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Gerade war es noch ein ganz normaler Sonntagmittag im Dimpfelmoser'schen Leben: Eine zünftige Bratwurst-Mahlzeit steht an. Doch dann eröffnen Dimpfelmosers Großeltern ihm, dass sie ins Seniorenheim am Wörther Schlossberg ziehen und ihm ihr Haus überschreiben wollen. Die einzige Bedingung: Dimpfelmoser soll endlich heiraten. Just in diesem Moment ruft Kollege Reindl an – In der Donau wurde ein Toter gefunden. Dimpfelmoser muss in gewohnt raubeiniger Manier ermitteln – dass seine Großeltern inzwischen als Undercover-Ermittler vor Ort mitmischen wollen, passt Dimpfelmoser natürlich überhaupt nicht in den Kram …
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Mordsgrantler
Stefan Limmer ist verheiratet und hat vier Kinder. Er wohnt zwischen Regensburg und Cham, in der Gegend, in der auch der Kommissar Dimpfelmoser ermittelt. Hauptberuflich ist er als Heilpraktiker, Seminarleiter und Dozent tätig.
Ein verzwickter Fall wartet auf Kommissar Dimpfelmoser: In der Donau wurde ein Toter gefunden. Und damit nicht genug: Ganz in der Nähe der Leiche ziehen Dimpfelmosers Kollegen ein Luxusauto aus dem Fluss. Am Steuer sitzt ein weiterer Toter, im Kofferraum liegen Unmengen geschmuggelter Zigaretten aus Tschechien. Dimpfelmoser und seine Kollegen beginnen auf Hochtouren zu ermitteln.Auch privat kommt der Hauptkommissar nicht zur Ruhe: Eva, seine langjährige Haushälterin, Mitbewohnerin und Freundin aus Kindheitstagen, will endlich heiraten, auch seine Großeltern drängen ihn zur Eheschließung.Dimpfelmoser muss alle Register ziehen, damit die Lage ermittlungstechnisch wie auch privat nicht gänzlich außer Kontrolle gerät.
Stefan Limmer
Kriminalroman
Ullstein
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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage Februar 2019© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®, München; Getty Images / © Ragnar Schmuck (Hut); Getty Images / © Foodcollection RF (Ketchup); Getty Images / © Gandee Vasan (Dackel)Gesetzt aus der Quadraat Pro powered by pepyrus.comE-Book-Konvertierung powered by pepyrus.comAlle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-8437-1853-0
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Der Autor / Das Buch
Titelseite
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Epilog
Nachwort des Autors
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Cover
Titelseite
Inhalt
Kapitel 1
Sonntag, 14.00 Uhr
»Dimpfelmoser, das ist immer dasselbe mit dir«, schimpft gleich der Kreithmeier, seines Zeichens Pathologe und Leichenfledderer. »Immer wenn du Bereitschaftsdienst am Sonntag hast, gibt es eine Häufung von Toten in deinem Revier. Da solltest dir einmal Gedanken machen, warum du die Leichen so anziehst wie die Motten das Licht.«
»Ja, ich bring sie ja nicht selber um, und dass sich die immer die Sonntage aussuchen, dafür kann ich nix. Warum bist du überhaupt schon da, ich hab die Meldung grad erst bekommen?«
»Ich war nur ein paar Hundert Meter weiter spazieren, aber mir ist anscheinend überhaupt kein Privatleben vergönnt.«
Ich folge seinem verklärten Blick und sehe am Rand der Absperrung, die der Reindl schon eingerichtet hat, eine Frau stehen. Da bleibt dir gleich die Luft weg, so rattenscharf ist die, dass mir fast die Augen aus dem Kopf fallen.
»Seit wann hast du ein Privatleben, des ist ja ganz was Neues. Ich hab immer gedacht, dass die Frauen nix für dich sind, bisher hast jedenfalls noch keine dabeigehabt.«
»Der Reindl war so nett und hat mir ein paar Tipps gegeben. Der kennt sich ja so gut aus mit den Online-Partnervermittlungsportalen, und da hab ich doch gleich die Gerlinde kennengelernt.«
»Zefix, stehts ihr schon wieder alle in meinem Tatort rum«, schreit mich da von hinten einer an.
Natürlich ist es der Mühlbauer, unser Spurensicherer. Ich werfe noch schnell einen Blick auf den Toten, bevor ich mich zurückziehe. Mit dem Mühlbauer ist nicht zu spaßen, wenn es um seine Tatorte geht. Der ist da richtig fanatisch und wird schon mal handgreiflich, wenn nicht alle nach seiner Pfeife tanzen. Nur den Kreithmeier lässt er seine Arbeit machen, ohne dass er gleich einen cholerischen Tobsuchtsanfall bekommt. Beim Blick auf die Leiche reißt es mich dann doch etwas. Es handelt sich um einen alten Mann, der dürfte in etwa so alt gewesen sein wie mein Opa. Da muss ich mich richtig zusammenreißen, damit sich nicht wieder das leidige Gespräch von vorhin in meine Hirnwindungen schiebt.
»Und?«, frage ich vorsichtig.
»Auf den ersten Blick scheint er ertrunken zu sein, aber du weißt ja, Genaueres kann ich dir erst nach der Obduktion sagen«, leiert der Kreithmeier seinen Standardsatz herunter. »Papiere oder andere persönliche Gegenstände hat er nicht dabei.«
»Meldest dich halt einfach bei mir, wennst was weißt, gell, aber dass du nicht wieder so lange trödelst«, kann ich mir dann doch nicht verkneifen, weil ich weiß, dass er da ganz narrisch wird.
