Morgen weiß ich mehr - Marcus Klug - E-Book

Morgen weiß ich mehr E-Book

Marcus Klug

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Beschreibung

Haben Sie auch das Gefühl, dass sich unsere Arbeitswelt in einem fundamentalen Umbruch befindet? Dass sich unser Verständnis vom Lernen nur noch historisch begründen lässt? Dass es gerade jetzt darauf ankommt, die Welt wieder mit einem Funken in den Augen zu betrachten, mit mehr Begeisterung und Leichtigkeit? Sicherlich. Wir können auch resignieren. Digitale Diktatur. Fremdbestimmung durch Algorithmen. Entgrenzung des Menschen und der Organisationen. Aufmarsch der Roboter. Und wir können die alte Platte von der Industrialisierung einfach auf Highspeed setzen. Noch mehr Beschleunigung, noch mehr Leistungsdruck, noch mehr Hamsterrad. Wir haben uns in diesem Sachbuch für das Gegenteil entschieden. Wir wollen Sie dazu motivieren, zum Gestalter dieses Wandels zu werden und einen wertvollen Beitrag zur Veränderung beizutragen. Folgen Sie dem Beispiel von herausragenden Personen und Organisationen, die schon heute damit begonnen haben, den Wandel zu gestalten. Lernen Sie aber genauso, mögliche Bedrohungen, Fallstricke und musterhafte Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Und bekommen Sie vor allem Lust, Neuland zu wagen. Wir freuen uns auf unser gemeinsames Wissensabenteuer: Abenteuer Digitale Zukunft!

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MORGEN WEIß ICH MEHR

Morgen weiß ich mehr

INTELLIGENTER LERNEN UND ARBEITEN NACH DER DIGITALEN REVOLUTION

Marcus Klug & Michael Lindner

© Marcus Klug & Michael Lindner

Umschlaggestaltung: André Hein

Zeichnungen: Marcus KlugLektorat, Korrektorat: Dr. Barbara Schwindt

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN Taschenbuch: 978-3-7345-7752-9ISBN Hardcover: 978-3-7345-7753-6 ISBN: e-Book: 978-3-7345-7754-3

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Morgen weiß ich mehr

Einführung: Warum die Türen weit offen stehen für ein neues Zeitalter

1. Zukunftsvisionen

Die digitale Bildungsrevolution: Interview mit Ralph Müller-Eiselt

2. Lernen im digitalen Wandel

Raus aus dem Industriekorsett: Interview mit Thomas Sattelberger

3. Wissens- und Kreativarbeit

Smarte Business Konzepte: Interview mit Ehrenfried Conta Gromberg

4. Strategie

Der Komponenten-Anhang

Literatur

Abbildungen

Index

Einführung: Warum die Türen weit offen stehen für ein neues Zeitalter

Bild 1: Aufbruch in ein neues Zeitalter

Als wir vor zwei Jahren den Entschluss fassten, dieses Buch zu schreiben, wussten wir nicht, was uns genau erwarten würde. Wir wollten ins kalte Wasser springen und ein Buch über neue Arbeits- und Lernformen schreiben aus einer veränderten Perspektive. Dabei lernten wir selber viel Neues. Wir führten zahlreiche Gespräche und Interviews, entdeckten neue Zusammenhänge und ungewohnte Perspektiven, experimentierten mit zahlreichen digitalen Werkzeugen, führten für die Veröffentlichung dieses Sachbuchs im Vorfeld eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne auf Startnext durch und durchliefen einen Transformationsprozess, um Sie dazu anzuregen, mehr zu wagen und zu experimentieren. Denn wir sind davon überzeugt, dass wir unsere Arbeit dank des Internet auf eine Weise gestalten können, die uns wesentlich mehr Möglichkeiten und Freiheiten bietet.

Aber wie sehen diese Möglichkeiten konkret aus? Das war die Frage, die uns umtrieb. Also schauten wir uns die Werdegänge einzelner herausragender Persönlichkeiten und Organisationen genauer an, die mutig genug waren, gewohnte Pfade zu verlassen, mehr zu wagen und zu experimentieren, und die erkannt haben, dass wir uns in einer großen gesellschaftlichen Transformationsphase befinden und dass es gerade jetzt darum geht, in diesem Schwellenzeitalter zum Gestalter der Veränderung zu werden. Das müssen übrigens keine großen Dinge sein. Positive Veränderungen beginnen immer im Kleinen. Wir nennen das „die Politik der kleinen Schritte“.

Exemplarisch ist die Geschichte von Salman Khan, die auch im Kleinen anfängt. Die Cousine von Salman Khan hatte einst den Anschluss im Mathematikunterricht verloren. Das brachte Khan auf die Idee, selbst produzierte Videos auf YouTube zu stellen, in denen Mathematik auf systematische Weise erklärt wird, damit Menschen ihr eigenes Lerntempo bestimmen können.

Niemand hätte zunächst daran gedacht, dass aus diesen Videos einmal so eine Erfolgsgeschichte wie die der Khan Academy entstehen würde. Es handelt sich um ein außergewöhnliches Bildungsangebot, das heute von über zwei Millionen Menschen weltweit genutzt wird. Auch wenn der Zufall eine große Rolle spielt, geht es doch immer auch darum, selber etwas zu unternehmen und den Mut zu fassen, gewohnte Pfade zu verlassen.

Wir haben uns immer ein Buch wie dieses zum Zeitalter der digitalen Transformation gewünscht, in dem Theorie und Praxis zusammenlaufen, in dem die neuen Arbeits- und Lernformen aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden und in dem anhand von Beispielen von Einzelpersonen und Organisationen aufgezeigt wird, was es bedeutet, zum Gestalter des digitalen Wandels zu werden.

Jetzt haben wir dieses Sachbuch für Sie geschrieben! Freuen Sie sich auf ein gemeinsames Wissensabenteuer: Abenteuer Digitale Zukunft!

Warum dies Ihr Buch ist

Stellen Sie sich vor, Sie würden für ein Unternehmen arbeiten, in dem sie selber frei entscheiden könnten, an welchen Projekten Sie arbeiten wollen, zu welchen Zeiten und an welchen Orten. Oder stellen Sie sich vor, Sie würden schon morgen eine Weltreise beginnen, an jene Orte, die Sie schon immer besuchen wollten, ohne sich dabei Gedanken machen zu müssen, wie Sie das finanzieren und wie Sie das mit Ihrer Arbeit regeln können.

Oder stellen Sie sich vor, dass Sie gemeinsam mit anderen Menschen, die über die ganze Welt verstreut sind, an inspirierenden Lernprojekten mitwirken würden, bei denen es um wirklich positive Veränderungen geht. Wäre das nicht toll?

All das ist möglich. In diesem Buch geht es um solche Fragen: Wie machen Sie mehr aus Ihren Talenten? Wie können Sie all die tollen Möglichkeiten nutzen, die Ihnen das Internet für die Gestaltung des Wandels bietet? Und wie können Sie mehr Freiheit und Unabhängigkeit in Ihrem Leben gewinnen?

Keine Sorge. Dies ist nicht der nächste schlechte Ratgeber, der Ihnen das Blaue vom Himmel verspricht. Dies ist ein Sachbuch.

Dieses Sachbuch - Morgen weiß ich mehr. Intelligenter lernen und arbeiten nach derdigitalen Revolution - enthält insgesamt vier Kapitel, drei Interviews und einen umfangreichen Komponenten-Anhang. Zudem existiert auch ein Video-Kanal zu diesem Buch, wo Sie neben einem Trailer auch zwei Interviews mit Prof. Dr. Dirk Baecker, Soziologe und Inhaber des Lehrstuhls für Kulturtheorie und Management an der Universität Witten/Herdecke, und Michael Thessei, Leiter des LVR-Zentrums für Medien und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, finden. Mit Dirk Baecker haben wir uns über das Management im digitalen Wandel unterhalten, mit Michael Thessei über Schule und Arbeit von morgen.

Außerdem wird dieses Buch durch eine Podcast-Serie mit dem Titel DieWissensmacher: Mehr Gestaltung im digitalen Wandel ergänzt, die im März 2017 startet. In dieser Serie geht es um die Frage, wie wir unsere kreativen Fähigkeiten als Personen, die viel mit Kopf und Computer arbeiten, mehr entfalten können, wenn Routine- und Verwaltungsarbeiten in Zukunft immer stärker automatisiert und an Roboter delegiert werden. Und dann wird es auch noch eine zweite Auflage zu diesem Sachbuch geben. Wenn Sie sich für diese Aktionen interessieren und darüber hinaus noch weitere Impulse zu unserem Themenschwerpunkt „Intelligenter lernen und arbeiten nach der digitalen Revolution“ erhalten wollen, sollten Sie sich auch unbedingt in unseren „Morgen weiß ich mehr“-Newsletter unter der Adresse www.digitalistbesser.org eintragen!

Eine kurze Gebrauchsanweisung zu diesem Sachbuch

Sie müssen dieses Buch nicht chronologisch lesen. Jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen, stellt aber gleichzeitig einen Bezug zum nächsten Kapitel her. Das haben wir bewusst so für Sie angelegt. Querleser können auch einfach mit einem der drei Interviews beginnen, die in diesem Sachbuch enthalten sind. Personen, die gar nicht lesen wollen, sondern lieber scannen, können auch gerne mit unserem umfangreichen Komponenten-Anhang am Ende dieses Sachbuchs starten. Der lässt sich nämlich wunderbar scannen!

Worauf werden die Schwerpunkte in den vier Kapiteln und den Interviewsgelegt? Worum geht es im Komponenten-Anhang?

Kapitel 1: Zukunftsvisionen

In diesem Kapitel wagen wir einen Blick in die Zukunft. Keine Sorge, wir sind nicht das Orakel von Delphi. Es geht um das neue Lernen und Arbeiten im Zeitalter der digitalen Transformation. Anhand einzelner Lebensläufe wollen wir Ihnen konkret aufzeigen, was es bedeutet, den digitalen Wandel mehr für sich zu nutzen und eigene Wege zu bestreiten. Zusätzlich haben wir zahlreiche Bücher und Fachartikel aus Forschung und Praxis für Sie ausgewertet, um die Darstellung der exemplarischen Lebensläufe mit vielen nützlichen Informationen, überraschenden Gedanken und weiteren Impulsen zu ergänzen. Schließlich werfen wir noch einmal einen Blick auf die Geschichte des Internet: Wie wurde es möglich, dass wir heute unsere Ideen und Gedanken mit Milliarden von Menschen in der ganzen Welt über das Internet teilen können?

