My Tears, His Smile - Mia Kingsley - E-Book + Hörbuch

My Tears, His Smile E-Book und Hörbuch

Mia Kingsley

5,0

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Beschreibung

"Keine Sorge, Baby. Alles wird gut." Ich glaubte ihm kein Wort. Schon gar nicht, als er die Kofferraumklappe mit einem bösen Lächeln schloss. Niemand geht gern zu Vorstellungsgesprächen – doch in allen Varianten, die ich mir ausgemalt habe, liegt mein neuer Boss nicht tot auf dem Boden, während sein Killer mit dem Messer in der Hand über ihm steht. Wir starren uns an. Lange. Zu lange. Ich sollte weglaufen, aber meine Füße sind wie angenagelt. Und dann ist es zu spät … Dark DADDY Romance.Düstere Themen. Eindeutige Szenen. Deutliche Sprache. In sich abgeschlossen.

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Zeit:5 Std. 22 min

Sprecher:Laura Sophie Helbig
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MY TEARS, HIS SMILE

MIA KINGSLEY

DARK DADDY ROMANCE

INHALT

My Tears, His Smile

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

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Über Mia Kingsley

Copyright: Mia Kingsley, 2018, Deutschland.

Coverfoto: © Mia Kingsley

Korrektorat: Laura Gosemann

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.

Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.

Black Umbrella Publishing

www.blackumbrellapublishing.com

MY TEARS, HIS SMILE

Niemand geht gern zu Vorstellungsgesprächen – doch in allen Varianten, die ich mir ausgemalt habe, liegt mein neuer Boss nicht tot auf dem Boden, während sein Killer mit dem Messer in der Hand über ihm steht. Wir starren uns an. Lange. Zu lange. Ich sollte weglaufen, aber meine Füße sind wie angenagelt. Und dann ist es zu spät …

Dark Daddy Romance. Düstere Themen. Eindeutige Szenen. Deutliche Sprache. In sich abgeschlossen.

KAPITEL1

NOVA

Ich wusste gleich, dass etwas nicht stimmte, als ich die Tür zum Café Kennedy aufstieß. Das Licht über der Theke war ausgeschaltet, und es roch nicht wie sonst nach Annas Cupcakes. Sie saß zusammen mit ihrem Mann Eddie an einem der Tische. In der Hand hatte sie ein altmodisches Stofftaschentuch mit Spitzenrand, mit dem sie sich immer wieder über die geröteten Augen wischte.

»Setz dich, Nova.« Eddie deutete auf den freien Stuhl, woraufhin ein neuer Schluchzer in Anna aufstieg.

Ich hatte meine Nervosität nicht länger unter Kontrolle und ließ mich mit weichen Knien sinken. Was war passiert?

Eddie nahm seine Schiebermütze ab und fuhr sich mit der Hand durch sein schütteres weißes Haar. »Wir müssen schließen.«

Neue Tränen quollen aus Annas Augen. »Nach 34 Jahren müssen wir schließen.«

Aus einem Impuls heraus legte ich meine Hände auf ihre und drückte die Finger der älteren Frau mitfühlend. »Das tut mir so leid. Was ist passiert?«

»Die jungen Leute sind nicht mehr an vernünftigem Kaffee interessiert, sondern nur noch an hippen Triple-Mocca-Einhorn-Slushies, die möglichst gut auf Fotos aussehen. Allein im letzten Quartal haben drei neue Läden in der Straße aufgemacht. Wie sollen wir da mithalten?« Eddie legte seine Hand auf meine und tätschelte sie. »Es tut mir leid, aber das bedeutet, dass du deinen Job los bist. Wir haben ein bisschen gesammelt, weil es so plötzlich kommt.« Mit einem Räuspern löste er seinen Griff und schob stattdessen einen Briefumschlag über den Tisch.

Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Die beiden mussten ihren heiß geliebten Laden schließen und versuchten trotzdem noch, mir eine Abfindung zu geben, obwohl sie wahrscheinlich aus den Ersparnissen ihrer Altersvorsorge kam. Energisch schüttelte ich den Kopf. »Das kann ich nicht annehmen. Ich werde schon etwas Neues finden. Wie viele Restaurants gibt es in Manhattan? Eine Million?«

Eddie lächelte schwach und machte Anstalten, mir den Briefumschlag erneut aufdrängen zu wollen.

