennen.«
Saizew nahm die Wanderung wieder auf. Eine ganze Weile schritt er hin und her. Hinter seiner Stirn arbeitete es fieberhaft. Das stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Es geht um Waffen!«, stieß er plötzlich hervor.
Ungläubig starrten ihn die Agents an. »Ich höre wohl nicht richtig«, entrang es sich Ron Harris.
»Es ist so. Fjodorow hat tausend Kalaschnikows geordert. Sie sollten bei Hallets Point übernommen werden.«
Saizew war wieder stehen geblieben während er sprach. Jetzt warf er sich in seinen Sessel.
»Tausend Kalaschnikows!«, stieß Burke hervor.
»Ja, und zwar AK 107. Sturmgewehre, die Fjodorow an die Aufständischen in Somalia verschieben will.«
»Bei wem hat Fjodorow die Sturmgewehre geordert?«, fragte Ron Harris.
Saizew dachte kurz nach. Es hatte den Anschein, dass er sich die nächsten Worte erst im Kopf zurecht legte. Schließlich antwortete er: »Ich hab mal ein Telefonat belauscht. Fjodorow sprach russisch und nannte den Mann am anderen Ende der Strippe Igor. Ich denke, Igor sitzt irgendwo in Russland und betätigt sich als Waffenschmuggler.«
»Und Sie sind voll und ganz in das Geschäft involviert, Saizew«, kam es von Owen Burke. »Wie es aussieht, hat Fjodorow großes Vertrauen zu Ihnen. Sie spielen also eine nicht gerade untergeordnete Rolle in der Inszenierung.«
»Ich spiele gar keine Rolle«, versetzte Saizew. Er betonte jedes Wort und sprach mit Nachdruck. »Aber es ist so, wie Sie vermuten. Fjodorow ist Boss einer Mafia. Er kauft von verschiedenen Leuten Waffen. Geschäfte macht er mit diesem Igor, ein anderer Waffenlieferant sitzt irgendwo im Nahen Osten. Verbindungen bestehen mit den Rebellen in Somalia und Angola. Die Bezahlung erfolgt in der Regel nicht mit Geld, sondern mit Rohdiamanten. Zumindest gilt das für den Handel mit Angola.«
»Und was ist Ihr Part in dem Spiel?«, fragte Ron Harris. »Ich denke, dass es nicht der Wahrheit entspricht, wenn Sie behaupten, dass Sie nicht zu der Mafia gehören.«
»Es ist so. Dimitri hat mich bisher aus allem herausgehalten. Er sieht in mir so etwas wie einen Sohn.«
»Finanziell scheint er sie aber ziemlich kurz zu halten«, knurrte Harris. »Während er im Luxus schwelgt, leben Sie hier in einer Sozialwohnung.«
»Es geht mir nicht schlecht«, versetzte Saizew ausweichend.
»Nachdem Smirnov und Popow verschwunden waren, hat Fjodorow doch sicher auch bei Ihnen angerufen«, mutmaßte Owen Burke.
Saizew schüttelte den Kopf. »Warum sollte er?«
»Sie wussten doch von dem Waffendeal.«
»Ich … Nun … Es ist so, dass ich zufällig davon erfahren habe. Ich hörte, wie Dimitri mit diesem Igor telefonierte. Aber das habe ich Dimitri natürlich nicht auf die Nase gebunden. Im Nachhinein bin ich der Meinung, dass ich klug gehandelt habe. Vielleicht hätte er mich verdächtigt, das Geschäft verraten zu haben. So denkt er, dass die Konkurrenz die Hände im Spiel hat.«
»Welche Konkurrenz?«, fragte Burke.