Die digitale Bildungsrevolution: Interview mit Ralph Müller-Eiselt

„Die Digitalisierung wird die Bildung so tiefgreifend verändern wie zuvor vielleicht nur der Buchdruck oder die Schulpflicht“, sagt Ralph Müller-Eiselt, Senior-Experte bei der Bertelsmann-Stiftung, der dort das Projekt „Teilhabe in einer digitalisierten Welt“ leitet. Ralph Müller-Eiselt hat zusammen mit Jörg Dräger ein empfehlenswertes Sachbuch zum digitalen Wandel in der Bildung geschrieben: Die digitale Bildungsrevolution: Der radikale Wandel des Lernens und wie wir ihn gestalten können (2015). In unserem Interview mit Müller-Eiselt geht es vor allem um die Frage, welche größeren Entwicklungen sich in der Digitalisierung von Bildung abzeichnen. Gleichzeitig möchten wir Sie dazu animieren, neben den Chancen auch die kritischen Seiten dieser Entwicklung näher zu beleuchten. Wir empfehlen daher vor diesem Hintergrund die Querlektüre des wirklich aufschlussreichen Buches Ware Bildung:Schule und Universität unter dem Diktat der Ökonomie von Jochen Krautz (2007).

Kapitel 2: Lernen im digitalen Wandel

In Deutschland werden Bildung und Lernen vielfach recht einseitig ausgelegt. Begriffe wie „Lernen 4.0“ oder „Lernfabrik 4.0“ verdeutlichen diese einseitige Betrachtungsweise: Es geht eben nicht um noch mehr Automatisierung und Effizienz und noch mehr Leistungsdruck, der bereits in der Vorschule beginnt, sondern vor allem darum, uns mental auf das Zeitalter der digitalen Transformation einzustimmen und wieder mehr Lust am Lernen zu gewinnen - und zwar ein Leben lang! „Wir haben das Lernen über lange Zeit in den engen Rahmen einzwängen lassen, der uns von den Wissensvermittlern aus den speziell zu diesem Zweck geschaffenen Einrichtungen vorgegeben wurde“, so der Neurobiologe Gerald Hüther in seinem Buch Mit Freude lernen - ein Leben lang (2016). Jetzt müssen wir wieder raus aus dem Industriekorsett! Welche größeren Veränderungen sich in diesem Bereich anbahnen, was Lernen im digitalen Wandel bedeutet und wie Einzelpersonen und Organisationen sich darauf einstellen und welche Methoden und Strategien Sie dabei anwenden können, davon handelt dieses Kapitel.

Raus aus dem Industriekorsett: Interview mit Thomas Sattelberger

Begriffe wie „Arbeit 4.0“ oder „Lernfabrik 4.0“ stehen im Übergang zum digitalen Zeitalter nicht für ein Mehr an Kreativität und Innovation, sondern erinnern an die Epoche der Industrialisierung. Schnell werden auf dieser Basis solche Assoziationen und Begriffe wie „Maschinen“, „Effizienz“ und „Optimierung“ wachgerufen. Im Interview mit dem Querdenker und Ex-Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger geht es um die entgegengesetzte Richtung: Wie können wir uns im Kopf endlich von der Industrialisierung verabschieden? Wie gelangen wir zu mehr Innovation in Bildung und Arbeit?

Kapitel 3: Wissens- und Kreativarbeit

Unter dem Begriff „New Work“ werden aktuell vor allem jene Phänomene verstanden, die mit neuen Arbeitsformen und Experimenten Zusammenhängen. Themen sind unter anderem die Frage nach der Gestaltung von Arbeit, orts- und zeitunabhängiges Arbeiten sowie neue Formen der Zusammenarbeit und Fragen nach Automatisierung und radikaleren Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Wird Arbeit beispielsweise in der Zukunft zum Luxus, wenn sie zunehmend automatisiert wird und die Roboter kommen? Aber vor allem auch: Welche Chancen und ungeahnten Potenziale bahnen sich für Wissens- und Kreativarbeiter an, eigene Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, mehr zu experimentieren und die eigene Unabhängigkeit zu erhöhen?

Smarte Business Konzepte: Interview mit Ehrenfried Conta Gromberg

Mit smarten Business Konzepten können sich Angestellte und Selbständige als angehende Experten einen Traum erfüllen, indem sie nämlich mit weniger Arbeit größere Freiheit und Unabhängigkeit erreichen. Das Internet bildet die Basis für diese Vision. Denn durch das Internet stehen Werkzeuge und Dienstleistungen zur Verfügung, mit denen sich Geschäftsmodelle radikal vereinfachen, Kosten entscheidend reduzieren und Prozesse stark automatisieren lassen. Im Interview verrät Ehrenfried Conta Gromberg, Unternehmer, Fachberater und Autor, der zusammen mit seiner Frau Brigitte Conta Gromberg ein Programm für die Entwicklung von smarten Geschäftsmodellen für Solopreneure anbietet, welche Strategien dabei helfen, ein eigenes smartes Geschäftsmodell mit Wissensprodukten wie unter anderem E-Books, Videos und Online-Kursen zu realisieren.

Kapitel 4: Strategie

Strategische Wissenschaft und strategische Kunst greifen ineinander. Damit ist zum einen das Hinterfragen von Denkmodellen, Entscheidungs- und Handlungsmustern angesprochen sowie die Planung, andererseits aber auch Erfahrungswissen und Intuition. Wer selber Wandel gestalten und dabei einzelne digitale Möglichkeiten ausloten will, bewegt sich dementsprechend zwischen diesen beiden Polen. Wir denken gründlicher über eine Sache nach, kommen vom Wissen ins Tun. Am Beispiel fünf herausragender Beispiele zeigen wir Ihnen in diesem Kapitel, wie Sie als angehender Experte zum Profiblogger werden, ein erfolgreiches Buchprojekt mit Crowdfunding umsetzen oder ein Leadership-Portal im Internet realisieren können. Auf der anderen Seite geht es um mehr Fokussierung, um besseres Selbstmanagement und Meditation. Sie erhalten Anregungen, wie Sie in kleinen Schritten Ihr Selbstmanagement verbessern und durch kurze Meditationsübungen mehr Achtsamkeit und Konzentration erzielen.

Der Komponenten-Anhang: Mehr als 120 nützliche Tools und Werkzeuge

Im Komponenten-Anhang haben wir mehr als 120 nützliche digitale Tools, Plattformen und Werkzeuge zusammengestellt, die Sie dabei unterstützen, eigene Business Konzepte umzusetzen, Ihre persönliche Online-Weiterbildung anzugehen oder eigene Wissensprodukte wie unter anderem E-Books, Online-Kurse oder Membership-Portale zu realisieren.

Hier der Überblick über die verschiedenen Bereiche:

▪ Smarte Business Konzepte

▪ Ihre persönliche Online-Weiterbildung

▪ Online-Recherche und Info-Management

▪ Der eigene Webauftritt

▪ Wissensprodukte gestalten und vertreiben

▪ Tools für produktives Arbeiten und agiles Management Das virtuelle Büro

An wen richtet sich dieses Sachbuch?

▪ Angestellte und Selbständige, die mit der Gestaltung und Verarbeitung von Wissen und Informationen zu tun haben, und die sich fragen, wie man digitale Möglichkeiten nutzen und wie man sich mit smarten Konzepten und Strategien in einem bestimmten Feld als Experte positionieren kann, um mehr aus den eigenen Talenten zu machen.

▪ Führungskräfte, die mehr über agile Methoden des Managements wissen wollen, Organisationskonzepte und Methoden wie unter anderem Holocracy und Serum.

▪ Personen aus dem Bildungssektor, die sich fragen, welche größeren Veränderungen sich in den Bereichen Bildung und Lernen - bedingt durch die Digitalisierung - abzeichnen.

▪ Designer, die sich für die Entwicklung von digitalen Beratungs- und Geschäftsmodellen und die Erweiterung Ihrer Gestaltungsmöglichkeiten interessieren.

▪ Alle Menschen, die sich für die Themen „Neues Arbeiten“ und „Lernen“ interessieren und die genauer wissen wollen, welche Entwicklungen sich abzeichnen, und zwar sowohl in Bezug auf die Licht- als auch die Schattenseiten.

Vielen herzlichen Dank!

Dieses Buch wäre nicht entstanden ohne die Unterstützung von Freunden, der Familie, einer Crowdfundingkampagne auf Startnext und vielen Menschen, die uns auf vielfältigen Wegen unterstützt haben. Das Crowdfunding war eines der erfolgreichen Experimente auf dem Weg zu unserem Buch.

Für die Unterstützung im Crowdfunding danken wir im Besonderen:

Konstantin Adamopoulos

Stefan Dinter

Angela Gröber

André Hein

Sabine Krause

Hildegard & Wolfgang Kronenberg

Jochen Kronenberg

Barbara Kruse

Julia Mansour

Gabriel Negraschus

Felix & Jutta Paschedag

Stephan Schmitz

Klaus Thießen

Violeta Torrealba

1. Zukunftsvisionen

„Auch Traumtänzer haben den Boden der Tatsachen unter sich. Nur befinden sie sich den Sternen ein wenig näher.“

(Martin Gerhard Reisenberg)

 

Einleitung: Wie sieht Ihre Vision von der Zukunft aus?

Marcus Klug

Bild 2: Digitale Nomaden wie Conni Biesalski sind in ihrer Arbeit an keinem Ort gebunden

Die Welt der Geschichten folgt keinen klaren Gesetzen. Zu Geschichten werden Ereignisse, wenn sie nicht voraussehbar sind und überraschende Wendungen nehmen. Kaum jemand hätte beispielsweise vermutet, dass aus einzelnen Ideen und Forschungsprojekten, die in den 1950er-Jahren zu militärischen Zwecken hauptsächlich in den USA betrieben wurden, so etwas wie das Internet entstehen könnte, ein sich global erstreckendes dezentrales Informations- und Kommunikationsnetzwerk, in dem Milliarden von Menschen miteinander in Kontakt treten können.