»Nein«, wehrte ich ab. »Es würde mir schon reichen, wenn ihr mir eine Empfehlung schreiben könntet. Ich finde eine andere Stelle als Kellnerin.«

»Du bist so ein gutes Mädchen«, murmelte Anna zwischen zwei Schluchzern.

Ich rang mir ein aufmunterndes Lächeln ab, da ich beim besten Willen nicht wusste, mit welchen Floskeln ich sie über den Verlust ihres Herzensprojekts hinwegtrösten sollte. Mir war selbstverständlich aufgefallen, dass sich immer weniger Kunden in den Laden verirrten, aber ich hatte nicht gewusst, wie schlimm es wirklich stand.

Anstandshalber wartete ich noch eine knappe Viertelstunde, die wir mit belanglosem Small Talk füllten, ehe ich mich verabschiedete. Da ich nicht länger für sie arbeitete, gab es keinen Grund zu bleiben, zumal ich den Eindruck hatte, dass Anna Zeit für sich allein im Café brauchte.

Es brach mir das Herz, sie so zu sehen. Sie umarmten mich zum Abschied nacheinander und schlossen hinter mir ab. Ich sah noch, wie Eddie seine Frau an sich zog, ehe ich ging. Hoffentlich fanden sie eine neue Aufgabe, die ihnen ebenso viel Freude wie das Café bereitete. Streng genommen hätten sie nicht mehr arbeiten müssen, es war eine Mischung aus Zusatzverdienst und Zeitvertreib gewesen. Die beiden waren immer mein großes Beziehungsvorbild gewesen. Sie waren seit mehr als vierzig Jahren verheiratet, und trotzdem kaufte Eddie seiner Frau jeden Freitag einen Strauß Blumen passend zur Jahreszeit.

Jede Woche war ich ein bisschen mehr geschmolzen und hatte etwas größere Sehnsucht nach einem solchen Mann verspürt. Eddie stammte einfach aus einer anderen Zeit als mein Freund Jude.

Jude arbeitete als Illustrator von zu Hause und kam meist nicht einmal auf die Idee, Lebensmittel einzukaufen – geschweige denn Blumen für mich.

Ich hängte meine Ledertasche wieder über die Schulter und nahm die U-Bahn, bevor ich das letzte Stück zurück zu unserer Wohnung lief. Jude würde sicherlich nicht begeistert reagieren, dass ich meinen Job verloren hatte, da wir gerade auf eine größere Wohnung sparten. Eine Eigentumswohnung zu kaufen war seine Idee gewesen. Er sprach immer von Sicherheit für die Zukunft, und da er von zu Hause arbeitete, wollte er außerdem mehr Platz.

Ich hoffte, dass er vielleicht auch Platz für ein Kinderzimmer wollte und unter Sicherheit für die Zukunft verstand, dass wir heirateten. Allerdings war ich nicht mutig genug, das Thema anzuschneiden.

Wenn ich ehrlich war, wusste ich gar nicht, ob Jude wirklich der Mann war, mit dem ich Kinder wollte. Eigentlich träumte ich von einem aufmerksamen Gentleman wie Eddie. Ich seufzte, während ich in den Briefkasten sah und anschließend die Treppe in den vierten Stock stieg. Wäre Eddie nicht etliche Jahre zu alt für mich und außerdem absolut vernarrt in Anna gewesen, hätte ich vermutlich alles versucht, um ihn für mich zu gewinnen.

Ich schloss die Wohnungstür auf und hängte meine Tasche an den Haken neben der Garderobe. Jude hatte diesen Tick, dass nichts auf dem Boden liegen durfte. Da er immer mit Kopfhörern arbeitete, machte ich mir nicht die Mühe, nach ihm zu rufen, um ihn über meine Anwesenheit zu informieren.

Ich würde Kaffee aufsetzen und ihm Bescheid sagen, dass ich da war, bevor ich ihm über einer vernünftigen Tasse Kaffee erzählte, was passiert war.

Auf halber Strecke zur Küche hörte ich eine Frau stöhnen. Ein Grinsen umspielte meinen Mund. Offenbar schaute Jude einen Porno. Ich biss mir auf die Unterlippe und schlich zum Schlafzimmer, weil ich neugierig war.