»Sind Sie von gestern, Agent?«, knurrte Saizew. »Wissen Sie nicht, dass es in New York eine Reihe von Leuten gibt, die mit Drogen und Waffen handeln, die Menschenhandel betreiben, die ganze Scharen von Prostituierten auf den Strich schicken und die von den Geschäftsleuten Schutzgeld erpressen. Italiener, Chinesen, Japaner, natürlich auch Amerikaner … Organisationen, die vom Verbrechen leben. Diese Mafioso bekämpfen sich gegenseitig. Einer schickt dem anderen seine Killer auf den Hals. Ich könnte das Geschäft meines Lebens machen, wenn ich irgendeinem von diesen Kerlen verraten würde, wo sich zum Beispiel das Waffenlager Fjodorows befindet.«
»Wo befindet es sich?«
»In einem alten Lagerschuppen bei den Greenpoint Piers. Es ist der Pier an der India Street. Sie können die Halle gar nicht verfehlen. Sie besitzt ein großes, grün gestrichenes Tor. Da drin befindet sich ein ganzes Waffenarsenal. Dorthin sollten auch die Kalaschnikows gebracht werden. Soviel ich weiß, sind dort sogar Boden-Luft-Raketen deponiert. Der ganze Plunder sollte demnächst per Schiff nach Afrika gehen.«
»Das ist ausgesprochen interessant«, sagte Owen Burke. »Wir werden Sie, bevor wir dieses Waffenlager ausheben, in einer unserer konspirativen Wohnungen unterbringen. Es ist wohl so, dass mit Ihnen als Kronzeugen der Stern Dimitri Fjodorows sehr bald verglüht sein dürfte. Aber damit ist sicherlich nicht unser Fall gelöst. Und in dem geht es um die Ermordung Aleksandr Smirnovs und Boris Popows.«
Saizew wiegte den Kopf. »Kann es nicht sein, dass die Leute, die die Waffen bringen sollten, die beiden ermordeten und sich das Geld, mit dem die Kalaschnikows bezahlt werden sollten, unter den Nagel gerissen haben?«
»Das wäre natürlich eine Möglichkeit«, stimmte Burke zu. »Es könnte aber auch sein, dass Sie Ihr Wissen an einen jener Mafiosos verkauft haben, von denen Sie vorhin sprachen.«
Saizew prallte zurück. »Ich bin doch nicht lebensmüde! Außerdem hätte ich dann ganz sicher auch mein Wissen bezüglich des Waffenlagers verkauft. Nein, Agents, ich lege keinen Wert darauf, elend im Hudson zu ersaufen. Und das blüht jedem, der den geleisteten Schwur bricht und Dimitri oder der Organisation in den Rücken fällt.«
»Sie haben uns eben alles erzählt. Und wie mir schien, hatten Sie kein großes Problem, den Schwur zu brechen, den Sie geleistet haben. Was hat es überhaupt mit diesem Schwur auf sich?«
»Es ist der Schwur, Stillschweigen zu bewahren. Jeder Verrat wird blutig gerächt. Nicht nur am Verräter, sondern auch an seiner Familie. Die Familie jedoch ist der wichtigste Teil im Leben eines Russen. – Ich will aussteigen und ein neues Leben beginnen. Das ist so. Darum habe ich Ihnen mein Wissen preisgegeben. Ausschlaggebend war für mich Ihr Versprechen, mir eine neue Identität zu verleihen. Ohne diese Aussicht hätten Sie kein Wort von mir erfahren. Denn in diesem Fall wäre ich jetzt so gut wie tot. Selbst wenn Sie Dimitri Fjodorow einsperren. Leute, die ihm nahe stehen, würden mich jagen und töten.«
»Ich denke, dass Sie doch eine Rolle in der Mafia spielen«, erklärte Ron Harris. »Außerdem habe ich das Gefühl, dass Sie uns nur mit Halbwahrheiten bedienen. Was Sie uns erzählt haben, erscheint mir zum Teil nicht recht schlüssig. Ich weiß nicht, woher es rührt. Aber es ist da und mein Bauchgefühl hat mich noch selten im Stich gelassen.«
»Ich kann Ihre Gedanken nicht beeinflussen, Agent«, versetzte Saizew. »Es ist alles so, wie ich es gesagt habe.«
»Wir werden es sehen«, knurrte Harris.