Hätte man also in den 1950er-Jahren als Zeitreisender den Menschen berichtet, über welche Möglichkeiten wir im Jahr 2016 verfügen, was das Internet und die Kommunikation anbelangt, so hätte dies ihr Vorstellungsvermögen bei weitem überstiegen. Sie hätten den Zeitreisenden mit Sicherheit für einen Phantasten und für unglaubwürdig erklärt. Das macht jedoch den Geist von Utopien aus.

Der Begriff „Utopie“ stammt von den griechischen Wörtern „ou“ (kein/nicht) und „topos“ (Ort) und bedeutet zusammengesetzt „Nicht-Ort“. Dieser Begriff bezieht sich nach unserem modernen Verständnis auf Träume, Wünsche und gesellschaftliche Zukunftsvisionen, die heute noch für abwegig gehalten werden. Als Beispiel hierfür kann man die utopische Vorstellung von Karl Marx anführen, der von einer Gesellschaft träumte, die auf Gleichheit, Solidarität und Gerechtigkeit basiert.

„Im Gegensatz zu Utopien“, so der Physiker und Komiker Vince Ebert in seinem Buch Unberechenbar: Warum das Leben zu komplex ist, um es perfekt zu planen (2016), „sind Visionen etwas völlig anderes. Visionen sind Ideen, die eindeutig realisierbar sind und gleichzeitig tiefe Sehnsüchte in uns wecken. Sie rufen ein Bedürfnis hervor, das uns vorher vollkommen unbekannt war.“

Wenn es eine junge Frau wie Conni Biesalski als digitale Nomadin in die große weite Welt verschlägt und ihre Vision darin besteht, aus festen traditionellen Arbeitsstrukturen auszubrechen, ist das eindeutig realisierbar und steht gleichzeitig für tiefere Sehnsüchte in uns, von denen in letzter Zeit in den Medien häufiger zu lesen ist. Es geht um die Sehnsucht nach mehr Freiheit und Selbstbestimmung im Job und im Privatleben. Aus diesem Grund verwirklichen immer mehr Menschen, denen in ihrem Job anscheinend etwas fehlt, in ihrer Freizeit zum Teil recht anspruchsvolle Projekte. Bücher wie Die 4- Stunden- Woche von Timothy Ferriss (2015) oder Das 4-Stunden Startup von Felix Plötz (2016) sprechen diese Sehnsüchte direkt an.

Bei anderen Visionen fragt man sich, ob es sich noch um eine Vision oder bereits um eine Utopie handelt. Hier denken wir vor allem an einzelne Unternehmer aus dem Silicon Valley, die zum Teil großspurige Visionen vertreten, wie etwa die der Unsterblichkeit des Menschen. Einzelne Zukunftsforscher, wie Vernor Vinge und Ray Kurzweil, sind davon überzeugt, dass es schon bald möglich sein wird, mittels Technologie die Unsterblichkeit zu erlangen. So geht Ray Kurzweil davon aus, dass Computer bis zum Jahr 2045 unser Gehirn in Software verwandeln.

Dieses Kapitel bildet die Eröffnung zu unserem Buch Morgen weiß ich mehr.Intelligenter lernen und arbeiten nach der digitalen Revolution. In einzelnen Interviews und Gesprächen mit Experten wurden wir bereits im Vorfeld immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Revolution doch längst geschehen sei, oder präziser formuliert: „Wir haben es mit einer Revolution zu tun, die bereits seit mehr als 25 Jahren anhält.“ So äußerte sich beispielsweise der Motion-Designer Daniel Glass auf Google+ und fügte hinzu: „Ich sag's mal so: die Gestaltung meiner digitalpowered Lebens- und Arbeitskultur läuft nun seit etwa 35 Jahren. Schon mein Vater war in den Siebzigern Industrieinformatiker. Und dann kam ich.“

Richtig: Anfang der 1980er-Jahre wurde es möglich, auf der ganzen Welt Rechner miteinander zu vernetzen. Das Internet hielt Einzug in immer mehr amerikanischen Universitäten und weitete sich schließlich über die Landesgrenzen der USA aus. Ab 1989 erfolgte die Kommerzialisierung. Seit 2003 bis heute erleben wir die Entwicklung des „Web 2.0“. Mit dieser Entwicklung war zugleich auch eine veränderte Rolle der Nutzer verbunden. Nutzer konnten zunehmend mehr zu Produzenten werden, auch wenn sie keine Programmierkenntnisse besaßen. Das Bloggen ist ein gutes Beispiel dafür. Ein Blog als eigene Internetseite aufzusetzen und regelmäßig Beiträge zu veröffentlichen, war jetzt eben auch möglich, ohne selber Programmierer zu sein.

Die Anwendungen im Netz werden immer benutzerfreundlicher und animieren zum Teilen von Wissen und Informationen. Chris Anderson, der Autor des Buches Makers. Das Internet der Dinge: die nächste industrielle Revolution (2013), bezeichnet diese Entwicklung auch als „Demokratisierung der Produktionsmittel“. Diese faszinierenden Entwicklungen wollen wir in unserem Einstiegskapitel näher erörtern. Vor allem interessiert uns, wie es dazu kommen konnte, dass bis heute Wissens- und Kreativarbeiter auf der ganzen Welt, also Menschen, die mit Kopf und Computer arbeiten, ihre Gedanken und Ideen mit anderen Menschen über Texte, Bilder und Videos in digitaler Form teilen können, um einzelne Probleme zu lösen, Impulse zu geben oder Ideen weiter auszutüfteln.

Mit dem ersten Teil des Kapitels wollen wir Sie inspirieren. Wir erzählen Geschichten von außergewöhnlichen Persönlichkeiten und fortschrittlichen Unternehmen, die den Mut gefasst haben, etwas am Status quo im positiven Sinne zu verändern, und die dabei ganz auf die Möglichkeiten des Internet setzen, vor allem auf jene Technologien des Web 2.0, die sich seit den 1990er-Jahren immer weiter fortentwickelt haben.

Dabei ordnen wir diese herausragenden Lebensläufe in größere gesellschaftliche Zusammenhänge ein, denn wir sind davon überzeugt, dass wir derzeit einen fundamentalen Umbruch erleben, der eklatante Auswirkungen auf unsere Kultur, unsere Wirtschaft und unser Bildungssystem hat. So wird sich beispielsweise die Art und Weise, wie wir morgen arbeiten werden, bedingt durch die digitale Entwicklung radikal verändern. Die Stichworte lauten hier „orts- und zeitunabhängiges Arbeiten“ und „New Work“.

Ein Leben wie das von Conni Biesalski - und zwar als digitale Nomadin -, wäre ohne die Möglichkeiten, die einem das Internet in der Gestaltung der Arbeit ermöglicht, so nicht vorstellbar. Denn digitale Nomaden arbeiten orts- und zeitunabhängig, von allen möglichen Orten aus, wobei ihr tragbares mobiles Büro in den meisten Fällen lediglich aus einem Laptop und einem Smartphone besteht. Auch die anderen Geschichten von herausragenden Persönlichkeiten und Organisationen, die wir in diesem Kapitel erzählen, hängen mit diesen Entwicklungen zusammen. So auch die Geschichte von Salman Khan, der zunächst seiner Nichte Nadia Nachhilfeunterricht in Mathematik gab, dann einzelne Erklärvideos für Mathematik auf YouTube vertrieb und schließlich die Khan Academy gründete, eine Bildungsplattform im Internet, mit mittlerweile über zwei Millionen Schülern auf der ganzen Welt.

Wenn wir in diesem Sachbuch von mehr Freiheit und Gestaltung sprechen, wollen wir nicht die Festanstellung gegen die Selbständigkeit oder größere Unternehmen gegen kleinere Startup-Unternehmen ausspielen. Wir sind davon überzeugt, dass wir intelligente und mutige Menschen überall finden können, und insofern kann es auch „Intelligentes Leben in Konzernen“ geben. Entscheidend sind die Personen hinter den Ideen und die Gemeinschaften in den Organisationen, die mutig genug sind, gewohnte Pfade zu verlassen und mehr zu experimentieren, auch wenn nicht immer klar ist, wohin die Reise gehen wird, mögliche Fehler und Irrtümer inbegriffen, die hoffentlich zum Lernen beitragen.

Für ein anderes Morgen

Marcus Klug

Eine junge Frau entscheidet sich dafür, ihren Job in einer PR- und Social-Media-Agentur an den Nagel zu hängen, um ein selbstbestimmteres Leben zu führen, von dem sie lange geträumt hat: als digitale Zen-Nomadin und Reisebloggerin weltweit unterwegs zu sein. Ein Mann gibt seine Position als Finanzanalyst auf, um sich noch intensiver mit der Produktion von Webvideos zu beschäftigen, in denen er komplexe Bildungsinhalte auf anschauliche Weise erklärt, etwa die Grundlagen der Mathematik oder Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Finanzkrisen und Immobilienspekulationen. Ein junger Unternehmer entschließt sich dazu, die Arbeitsbedingungen in seinem Betrieb vollkommen neu zu gestalten. So können die Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten sowie die Höhe ihres Gehalts selbst bestimmen. Zudem werden die Gehälter offengelegt und können von allen Mitarbeitern eingesehen werden.

Sie halten all diese Visionen für utopisch? Sie denken, dass so etwas doch eigentlich nicht möglich sein kann? Sie halten diese Träume für die Hirngespinste von jungen Leuten und hoffnungslos realitätsfernen Idealisten, die damit nur scheitern können? Bei all diesen Utopien geht es jedoch um Zukunftsvisionen, die nicht nur von alternativen Lebensentwürfen handeln, die erst durch die Digitalisierung ermöglicht werden, sondern gleichfalls um bereits Erprobtes. Dies ist herausragenden Persönlichkeiten und Gemeinschaften zu verdanken, die mutig genug waren, nicht nur zu träumen, sondern ihre Ideen auch in die Tat umzusetzen.