Die Tür war lediglich angelehnt, und als ich einen Blick hineinwarf, kam es einem eiskalten Schwall Wasser gleich. Jude sah sich keinen Porno an, er vögelte Julissa, die hübsche Rothaarige aus der Wohnung gegenüber.

Meine Hand lag schon auf der Tür. Ich wollte sie aufstoßen und ihn anschreien, wie er es wagen konnte fremdzugehen.

Ich brachte es nicht über mich. Stattdessen ging ich leise rückwärts, bis ich an der Wohnungstür ankam. Als wäre es ein Film, der zurückgespult wurde, stieg ich in meine Schuhe, nahm die Tasche und den Schlüssel und verschwand genauso ungesehen, wie ich gekommen war.

Unten vor dem Haus setzte ich mich auf die Stufen und ließ den Tränen freien Lauf. Oder zumindest versuchte ich es. Sie wollten nicht kommen.

Wie auch?

Es war keine zehn Minuten her, dass ich darüber sinniert hatte, wie ungeeignet Jude als Ehemann war, und nun fand ich ihn bis zum Anschlag in unserer Nachbarin vergraben – die große Liebe ging anders.

Ich zog mein Handy hervor und rief Taylor an.

Meine beste Freundin nahm bereits nach dem ersten Klingeln ab. »Was gibt’s, Supernova?«

Ich lächelte. Ein Gespräch mit Taylor war genau, was ich jetzt brauchte.

Ich war fast an dem Café angekommen, das Taylor für unser Treffen vorgeschlagen hatte, als meine Mum anrief. Sofort hatte ich ein flaues Gefühl in der Magengegend, weil ich eine unglaublich schlechte Lügnerin war und sie mich sofort durchschauen würde.

Gleichzeitig wusste ich, dass ich ihr nicht gestehen konnte, dass ich am gleichen Tag sowohl meinen Job verloren als auch herausgefunden hatte, dass Jude mich betrog. Ich war geradezu gezwungen, sie anzulügen, damit sie und Dad sich nicht ab sofort Tag und Nacht um mich sorgten.

Kurzerhand öffnete ich die Tür zum Café und betrat es. Auf diese Weise würden zumindest die Hintergrundgeräusche stimmen.

»Hey, Mum.« Ich zwang mich zu einem fröhlichen Tonfall. »Was gibt’s? Ich bin auf der Arbeit und habe nicht viel Zeit.«

»Brauche ich einen Grund, um meinen liebsten Schatz anzurufen?«, fragte sie empört.

»Natürlich nicht, Mum. Wie geht es Dad?«

»Wie immer. Er gräbt sich gerade fröhlich durch den Garten, nachdem er sich eine neue Unterlage für die Knie gekauft hat.«

»Grüß ihn von mir.«

»Mache ich. Ist alles gut bei dir, Liebling? In deinem Horoskop wird vor stürmischen Zeiten gewarnt.«

Ich rollte mit den Augen. »Alles bestens.«

»Wirklich?«

»Ganz sicher.« Ich schämte mich, sie anzulügen, und versicherte mir selbst, dass es zu ihrem Besten war. Sie würde keine ruhige Nacht mehr haben, wenn sie fürchtete, ich könnte in New York auf der Straße landen. Vermutlich würde sie ohne Umweg zum nächsten Medium gehen und sich meine Zukunft vorhersagen lassen. Ich konnte nicht erlauben, dass sie ihr Geld für diesen Unsinn ausgab. »Wahrscheinlich ist mit der stürmischen Zeit die verrückte Rushhour gemeint, wenn wir in der Mittagspause der umliegenden Banken von koffeinsüchtigen Zombies überrannt werden. Ich muss zurück an die Arbeit.«

»Mhm«, machte Mum. »Merkwürdig. Dabei haben die Sterne eigentlich immer recht.«

»Ich lasse es dich wissen, sobald etwas ist. Aber momentan ist es nur ein normaler Montag.«

Wie durch ein Wunder beendete ich das Gespräch, ohne vom Blitz erschlagen zu werden.

Taylor saß in einem hohen Polstersessel und winkte mich zu sich. Der Mann am Nebentisch gab sich nicht einmal die Mühe, sein Starren zu verbergen. Ich war es gewohnt, da meine beste Freundin als Model arbeitete.