»Okay«, mischte sich Owen Burke ein. »Belassen wir es fürs Erste dabei. Ich werde mich kundig machen, in welche Wohnung wir Sie bringen können. Wenn Sie in Sicherheit sind, sollten Sie niemandem Ihre Adresse verraten. Nicht mal Ihren engsten Angehörigen.«
»Ich bin doch kein Selbstmörder.«
Es war Nacht. Auf dem East River funkelten die Lichter von Manhattan auf der einen Seite, auf der anderen die Lichter von Queens und Brooklyn. Die Special Agents Burke und Harris parkten ihren Dienstwagen in der India Street. Zwei Mannschaftstransportwagen fuhren heran. Als sie standen, sprangen die schwarz gekleideten Männer des SWAT-Teams heraus, das die Agents mobilisiert hatten. Die Angehörigen der Spezialeinheit trugen Sturmhauben unter den Helmen. Bewaffnet waren sie mit Maschinenpistolen. Sie waren außerdem mit Headsets ausgerüstet.
Jeder wusste, was er zu tun hatte, jeder kannte seinen Platz. Der Einsatz war am Nachmittag ausführlich und bis ins Detail geplant und besprochen worden.
Nahezu lautlos glitten die SWAT-Leute auf den Pier und umstellten die Lagerhalle mit der grün gestrichenen Tür aus Stahlblech. Auch Owen Burke und Ron Harris hatten sich kugelsichere Westen angelegt und trugen Helme mit Headsets. Sie befanden sich am Rand des Piers und standen im Schlagschatten eines flachen Gebäudes.
Leise tönte es aus den Lautsprechern an Owen Burkes Ohren: »Das Team ist in Stellung, Agent. Wir warten auf Ihren Befehl. Over.«
»All right. Zugriff! Sollten Ihre Männer auf Gegenwehr stoßen, sollen Sie daran denken, dass wir Leute brauchen, die reden können.«
»Ich weiß. Wir stürmen jetzt. Over.«
»Hals- und Beinbruch. Over.«
Sekunden später wurde es laut. Es gab einen dumpfen Knall, als das Tor aufgesprengt wurde. Dann dröhnten Schüsse. Geschrei war zu vernehmen. Schwere Schritte trampelten. Schlagartig brach der Lärm ab. In der Lagerhalle ging Licht an. Und dann ertönte es an Burkes Ohren: »Wir haben die Situation im Griff. Die drei Kerle, die sich in der Halle befanden und das Zeug bewachten, konnten wir überwältigen. Zwei sind verwundet. Ambulanzen sind auf dem Weg. Over.«
»Wir kommen. Over.«
Owen Burke und Ron Harris setzten sich in Bewegung.
Wenig später betraten sie die Halle. An der rechten Längswand waren mindesten hundertfünfzig Kisten gestapelt. Zwei Männer saßen am Boden, ein dritter lag auf dem Rücken und wimmerte leise. Jemand hatte ihm eine zusammengerollte Jacke unter den Kopf geschoben. Zwei Männer des SWAT-Teams bewachten sie.
Der Teamleiter wandte sich an die beiden Agents und sagte: »Wir haben keine Verletzten. Einer der Kerle hat eine Kugel ins Bein bekommen, der andere in die Schulter. Der dritte Mann heißt Fedor Jegorow. Sie befanden sich in dem Raum dort.« Der Polizist wies mit einer knappen Handbewegung auf eine Tür, die offen stand. »Es ist ein Aufenthaltsraum. Darin befinden sich auch zwei Pritschen. Die Kerle haben sich hier häuslich eingerichtet.«
»Wir nehmen Jegorow mit«, erklärte Owen Burke. »Sie kümmern sich bitte darum, dass die Kisten sichergestellt werden.«
»Das geht in Ordnung, Agent. – Jegorow!«
Einer der Männer, die am Boden hockten, hob das Gesicht.
»Hoch mit Ihnen. Die beiden Agents nehmen Sie mit.«
Der Mann kämpfte sich auf die Beine. Es war für ihn gar nicht so einfach, denn seine Hände waren auf den Rücken gefesselt. Ron Harris dirigierte ihn nach draußen und dann in die India Street, wo Jegorow auf dem Rücksitz Platz nehmen musste. Owen Burke setzte sich neben ihn. Während der Fahrt wurde kein Wort gesprochen. Im Federal Building angekommen ließen sie Jegorow sofort in einen Vernehmungsraum bringen. Der Wachmann nahm dem Russen die Handschellen ab und gebot ihm, sich an den zerkratzten Tisch zu setzen. Die beiden Agents blieben stehen. Owen Burke stemmte sich mit beiden Armen auf die Tischplatte und sagte: »Ihr Name ist Fedor Jegorow. Wir wissen, dass Sie für Dimitri Fjodorow arbeiten. In den Kisten, die Sie zusammen mit zwei Komplizen bewachten, befinden sich Waffen, die für Somalia oder Angola bestimmt sind. Sie brauchen nichts weiter zu sagen als 'ja, das ist so'.«
»Wer hat uns verraten?«, presste Jegorow hervor.