Wie zu erwarten, bekommt er gleich einen Tobsuchtsanfall, und weil der Mühlbauer auch schon wieder rumbrüllt wegen seines Tatortes, wäre es jetzt doch noch ganz zünftig, wenn da nicht mitten zwischen uns die Leiche des alten Mannes liegen würde.
»Reindl, lass uns fahren«, kommandiere ich, und dann machen wir uns auf den Weg in die Dienststelle, weil es hier vorerst nichts mehr für uns zu tun gibt.
»Ich schaue gleich in der Vermisstendatei nach, vielleicht haben wir Glück«, sagt der Reindl und verschwindet hinter seinem überdimensionalen Bildschirm, den er sich von seinem Privatgeld gekauft hat. Da kann er einfach besser arbeiten als mit dem Schrott, den uns der Staat zur Verfügung stellt, hat er gesagt. Mir soll es recht sein, Hauptsache, er nutzt den Computer nicht mehr für seine Privatangelegenheiten, so wie er es ewig gemacht hat, als er noch auf Frauensuche war. Aber das hat sich zum Glück erledigt, seit er während unseres letzten großen Falles endlich mit meiner Hilfe die Richtige gefunden hat. Ich verziehe mich in mein Zimmer und lege mich auf das Sofa, um in Ruhe über das unerfreuliche Gespräch mit der Oma und dem Opa nachzudenken. Bei dem Gedanken an Heirat und Kinder schüttelt es mich richtig. Irgendwann schlafe ich dann wohl ein. In meinen Träumen zerquetscht mich gerade die Eva, die einen riesigen Ehering am Finger trägt, der so schwer ist, dass sie das Gewicht nicht mehr halten kann. Sie kippt einfach um und begräbt mich unter dem unsäglichen Ring. Ich bekomme keine Luft mehr, und kurz bevor es aus ist mit mir, rüttelt und schüttelt uns jemand, und ich kann mich gerade noch rechtzeitig von der Last des Ringes befreien.
»Dimpfelmoser, das kann doch nicht wahr sein! Während ich arbeite, machst du hier ein kleines Schläfchen.«
Die vorwurfsvolle Stimme vom Reindl reißt mich aus meinem Albtraum.
»Nix schlafen, Reindl, ich habe ein Riesenproblem am Arsch, ich soll die Eva heiraten«, platzt es unvermittelt aus mir heraus.
»Das wäre für uns alle sicherlich eine sehr gute Lösung«, doziert der Reindl in seinem überheblichen Ton, den er zum Glück nur noch selten an den Tag legt.
Ich überlege, ob ich ihm eine reinhauen soll, lasse es dann aber doch lieber.
»Wie meinst des jetzt?«
»Vielleicht würde das dein cholerisches, unausgeglichenes Temperament etwas zügeln, wenn du endlich in festen Händen wärst, mein Lieber. In letzter Zeit kann man ja keinen vernünftigen Satz mehr mit dir reden, weil du immer gleich wie eine Rakete hochgehst.«
Oha, der Reindl, das alte Weichei, der Preiß, ist anscheinend mal wieder etwas übersensibel.
»Da brauchst du mir gar nicht mit deinen blöden Sprüchen kommen, Dimpfelmoser, von wegen meiner Befindlichkeit. Nicht nur ich leide unter deiner Unbeherrschtheit und deinen Launen. Auch die Kollegen haben sich schon über dich beschwert.«
»Ja Zefix, seids alle deppert, oder was«, brülle ich dann doch noch los. »In Bayern gehts halt etwas derber zu.«
»Frag den Oberberger und den Viereck, die werden dir bestätigen, dass es immer schlimmer mit dir wird.«
Irgendwie geht mir plötzlich die Luft aus. Vielleicht hat der Reindl wirklich recht, und ich merke gar nicht mehr, dass ich alle nerve. Ich nehme mir vor, heute Abend die Eva zu fragen, ob da was dran ist. Die Kollegen frage ich lieber nicht, die sind doch selber so launisch und cholerisch, von denen kriege ich sicherlich keine objektive Meinung.
»Hast was rausgefunden über unsere Wasserleiche?«, lenke ich das Gespräch wieder in professionelle Bahnen.
»Wir haben Glück, Dimpfelmoser. Der Mann ist seit gestern vermisst gemeldet. Es handelt sich um einen Herrn Antonicek, derzeitige Meldeadresse im Wörther Seniorenheim.«
Ja da legst dich nieder. Schon wieder das blöde Seniorenheim. Das scheint mich heute zu verfolgen. Aber dann packe ich die Gelegenheit eben gleich beim Schopf. Das ist die Chance, um mich vor Ort umzuschauen, was das überhaupt für ein Laden ist, in den die Oma und der Opa da gehen wollen.
»Reindl, auf geht’s. Dann lass uns die im Heim einmal aufmischen.«
Der Reindl schaut mich an, als wäre ich vom Mars oder so.