Sie war alles, was ich nicht war.

Ich war zwar nicht unbedingt klein, aber neben ihrer langen, grazilen Gestalt wirkte ich wie ein abgebrochener Zwerg. Meine kinnlangen Haare waren dunkel und ließen meine blasse Haut noch bleicher wirken, während Taylors makellose blonde Locken bis auf ihren Rücken fielen und perfekt mit ihrer sonnengeküssten Haut harmonierten. Äußerlich gesehen waren unsere ungewöhnlich hellen blauen Augen die einzige Gemeinsamkeit.

Wir waren seit der Grundschule beste Freundinnen und gemeinsam aus Idaho hergekommen. Taylor, um ihre Modelkarriere in Gang zu bringen und ich, um …

Ich hatte mein Ziel irgendwann aus den Augen verloren und mich mit einem normalen Leben begnügt.

»Ein Cappuccino mit zwei Stücken Zucker, wie immer«, sagte sie, nachdem sie mich umarmt hatte.

»Danke. Was ist das?«

»Der neue, supercoole Vampirfrappuccino.« Sie deutete auf das hohe Glas und zeigte mir dann das Bild, das sie mithilfe einer App direkt auf all ihre Social-Media-Kanäle gepostet hatte. »Mocca mit Kirschsirup und Mandelsplittern.«

Ich nippte an meinem Cappuccino. Getränke wie der Vampirfrappuccino waren der Grund, weshalb ich seit guten zwei Stunden arbeitslos war. Trotzdem konnte ich kaum wütend sein, denn es war der Lauf der Zeit. Eddie und Anna Kennedy waren außerdem so alt, dass ich ohnehin früher oder später meinen Job verloren hätte.

»Wie kommt es, dass du freihast?« Taylor sah mich erwartungsvoll an, und während ich in ihre großen blauen Augen blickte, erkannte ich mein eigenes Spiegelbild. Kurz überkam mich ein merkwürdiges Gefühl, ein Prickeln in der Magengrube. Gerade so, als hätten meine Mutter und das Horoskop doch recht gehabt.

Ich schaute mich um, doch wie immer, wenn Taylor da war, achtete niemand auf mich. Knapp schüttelte ich den Kopf, um den üblen Gedanken zu vertreiben, bevor ich ihr von der Schließung des Cafés erzählte.

Ich wollte gerade mit der Entdeckung von Judes Affäre weitermachen, als ich innehielt. Taylor würde mir anbieten, zu ihr zu ziehen – wahrscheinlich sogar darauf bestehen. Sosehr ich sie liebte, wohnte sie jedoch mit vier anderen Models in einer winzigen WG. Das Bad war ständig besetzt, im Kühlschrank gab es grundsätzlich nur Sushi und Kombucha. Ich würde mich wie ein Elefant zwischen den ganzen Grazien fühlen.

Nein, ich würde es ihr nicht erzählen, entschied ich spontan. Noch nicht. Genau wie ich Jude nicht von meiner Entdeckung berichten würde. Ich brauchte einen neuen Job, damit ich eine eigene Wohnung mieten konnte, bevor ich reinen Tisch machte.

Stattdessen schloss ich meinen Bericht mit den Worten: »Jedenfalls brauche ich jetzt einen neuen Job.«

»Supernova – dein Timing ist perfekt.«

»Ist es?« Ich hob eine Augenbraue, weil mein Tag sich bisher alles andere als perfekt anfühlte.

»Ja, Anita arbeitet doch in diesem italienischen Restaurant und muss jetzt kündigen, weil sie einen Gig auf der Mailänder Modewoche ergattert hat. Der Besitzer ist nett, aber faul, sagt sie. Ich frage sie einfach, ob sie dich nicht einfach als ihre Nachfolgerin vorschlagen kann. Sollte der Kerl wirklich so faul sein, wird er sich wahrscheinlich freuen, gar nicht erst eine Anzeige schalten zu müssen.«

Ich konnte mir nie merken, ob Anita die Brasilianerin oder eines der beiden russischen Models aus der WG war, aber ich würde mich bestimmt nicht beschweren. »Das klingt tatsächlich ziemlich gut.«

Taylor hatte schon längst ihr Handy in der Hand und tippte eine SMS. »Habe ich dir eigentlich schon das Outfit für die nächste Laufstegshow gezeigt? Es besteht aus Neopren und orangefarbenem Fell.«

Ich verschluckte mich fast an meinem Cappuccino. »Sag das noch mal.«

Genau aus diesem Grund hatte ich Taylor angerufen. Niemand konnte mich so gut ablenken wie sie.