»Das tut nichts zur Sache. Also spucken Sie's schon aus: Gehören die Kisten, die Sie bewacht haben, Dimitri Fjodorow?«
Der Mann schwieg. Seine Lippen waren zu einem dünnen, blutleeren Strich zusammengepresst.
»Sie haben also auch den Schwur geleistet«, verlieh Burke dem Gedanken Ausdruck, der sich ihm unwillkürlich aufdrängte.
»Jeder Verräter muss sterben!«, knirschte Jegorow.
»Wir können Sie auch unseren Vernehmungsspezialisten überlassen«, drohte Burke. »Das wird jedoch an die Psyche gehen. Sie können es einfacher haben. Also vergessen Sie diesen dummen Schwur und beantworten Sie meine Frage: Ist Dimitri Fjodorow der Besitzer der Kisten, die wir in der Lagehalle sichergestellt haben?«
»Ja, verdammt. Ich habe mit dem Waffenhandel nichts zu tun. Wir …«
»Das wird das Gericht klären«, unterbrach ihn Burke, dann ließ er Jegorow abführen. Als der Russe fort war, wandte sich Burke an seinen Kollegen: »Und wir holen uns Dimitri Fjodorow. Noch ist er ahnungslos. Wir werden also das Überraschungsmoment auf unserer Seite haben.«
»Sicher liegt er neben seiner schönen Frau im Bett und schläft den Schlaf der Gerechten«, knurrte Ron Harris. »Es wird ein böses Erwachen für ihn geben. Ich freue mich schon auf sein Gesicht.«
Bis Tribeca war es von der Federal Plaza aus nur ein Katzensprung. In dem Gebäude, in dem Fjodorow wohnte, wiesen sich die Agents gegenüber dem Nachtportier aus, dann fuhren sie mit dem Aufzug nach oben. Vorher hatten sie sich versichert, dass es auf keiner Seite des Gebäudes eine Rettungsleiter gab.
Es war kurz vor 3 Uhr. Burke lauschte kurze Zeit an der Tür zu Fjodorows Wohnung. Dahinter war es totenstill. Burke nickte seinem Partner zu. Ron Harris läutete. Gleich darauf ertönte aus dem Lautsprecher der Sprechanlage eine verschlafene Stimme: »Wer ist da?«
»FBI! Öffnen Sie.«
»Haben Sie schon mal auf die Uhr geschaut? Verschwinden Sie und kommen Sie morgen Vormittag wieder.«
»Ich gebe Ihnen eine halbe Minute Zeit, zu öffnen. Nach Ablauf der dreißig Sekunden dringen wir in die Wohnung ein.«
Es knackte im Lautsprecher.
»Hören Sie mich noch?«, fragte Owen Burke.
Der Sprecher in der Wohnung hatte den Hörer eingehängt.
»Dann eben auf die raue Tour!«, presste Burke hervor. Kurz entschlossen rammte er mit der Schulter die Tür auf. Es gab einen berstenden Knall. Sofort glitt Burke zurück in den Schutz der Wand neben der Tür. Da peitschte in der Wohnung auch schon ein Schuss.
Wahrscheinlich wusste man, was die Stunde geschlagen hatte.
Den Kerlen in der Wohnung gingen die Nerven durch.
Ron Harris hielt die SIG schon in der Hand. Owen Burke zog sie jetzt. In der Wohnung war es still. Der Raum hinter der Tür lag in Finsternis. »Geben Sie auf!«, rief Burke. »Sie kommen nicht aus der Wohnung. Zwingen Sie mich nicht, eine Spezialeinheit anzufordern.«
»Was wollen Sie?«
Owen Burke erkannte die Stimme. Sie gehörte Dimitri Fjodorow.