»Dimpfelmoser, ich habe jetzt Dienstschluss, und überhaupt bin ich gleich mit der Rosalie verabredet.«
»Da muss dein Dienstschluss und deine Rosalie halt noch eine Stunde warten, Zefix«, brülle ich schon wieder unvermittelt los. »Wir ham eine Leiche, und des klären mia jetzt noch. Seit wann machen mia hier Feierabend, wenn es einen Toten gibt?«
Der Reindl schaut mich nur mitleidig an und geht dann nach draußen zum Dienstwagen. Ich fühle mich für einen kleinen Moment ganz schlecht, weil der Reindl kann ja nichts dafür, dass ich so blöde Probleme am Hals habe, aber es hilft ja nichts. Er wird es schon aushalten, schließlich arbeiten wir inzwischen lange genug zusammen, und er kennt mich gut genug, dass er weiß, dass ich das nicht persönlich meine. Ich gehe also auch zum Wagen und steige ein. Zum Seniorenheim sind es nur zwei Minuten. Der Reindl schmollt und spricht kein Wort mit mir. Ich schalte das Blaulicht und das Martinshorn ein, damit auch jeder gleich weiß, dass hier die Polizei kommt und es ernst ist. Der Reindl schüttelt nur den Kopf. Wie erwartet erregen wir mit unserem pfundigen Auftritt sofort Aufmerksamkeit, allerdings nicht ganz so, wie ich es mir erhofft habe. Neben ein paar neugierigen älteren Herrschaften rast eine keifende männliche Furie auf uns zu und trommelt auf den Dienstwagen. Ich verstehe überhaupt kein Wort, also mache ich zunächst die Sirene aus, springe aus dem Wagen und packe den Randalierer, der immer noch wie besessen auf die Motorhaube eindrischt.
»So, Bürscherl, des ist eine Sachbeschädigung von Staatseigentum, was du da gerade machst, da versteh ich ja überhaupt keinen Spaß.«
Anstatt sich zu beruhigen, schlägt der Berserker jetzt auf mich ein. Ich habe richtig Mühe, den Irren zu bändigen, so wie der sich aufführt. Inzwischen hat sich eine beachtliche Menge Schaulustiger eingefunden, und auch der Reindl schaut feixend zu, anstatt mir zu helfen. Endlich erwische ich den Arm des Wüterichs und drehe ihn nach hinten, sodass er kurz von mir ablässt. Ich nutze den Augenblick gekonnt aus und lege ihm die Handschellen an. Aber anstatt endlich Ruhe zu geben, tritt er jetzt weiter nach mir, und zu allem Überfluss beißt er mich auch noch in die Hand.
»Reindl, hilf mir halt auch mal!«, rufe ich den Kollegen, der sich so wie die anderen Zuschauer auch auf meine Kosten köstlich amüsiert.
Endlich habe ich den Knilch gebändigt, und er liegt schwer atmend und gefesselt auf dem Boden. Anscheinend sind die Bewohner des Seniorenheims froh, dass ich ihnen etwas Abwechslung beschert habe, jedenfalls klatschen sie Beifall und gratulieren mir alle zu meinem Erfolg.
»So jetzt beruhigen mia uns erst amal alle. Die Show ist vorbei. Kann mir jemand sagen, um wen es sich bei dem Irren hier eigentlich handelt?«
»Ja das ist der Herr Mergele, der Leiter von der Seniorenresidenz«, erklärt mir ein Mann, der besonders laut Beifall geklatscht hat. »Der hat schon lange mal eine Abreibung verdient.«
Alle Anwesenden stimmen dem Redner zu, nicken und gestikulieren und sind anscheinend sehr zufrieden mit der Situation, in der sich ihr Heimleiter gerade befindet.
»Besonders beliebt ist der wohl nicht«, kommentiert der Reindl überflüssigerweise.
»Reindl, du befragst die Bewohner hier«, weise ich den Kollegen an.
Ich schiebe den Mergele, der sich inzwischen wieder aufgerappelt hat, vor mir her und folge den Schildern, die den Weg zum Büro der Heimleitung weisen. Unterwegs begegnen uns ein paar Pflegerinnen und Pfleger, aber keiner scheint sich wirklich dafür zu interessieren, dass ihr Chef in einer derartig misslichen Lage ist.
Irgendwas stimmt hier nicht, kombiniere ich. Da ist doch etwas oberfaul in dem Laden hier. Da können die Oma und der Opa keinesfalls her, da scheint das Betriebsklima irgendwie nicht optimal zu sein.
Im Büro setze ich den Mergele auf einen Stuhl und schaue ihn böse an.
»Also pass auf, du Irrer! Wennst noch einmal losschreist und dich so aufführst, wie gerade eben draußen, dann nehm ich dich mit und sperre dich erst einmal in eine Zelle. Hast des verstanden?«
Er nickt wie verrückt, und tatsächlich hält er erst einmal sein Maul. Vielleicht können wir dann mit einer vernünftigen Befragung beginnen.
»Also, warum hast dich so aufgeführt eben? Mia kommen da friedlich angefahren, und du drehst völlig durch, des musst mir erst einmal erklären.«
»Ich lasse mich hier nicht rausschmeißen. Das ist mein Heim, und da kann der Leinbach so viel klagen, wie er will. Mich kriegt er hier nicht raus, da muss er mich schon umbringen.«
Ich verstehe irgendwie gar nichts. Von was faselt der Mergele überhaupt?
»Wir sind hier wegen Mord, Mergele, nicht wegen einer Räumungsklage.«
»Mord? Von was reden Sie? Ich habe niemand ermordet. Sie kommen doch wegen der Vollstreckung der Räumungsklage.«
Der Mergele schwitzt inzwischen wie ein Schwein, und seine Augenlider zucken nervös.
»Einer von deinen Heimbewohnern ist tot. Wir haben seine Leiche heute aus der Donau gefischt.«
»Der Herr Antonicek? Haben Sie ihn gefunden?«
»Das sag ich doch, Mergele. Den haben wir aus der Donau gezogen.«
»Das haben Sie zu verantworten«, schreit der Mergele völlig unvermittelt los und will sich schon wieder auf mich stürzen. Leider hat er vergessen, dass er immer noch die Fußfesseln und Handschellen angelegt hat, weshalb er zunächst der Länge nach auf den Boden kracht. Er täte mir fast ein bisserl leid, aber der Mergele ist ein unbeherrschtes Arschloch, so viel ist jetzt schon klar, so wie der sich bisher benimmt. Aber ich bin ja kein Unmensch, also helfe ich ihm wieder auf die Beine und setze ihn wieder auf seinen Stuhl.