Wer sind die Menschen und Organisationen hinter diesen Utopien? Die junge Frau, die sich als „digitale Zen-Nomadin“ bezeichnet, heißt Conni Biesalski. Sie selbst gibt auf dem Blog Planet Backpack an, dass ihr Leben als digitale Nomadin im Februar 2012 so richtig ins Rollen gekommen sei. Zunächst arbeitete sie als Freelancerin, hatte aber, wie sie gesteht, zu dieser Zeit nur wenig Ahnung sowohl von Business als auch vom Leben und von sich selbst. Im Laufe der Zeit krempelte sie auch ihren persönlichen Lebensstil komplett um, und zwar insofern, als sie begann, sich vegan zu ernähren und Meditation zu betreiben. Seither fühle sie sich viel fitter und gesünder als früher.

Früher entsprach das Bild des modernen Nomaden tatsächlich einer Utopie, auch wenn man die Idee schon vereinzelt in Büchern von visionären Denkern wie Marshall McLuhan finden kann. McLuhan skizzierte bereits in den 1960er-Jahren in Understanding Media: The Extensions o f Man (1964) das Bild von mobilen Arbeitnehmern, die fast permanent weltweit unterwegs sind und kein Zuhause mehr brauchen. Tatsächlich war die Technik aber noch nicht soweit: Hätte man damals so gelebt und die gesamte lebenserhaltende Umgebung mitgeführt, so kommt einem dabei aus heutiger Sicht eher ein Astronaut im Weltall in den Sinn.

Erst heute, dank der Entwicklung der digitalen Technologie, ist es tatsächlich möglich, als digitaler Nomade sein Leben zu gestalten - so wie es Biesalskis Vision entspricht. Der digitale Nomade braucht unter anderem ein funktionsfähiges Laptop und Smartphone, einige digitale Anwendungen zur Selbstorganisation, wie etwa GoogleDoes und Evernote, und eventuell einzelne Assistenten, die ihm einen Teil seiner Arbeit abnehmen. Auch solche Assistenten lassen sich mittlerweile über das Internet organisieren, etwa über die Firma Strandschicht, die „virtuelle persönliche Assistenten“ für die eigene Verwaltung, Recherche, Online-Beiträge oder die Kommunikation anbietet. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie sich das Leben als digitaler Nomade finanzieren lässt.

Conni Biesalski generiert ihr Einkommen komplett online. Sie sagt, dass dies zwar immer noch für viele Menschen nicht nachvollziehbar sei (etwa für ihren Vater), sie jedoch all diese Möglichkeiten schon vielfach genutzt habe. Der erste Schritt auf dem Weg zum digitalen Nomaden war die Kündigung der Festanstellung. Nach ihrem Studium war Biesalski zunächst bei einer PR-Agentur angestellt, bemerkte aber schon nach ein paar Monaten, dass die Arbeit sie nicht zufriedenstellte. „Das hat mich total wahnsinnig gemacht, jeden Tag in einem Büro vorm PC zu sitzen. Immer der gleiche Ablauf, von Montag bis Freitag, und man lebt eigentlich nur fürs Wochenende. Das war für mich ein absolutes Gefängnis-Gefühl, festgekettet am Schreibtischstuhl.“

Ein solcher Schritt sollte natürlich gut überlegt sein. Biesalski war schon immer ein sehr neugieriger und offener Mensch, der sich für ferne Länder und fremde Kulturen interessierte. Sie reiste viel und arbeitete zum Beispiel auf Bali als Tauchlehrerin. Ein fester Job in einer PR-Agentur passte somit nicht zu ihrer Persönlichkeit. Deshalb überlegte sie sich schon während ihrer Festanstellung, welche Dienstleistungen sie als Freelancerin anbieten könnte. Eine Initialzündung war für sie die Lektüre des Buches Die 4-Stunden-Woche von Timothy Ferriss. Ihr war dann schnell klar: „Das ist es.” Wichtig sei, so betont sie auch in Interviews immer wieder, das Sparen von Geld, um die Zeit zwischen der Kündigung einer Festanstellung und dem neuen Leben als Selbständige überbrücken zu können. Man sollte schon sechs bis zwölf Monate davon leben können. Aber auch wer nicht kündigen will, kann neben dem Angestellten-Job eigene Geschäftsideen erproben und dabei verstärkt auf die Möglichkeiten der Digitalisierung setzen.

Nach ihrer Kündigung startete Biesalski mit einzelnen Aufträgen als Freelancerin. Inzwischen kann sie bereits von ihren eigenen Projekten leben. Ihr digitales Einkommen setzt sich zum einen aus Werbeeinnahmen zusammen, die sie über den Reiseblog „Planet Backpack“ erzielt, zum anderen verdient sie ihr Geld mit Blog Camps, die sie zusammen mit Sebastian Canaves von Off The Path Ende 2012 ins Leben gerufen hat. Diese Blog Camps starteten zunächst als Weiterbildungskurse für Nachwuchsblogger in Berlin und sind mittlerweile auch als Onlinekurse verfügbar. In diesen Kursen wird Grundlagenwissen zu der Frage vermittelt, wie man einen professionellen Blog aufsetzen und mit Bloggen Geld verdienen kann. Die dritte Einnahmequelle ist mit dem Betreiben der Medienagentur Transit Media verbunden, eine Medienagentur für Blogger-Relations, Content-Marketing und Blogger-Kampagnen. Es kommen aber immer wieder neue Formate und Einnahmequellen hinzu, womit die finanzielle Unabhängigkeit gewährleistet bleibt. Wesentlich ist dabei auch das Generieren eines passiven Einkommens. Uber digitale Weiterbildungskurse kann man heutzutage beispielsweise über das Netz ein solches Einkommen schaffen: Läuft also ein Kurs erst einmal über eine gewisse Zeit erfolgreich, verdient man regelmäßig Geld - etwa über einen Anbieter wie Udemy. Udemy ist die weltweit größte Plattform für Online-Kurse, Trainings und Tutorials.

Bemerkenswert ist vor allem, dass Biesalski es nicht dabei beließ, nur davon zu träumen, eine digitale Nomadin zu sein. Die Gründe, die wir häufig im Alltag dafür finden, nicht wirklich ernsthaft an der Umsetzung unserer Träume zu arbeiten, räumte Biesalski für sich erfolgreich aus dem Weg. Dies gelang ihr in einem Prozess, gewiss war es kein leichtes Spiel. Daher werden wir hier auch nicht so tun, als ob der Weg, den sie bereits eingeschlagen hat, so etwas wie ein Zuckerschlecken wäre. Dennoch wollen wir Sie dazu animieren, utopischer zu denken und zukünftig mehr unbekannte Pfade zu gehen, mehr auszuprobieren und zu experimentieren, selbst wenn diese Versuche vielleicht zunächst mit einigen Anstrengungen, Fehlern und Rückschlägen verbunden sein mögen. Der digitale Wandel bietet sehr viel mehr Möglichkeiten, als häufig bekannt ist, und Sie können davon profitieren, auch wenn Sie nicht selbständig sind. Lesen Sie in diesem Zusammenhang auch den Beitrag Smarte Ideen für Experten im Kapitel „Strategie“.

Wie gewinnen Menschen die innere Zuversicht, um einen alternativen Lebensentwurf auch tatsächlich in die Tat umzusetzen? Manche Leser und Leserinnen werden sicherlich Zweifel hegen, dass solche alternativen Lebensentwürfe überhaupt gelingen können: Eine Frau, die fortan weltweit als Reisebloggerin unterwegs sein will, ein Mann, der den Schritt von der Finanzwirtschaft in eine ungewisse Bildungsrichtung wagt, oder ein Unternehmer, der seine Mitarbeiter dazu ermutigt, nicht nur ihre Arbeitszeit freier zu gestalten, sondern auch ihren Verdienst selbst zu bestimmen.

Die Verflüssigung der Arbeit

Marcus Klug

Menschen sind eher dazu bereit, ungewöhnliche Wege einzuschlagen, wenn die äußeren Rahmenbedingungen unsicherer werden. Diese gesamtgesellschaftliche Verunsicherung, die sich gerade auch in anderen Bereichen als in der DigitalWirtschaft zeigt, führt somit in Kombination mit all den Möglichkeiten, die das Internet heute bietet, zu einem wachsenden Gründergeist. Aber selbst wenn Sie nicht selber ein eigenes Unternehmen gründen wollen, kein Startup-Unternehmer sein wollen, gibt es doch auch andere gute Argumente dafür, einmal über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und erste Schritte in das Land der digitalen Möglichkeiten zu wagen, ganz gleich, ob Sie als Selbständiger oder Angestellter Ihren Lebensunterhalt bestreiten. Denn die „Verflüssigung der Arbeit“, die Hypothese, dass die Arbeit, wie wir sie einst kannten, allmählich verschwindet, ist schon längst keine Science Fiction mehr. Was können wir aber schon heute unternehmen?

Der Soziologe Jeremy Rifkin hat diese Entwicklung in seinem wegweisenden Buch Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft. Neue Konzepte für das 21. Jahrhundert (2000) bereits vor über zehn Jahren vorhergesehen: „Die alte Logik, dass technologischer Fortschritt und Produktivitätszuwachs alte Jobs vernichten, aber auch genauso viele neue schaffen, trifft nicht mehr zu.“ Der Journalismus, die Werbebranche und die Kreativindustrie sind in dieser Entwicklung nur die Vorboten. In den genannten Branchen gibt es immer weniger feste Stellen und es wird zunehmend mehr projektbezogene Arbeit geben, da sich die Konstellationen von Teams, die an speziellen Projekten arbeiten, viel häufiger ändern, als das früher der Fall gewesen ist.

Stark vertikal hierarchisierte Strukturen werden zunehmend aufgelöst und durch flexiblere Strukturen ersetzt. Mitarbeiter werden auf diese Weise zu „kleinen Selbstunternehmern' und sollen wesentlich mehr Verantwortung übernehmen, wohingegen das mittlere Management in vielen kleinen bis mittelgroßen Betrieben nicht mehr zeitgemäß ist. Denn das Kontrollsystem, das von diesem Management ausgeht, kann durch autonome Teams mit einem Teamleiter ersetzt werden und macht somit dessen Kontrollfunktion überflüssig.