KAPITEL2

CARSON

Ich musterte die Fassade des Restaurants Classico Italiano und fragte mich, wie man einen dermaßen beschissenen Namen wählen konnte. Mir war klar gewesen, dass der Besitzer Vitale Dellucci weder kreativ noch sonderlich enthusiastisch war, wenn es um Arbeit ging, aber …

Der Name war einfach scheiße.

Ich stieß die Tür auf. Die beiden Kellnerinnen, die gerade weiße Tischdecken zusammenfalteten, schauten auf. Sie waren klug genug, sofort den Rückzug anzutreten.

Langsam schüttelte ich den Kopf. »Ihr wollt nicht nach hinten in die Küche. Ihr wollt vorne rausgehen. Genau jetzt.«

Die Größere von beiden wurde kreidebleich, während die andere mit dem Daumen über die Schulter deutete, als würde sie noch über die Optionen nachdenken. Es dauerte nicht lange, bis sie zur Vernunft kam, das Handgelenk ihrer Kollegin packte, die vor Schock gelähmt war, und sie mit sich aus der Tür zerrte.

Der saubere und ordentliche Innenraum des Restaurants zeugte davon, dass Vitale fleißige, pflichtbewusste Helferinnen eingestellt hatte. Vermutlich versuchte er damit, seine eigenen Unzulänglichkeiten auszugleichen.

Vitale war faul. Faul und dumm. Sonst hätte er mich nicht beschissen.

Ich drehte das Geschlossen-Schild im Fenster um, stieß die Schwingtür zur Küche auf und wünschte mir im gleichen Moment, zu einem späteren Zeitpunkt gekommen zu sein.

Vitale fickte gerade eine Nutte, die ihren Zenit längst hinter sich gelassen hatte. Obwohl sie noch nicht alt war, hatte sie kein Leben mehr in den Augen. Die Mundwinkel hingen nach unten, ihr Haar war stumpf und die knochigen Arme, mit denen sie sich an der Arbeitsfläche abstützte, waren mit Einstichen und einer Vielzahl schorfiger Stellen bedeckt.

Als Vitale mich zur Kenntnis nahm, riss er hektisch seine Hose hoch und schubste die Frau förmlich von sich. Sie war so weggetreten, dass sie es kaum bemerkte. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit drehte sie sich um und sah anschließend zu mir. Junkies waren ein Problem. Ich ließ grundsätzlich keine Zeugen am Leben – schon gar nicht, wenn sie für den nächsten Fix ihre eigene Mutter verkaufen würden.

Es erschloss sich mir beim besten Willen nicht, wie Vitale es über sich brachte, die Frau überhaupt zu vögeln. Sie war nur noch ein Schatten ihrer Selbst, vollkommen in den Klauen der Drogen. Selbst ein kräftiger Schlag ins Gesicht würde wahrscheinlich keine Reaktion provozieren. Von den möglichen Geschlechtskrankheiten mal ganz abgesehen.

»Carson.« Seine Stimme war einen Hauch zu schrill. »Ich wusste nicht, dass du kommen würdest, Boss.«

»Witzig, dass du das sagst. Ich hatte auch den Eindruck, dass ich der Boss bin.« Ohne große Eile beugte ich mich vor und zog das Messer aus dem Halfter an meinem Knöchel.

»Ich kann es erklären.« Vitale hob abwehrend beide Hände und stolperte zwei Schritte nach hinten.

Ich wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis er zur Hintertür stürmte, da ich den Weg durch das Restaurant zum Vordereingang blockierte. Allerdings war ihm nicht klar, dass ich unter anderem der Boss war, weil ich vorausschauend dachte und smart war. Beides Stärken, die Vitale nicht besaß.

Er würde wie ein kopfloses Huhn losrennen und mit voller Wucht die Tür rammen, die ich von außen mit einer schweren Kette gesichert hatte. Es gab keinen Ausweg für ihn.