»Mergele, wennst dich nicht sofort beruhigst, dann nehm ich dich wirklich mit und sperre dich in eine von meinen schönen Zellen. Da kannst dann so viel toben, wie du willst. Grund dazu hast mir inzwischen genug geliefert. Sachbeschädigung von Staatseigentum und tätlicher Angriff auf einen Polizisten. Da bist dann gleich einmal vorbestraft, und dann kannst deine Heimleitung hier vergessen.«
»Die kann ich wahrscheinlich eh vergessen«, murmelt er mehr zu sich selbst und hat dabei so einen irren Blick, da könntest richtig Angst kriegen.
Plötzlich schaut er mich an, als hätte ich ihm den Schädel abgerissen, dann heult er unvermittelt los und kriegt Schaum vor dem Mund.
»Ich zeig Sie an, Dimpfelmoser. Das ist Folter und Freiheitsberaubung, was Sie da mit mir machen«, flennt er.
Vor lauter Schreck greife ich zunächst nach meiner Pistole im Halfter und fuchtle damit herum, aber dann erinnere ich mich an das Gespräch mit dem Reindl. Vielleicht habe ich ihn tatsächlich zu grob behandelt, und ganz gegen meine Art entschuldige ich mich bei ihm, nicht dass der mir jetzt auch noch Schwierigkeiten macht. Aber mit so viel Stress im Kreuz, da kannst schon einmal die Beherrschung verlieren. »Mergele, es tut mir leid, und jetzt reiß dich am Riemen! Lass uns halt endlich wie zwei erwachsene Männer reden und nicht wie im Kindergarten rumtun.«
Tatsächlich hört er auf mit seinem Gerotze.
»Binden Sie mich los, dann erzähle ich alles«, lenkt er ein, und weil er ganz ruhig wirkt, löse ich ihm halt zumindest die Fußfesseln.
»Mia san eigentlich hier wegen der Leiche«, werde ich wieder sachlich. Auch der Mergele schaut für seine Verhältnisse wieder ganz normal, nur seine Augenlider zucken weiter nervös, aber das ist bei ihm anscheinend immer so.
»Also, erzähl einmal der Reihe nach. Der Tote ist der Herr Antonicek, und der wohnt bei dir in diesem Heim?«
»Ja, der Herr Antonicek wohnt schon seit vielen Jahren bei uns. Wir sind ja auch etwas ganz Besonderes. Wir bieten den alten Herrschaften komplette Wohnungen an, gutes Essen, ein abwechslungsreiches Tagesprogramm und bei Bedarf hervorragende Pflege.«
»Geh, Mergele, bei mir brauchst keinen Werbevortrag für dein Heim machen, ich will etwas über den Toten wissen. Und warum hast vorhin gesagt, dass wir schuld sind an dem seinen Tod?«
»Nun, ich hatte Anzeige erstattet, weil sich hier seit Tagen nachts ein Unbekannter, vielleicht sogar ein Gespenst rumtreibt. Er hat mehrmals den Herrn Antonicek bedroht, und das kann ich keinesfalls tolerieren in meinem Haus. Das schadet ja unserem guten Ruf, wenn sich so etwas rumspricht. Auf den werten Herrn Antonicek ist der Unbekannte richtig losgegangen und hat ihn mit einer Waffe bedroht.«
Dass dem sein guter Ruf anscheinend eh nicht den Tatsachen entspricht, hat die vorherige Szene schon gezeigt, aber vielleicht ist ihm das gar nicht bewusst? Vielleicht ist der ja wirklich total deppert, so wie der seinen Zustand von einem Moment auf den nächsten wechselt. Da muss ich mich genau umschauen, und für meine Großeltern ist das jedenfalls kein geeigneter Ort, um ihren Lebensabend zu verbringen, so viel ist klar. Das muss ich ihnen hernach gleich mitteilen, dann ist hoffentlich das ganze leidige Thema vom Tisch, von wegen heiraten und Hof überschreiben. Alleine bei dem Gedanken daran bekomme ich sofort eine Gänsehaut. Jetzt muss ich mich aber auf den Fall konzentrieren, auch wenn es mir gerade schwerfällt, sachlich zu bleiben. Aber das mit dem nächtlichen Besucher könnte ja zumindest eine Spur sein, wenn der Mergele mich nicht anlügt.
»Also, wie war des mit deinem Unbekannten in der Nacht?«
»Vor einer Woche ist er zum ersten Mal aufgetaucht, soweit ich das mitbekommen habe. Ich bin aufgewacht, weil ich Stimmen gehört habe. Da haben sich welche lautstark gestritten. Also habe ich nachgesehen, was los ist. Da steht doch dieser Fremde im Zimmer vom Herrn Antonicek, und die beiden schreien sich an. Ich bin sofort eingeschritten, und der ist gleich davongelaufen, als er mich gesehen hat.«
»Kannst den also beschreiben, wennst ihn öfter gesehen hast?«
»Leider nein. Der Mann hatte immer eine Kutte an mit so einer überdimensional großen Kapuze, da konnte ich sein Gesicht überhaupt nicht erkennen.«
»Wie, eine Kutte?«, frage ich irritiert. »So wie ein Mönch, oder wie meinst des?«
»Ja genau«, ereifert sich der Mergele, »so eine braune Kutte, die hat er mit einer Kordel zusammengebunden. Der Herr Antonicek hat ja behauptet, er kennt den Mann auch nicht, und er hat vermutet, dass es sich um ein Gespenst handelt. Aber ich glaube eher, dass es doch ein echter Mensch war, wobei man ja nie wissen kann, ob nicht vielleicht doch ein Geist sein Unwesen getrieben hat.«
Ja da legst dich nieder. Der glaubt doch nicht allen Ernstes an Gespenster? Irgendwie bin ich mir bei dem Mergele überhaupt nicht sicher, wie ich den einschätzen soll. Verarscht der mich, glaubt der das vielleicht wirklich, oder ist er doch völlig verrückt in seiner Birne?