Auf der anderen Seite können flache Hierarchien natürlich auch zur Kontrolle genutzt werden, allerdings wesentlich subtiler. Wenn also einerseits die Pyramidenstrukturen in größeren Unternehmen erhalten bleiben (etwa in Konzernen), auf der anderen Seite aber verlangt wird, innovativer zu arbeiten und „offenere“ Strukturen zu etablieren, so kann durch diese Widersprüche der Druck auf die Belegschaft sogar noch erhöht werden. Die Folgen sind Burnout und ansteigende Unzufriedenheit unter den Mitarbeitern. So schrieb beispielsweise der Organisationsberater Stefan Kühl in seinem Buch Wenn die Affen den Zoo regieren schon 1998: „Mit Konzepten wie Lean Management, Reengineering, lernendes Unternehmen oder fraktale Fabrik wird häufig eine Schlüssigkeit und Problemlosigkeit neuer Unternehmensformen vorgespielt, die sich in der alltäglichen Praxis wirtschaftlichen Handelns nicht wiederfinden lässt.“ Die Kontrolle und Überwachung verschwindet also nicht, sondern nimmt nur andere Züge an. Anstelle der starren Kontrolle von außen tritt die Kontrolle und Überwachung durch einen selbst.

Gewisse „neoliberalistische Tendenzen“ sind an diesen „neuen“ Arbeitsmodellen sicherlich auch nicht zu leugnen: Diejenigen, welche die Macht besitzen, versuchen die Verantwortung an ihre „Untergebenen“ zu delegieren und gleichzeitig ihren Profit weiter zu maximieren. So findet man beispielsweise im Silicon Valley Unternehmen wie Apple und Facebook, in denen sich die Macht in der Spitze stark auf Finanzen und Strategie konzentriert, während im Bauch dieser Unternehmen den Mitarbeitern wesentlich mehr Freiheiten in der Gestaltung der Arbeit zugestanden werden, da es hier vor allem um die Förderung von Innovation geht.

Die Aufforderung zu mehr Unternehmertum kann jedoch auch weniger ideologisch aufgefasst werden, so unsere Überzeugung. Wir können unsere Kräfte auch vermehrt dazu einsetzen, gemeinsam an der Umsetzung einer sozialen Utopie auf der Basis der digitalen Möglichkeiten zu arbeiten. Anstatt einer neuen Form von Kontrolle mehr Freiheiten und mehr Raum für die eigene Entwicklung. Sharing-Communities, die Haushaltswaren, Kleidung und Konsumgüter teilen, sind erste Indikatoren hierfür. Gleiches gilt für Kulturtauschbörsen und Co-Living - gemeinsam nutzbarer Raum zum Wohnen, Arbeiten, Feiern und Sporttreiben. Das steht im Kontrast zur „neoliberalen Invasion“, wie das einmal der französische Soziologe Pierre Bourdieu feststellte. „Der Neoliberalismus“, so Bourdieu in seinem Buch Gegenfeuer, Wortmeldungen im Dienstedes Widerstands gegen die neoliberale Invasion (1998), stellt ebenfalls eine Utopie dar, und „zwar eine Utopie grenzenloser Ausbeutung“.

Die neuen Möglichkeiten der digitalen Welt können eine flexible und internalisierte Neuauflage der Kontrollmöglichkeiten der Industriegesellschaft werden, einer „Industrialisierung auf Speed“, oder zu Werkzeugen für neue Formen von Arbeit und Leben, die mehr Demokratie zulassen. Lesen Sie in diesem Zusammenhang auch das Interview mit Thomas Sattelberger in diesem Buch - Raus aus dem Industriekorsett.

Wir sind in diesem Buch auf der Suche nach Menschen und Unternehmen, die ein verkürztes ökonomistisches Denken ablehnen, die keinen ökonomischen Autismus betreiben; Menschen und Organisationen also, denen bewusst ist, dass wir gerade auch als Gestalter und (Lebens-)Unternehmer Verantwortung für unsere Zukunft tragen. Denn mindestens genauso grundlegend wie die digitale Transformation ist die tiefergehende Auseinandersetzung mit den Folgen der Entwicklung von Arbeit für die globalen Probleme in der Energieversorgung und den Klimawandel oder die Frage nach den sozialen Bedingungen unserer Zukunft.

Wir erleben aktuell den Übergang in eine andere Epoche. Die größte Herausforderung der neuen Welt ist die Komplexität. Die Antwort auf diese Komplexität kann nicht mit jenen Strategien und Strukturen verbunden sein, die wir noch aus der Epoche der Industrialisierung kennen. „Es sind die globale Bevölkerungsentwicklung, sodann die ökologischen Fragen, ferner die Fortschritte in Wissenschaft und Technologie sowie die Ökonomie, und hier vor allem die alles durchseuchende Verschuldung“, schreibt der Managementdenker Fredmund Malik in seinem Buch Navigieren in Zeiten des Umbruchs. Die Welt neu denken und gestalten (2015) über die Herausforderungen, die uns im 21. Jahrhundert erwarten. Wer so wie wir insbesondere über die moderne Arbeitswelt, über Wissen, Lernen und die digitale Transformation schreibt, sollte die anderen Fragestellungen der Transformation zumindest im Hinterkopf behalten, denn alles greift auf komplexe Weise ineinander.

Nun fragen wir uns auf der anderen Seite aber auch, wie wir in der modernen Arbeitswelt von heute einen kühlen Kopf bewahren können, da viele Menschen angesichts der digitalen Transformation große Angst verspüren. Denn höchstwahrscheinlich wird es in der digitalen Welt von morgen wesentlich weniger unbefristete Anstellungen geben, worauf bereits zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen hinweisen. Schon heute verfügen gerade einmal 26,4 Prozent der Beschäftigten weltweit über einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Das ist das Ergebnis einer Erhebung des World Employment and Social Outlook 2015, den die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) veröffentlicht hat. Es verhält sich also eben nicht so, wie immer noch häufig behauptet wird, dass durch die Digitalisierung in manchen Bereichen Arbeitsplätze wegfallen, während sie anderswo in gleicher Anzahl neu entstehen. Vielmehr werden sich das Wesen der Arbeit und das Verhältnis von Arbeit zu anderen Aktivitäten unseres Lebens stark verändern. Arbeit wird in der Zukunft anders verteilt und das Privatleben gewinnt wieder mehr an Bedeutung.

„Die gewonnene Zeit sollten wir dann aber auch zur Erholung nutzen, zur Ablenkung oder indem wir neue Fertigkeiten erlernen, die nichts mit der Arbeit zu tun haben“, schreibt Markus Albers in seinem Buch Morgen komm ich später rein. Für mehrFreiheit in der Festanstellung (2014). Er führt die Aktivitäten auf, denen er jetzt nachgehen kann: „Ich selbst mache endlich wieder Musik, habe die Padi-Prüfung für Taucher absolviert, Skilanglauf gelernt, gehe wieder regelmäßig ins Fitnessstudio, lese Bücher und reise um die ganze Welt.“

Albers war über viele Jahre als Journalist in Festanstellungen tätig - etwa als Geschäftsführender Redakteur der deutschen Vanity Fair -, bevor er sich dazu entschloss, für mehr Freiheit und Selbstbestimmung an seinem Arbeitsplatz zu sorgen. Albers ist davon überzeugt, dass wir heute zunehmend für unsere eigene Entwicklung verantwortlich sind. Infolge dieser Entwicklung ändern sich in Zukunft ebenfalls die Rahmenbedingungen der Arbeit für Festangestellte: Vieles wird flexibler, feste Bürozeiten und Anwesenheitspflichten fallen immer häufiger weg. Insgesamt geht somit die Verantwortung für das Berufsleben vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer über. Dies gilt auch für die Gestaltung von eigenen Wissensprodukten: Sachbuchautor Albers hat beispielsweise eine Portfolio-Website eingerichtet, auf der er seine Arbeiten präsentieren kann, außerdem bloggt und twittert er regelmäßig. Daneben hat er auch ein Buch ohne die Unterstützung eines Verlags herausgegeben und damit das Marketing selbst in die Hand genommen. Meconomy heißt das Werk, in dem es um die eigene Markenbildung geht. Es erschien 2010 als E-Book auf verschiedenen Plattformen, zum Beispiel auf Amazon.

Wir können heute neben E-Books auch Videos oder Weiterbildungskurse selber produzieren und vertreiben, was ohne das Internet so sicherlich nicht denkbar wäre. Ein gutes Beispiel für die Bandbreite dieser Wissensprodukte ist Die Self-Publisher-Bibel von Matthias Matting.

Matthias Matting ist Physiker und Journalist und einer der erfolgreichsten deutschen Seifpublishing-Autoren. Er hat bereits über 50 Bücher auf diese Weise veröffentlicht und betreibt im Internet auch eine eigene Plattform zu der Frage, wie Seifpublishing funktioniert: www.selfpublisherbibel.de. Dort erfährt man beispielsweise, wie eigene Buchmanuskripte in spezielle E-Book-Formate für Amazon und Co. umgesetzt werden (ePub) oder welche Möglichkeiten es generell gibt, eigene E-Books zu vermarkten. Darüber hinaus bietet Matting Online-Kurse zum Seifpublishing auf Udemy an. In der Zukunft wird es immer mehr Menschen geben, die eigene Wissensprodukte - so wie Matting - produzieren und vertreiben werden. Das ist eine eigene Art von Do-It-Yourself-Kultur auf höherer kognitiver Ebene, die stark auf die Möglichkeiten des Internet setzt, ähnlich wie Chris Anderson das in seinem Buch Makers von 2013 beschreibt.

Alle können heute im Internet selbst kommunizieren, publizieren und sich informieren. Anderson weist darauf hin, dass jeder mit wenig Aufwand und geringen Kosten selbst Produkte designen und fertigen kann, beispielsweise Schmuck und Modellbauteile. Wir sprechen in diesem Buch speziell von Wissensarbeitern und Kreativen, die zu „Makern“ werden und die eigene Wissensprodukte wie E-Books, Online-Kurse und Trainings selbst vertreiben.

Die eigentliche Idee von Anderson: Wir alle sind jetzt Designer oder sagen wir Wissensdesigner. Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für die Arbeitsorganisation (IAO) in Stuttgart aus dem Jahr 2015 beträgt der Anteil der Wissensarbeit an der in Deutschland verrichteten Arbeit inzwischen rund 50 Prozent. Ausgeführt wird die Wissensarbeit von Menschen, die mit Kopf und Computer arbeiten und die in der Kreativbranche, im IT- und Finanzsektor tätig sind sowie für Beratungsunternehmen, die im Journalismus, im Bildungssektor, in der Wissenschaft arbeiten oder auch in der Verwaltung. Jetzt stellen Sie sich bitte einmal vor, wie sich wohl unsere Wirtschaft und die Rahmenbedingungen unserer Arbeit in der Zukunft verändern würden, wenn all diese Menschen zu „Makern“ werden? Das hängt sicherlich auch mit dem Megatrend zusammen, dass die Grenzen zwischen Produktion und Konsum zunehmend verschwimmen: der Mensch, der vom Konsumenten zum Prosumenten wird.