Mit der freien Hand holte ich ein Bündel Geldscheine aus der Hosentasche und hielt es dem Junkie hin. »Willst du es haben? Er hat dich sicher noch nicht bezahlt.«

Ihre Augen bekamen einen merkwürdigen Glanz. Sie sah nicht das Geld, sie rechnete bereits aus, wie viel Stoff sie dafür kaufen konnte. Während sie näher kam, zerrte sie den kurzen Rock nach unten, der viel zu lose auf ihren Hüften saß. Nur der schwere Nietengürtel hielt ihn an Ort und Stelle.

Als sie nah genug bei mir war, packte ich sie trotz meines Ekels und schnitt ihr mit einer schnellen Bewegung die Kehle durch. Sie schaffte es nicht zu reagieren. Ich ließ ihren leblosen Körper zu Boden sinken. So entsetzt, wie Vitale mich anstarrte, schien er meine Auffassung, dass ich ihr geholfen hatte, nicht zu teilen.

Hatte er nicht gesehen, dass ihr Leben ohnehin schon lang vorbei war? Es war kaum als erfüllende Existenz zu bezeichnen, wenn sie auf der Suche nach dem nächsten Hoch ihren Körper an Typen wie ihn verkaufte, bis im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr da war, was sie verkaufen konnte. Ich hatte ihr wenigstens geholfen.

Als ich einen Schritt über ihre Leiche und die Blutpfütze machte, die sich um ihren Kopf herum ausbreitete, erwachte Vitale wieder zum Leben. Er fuhr herum und rannte mit einem lauten Aufkeuchen los.

Kurz darauf ertönte ein dumpfer Knall.

Ich folgte ihm und fand ihn auf dem Rücken vor der Hintertür liegend. Auf seiner Stirn prangte eine Platzwunde dort, wo sein Kopf die Tür getroffen hatte, die zu seinem großen Erstaunen nicht nachgegeben hatte. Fast hätte ich gelacht – wieso zum Teufel war er mit dem Kopf zuerst in die Tür gerannt. Was für ein Idiot.

Ich packte seinen Knöchel und zog ihn mit mir. Die glatten Fliesen und die Tatsache, dass er einen billigen Anzug aus Polyester trug, machten es mir leicht, ihn zurück in die Küche zu schleifen.

»Carson, bitte, ich kann es erklären.«

»Davon bin ich überzeugt.«

»Carson, bitte …« Vitale wimmerte und streckte die Hände verzweifelt nach dem Türrahmen aus. Er verfehlte ihn und erwischte stattdessen das Bein der schweren Spülstation.

»Lass los oder ich schneide dir die Finger ab«, warnte ich ihn.

Er musterte mich aus großen Augen, bevor er sich auch mit der zweiten Hand festklammerte, als wäre es das Bein seines Vaters, der ihn gleich retten würde.

Ich ließ den Knöchel los und packte das Messer mit einem Lächeln fester. Es war ja nicht so, als hätte ich ihn nicht gewarnt.

KAPITEL3

NOVA

Der Name Classico Italiano und die Adresse standen auf dem Zettel, den Anita mir in die Hand gedrückt hatte, ehe sie mir wortreich erklärt hatte, wo ich hinsollte. Es war eher mäßig hilfreich gewesen, dass viele der Worte auf Portugiesisch gewesen waren. Ihr war entweder nicht klar oder einfach egal, dass ich dieser Sprache nicht mächtig war.

Trotzdem hatte es gereicht, um zu verstehen, wann ich mein Vorstellungsgespräch hatte und dass ich einfach nach hinten durchgehen sollte, auch wenn das Schild in der Tür auf »Geschlossen« stand. Die Tür war nie abgeschlossen.

Als ich endlich vor dem kleinen Restaurant auf der 45. Straße stand, klopfte mein Herz wie verrückt. Ich hatte erst gestern meinen Job verloren und konnte es trotzdem kaum erwarten, wieder zu arbeiten.

Seit ich wusste, dass Jude unsere Nachbarin vögelte, wollte ich nichts lieber, als auszuziehen. Ich brauchte diesen Job. Jude hatte nicht einmal bemerkt, wie abweisend ich gestern Abend zu ihm gewesen war. Zu allem Überfluss hatte er versucht, Sex zu initiieren. Ich hatte Migräne vorgetäuscht und ein langes Bad genommen. Ein sehr, sehr langes Bad, bis er längst geschlafen hatte.