»Und in den folgenden Nächten ist dein Gespenst wieder aufgetaucht?«, frage ich weiter.
»Zweimal war der noch da, jedes Mal im selben Aufzug. Immer in der Nacht zwischen zwölf und eins, darum habe ich die Behauptung vom Herrn Antonicek nicht gänzlich als abwegig betrachtet, es könnte sich doch um ein Gespenst handeln.«
Mein Blick fällt in den Mülleimer vom Mergele, und da sehe ich einige verdächtige Flaschenhälse rausschauen. Aha, daher weht also der Wind. Der Mergele säuft, und anscheinend nur Hochprozentiges.
»Wie viel trinkst von dem Zeug am Tag?«, frage ich und deute zu seinem Abfalleimer.
Das ist ihm nicht einmal peinlich, dass ich seine leeren Flaschen gesehen habe.
»Nur manchmal zur Beruhigung, müssen Sie wissen«, erklärt er mir seelenruhig.
Da frage ich mich aber schon, wie oft der sich beruhigen muss, immerhin zähle ich sieben Flaschenhälse von hochprozentigem Waldlerschnaps.
»Hast dich in den Nächten, in denen du den Mann in der Kutte gesehen hast, auch beruhigen müssen?«, will ich wissen.
»Sie haben doch keine Ahnung, wie stressig es ist, so ein Heim zu leiten mit all den alten und kranken Leuten. Da kann man zwischendurch nicht so leicht abschalten wie andere Menschen. Mir geht das Schicksal der mir anvertrauten Leute jedenfalls sehr nahe, müssen Sie wissen. Und dann habe ich ja auch noch die Räumungsklage am Hals.«
Aha, ich glaub ihm irgendwie kein Wort. Da muss der Reindl hernach am Computer recherchieren, was mit dem Mergele los ist. Vielleicht finden wir ja irgendwas, jedenfalls ist der nicht ganz zurechnungsfähig.
»Und in der letzten Nacht, bevor der Herr Antonicek verschwunden ist, hat der Mann dann mit einer Pistole rumgefuchtelt und zunächst den Herrn Antonicek und dann mich bedroht, als ich dazwischengehen wollte. Er ist dann wieder davongerannt, wie in den Nächten zuvor auch schon.«
»Und was hat der Antonicek zu den Vorfällen gesagt?«, will ich wissen.
»Das war ja das Seltsame«, ereifert sich der Mergele. »Der hat mich immer nur beruhigt und gesagt, ich soll mich nicht so aufregen. Er wüsste gar nicht, von was ich rede und ich würde mir das alles nur einbilden. Deshalb habe ich Anzeige erstattet, weil mir das komisch vorgekommen ist. Ich bin ja nicht verrückt, müssen Sie wissen.«
Das weiß ich definitiv noch nicht, denke ich mir, lasse ihn aber weitererzählen, nicht dass sein schöner Redefluss wieder versiegt.
»Und dann waren zwei von Ihren Kollegen da, aber die haben mir nur gesagt, wenn ich sie noch einmal mit so einem Unsinn störe, dann verhaften sie mich, stellen Sie sich diese Unverschämtheit einmal vor.«
Das kann ich mir sogar sehr gut vorstellen, dass der Viereck und der Oberberger den Mergele nicht ernst genommen haben.
»Und der Antonicek, was hat der zu den Kollegen gesagt?«
»Gar nichts. Er redet nicht mit Polizisten, hat er gesagt und dann behauptet, dass kein Fremder hier war. Aber da hat der Herr Antonicek gelogen. Er ist halt auch nicht mehr der Jüngste gewesen, und die geistigen Kräfte waren am Schwinden. Wahrscheinlich hat er die nächtlichen Ereignisse einfach vergessen.«
»Aha«, sage ich, weil mir gerade nichts mehr einfällt.
Das ist schon eine seltsame Geschichte, die der Mergele mir da erzählt. Aber mein untrüglicher Polizisteninstinkt sagt mir, dass da irgendetwas dran ist.
»Hat außer dir und dem Antonicek noch jemand den Mann gesehen?«, will ich wissen.
Der Mergele überlegt lange und schaut mich dann irritiert an.
»Das weiß ich nicht, ich habe bisher mit niemandem darüber gesprochen.«
»Da schleicht einer nachts umher, streitet mit einem der Bewohner und fuchtelt mit einer Pistole herum, und du redest mit niemandem darüber? Du warnst nicht die anderen Bewohner oder das Personal?«
»Nun ja«, druckst er herum. »Ich wollte niemanden unnötig beunruhigen. Die alten Leute sind doch so ängstlich, und wenn die mitkriegen, dass vielleicht sogar ein Gespenst hier unterwegs ist, was glauben Sie, was dann hier los ist? Da kann ich mein Heim gleich zusperren.«
Das wäre wahrscheinlich das Beste, so wie der Mergele drauf ist, denke ich mir, halte aber meinen Mund. Ich stelle noch ein paar Fragen, doch aus dem Mergele ist einfach nichts Vernünftiges rauszukriegen. Also lasse ich ihn stehen und mache mich auf die Suche nach dem Reindl. Nach einiger Zeit finde ich ihn in einem Aufenthaltsraum im Kreise einiger älterer Damen. Sie lachen und gackern alle durcheinander und lauschen immer wieder gebannt dem Reindl, der ihnen ein paar Witze erzählt.
