Mystic Thriller Viererband 4001 - Sammelband mit vier Romanen - Alfred Bekker - E-Book

Mystic Thriller Viererband 4001 - Sammelband mit vier Romanen E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Mystic Thriller Viererband 4001 – Sammelband mit vier Romanen von Alfred Bekker und Ann Murdoch und Carol East (449) Dramatische Romantic Thriller in einem Band: Dunkle Geheimnisse, übernatürliche Bedrohungen, mysteriöse Begebenheiten - und eine Liebe, die sich dem Grauen widersetzt. Darum geht in den packenden romantischen Spannungsromanen von Alfred Bekker und Ann Murdoch. Dieses Buch enthält folgende Romane: Alfred Bekker: Das Phantom von Tanger Ann Murdoch: Unheil über Windermere Castle Alfred Bekker: Das Juwel des Dämons Carol East: Gruselige Nächte in Paris

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Mystic Thriller Viererband 4001 - Sammelband mit vier Romanen

Alfred Bekker et al.

Published by Alfred Bekker, 2021.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Mystic Thriller Viererband 4001 – Sammelband mit vier Romanen

Copyright

Gruselige Nächte in Paris

Das Phantom von Tanger

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Unheil über Windermere Castle

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Das Juwel des Dämons

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Mystic Thriller Viererband 4001 – Sammelband mit vier Romanen

von Alfred Bekker und Ann Murdoch und Carol East

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Dramatische Romantic Thriller in einem Band: Dunkle Geheimnisse, übernatürliche Bedrohungen, mysteriöse Begebenheiten - und eine Liebe, die sich dem Grauen widersetzt. Darum geht in den packenden romantischen Spannungsromanen von Alfred Bekker und Ann Murdoch.

Dieses Buch enthält folgende  Romane:

Alfred Bekker: Das Phantom von Tanger

Ann Murdoch: Unheil über Windermere Castle

Alfred Bekker: Das Juwel des Dämons

Carol East: Gruselige Nächte in Paris

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

Gruselige Nächte in Paris

von Carol East

Eine unerklärliche Unruhe trieb Jessica Endres aus dem Bett. Dabei hatte sie sich noch beim Schlafenlegen gedacht: Endlich mal ein Hotelbett, das bequem ist! Es hatte ihr nur leider überhaupt nichts genutzt. Schon nach wenigen Minuten eines unruhigen Schlafes war sie aufgeschreckt – und jetzt hielt sie es einfach nicht mehr aus.

Sie lenkte ihre Schritte ins Bad. Irgendwie war sie wütend über sich selbst. Der morgige Tag versprach einiges an Streß, und da wäre es wesentlich besser gewesen, friedlich zu schlummern, als hier herumzugeistern.

Herumgeistern?

Als wäre es das Stichwort: Als sie in den Badezimmerspiegel schaute, erschrak sie. Das sollte sie selber sein? Als wäre sie in den letzten Minuten um Jahre – viele Jahre! - gealtert. Unter ihren Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet. Ihre stets leicht braungebrannte Haut wirkte irgendwie grau und sogar... eingefallen. So würde sie normalerweise nicht einmal aussehen nach drei Tagen Schlafentzug. Und jetzt? Wurde sie etwa krank oder was?

Sie lauschte in sich hinein. Außer dieser unerklärlichen Unruhe war da nichts Besorgniserregendes. Sie fühlte sich im Gegenteil absolut fit, um nicht zu sagen: aufgedreht. Als hätte sie irgendeine Dopingdroge genommen. Aber das hatte sie garantiert nicht. Weil sie von solchen Dingen grundsätzlich nichts hielt.

Kopfschüttelnd betrachtete sie sich genauer im Spiegel. Die sonst so fein wirkenden Gesichtszüge waren ein wenig entgleist. Wenn sie ein Lächeln probierte, das sonst so charmant wirkte, war das jetzt eher wie eine Grimasse. Ihre blau leuchtenden Augen waren trüb geworden wie die Augen einer Frau, die den Spätherbst ihres Lebens erreicht hatte. Sogar ihr kräftiges Blondhaar, das sich meist widerspenstig gab – so widerspenstig wie manchmal sie selbst, wenn man den Worten ihres Freundes Bernd glauben mochte -, hatte an Kraft verloren. Und das innerhalb der letzten Minuten? Denn bevor sie zu Bett gegangen war, hatte sie noch völlig normal ausgesehen. Sie konnte das sehr wohl beurteilen, denn sie hatte sich abgeschminkt. Ohne dabei in den Spiegel zu schauen, war kaum möglich.

Ein paar Minuten Schlaf – und statt der gewünschten Erholung dann ein solcher Anblick? Wie war das denn möglich?

Sie griff sich fassungslos an den Kopf und versuchte durch grübeln herauszufinden, was mit ihr los war.

Nein, alles in Ordnung ansonsten. Zwar versprach der morgige Tag wirklich jede Menge Streß, aber das war sie eigentlich gewöhnt. Schließlich weilte sie nicht zum ersten Mal in Paris anläßlich der Vorstellung der neuen Kollektion eines berühmten Modehauses. Das einzige, was von Terminen dieser Art diesmal abgewichen war: Das bessere Bett! Denn ein gutes Bett war in Pariser Hotels nicht selbstverständlich. Da hatte man in der Regel eher Grund zur Klage als Grund zur Lobpreisung. Zumindest, wenn man sich keine teurere Kategorie leisten konnte. Und aussuchen durfte sie es sich ohnedies nicht, denn das Zimmer wurde von ihrem Verlag bezahlt, und der war bekanntlich ziemlich knauserig, was Spesenkonten seiner Mitarbeiter betraf. Natürlich, ihr Chef, Ben Carlson, würde das naturgemäß anders formulieren...