Vitale hieß der Besitzer. Ich atmete durch und drückte die Tür auf. Das Geschlossen-Schild hing im Fenster, wie Anita gesagte hatte, doch davon würde ich mich nicht abhalten lassen.

Hallo, Vitale, ich bin Nova. Anita schickt mich. Bitte, bitte, bitte gib mir den Job.

Das war vielleicht etwas zu verzweifelt.

Hallo, Vitale, ich bin Nova. Ich bin zuverlässig, pünktlich und freundlich. Bitte stell mich ein.

Hallo, Vitale, Anita schickt mich. Ich bin …

Mir fiel erst jetzt auf, dass ich bereits halb durch den kleinen Gastraum war, mich aber nicht bemerkbar gemacht hatte. Die Küchentür war nur noch eine Armlänge entfernt. Ich zuckte mit den Achseln. Notfalls würde ich einfach behaupten, Hallo gerufen und keine Antwort bekommen zu haben.

Hatte ich schon erwähnt, wie sehr ich diesen Job wollte? Als ich damals zu Jude gezogen war, hatte ich nicht gedacht, dass diese Entscheidung mir mal dermaßen in den Hintern beißen würde. Denn es war seine Wohnung, er würde also mich vor die Tür setzen und nicht umgekehrt, sobald ich ihn mit seiner Untreue konfrontierte.

Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und stieß die Küchentür auf. »Hallo, ich bin …« Meine Stimme erstarb.

Vor mir stand der attraktivste Mann aller Zeiten. Das klassische Gesicht eines 50er-Jahre-Hollywoodstars, volles Haar und strahlende Augen. Das Grau seiner Augen stellte einen interessanten Kontrast zu den dunklen Haaren dar, die ihm lässig in die Stirn fielen. Der markante Kiefer und die Wangen waren mit Bartstoppeln bedeckt, die eigentlich zu lang waren, um die Bezeichnung noch zu verdienen. War es schon ein Bart? Was spielte es für eine Rolle, wenn er der perfekte Mann war?

Abgesehen davon, dass Blut von seinen Händen tropfte, war er makellos. Er sah aus, als würde er seiner Frau jeden Freitag Blumen mitbringen.

Meine Kehle wurde eng, als ich erneut zu seinen Händen blickte. Es war eindeutig Blut, das von seinen Fingern und dem langen Messer tropfte.

Auf dem Boden lag ein Mann, der nicht aussah, als hätte er einen leichten Tod gehabt. Nach der Beschreibung, die Anita mir geliefert hatte, nahm ich an, dass es sich bei ihm um Vitale Dellucci handelte. Hieß das, ich würde den Job nicht bekommen?

Die Sekunden dehnten sich aus, und mit jeder, die verstrich, zog mein Magen sich weiter zusammen. Immer mehr Details wurden mir bewusst.

Eine zweite Leiche lag hinter Vitale, eine Frau, die wie ein Junkie wirkte. Wenn man lang genug in einer Großstadt wie New York unterwegs war, konnte man Junkies auf den ersten Blick identifizieren.

Außerdem hatte irgendjemand Würstchen auf den Boden fallen lassen. Ich kniff die Augen zusammen. Waren das überhaupt Würstchen?

Schlagartig erkannte ich, dass es sich um Finger handelte, und nahm Vitales fingerlose Hände zur Kenntnis.

Es war faszinierend, wie Gehirne funktionierten. Die Leichen hatten mich nicht sonderlich schockiert, aber abgeschnittene Finger versetzten mich regelrecht in Panik.

Ich riss den Kopf hoch und starrte den sündhaft schönen Mann an. Bestand auch nur der Hauch einer Chance, dass er mich nicht gesehen hatte?

In Anbetracht der Tatsache, dass sein Blick fest auf mich gerichtet war, eher unwahrscheinlich. Trotzdem ertappte ich mich bereits zum zweiten Mal innerhalb von achtundvierzig Stunden dabei, wie ich langsam einen Schritt nach hinten machte, dann noch einen zweiten. Der Mann hob eine Augenbraue und verzog amüsiert den Mund.

Ich spürte die Schwingtür im Rücken, als er auf mich zukam.