»Reindl, ist des deine Art zu arbeiten!«, schreie ich ihn an, sodass er gleich halb von seinem Stuhl fliegt.
»Was fällt Ihnen ein, Sie Unhold«, keift mich eine von den Damen an, dann schreien sie alle durcheinander und gehen auf mich los.
Ich gebe es auf, das ist ein Irrenhaus. Unter Beschimpfungen trete ich den Rückzug nach draußen an, während der Reindl wieder genüsslich grinsend dem Treiben zuschaut. Draußen rette ich mich in meinen Dienstwagen. Als die Damen sehen, dass es sich um ein Polizeiauto handelt, sind sie doch etwas verunsichert und verschwinden im Gebäude. Der Reindl steigt zu mir in den Wagen, und schweigend fahren wir zurück in unser Polizeirevier. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass dem Reindl sein blödes Grinsen richtig festgewachsen ist in seinem dummen Gesicht. Erst im Revier finde ich wieder zurück zu meiner Souveränität.
»Hast du ein paar brauchbare Informationen, oder hast nur Witze erzählt, Reindl?«
»Dimpfelmoser, natürlich habe ich die anwesenden Senioren befragt.«
»War was Interessantes dabei?«
»Nicht wirklich. Alle sind sich einig, dass der Herr Mergele ein Arschloch ist. Er ist launisch und sprunghaft und geht mit den Heimbewohnern wohl nicht gerade zimperlich um. Mit dem Personal übrigens auch nicht. Jedenfalls kann ihn keiner wirklich gut leiden, und alle beschreiben ihn als unsympathischen Choleriker.«
»Von Wahnvorstellungen hat keiner etwas gesagt?«, frage ich vorsichtshalber.
»Nein, da hat niemand etwas erwähnt. Der Herr Antonicek dagegen, der war bei allen richtig beliebt, vor allem bei den Damen des Heims. Deshalb bin ich auch noch mit einigen von ihnen zusammengesessen. Er war wohl so eine Art Witwentröster, was ich gehört habe.«
»Vielleicht war es einfach ein Mord aus Eifersucht«, spekuliere ich. »Vielleicht hat sich eine der Damen mehr erwartet und ist dann durchgedreht, als sie gemerkt hat, dass sie nicht die Einzige ist, die er tröstet.«
»Das ist zumindest eine Spur, die wir berücksichtigen sollten bei unseren Ermittlungen. Ansonsten wusste niemand etwas Wichtiges zu berichten, was mit unserem Fall zu tun haben könnte.«
»Da müssen mia morgen noch einmal alle systematisch befragen, Reindl. Der Mergele behauptet, dass seit Tagen ein Unbekannter oder ein Gespenst rumschleicht. Vielleicht hat den ja auch noch jemand anders gesehen.«
»Hä, ein Gespenst? Erzählst du mir Märchen? Das hat der Herr Mergele nicht ernsthaft gesagt, oder?«
»Doch, genau so. Drum glaube ich, dass der spinnt. Aber da fragen mia morgen erst einmal den Oberberger und den Viereck, weil die beiden haben die Anzeige aufgenommen, die der Mergele wegen seines Geistes aufgegeben hat.«
Der Reindl schaut mich so lauernd an, ich weiß schon, dass er hofft, dass er jetzt gehen kann. Ich überlege, ob ich ihn noch ärgern soll, lasse es dann aber bleiben.
»Machen mia morgen weiter, Reindl. Heute kriegen mia keine Ergebnisse mehr von der Spusi und aus der Pathologie wahrscheinlich auch nicht mehr, außer mia bleiben die halbe Nacht sitzen. Machst dir halt einen schönen Abend mit deiner Rosalie, gell.«
Der Reindl springt auf, und schon ist er draußen. Der ist tatsächlich immer noch so richtig glücklich mit der Rosalie. Seit ich die beiden während unseres letzten großen Falls verkuppelt habe, hält das Glück an, wer hätte das gedacht? Da fällt mir wieder ein, dass ich noch dringend mit der Eva reden muss, und nachdem es schon Abend ist, gehe ich auch nach Hause.
Sonntag, 20.00 Uhr
Kurz vor meiner Haustüre überlege ich es mir dann doch noch anders und mache einen Schwenker zum Schorsch-Wirt rüber. Zum Glück ist der Gastraum fast leer und mein Stammplatz im hintersten Eck frei. Ich lasse mich auf die Bank fallen, und schon steht die Amira vor mir, die neue Bedienung vom Schorsch. Ein wahrer Augenschmaus, wie alle bisherigen Bedienungen vom Schorsch, da lässt er sich nicht lumpen. Ohne zu fragen, stellt sie mir eine halbe Bier her.
»Wo warst denn heute Mittag?«, will sie gleich wissen und setzt sich zu mir her. »Ich bin jetzt seit einem halben Jahr hier, und du hast noch kein einziges Mal deine Sonntagsbratwürste ausgelassen, Xaver. Da muss schon was wirklich Wichtiges vorgefallen sein, oder?«
Ich überlege kurz, ob ich ihr mein Dilemma erzählen soll, und entschließe mich dann, sie einzuweihen. Vielleicht fällt der Amira was ein, wie ich aus dem ganzen Schlamassel heil rauskomme, ohne die Eva und die Oma und den Opa zu verprellen. Also erzähle ich ihr von Omas und Opas Angebot. Die Amira hört aufmerksam zu, ohne mich zu unterbrechen, und schaut mich nur so wissend an.