»Das Spiel ist aus, Fjodorow«, gab Burke zu verstehen. »Wir haben Ihr Waffenlager bei den Greenpoint Piers ausgehoben. Ihre drei Aufpasser befinden sich in unserer Hand. Also ergeben Sie sich. Kommen Sie und Ihre Bodyguards waffenlos und mit erhobenen Händen ins Treppenhaus.«
Ron Harris hatte sein Mobiltelefon in der linken Hand und wartete darauf, dass sich am anderen Ende der Strippe jemand meldete.
»Geht zum Teufel, ihr elenden Schnüffler!«, rief Fjodorow. »Kommt nur herein und holt uns. Wir werden euch …«
»Sie machen alles nur noch schlimmer, Fjodorow«, mahnte Owen Burke. Er hörte seinen Partner leise sprechen. »Außerdem muss ich Ihre Hoffnung, dass wir in die Wohnung kommen, zerstören. Wir werden Sie lediglich da drin festnageln und warten, dass das SWAT-Team eintrifft. Die arbeiten mit Tränengas oder Blendgranaten. Es wird sicherlich nicht sehr angenehm für Sie und jeden anderen, der sich in der Wohnung befindet.«
Einige Zeit verstrich. Fjodorow schien sich nicht entscheiden zu können. Ihm war klar, dass er so schnell die Freiheit nicht wiedersehen würde. Alles sträubte sich in ihm bei dem Gedanken, für die nächsten Jahre hinter Gefängnismauern zu verschwinden. Er wusste aber auch, dass für ihn daran kein Weg vorbeiführte. Er würde alles nur hinauszögern und am Ende gewaltsam überwältigt werden.
Der Russe war hin und her gerissen zwischen Gefühl und Verstand. Ein tiefer Zweispalt war in ihm aufgerissen, und Panik begann sich einzustellen.
Jetzt erklang eine andere Stimme: »In Ordnung, G-men, wir kommen hinaus. Nicht schießen!«
In der Wohnung ging Licht an. Kaum wahrnehmbare Geräusche erreichten das Gehör der Agents, dann erschien einer der Leibwächter. Er hielt die Hände in Schulterhöhe erhoben. Ron Harris nahm ihn in Empfang und legte ihm eine Handschelle an. Sogleich trat der andere Bodyguard durch die Tür. Um sein Handgelenk schloss sich die andere Stahlspange. Die beiden Leibwächter waren zusammengefesselt.
»Was ist mit Fjodorow und seiner Frau?«, fragte Burke.
Einer der Bodyguards zuckte mit den Schultern.
Ron Harris zog die beiden von der Tür weg, durchsuchte sie nach Waffen und gebot ihnen schließlich, sich abseits auf den Boden zu setzen. An Owen Burke gewandt sagte er: »Wir bekommen Verstärkung von der City Police.«
»Gut«, murmelte Owen Burke. Seine Stimme hob sich: »Sie haben keine Chance, Fjodorow. Also geben Sie auf.«
»Niemals!«, heulte der Russe.
»Dann werden Sie die Konsequenzen tragen müssen, Fjodorow!«, drohte Burke. »Denken Sie an Ihre Frau.«
»Mein Frau, meine Frau!«, kreischte der Russe, der mehr und mehr die Nerven zu verlieren schien. »Die war doch nur scharf auf mein Geld. Sie hat sogar meinen Bodyguards schöne Augen gemacht. Sie ist ein …«
Ein spitzer Aufschrei erklang.
Und dann ließ wieder Fjodorow seine Stimme erklingen. »Ich komme jetzt hinaus. Verschwinden Sie von der Tür. Wenn Sie versuchen, mich zu überwältigen, erschieße ich Celine. Mein Wort darauf.«
Betroffen schauten sich die Agents an. »Er – er nimmt seine eigene Frau als Geisel!«, entrang es sich ungläubig Ron Harris. »So niederträchtig und verkommen kann doch kein Mensch sein.«
»Wie es scheint - doch«, murmelte Owen Burke.
»Wir kommen jetzt!«, rief der Russe. »Verschwindet! Ich erschieße Celine, wenn …«
Fjodorow schrie gequält auf. Ein Schuss krachte. Die Detonation drohte den Raum aus allen Fugen zu sprengen. Ein dumpfer Fall war zu hören, ein Röcheln.