Nur noch etwa ein Drittel des Tages müsste der moderne Wissensarbeiter einer Festanstellung nachgehen, ein weiteres Drittel würde er dann an jenen Voraussetzungen arbeiten, die dazu notwendig sind, eigene Wissensprodukte zu produzieren und erfolgreich zu vertreiben, und ein weiteres Drittel stünde Ihnen frei, all das zu tun, was Ihnen ansonsten noch im Leben wichtig ist. So könnten Sie etwa die Zeit mit Ihren Freunden und Ihrer Familie verbringen und sich mehr Ihren Hobbys widmen.

Der Bildungsstürmer

Marcus Klug

Salman Khan war einst Finanzanalyst. Heute ist er ein Bildungsunternehmer, der vor allem jungen Erwachsenen zeigt, wie es gelingen kann, sich mehr freie Zeit einzuräumen und das Lerntempo wesentlich eigenständiger zu bestimmen. Wie Biesalski hätte Khan diesen Weg so nicht beschreiten können, wenn er nicht auf jene Möglichkeiten gesetzt hätte, die ihm das Internet bietet.

Salman Kahns Geschichte beginnt so: Seine Cousine Nadia hatte in der Schule Probleme in Mathematik, und das, obwohl sie ansonsten überdurchschnittliche Leistungen erbrachte und meistens recht motiviert war. Aber in Mathe wollte es einfach nicht so richtig funktionieren. Bei einem Einstufungstest am Ende der sechsten Klasse hatte Nadia in Mathe ziemlich schlecht abgeschnitten. Khan - selbst Mathematiker und Informatiker - kam ihr zu Hilfe und gab ihr regelmäßig Nachhilfeunterricht. „Ich wusste um ihr Potenzial. Sie konnte logisch denken, war kreativ und beharrlich. Ich sah in ihr bereits die künftige Informatikerin.“ Im Laufe der Zeit entdeckte Khan, dass Nadias persönliches Lerntempo in der Schule nicht ausreichend berücksichtigt werden konnte. Es fehlte ihr an einigen Grundlagen in der Mathematik, und so hatte sie zwischenzeitlich den Anschluss verloren. Mathematik ist eine vernetzte Wissenschaft. Alles baut aufeinander auf und ist miteinander verbunden. Das brachte Khan schließlich auf eine bahnbrechende Idee. Mit dem Internet kann man mit recht einfachen Mitteln Videos und Übungen für Mathematik gestalten und verbreiten. Auf diese Weise könnte Nadia sehr viel individueller lernen und ihr fehlendes Grundlagenwissen nachholen.

Neben seiner Arbeit als Finanzanalyst begann Khan als Autodidakt Erklärvideos zu produzieren und auf YouTube hochzuladen. Mit der Zeit wurden diese Videos immer häufiger abgerufen. Schließlich waren sie so erfolgreich, dass sich Khan dazu entschloss, seine Festanstellung als Finanzanalyst aufzugeben und seine ganze Energie auf die Gestaltung und Verbreitung von Lerninhalten zu konzentrieren. Zu diesem Zweck gründete Khan in dieser Phase auch die Khan Academy: eine Online-Plattform zum Lernen.

Die Daten sprechen für sich: Mehr als zwei Millionen Menschen weltweit nutzen inzwischen das Angebot dieser Bildungsplattform. Die durchschnittliche Dauer der Erklärvideos beträgt etwa zehn Minuten. Neben den Grundlagen der Mathematik gibt es mittlerweile auch Videos zu Fächern wie Kunst, Geschichte und Politik oder gar Videos, in denen Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Finanzen und Immobilienspekulationen erklärt werden, angefacht durch jene Ereignisse, welche 2008 die große internationale Finanzkrise ausgelöst haben, zunächst in den USA, dann in der ganzen Welt. Darüber hinaus bieten Khans Online-Lektionen die Chance, Schule völlig anders zu organisieren, von den Amerikanern Flipped Classroom genannt. Was bedeutet das?

Was früher frontal vorgetragen wurde, lernen die Schüler selbständig online (etwa die Grundlagen der Mathematik), so die Grundidee, in ihrem eigenen Tempo, mit so vielen Wiederholungen wie nötig, in der Form von Lernvideos mit kurzen Tests. Die Nutzer der Khan Academy können zu den aktuellen Inhalten kurze Aufgaben lösen und so ihre mathematischen Fähigkeiten üben. Im Unterricht wird weiter geübt und vertieft, was zuvor den Hausaufgaben Vorbehalten war. Auf diese Weise bleibt auch mehr Freiraum für individuelle Fragen. Lehrer fungieren somit zunehmend als Lerncoaches und unterstützen die Entwicklung ihrer Schüler. Eine Lehrerin beschreibt diese Entwicklung mit den folgenden Worten: „Ich fühle mich jetzt wie die Dirigentin eines Orchesters, welche die Trompeter unterstützen könne, während die Geiger selbständig üben.“

So wie die Rahmenbedingungen der Arbeit befindet sich auch unser Bildungssystem in einem tiefergreifenden Umbruch. Dabei besteht ein Zusammenhang zwischen Schule, Studium und Beruf. Wenn wir davon ausgehen, dass es in Zukunft immer weniger feste Jobs geben wird und zukünftige Wissens- und Kreativarbeiter zunehmend mehr Verantwortung für ihren eigenen Werdegang übernehmen müssen, stellt sich auf der anderen Seite auch die Frage, welche Grundfähigkeiten Menschen neben Lesen, Schreiben und Rechnen ausbilden sollten, die sie auf die „Verflüssigung der Arbeitswelt“ in der Zukunft ausreichend vorbereiten. Etwa: „Höre nie auf zu lernen!“ oder „Versuche so produktiv wie möglich mit Angst umzugehen!“.

In der Schule fängt das damit an, dass wir die individuellen Begabungen von Kindern und Jugendlichen mehr fördern und ihnen dementsprechend auch genügend Freiraum zum kreativen Denken und Spielen zugestehen sollten. Kreatives Denken stellt eine Schlüsselqualifikation in einer Gesellschaft dar, die wie in Deutschland aufgrund von Rohstoffknappheit auf Innovationen angewiesen ist - und das längst nicht nur im Ingenieurbereich und der Automobilindustrie.

Das Lernmodell von Salman Khan könnte ein Schritt in eine derartige Richtung bedeuten. Denn durch digitale Technologien können Schüler und Studenten heutzutage orts- und zeitunabhängig lernen und dabei viel stärker ihr eigenes Lerntempo bestimmen, selbstbestimmter und freier lernen, vorausgesetzt, man hat ihnen beigebracht, mit diesen Möglichkeiten auf eine Weise umzugehen, die nicht zu mehr Zerstreuung führt. Wie man beispielsweise richtig lernt oder was Selbstmanagement bedeutet (sogenannte Metakompetenzen) und wie Sie Ihre eigene Organisation verbessern können, sind im Umgang mit digitalen Lernmöglichkeiten sicherlich ebenfalls wichtige Grundvoraussetzungen. Lesen Sie dazu auch das Kapitel „Lernen im digitalen Wandel“ in diesem Buch!

Kinder und Jugendliche sprühen zunächst einmal vor lauter Ideen und Tatendrang. Aber nach ein paar Jahren, wenn sie zu lange in ein Korsett gepresst werden, verlernen sie das kreative Denken. Die beiden Kreativforscher George Land und Beth Jarman ließen in den USA 1.600 Kinder im Alter von fünf Jahren an einem Test teilnehmen, um herauszufinden, wie kreativ diese Kinder tatsächlich sind. Dabei wurden mehrere Eigenschaften getestet, die im Zusammenhang mit Kreativität stehen, etwa die Fähigkeit zum divergenten Denken. Damit ist die Fähigkeit gemeint, nicht an das Naheliegende zu denken, sondern den Gedanken einen großen Raum zu geben, um ungewöhnlichere Einfälle zu evozieren. Bei den Fünfjährigen schafften es sagenhafte 98 Prozent, in die Kategorie „hochgradig kreativ“ zu gelangen.

Fünf Jahre später testeten Land und Jarman dieselben Kinder erneut. Das Ergebnis: Von den Zehnjährigen waren nur noch 30 Prozent „hochgradig kreativ“. Weitere fünf Jahre darauf verschlechterte sich dieses Ergebnis auf 12 Prozent und so weiter. Sie ahnen wahrscheinlich schon, worauf wir hinauswollen. Sobald wir in der Schule und Hochschule oder bei der Arbeit stark fremdbestimmten Strukturen unterworfen sind, verlieren wir auch zunehmend unsere Gabe, innovativ zu denken.

Kreativität und innovatives Denken sind nicht mit den industriellen Rahmenbedingungen kompatibel, die sowohl in unserem Bildungssystem als auch in unserer Arbeitswelt vielfach noch gegeben sind. Wir können heute orts- und zeitunabhängig lernen und ebenso orts- und zeitunabhängig arbeiten. Das verdanken wir vielfach den digitalen Möglichkeiten, die uns für die Gestaltung unseres eigenen Bildungsweges und unserer Arbeit zur Verfügung stehen. Aber wie sollen wir mit all diesen Möglichkeiten zurechtkommen, wenn unser kreatives Vorstellungsvermögen vielfach verkümmert ist und uns die grundlegenden Fähigkeiten fehlen, die für die Gestaltung des digitalen Wandels notwendig sind? Neugierde und Offenheit beispielsweise, eigenverantwortliches und kreatives Denken oder auch reflexive Intelligenz und ökologisches Bewusstsein.

Im absoluten Kontrast dazu stehen die Rahmenbedingungen der Industrialisierung, die auch heute noch einen großen Einfluss auf unseren Bildungsweg sowie auf das Berufsleben ausüben.