»Und was soll ich jetzt machen?«, frage ich sie schließlich. »Wenn ich das Angebot ausschlage, dann sind mir alle drei beleidigt bis an das Ende meiner Tage. Und die Eva, die sucht sich irgendwann einen anderen. Aber ich will einfach, dass alles so bleibt, wie es ist.«
»Xaver, du bist der größte Depp, der mir jemals über den Weg gelaufen ist«, sagt die Amira. »Warum lässt du dich nicht einfach einmal auf einen anderen Menschen und eine Veränderung ein? Das Leben bleibt nie stehen, es verändert sich andauernd. Und wenn du dich nicht mit veränderst und auch einmal was Neues wagst, dann bist irgendwann auf dem Abstellgleis, Xaver. Das ist doch die Chance für dich. Dass die Eva das überhaupt bis jetzt mitmacht mit dir, das grenzt doch eh an ein Wunder. Die Eva liebt dich, obwohl du so verschroben und launisch bist, da wirst keine Bessere mehr finden, das kannst du mir glauben.«
Jetzt fängt die auch noch an und behauptet, dass ich launisch wär. Mir ist jedenfalls die Lust auf eine weitere Halbe vergangen, also zahle ich und gehe doch nach Hause. Wie ich befürchtet habe, sitzt die Eva in unserer Küche und wartet auf mich.
»Xaver, da bist ja endlich«, flötet sie und stellt mir noch einen Schweinebraten mit Knödel her, den ich gleich in mich reinschaufle. Sie schaut mir zu und blinkert die ganze Zeit mit ihren Wimpern, da wird mir gleich ganz anders, und in mir regt sich die vage Hoffnung, dass ich dem befürchteten Gespräch doch noch entkomme.
»Hast über das Angebot nachgedacht, Xaver?«, fängt sie dann aber doch noch an.
»Du Eva, ich habe da ein echtes Problem mit dem Angebot von der Oma und dem Opa. Die können nicht einfach uns beiden ihr Anwesen überschreiben und meiner Schwester, der Marianne, damit nix von ihrem Besitz abgeben.«
Meine Schwester, die Marianne, die ist ja leider aus der Entzugsklinik verschwunden, in der sie vor einem Jahr behandelt worden ist, und seitdem ist sie unauffindbar. Sie hat die ganzen unseligen Geschehnisse als Kind in der Sekte nie wirklich verkraftet und ist später drogenabhängig geworden. Vor einem Jahr ist sie plötzlich mit gestohlenem Heroin in Wörth aufgetaucht. Der Frankfurter Dealerring, dem sie die Drogen gestohlen hatte, war hinter ihr her, und es gab mehrere Tote.
»Da musst halt noch einmal mit deinen Großeltern reden. Ich bin mir sicher, dass die die Marianne nicht einfach enterben, sondern dafür eine Lösung haben«, erklärt mir die Eva.
»Du, und ich war heut in dem Seniorenheim am Schlossberg. Wir haben da einen Toten. Und da hab ich den Leiter, den Mergele, getroffen. Der ist dermaßen bescheuert, und keiner kann den leiden, da brauchen die Oma und der Opa gar nicht erst zum Probewohnen hingehen, weil da ziehen die nur über meine Leiche ein.«
»Des musst schon den beiden selber überlassen, Xaver. Die wissen schon, was sie wollen. Aber bei dir bin ich mir da nicht so sicher.«
»Wie meinst des jetzt?«
»Ja glaubst nicht, dass die recht haben, was unser Verhältnis angeht, Xaver? Du weißt, dass ich dich narrisch gerne mag und dass mir unser komisches WG-Leben auf Dauer zu wenig ist. Da musst dich langsam mal entscheiden, was du willst, Xaver. Weil lange mache ich das nicht mehr so mit.«
Au weh, jetzt hat sie es endlich ausgesprochen, die Eva. Darauf habe ich schon lange gewartet und immer gehofft, dass es nie so weit kommt.
»Eva, ich kann nicht heiraten, des weißt du ganz genau. Ich kann so was einfach nicht. Des hat nix mit dir zu tun, weil ich dich auch narrisch gerne mag, aber mia haben es doch gut, so wie es ist.«
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Sonntag, 11.00 Uhr
»Jetzt bin ich aber mal gespannt, was ihr mir so Wichtiges zu sagen habts. Ich hab Bereitschaft, und überhaupt ist heute Sonntag.«
»Dein heiliges Ritual beim Schorsch-Wirt, mia wissen des schon, Xaver«, grinst mir der Opa her, während die Oma nervös um die Eva und mich herumtänzelt.
Es muss was wirklich Wichtiges sein, was sie uns sagen wollen. In all den Jahren, seit ich das Polizeirevier in Wörth an der Donau leite, hat es das noch nie gegeben, dass sie mich am Sonntagmittag herbestellen. Normalerweise lasse ich mich da auf nichts ein. Der Sonntag ist mir heilig, und da will ich beim Schorsch-Wirt meine Bratwürste mit Sauerkraut und ein paar Halbe Bier ungestört und in Ruhe genießen. Die Eva schaut ebenfalls so komisch, sie weiß auch nicht, was die zwei von uns wollen. Die Oma hat tatsächlich Bratwürste mit Sauerkraut aufgetischt und mir ein Bier hergestellt. Da kenne ich dann nichts, also essen wir zunächst einmal, und ich lasse es mir schmecken.
»Mia gehen ins Seniorenheim«, platzt es da plötzlich aus dem Opa heraus.
»Aha!« Mehr fällt mir dazu erst einmal nicht ein. »Wieso des, ihr seids doch noch fit wie ein Turnschuh?«
Deswegen hätten sie uns aber nicht unbedingt am Sonntag herbestellen müssen, denk ich mir, aber ich lasse mir natürlich nichts anmerken, sondern schaufle weiter das Kraut in mich hinein.