Endlich fand ich die Kraft herumzuwirbeln und loszurennen.

Er holte mich ein, noch bevor ich den Gastraum durchquert hatte. Mit festem Griff packte er meinen Ellbogen und zerrte mich zurück in die Küche, die anders als der Gastraum von der Straße aus nicht einsehbar war.

Ich öffnete den Mund, um zu schreien, doch sofort war seine Hand da und bedeckte meine Lippen. Er stieß mich mit der Vorderseite gegen die Wand, während ich versuchte, das klebrige Gefühl auf meinem Gesicht zu ignorieren.

Er hatte blutige Finger und berührte damit meinen Mund. Magensäure stieg in mir auf, und ich musste kämpfen, um sie unten zu halten. Ein Schauer lief über meinen Rücken. Panisch schlug ich mit dem freien Arm um mich. Er hielt mich zwischen sich und der Wand gefangen. Ich wusste nicht, wann ich mich das letzte Mal dermaßen hilflos gefühlt hatte.

»Wirst du schreien, wenn ich die Hand wegnehme?«

Schreien? Wahrscheinlich nicht, ich war ja nicht von allen guten Geistern verlassen worden. Allerdings konnte ich nicht versprechen, meinen Mageninhalt unten zu behalten. Blut hatte diesen Effekt auf mich – vor allem, wenn ich unfreiwillig damit besudelt wurde.

Ich zwang mich, den Kopf zu schütteln.

»Braves Mädchen«, sagte er.

Natürlich hatte er die passende Stimme zu seinem attraktiven Äußeren. Dunkel und samtig mit einem stählernen Unterton. Unter anderen Umständen hätte ich weiche Knie davon bekommen. Leider hatte ich bereits weiche Knie – und über die Gründe wollte ich lieber nicht nachdenken.

Er zog die Hand von meinem Mund, packte stattdessen meine Schulter und drehte mich um, bis ich mit dem Gesicht zu ihm stand. Sofort hob ich den Arm, um mir mit dem Ärmel meiner Bluse über die Lippen zu wischen.

Belustigt sah er mir zu. Einen langen Moment bewegte er sich nicht, ehe er mich losließ und einen Schritt zurücktrat. Ohne sich zu äußern, mir eine Erklärung für die Leichen zu liefern oder wüste Drohungen auszustoßen, wie ich es erwartet hatte, begann er, die Küche methodisch zu durchsuchen.

Er war geradezu beunruhigend ruhig. Ich schielte immer wieder zur Tür, weil ich nicht vorhatte herauszufinden, welches Hackebeil genau er suchte, um mich in handliche Stücke zu schneiden.

Zu meinem Entsetzen fand er schneller als gedacht, was er suchte. Triumphierend hielt er eine Rolle Klebeband hoch.

Auf gar keinen Fall! Ich würde nicht freiwillig stillhalten, bevor er mich verschnürte und was auch immer mit mir veranstaltete, was er veranstalten wollte.

Hysterie stieg in meinem Bauch auf. Warum war ich so rational und sarkastisch? Hätte ich mich nicht längst wimmernd auf dem Boden zusammenrollen müssen?

Mit dem Klebeband in der Hand kam er in meine Richtung.

Ich rannte blindlings los, riss im Gastraum rechts und links die Stühle hinter mir um, in der Hoffnung, ihm die Verfolgung zu erschweren.

Kurz vor dem rettenden Ausgang erwischte er mich. Wie ein Stahlband schlang sich sein Arm um meine Taille. Gemeinsam gingen wir zu Boden, ich landete auf dem Bauch unter ihm, der Aufprall jagte einen harten Schmerz durch meine Rippen und trieb die Luft aus meinen Lungen.

Er riss mich herum und versetzte mir eine Ohrfeige.

Entsetzt starrte ich zu ihm hoch. Das Arschloch hatte mich geohrfeigt!

Er packte mein Kinn, die Finger in meine Wange gebohrt. »Es reicht. Sei ein braves Mädchen – oder du wirst es bereuen!«

»Okay«, erwiderte ich piepsig und hasste mich dafür. Die Situation in der Küche war dermaßen absurd gewesen, der Anblick der Leichen grotesk, dass ich es leicht von mir hatte schieben können. Es war dermaßen absurd und grotesk gewesen – es konnte unmöglich Realität sein.