Owen Burke überlegte nicht mehr lange. Er wirbelte um den Türstock, den Arm mit der SIG hatte er erhoben, mit der Linken stabilisierte er das Gelenk seiner rechten Hand, die den Griff der SIG umklammerte. Mit einem Blick erfasste der G-man die Situation. Fjodorow stand in der Tür zum Schlafzimmer. Entsetzte starrte er auf seine Frau, die am Boden lag und leise wimmerte. Seine Hand mit der Pistole baumelte nach unten. Er roch nach verbranntem Pulver.
Burke zielte auf den Russen. »Lassen Sie die Waffe fallen!«, peitschte sein Organ. Fjodorow riss seinen Blick von der am Boden liegenden Frau los und heftete ihn auf den Agent. Er schaute ihn an wie ein Erwachender. Plötzlich verzerrte sich sein Gesicht und er riss die Hand mit der Pistole in die Höhe.
Er ließ Owen Burke keine andere Wahl.
Der G-man drückte ab. Seine Kugel durchschlug den Oberschenkel des Russen. Schlagartig verlor der Gangsterboss die Kraft im rechten Bein. Er brach auf das Knie nieder, ein Gurgeln kämpfte sich in seiner Brust hoch und erstickte in der Kehle. Seine Hand mit der Waffe war nach unten gesunken.
Mit ein paar schnellen Schritten war Burke bei ihm und drückte ihm die Mündung der SIG gegen die Stirn. »Lassen Sie die Waffe fallen!«
Die Gestalt des Russen erbebte regelrecht. Seine Zähne schlugen zusammen wie im Schüttelfrost. In seinen Zügen und in seinen Augen wütete der Schmerz.
Jetzt war auch Ron Harris zur Stelle. Mit einem blitzschnellen, geübten Griff entwand er Fjodorow die Waffe.
Burke trat zurück. »Das hätten Sie einfacher haben können, Fjodorow!«, stieß er hervor. Dann holsterte er die SIG und ging zu der Frau hin, deren leises Wimmern einen Stein erweichen konnte. Fjodorow hatte ihr die Schulter zerschossen. Die Schlafanzugjacke, die sie trug, war über und über mit Blut besudelt.
Burke registrierte, dass sein Partner bereits telefonierte, um den Emergency Service zu alarmieren.
Am Nachmittag dieses Tages fuhren Owen Burke und Ron Harris nach Rikers Island. Im Gefängnishospital befand sich Dimitri Fjodorow. Er teilte sich das Zimmer mit drei weiteren Patienten. Auf Burkes Bitte hin wurde das Bett in einen Raum geschoben, in dem die Agents mit dem Waffenschmuggler alleine waren.
Fjodorow sah schlecht aus. Sein Gesicht war bleich, unter seinen Augen lagen dunkle Schatten, die Linien, die sich von seinen Nasenflügeln bis zu den Mundwinkeln zogen, schienen sich vertieft zu haben.
Vom Arzt hatten die Agents erfahren, dass es sich bei der Beinwunde um einen glatten Durchschuss handelte. Eine sicherlich schmerzhafte Verletzung, aber grundsätzlich harmlos. Der Russe musste lediglich das Bein schonen.
»So schnell kann alles zu Ende sein, Mr. Fjodorow«, sagte Owen Burke und musterte ohne die Spur einer Gemütsregung den skrupellosen Gangster. »Sie werden sich für eine Reihe von Verbrechen verantworten müssen. Ich denke mal, dass Sie den Rest Ihres Lebens hinter Gittern verbringen werden.«
Die Augen Fjodorows glitzerten hassvoll. Seine Zähne mahlten übereinander. »Von wem hattet ihr den Tipp mit der Lagerhalle?«, presste er hervor.