»Mia ham uns da was überlegt, Xaver.«
Die Oma schaut mich lauernd an, das verheißt nichts Gutes, dieser Blick. Ich stopfe mir vorsichtshalber noch eine ganze Bratwurst rein und kaue wie wild darauf herum.
»Von hier aus sind es ja nur ein paar Minuten zu Fuß bis zu deiner Dienststelle in der Ludwigstraße. Wennst wieder hier wohnen würdest, dann könntest weiter zu Fuß zur Arbeit gehen.«
»Oma, ich hab eine Wohnung gegenüber von meinem Polizeirevier, warum sollt’ ich wieder hier wohnen?«, frage ich erstaunt mit vollem Mund.
»Mia überschreiben dir und der Eva unser Anwesen. Die einzige Bedingung dafür ist, dass ihr zwei endlich heiratet.«
Mir fällt die Gabel aus der Hand, und ich verschlucke mich an der Bratwurst, sodass ich einen fürchterlichen Hustenanfall bekomme und die Bratwurstbröckerl nur so über den Tisch spritzen. Auch der Eva entgleisen die Gesichtszüge, und sie starrt die Oma und den Opa fassungslos an.
»Heiraten? Der Xaver und ich? Da kannst eher darauf warten, dass die Welt untergeht, bevor mich der Xaver heiratet«, flüstert die Eva und schielt nervös zu mir rüber.
Da ist die Eva jetzt aber nicht ganz sachlich mit ihrer Behauptung. Ich lebe seit Jahren mit ihr in einer Wohngemeinschaft in Wörth an der Donau, fast gegenüber von meinem Polizeirevier. Die Eva kümmert sich um den Haushalt, und manchmal kommen wir uns schon näher, aber das langt dann auch wieder. Man muss es ja nicht gleich übertreiben. Nicht dass ich die Eva nicht gernhabe, im Gegenteil. Es gibt keinen anderen Menschen auf der Welt, den ich lieber mag, außer der Oma und dem Opa. Aber mit Beziehungen und dem weiblichen Geschlecht hab ich halt so meine Probleme. Der Psychologenheini, bei dem ich einmal war, hat behauptet, ich hätte eine posttraumatische Belastungsstörung und sei deshalb beziehungsunfähig, weil meine Bindungsangst so groß ist. Soll er ruhig seinen Psychologenquatsch daherreden, ich bin jedenfalls ganz zufrieden, so wie es ist. Heiraten wäre da wohl das Letzte, was mir derzeit einfallen würde.
»Mia ham uns schon einen Platz zum Probewohnen reserviert«, erklärt der Opa. »Wir ziehen am Dienstag in das Wörther Seniorenheim unterhalb vom Schloss.«
»In den Luxusschuppen wollts ihr ziehen? Ihr wissts schon, was des kostet«, wirft die Eva ein, während ich immer noch am Husten und Würgen bin.
Ich muss erst einmal Zeit gewinnen, weil – was soll ich da jetzt sagen? Heiraten werde ich keinesfalls, und die sollen ihr Anwesen ruhig behalten, ich fühle mich ganz wohl in meiner Wohngemeinschaft mit der Eva.
»Was sagst, Xaver?«, will die Oma wissen. »Des geht doch eh nicht so weiter mit dir und der Eva. Ihr müssts endlich heiraten, die Eva mag doch auch irgendwann Kinder, und ihr seids nicht mehr die Jüngsten.«
Ja jetzt wird es hinten höher wie vorne. Kinder? Ja spinnt denn die Oma total?
»Da hat die Oma schon recht«, mischt sich auch noch der Opa ein, und zu meinem Entsetzen sehe ich, dass die Eva zustimmend nickt und ihr eine Träne über die Backe kullert.
Zum Glück röhrt mein Diensthandy los. Es ist der Kollege Reindl, der mit mir Bereitschaftsdienst hat und der die Stellung in der Dienststelle hält.
»Dimpfelmoser«, kräht er ganz aufgeregt, »du musst sofort kommen. Wir haben eine Leiche.«
»Eine Leiche, ich bin in fünf Minuten da«, sag ich so laut, dass es alle hören können, und lege auf. »Ich muss los, mia reden ein anderes Mal über euren Vorschlag, aber ich heirate eh nicht, also vergessts den ganzen Schmarrn am besten gleich wieder«, rufe ich noch und renne zu meinem Dienstwagen.
Den Schock muss ich erst einmal verdauen. Heiraten, Kinder – ja sind die völlig deppert geworden. Nicht dass ich das Anwesen von meinen Großeltern nicht mag, ich habe da schließlich viele Jahre meiner Jugend verbracht. Mein Großvater war damals der Dorfpolizist, und von ihm habe ich alles gelernt, was einen guten Polizisten ausmacht. Mein Opa war es auch, der meine Schwester, die Eva und mich aus dem Keller geholt hat, in dem wir mit einer Leiche eingesperrt waren. Unsere Eltern waren damals in einer Sekte, und nachdem es einen Toten gegeben hat, sind sie mit ihrem Guru ins Ausland geflohen und haben uns einfach zurückgelassen. Das Anwesen meiner Großeltern am Stadtrand von Wörth ist wirklich schön, aber lieber bleibe ich bis zum Ende meiner Tage in meiner Wohnung, bevor ich mich so erpressen lasse. Mit heulendem Motor, quietschenden Reifen, dem Blaulicht und dem Martinshorn rausche ich davon, aber es kommt bei mir nach dem Schock gerade eben keine richtige Stimmung auf. Über den Polizeifunk lotst mich der Reindl zur Fundstelle der Leiche, die nur wenige Minuten entfernt am Ufer der Donau ist.