Zu nennen wären hier folgende Kennzeichen der industriellen Arbeit:

1. Industrielle Arbeit ist zeitlich eng determiniert

2. Industrielle Arbeit ist unterteilte, spezialisierte Arbeit

3. Industrielle Arbeit geschieht unter der Trennung von Denken und Ausführen

4. Industrielle Arbeit ist eingeordnet in vertikale Herrschaftsstrukturen

Diese „Kennzeichen der industriellen Arbeit“ finden wir ebenfalls zum Teil in der Schule und Hochschule. Auch hier ist der zeitliche Rahmen meistens festgelegt. Und auch hier reden wir von unterteilten Lerneinheiten („Module“), die nicht sinnvoll miteinander verknüpft sind. Und auch hier herrscht die Tendenz vor (insbesondere an Hochschulen), eigenständiges Denken im Zuge der Bologna-Reform mit Ausnahme von Bildungsausreißern und Eliten auf die Vermassung von Bildung auszurichten. Und auch hier gibt es sogenannte Bildungsexperten, die von oben nach unten Wissen weitertragen und bestimmen, welche Inhalte von Bedeutung sind und welche nicht.

Schöne neue Arbeitswelt

Marcus Klug

Ein Unternehmen, dessen Chef Julian Vester in Sachen Mitarbeiterführung ungewöhnliche Wege geht, ist die Hamburger Digital-Agentur elbdudler. Vester beschäftigt über 30 Mitarbeiter (unter anderem Texter, Designer, Konzeptionisten, Account-, Projekt- und Social-Media-Manager) und gewährt ihnen ein hohes Maß an Eigenverantwortung, wie es sicherlich auch heutzutage in Deutschland trotz der digitalen Möglichkeiten noch recht selten der Fall ist. So bestimmen die Mitarbeiter bei elbdudler nicht nur ihre Arbeitszeit selbst, sondern auch die Höhe ihres Gehalts, was nur deshalb möglich ist, weil die Gehälter in der Hamburger Agentur offengelegt werden und von allen Mitarbeitern eingesehen werden können. Hinter diesem recht radikalen Ansatz steht Vesters Überzeugung, dass es nur wenig Sinn macht, am Arbeitsplatz zu bleiben, obwohl die Arbeit bereits getan ist. Statt also die Arbeit traditionell in Zeiteinheiten zu messen, geht es in Vesters Unternehmen um die Resultate.

Die Grundvoraussetzung für diese Art von Unternehmensphilosophie bildet die Forderung nach erhöhter Selbständigkeit und Eigenverantwortung von Mitarbeitern innerhalb einer Organisation, aber auch die Überzeugung, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, die Mitarbeiter wie kleine Kinder zu behandeln, denen man ständig vorgeben muss, wie sie zu arbeiten haben. „Man muss die Menschen wie Erwachsene behandeln und ihnen Verantwortung geben“, betont Vester. „Nur so können lösungsorientiertes Arbeiten und Qualitätssteigerungen stattfinden.“ Bei der Festlegung des eigenen Gehalts spielt zudem die Frage eine wichtige Rolle, inwieweit auch das Unternehmen seinen Gewinn steigern kann, wenn ein Mitarbeiter mehr Geld für seine Arbeit verlangt.

Eine theoretische Grundlage für solch eine Form der Selbstorganisation bezeichnet Isaac Getz, Professor für Unternehmensführung an der Europe Business School (ESCP) in Paris, als „befreite Unternehmen“. Das Buch, in dem Getz und Bryan M. Carney, Redakteur des Wall Street Journals, diese Idee ausführlich diskutieren, trägt den Titel Freedom, lnc. und den Untertitel Free Your Employees and Fet Them Fead Your Business toHigher Productivity, Profits and Growth (2016). Carney und Getz vertreten die These, dass Selbstorganisation und Eigenverantwortung nicht nur für Zufriedenheit am Arbeitsplatz sorgen, sondern auch Umsatz und Profitabilität einer Firma steigern. Der Grund: Das „befreite Unternehmen“ nutzt die gesamte Kreativität und Innovationskraft seiner Mitarbeiter, statt sie durch eine starre Befehlskette zu ersticken.

Sogenannte befreite Unternehmen ersetzen eine vorgegebene Arbeitszeit durch eine Vertrauensarbeitszeit und entschlacken das komplette mittlere Management, was die Kontrolle und Verwaltung der eigenen Arbeit anbelangt. An die Stelle von straffen Hierarchien und einzwängender Bürokratie treten Eigenverantwortung, gegenseitiger Respekt und eine gemeinsame Zukunftsvision. Unternehmen, die eine derartige Philosophie vertreten, bewerten Arbeit nicht mehr nach starren Zeitvorgaben, sondern nach Ergebnissen. Dementsprechend können Wissensarbeiter, die für diese Unternehmen tätig sind, etwa im IT-Sektor, auch häufiger im Home Office arbeiten und ihre Arbeitszeit freier einteilen.

Vester ist international nicht der einzige Unternehmer, der die Grundsätze eines „befreiten Unternehmens“ in seiner Agentur befolgt. Sogar im öffentlichen Dienst, in dem häufig noch hierarchisierte Strukturen vorzufinden sind und nur wenig Freiräume, finden wir schon heute Organisationen, die versuchen, die Ansätze eines „befreiten Unternehmens“ schrittweise umzusetzen. Für Getz ist ein Unternehmen befreit, wenn die Beschäftigten die volle Verantwortung für ihr Tun übernehmen.

Auf der anderen Seite müssen sich die Mitarbeiter aber auch erst einmal an ein solches Arbeitsmodell gewöhnen. Nicht jedem, der im öffentlichen Dienst in der Verwaltung arbeitet, liegt es, die Arbeit selbständiger zu gestalten und ähnlich wie ein Unternehmer ergebnisorientiert zu arbeiten. Das kann unter Umständen Jahre dauern. Auch kann dieses neue Arbeitsmodell bei einzelnen Personen dazu führen, dass sie wesentlich mehr als vorher arbeiten. Die Frage stellt sich, wie wir mit der neu gewonnen Zeit umgehen und wie wir unsere Arbeit in der Zukunft auf eine Weise strukturieren, die uns noch genügend Freiraum lässt. Ein Beispiel hierfür wäre der eigenverantwortliche Umgang mit dem Smartphone und dem Internet: Wann wollen wir tatsächlich für unsere Kollegen und Kunden erreichbar sein? Sie sehen schon: die Herausforderung besteht darin, dass wir erst einmal lernen müssen, mit all diesen neuen Möglichkeiten souveräner umzugehen, ohne uns ständig selber zu überfordern.

Bereits vor dem Zeitalter der digitalen Transformation gab es Unternehmen, die komplett auf Selbstmanagement setzen. Etwa das US-Unternehmen Morning Star aus dem kalifornischen Woodland, eines der größten Unternehmen weltweit im Bereich der Tomatenherstellung. So schreibt der ehemalige Topmanager und frühere APO-Aktivist Thomas Sattelberger in seiner Autobiographie Ich halte nicht die Klappe. MeinLeben als Überzeugungstäter in der Chefetage (2015): „Vorgesetzte gibt es bei Morning Star nicht. Die Firma setzt auf Selbstmanagement: Jeder Mitarbeiter handelt eigenverantwortlich, ob im Umgang mit Kunden, Lieferanten oder Kollegen.“

Im Zeitalter der digitalen Transformation, so unsere Überzeugung, wird das Selbstmanagement der Mitarbeiter zu einer tragenden Säule der Unternehmensführung, und zwar quer durch alle Branchen. Wir sollten also in der Zukunft - wenn wir das nicht schon bereits getan haben - unser Augenmerk stärker auf unser Selbstmanagement richten. Daher haben wir an dieser Stelle auch das Beispiel einer Firma für Tomatenherstellung angeführt, obwohl wir uns in diesem Buch auf Wissensarbeit und Lernen in der digitalen Welt von morgen konzentrieren! Wir wissen ja nicht, wie Sie all die Möglichkeiten bewerten, die uns bereits heute, bedingt durch die digitale Entwicklung, für die Gestaltung unserer Arbeit zur Verfügung stehen? Ganz wesentlich sind dabei auch die Grundvoraussetzungen, die erfüllt sein sollten, um von diesen Möglichkeiten auch tatsächlich als Einzelperson und Organisation zu profitieren. Diese werden immer wieder gerne stillschweigend vorausgesetzt, etwa die Fähigkeit, sich selbst gut zu organisieren. Führungskräfte und Mitarbeiter einer Organisation sollten ihre Selbstmanagementfähigkeiten kontinuierlich verbessern; auch in firmeneigenen Trainings und im Coaching-Bereich, und zwar regelmäßig. Defizite bei der eigenen Organisation sind kein Schwachpunkt, solange wir an diesen Defiziten arbeiten und lernfähig bleiben. Sinnvoll kann es in diesem Zusammenhang auch sein, sich für die eigene Entwicklung firmenintern Kollegen zu suchen, denen wir vertrauen und mit denen wir uns über die eigene Arbeitsorganisation und Produktivität austauschen können. Bei SAP Deutschland besteht beispielsweise für jeden Mitarbeiter das Angebot, sich individuell beraten zu lassen.

Coaching wird in Unternehmen zumeist mit der Unterstützung von Führungskräften verbunden: Was ist mein nächster Karriereschritt? Genau dieses Prinzip wurde bei SAP befolgt, um das Potenzial der Mitarbeiter noch mehr zu bündeln. Die Idee: Jeder Mitarbeiter ist ein Talent und hat prinzipiell die Möglichkeit, ein Coaching in Anspruch zu nehmen. Außerdem kann theoretisch auch jeder Mitarbeiter zum Coach für Kollegen werden.

Ein ausgeklügeltes und allen Mitarbeitern zugängliches Coaching-Programm bedeutet, dass die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigt werden, damit durch diese Art von Kommunikation Kreativität und Innovationsfähigkeit gedeihen können. Im besten Fall kann ein solches System tatsächlich zu mehr Produktivität und Reflexion der eigenen Arbeit führen. Mit Problemen, die man vielleicht nicht mit Vorgesetzten besprechen will, kann man sich an Kollegen wenden, denen man vertraut und die man als Vorbilder und Experten schätzt. Im schlechtesten Fall kann ein solches System allerdings auch für mehr Sozialkontrolle stehen. Denn letztendlich nehmen IT-Unternehmen wie SAP nicht nur eine Avantgarde-Position in der modernen Arbeitswelt ein, wenn es um die Entwicklung und das Experimentieren mit neuen Arbeitsbedingungen geht, sondern vertreten auch eine ähnlich avantgardistische Position, wenn es um die Verfeinerung von sozialen Kontrollsystemen geht - angekoppelt an moderne Technik.