»Das werden wir Ihnen ganz sicher nicht auf die Nase binden«, versetzte Burke. »Wir wissen von dem Schwur, den Ihre Leute leisten mussten. Darum wollen wir nichts herausfordern.«
»Ich werde es herausfinden«, grollte die Stimme Fjodorows. »Der Verräter hat sein eigenes Todesurteil gesprochen.«
»Sprechen wir von etwas anderem, Mr. Fjodorow«, gab Owen Burke zu verstehen. »Wir sind nach wie vor damit beschäftigt, die Morde an Aleksandr Smirnov und Boris Popow aufzuklären. Sie haben die beiden mit Ihrer Yacht zum Hallets Point geschickt, wo sie tausend Sturmgewehre vom Typ Kalaschnikow übernehmen sollten.«
Fjodorow stieß scharf die Luft durch die Nase aus. Doch er schwieg. Geradezu trotzig starrte er Burke an.
Jetzt ergriff Ron Harris das Wort, indem er sagte: »Uns interessiert in diesem Zusammenhang, wer Ihnen die Waffen lieferte. Geben Sie den Namen preis, Mr. Fjodorow. Ist es ein Mann, dessen Vorname Igor lautet?«
»Von mir erfahren Sie nichts! Gar nichts!« Fjodorow spuckte die Worte regelrecht hinaus. »Außerdem will ich meinen Anwalt dabei haben, wenn Sie mich vernehmen. Darauf bestehe ich.«
»Nehmen Sie Vernunft an, Mr. Fjodorow«, meinte Owen Burke. »Auch ein Anwalt kann Ihren Kopf nicht retten. Waffenschmuggel, Geiselnahme, Mordversuch. Und sicher kommen noch einige Delikte dazu, wenn die Männer, die wir in der vergangenen Nacht festgenommen haben, auspacken. Auch Ihre Frau wird einiges zu erzählen haben.«
Fjodorow schluckte. »Wenn ich den Namen verrate, wäre ich nicht einmal im Hochsicherheitstrakt von Sing Sing sicher«, murmelte der Russe.
»Der Schwur, wie?«
Fjodorow nickte kaum wahrnehmbar. Plötzlich lösten sich die Verkrampfungen in seinem Gesicht. »Es hat wohl alles keinen Sinn mehr«, murmelte er.
»Sie können nur noch für sich punkten«, munterte ihn Owen Burke auf zu sprechen.
»Ich gehöre einem Ring an«, murmelte Fjodorow. »Der Kopf sitzt in Moskau. Ja, es geht um Waffenschmuggel im ganz großen Stil. Ich bin so etwas wie ein Zwischenhändler. Allerdings verkaufe ich die Waffen nicht in Kommission, sondern ich bezahle sie und beliefere damit die Rebellen in verschiedenen afrikanischen Staaten, in denen Bürgerkrieg herrscht.«
»Und man bezahlt Sie mit Rohdiamanten.«
»Es gibt ein treffenderes Wort!«, stieß Ron Harris hervor. »Blutdiamanten!«
»Ja.« Fjodorow nickte.
»Sie haben sicher sehr gut an den Waffen verdient«, gab Burke zu verstehen.
»Hundert Prozent.«
»Bezahlten Sie die Waffen bei Lieferung bar?«, fragte Harris.
»Ja.«
»Smirnov und Popow hatten also eine Menge Geld bei sich, als sie zum Hallets Point schipperten, um die Ladung Sturmgewehre zu übernehmen.«
»Es waren 750.000 Dollar.«
»Das Geld ist verschwunden«, sagte Owen Burke. »Sie haben doch sicher mit dem Waffenlieferanten in Moskau Verbindung aufgenommen, Mr. Fjodorow, nachdem Ihre Leute überfällig waren. Ich vermute doch, dass Sie ihm Fragen stellten – Fragen bezüglich des Verschwindens Ihrer Männer.«
»Natürlich habe ich mit Moskau telefoniert«, knurrte Fjodorow. »Es war schließlich eine Menge Geld im Spiel. Die Waffen sollten am 19. Oktober um 20 Uhr beim Hallets Point übernommen werden. Smirnov hatte Order, mich sofort anzurufen, wenn er das Geschäft abgewickelt hatte. Der Anruf blieb aus. Ich telefonierte mit Jegorow, der die Waffen von Smirnov übernehmen und in der Lagerhalle auf dem Pier an der India Street deponieren sollte. Er hatte keine Ahnung, wo Smirnov und Popow abgeblieben waren.«
»Was hatte Ihnen Ihr Lieferant zu sagen?«