 

Vom Nutzen der Utopie

Marcus Klug

Wir sehen eine samtschwarze, von unzähligen Lichtpunkten tätowierte Finsternis über uns, der schwarze Himmel mit all den Sternen wirkt wie ein grenzenloses, bis an die fernsten Abgründe des Alls ausgespanntes Territorium, so weit von allen irdischen Dingen entrückt, dass wir uns an diesem Ort, total versunken in die Sterne, kaum vorstellen können, dass diese kosmische Ruhe je von einem Fremdkörper unterbrochen werden könnte. Und doch sehen wir am Firmament, wenn auch zunächst in weiter Ferne, einen Fremdkörper in die tätowierte Finsternis eindringen. Dieser Fremdkörper, so wird uns erst später schlagartig klar, ist tatsächlich ein Ballon, der von einem Unternehmen mit dem Namen Google in diese entlegene Ferne entsendet wurde.

Ein Ballon wurde in die entlegensten Zonen dieser Welt geschickt, um auch dort einen Zugang zum digitalen Raum zu schaffen, wo dieser zuvor versperrt war. Dieses Unternehmen trägt den Titel Google X, wobei das „X“ für das Unbekannte steht; für die Forschung und die Suche nach dem Unbekannten. Mit diesem Ballon möchte Google jene Gebiete auf der Erde ausspähen, die noch nicht mit dem Internet verbunden sind.

Utopien wie die von Google sind dem Magischen enthoben und eingebunden in das Primat der Nützlichkeit und Funktionalität. Sie stehen zumeist im Dienst der digitaltechnologischen Fortschrittsgläubigkeit; es sind die Träume von Ingenieuren und Wissenschaftlern: ewiges unbegrenztes Wachstum beispielsweise, Unsterblichkeit oder Ausbreitung des Menschen im gesamten Universum. Wollen wir das wirklich?

Forscher in Kalifornien zum Beispiel beschäftigen sich mit der Umsetzung ihrer Utopien. So arbeitet ein Forscher mit seinem Team derzeit an medizinischen Therapien, um den Alterungsprozess kontrollieren zu können. Die Utopie dahinter: Das Altern soll rückgängig gemacht werden, am besten mit Hilfe einer Wunderpille, die der Menschheit endlich die Unsterblichkeit zu verleihen vermag! Es gibt tausende Versuche, Utopien zu verwirklichen, die utilitaristisch geprägt sind. Ganz gleich, wie abwegig diese auch erscheinen mögen, entsprechen sie dennoch immer dem Nützlichkeitsprinzip, so auch die Pille, die unsterblich macht!

Nützlichkeitsdenken und ökonomisches Denken sind heute sehr verbreitet, was sich auch bei Google zeigt. Solche Utopien haben nur wenig gemeinsam mit unseren Träumen, da Träume auch verstörend und unbequem sein können und den Status quo in Frage stellen, und zwar eben nicht nur in technologischer Hinsicht. Wer sich allerdings permanent vom Fortschritt treiben lässt und dabei den Traum als Korrektiv außer Acht lässt - im Sinne einer alternativen Vorstellung von der Zukunft -, läuft auch Gefahr, betriebsblind zu werden.

Der Psychologe Stephan Grünewald bezeichnet diese Phänomene in seinem Buch Die erschöpfte Gesellschaft. Warum Deutschland neu träumen muss (2013) als Störungen. Durch die Traumfeindlichkeit der Deutschen im Land der Dichter, Denker und Ingenieure, so Grünewald, sei die an sich „produktive Rhythmik von Tag und Traum, von Innehalten und Betriebsamkeit gestört. Zu einseitig folgt das Land globalen Effizienzdiktaten und rennt sich mit blindem Leistungsdruck in der Überbetriebsamkeit fest.“

Grünewald ist Mitbegründer und Geschäftsführer des rheingold-Instituts für Kultur-, Markt- und Medienforschung. Er konnte anhand von mehreren tausend psychologischen Tiefeninterviews und zahlreichen Studien verschiedene Muster in den Aussagen der Befragten herausfiltern und kam zu dem Ergebnis, dass blinder Leistungsdruck und besinnungslose Betriebsamkeit zunehmend Menschen in die Erschöpfung treiben und ihre Kreativität verhindern.

Dabei können uns die digitalen Möglichkeiten dazu dienen, Zukunftsvisionen zu verfolgen und zu leben, die eine Verbesserung der Lebensqualität bedeuten. Die Rede ist von „sozialen Innovationen“. Wie können wir beispielsweise mehr Menschen weltweit Bildung auf hohem Niveau zugänglich machen, insbesondere auch jenen, die nicht dieselben Voraussetzungen haben wie wir? Oder wie können wir die Rahmenbedingungen der modernen Arbeitswelt auf eine Weise verändern, die uns mehr Selbstbestimmung und Produktivität ermöglichen und die wesentlich menschenfreundlicher und ökologischer sind?

Wir wollen in der heutigen Zeit mit dem Begriff der „Utopie“, mit der Aufforderung zu mehr utopischem Denken, vor allem nicht das Unmögliche des Geschriebenen, Gesagten oder Gedachten und die häufig anzutreffende Skepsis betonen, sondern Ihren Sinn für eine alternative Denk- und Handlungsweise schärfen, die angesichts der digitalen Transformation die Basis für zukünftige Gestaltungsspielräume eröffnet, die ohne diese Transformation so nicht denkbar wären. Utopien sind also im Sinne der Gestaltung unserer Zukunft nicht als abwegige Hirngespinste abzutun, sondern als äußerst wichtige Gedankenexperimente zu betrachten, die ebenso an alternative Unternehmensformen andocken können.

Wir können allerdings nur dann utopischer denken, wenn wir mehr über den eigenen Tellerrand hinausschauen und uns häufiger vom Diktat der Dringlichkeit, von der vorübergehenden Bedeutung des Befristeten, mental befreien. „Wir sind ja“, so schreibt der ehemalige Topmanager und APO-Aktivist Thomas Sattelberger in seiner Autobiographie, „bärenstark im Maschinen- und Anlagenbau, in der Automobilindustrie sowie Spezialchemie. Aber die Dominanz dieser wenigen Pfade hat zur Konsequenz, dass wir auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie, beim Internet, insbesondere bei Geschäftsmodellen des mobilen Internets, und auf dem Gebiet Biotech große Schwächen aufweisen.“ Abgesehen von der Zukunft der digitalen Wirtschaft geht es uns in diesem Buch insbesondere auch um die Ausgestaltung von neuen gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten und sozialen Praktiken, die hoffentlich zu einer wesentlich ökologischer ausgerichteten Ökonomie beitragen werden.

Um diese Ziele zu erreichen, sollten wir einige angestammte Denkmuster hinterfragen, denn die Vermutung liegt nahe, dass wir mit unserem Denken - ob wir das nun einsehen wollen oder nicht - quasi noch die Kinder der Industrialisierungsepoche sind. Teilweise verreisen wir zwar mental längst in andere ferne exotische Kontinente, sind jedoch keineswegs von den Fesseln dieses Zeitalters befreit.

Die Industrialisierung der Bildung

Marcus Klug

Die Wurzeln unseres Bildungssystems liegen im Renaissance-Humanismus, im Zeitalter der Aufklärung und der industriellen Revolution. Damals bestand die zweckgerichtete Idee des Schulsystems darin, auf das Arbeitsleben in der Fabrik vorzubereiten. „Das wiederum bedeutete“, so Anja Förster und Peter Kreuz in ihrem Buch Hört auf zu arbeiten! Eine Anleitung das zu tun, was wirklich zählt (2014), „dass man eine breite Basis von Menschen brauchte, die einfache Arbeiten mit den Händen ausführten (Arbeiter), eine kleinere Gruppe, die die administrativen Aufgaben übernahm und eine noch viel kleinere Gruppe für die echten Bildungsberufe: Ärzte, Anwälte, Lehrer, Pfarrer.“ Fällt Ihnen etwas auf?

Die PISA-Studien und die Strategien, die in Deutschland von Politik und Wirtschaft aus den Ergebnissen dieser Studien abgeleitet wurden, stehen zum Teil auch im Zusammenhang mit der Ausrichtung unseres dualen Ausbildungssystems, dem Bologna-Prozess - die schrittweise Umstellung von Studienabschlüssen auf Bachelor und Master - sowie der Verkürzung von Schulzeit und Abitur. „Die Bildung wird den nationalen Eliten (also den Lehrverbänden, den Bildungspolitikern der Parteien und den Ministerialbeamten) von einer transnationalen Koalition aus Forschern, Managern und Unternehmensberatern aus der Hand genommen. Schließlich hat die Bildung nicht länger die Funktion der Reproduktion der ständischen Strukturen der Fachausbildung, vielmehr wird sie auf die Vermittlung von Grundkompetenzen verpflichtet, die notwendig sind, um sich auf dem offenen Markt zu behaupten“, stellt der Soziologe Richard Münch in dem Buch Globale Eliten, lokale Autoritäten. Bildung undWissenschaft unter dem Regime von PISA, McKinsey & Co (2009) fest.

Je mehr man sich mit diesen Zusammenhängen beschäftigt, desto mehr gewinnt man den Eindruck, dass es in der unmittelbaren Gegenwart genauso wie im Industrialisierungszeitalter darum geht, Menschen zu unkritischen Verrichtungsgehilfen „auszubilden“, nur mit dem Unterschied, dass sich die globalen Rahmenbedingungen dieses Machtspiels im Zeitalter der digitalen Transformation stark verändert haben.

Wir brauchen heute eine Auffassung von Bildung, die stärker die Flexibilität berücksichtigt, die angesichts des digitalen Wandels nötig ist. Dabei geht es nicht nur darum, wie wir Menschen für die aktuell bestehenden Anforderungen und Berufe ausbilden, sondern wie wir sie ebenso dazu befähigen, sich jenseits der noch weit verbreiteten starren Ausbildungsstrukturen zu entwickeln.