Sie schüttelte schon wieder den Kopf und ließ die Hand sinken. Es half alles nichts: Wenn sie morgen so aussah, hatte sie eben Pech gehabt. Auf keinen Fall durfte sie sich dadurch von der Arbeit abhalten lassen. Und überhaupt: Gegenüber den gnadenlos aufgebrezelten Top-Models bei einer solchen Vorführung sah jede normale Frau bescheiden aus. Ein Umstand, der Jessica noch nie sonderlich gestört hatte. Schließlich war sie nicht auf einer solchen Veranstaltung, um ihr Können auf dem Laufsteg zu zeigen und dabei mit ihrem Aussehen zu brillieren, sondern sie war dort, um später sachkundig darüber zu berichten.

Das einzige Problem, das sie bei diesem Auftrag bislang gesehen hatte: Der Fotograf David Bell würde erst kurz vor Beginn der Veranstaltung kommen können, während sie schon am Vorabend nach Paris hatte reisen dürfen. Das mochte sie ganz und gar nicht, weil sie sich lieber vorher mit ihrem Fotografen absprach. Und das, obwohl sie mit diesem Fotografen schon oft genug zusammengearbeitet hatte, was eigentlich Problemlosigkeit gewährleistete. Eine Angewohnheit von ihr, um die nötige Sicherheit für ihren Job zu erhalten. Und es blieb außerdem natürlich die Unsicherheit, ob er es wirklich rechtzeitig schaffte. Denn was war die Berichterstattung über eine Modeveranstaltung ohne die passenden Fotos?

Sie wandte sich von dem für sie erschreckenden Spiegelbild ab und kehrte in das Hotelzimmer zurück. Jetzt war sie in der Tat so aufgedreht, daß ihr das Zimmer viel zu klein vorkam. Zugegeben, in Paris gab es unterhalb der absoluten Luxusklasse sowieso keine richtig großen Hotelzimmer, aber jetzt waren anscheinend die Wände zusätzlich zusammengerückt, um sie zu erdrücken.

“Herrje, was ist nur los mit dir?” schimpfte sie mit sich selbst.

Aber auch das half nichts: Sie mußte sich wieder komplett anziehen und das Zimmer verlassen. Ja, mußte!

Das tat sie dann auch – fluchtartig! Dabei machte sie sich noch nicht einmal die Mühe, sich vorher ein wenig zu schminken, wie es sonst ihre Angewohnheit war. Direkt aus dem Bett sozusagen hinaus in die Öffentlichkeit? Sie fand: So, wie ich im Moment aussehe, ist das ohnehin egal! Aber das war nur der vorgeschobene Grund. In Wahrheit trieb es sie halt so sehr aus dem Zimmer, daß sie gar nicht anders konnte.

*

Der Hotelgang war leer. Es war unnatürlich still.

Kein Wunder, es ist ja auch schon spät genug, sagte sie sich. Die hier wohnen, haben ausnahmslos morgen einen schweren Tag. Das ist schließlich kein reines Touristenhotel mit Urlaubern, die mehr Zeit haben als sie es normalerweise gewöhnt sind.

Sie ging zum Fahrstuhl, der ein wenig altersschwach wirkte. Eigentlich war sie aufgedreht genug, um die Treppe zu benutzen, aber aus ungewissen Gründen betrat sie dann doch lieber den Lift.

Seltsam, sie schaute sich dabei irgendwie selber zu. Als würde ihr Körper gar nicht mehr hundertprozentig ihrem Willen unterliegen. Erst die unerklärliche Unruhe, die sie aus dem Zimmer getrieben hatte – und dann das. Einmal abgesehen von ihrem Aussehen...

Als würde mir etwas Lebensenergie entziehen, durchfuhr es sie plötzlich und ließ sie unwillkürlich zusammenzucken.

Eines jedoch sprach entschieden dagegen: Sie fühlte sich absolut nicht müde und ausgelaugt, sondern das genaue Gegenteil war der Fall.

Jessica beruhigte sich wieder. Sie drückte den Knopf für das Erdgeschoß und wartete ungeduldig auf das Schließen der Tür.

Na, die drei Stockwerke hätte sie doch besser zu Fuß überbrückt. So ungeduldig sie war, hätte ihr die zusätzliche Bewegung sicherlich gutgetan.

Ihre hübsche Stirn zeigte nachdenkliche Fältchen: Wieso wollte sie ausgerechnet zum Erdgeschoß?

Sie zuckte mit den Achseln: Wieso eigentlich nicht? Vielleicht ein später Spaziergang? Sie fühlte sich noch unschlüssig. Andererseits: Man konnte über Paris sagen, was man wollte, sie hatte jedenfalls noch niemals eine Stadt erlebt mit soviel Atmosphäre. Schon bei Tag und vor allem bei Nacht. Gegenüber Zweiflern pflegte sie sogar ganz übertrieben zu sagen: “Wer das Pariser Flair nicht spürt, dem fehlt ganz einfach das wichtigste Sinnesorgan: Man kann einem Blinden ja auch keine Farben erklären!”

Sie jedenfalls war auf diesem Auge alles andere als blind. Deshalb freute sie sich jedesmal unbändig, wenn sie ein Auftrag nach Paris führte. Da war es ihr egal, wenn die Preise astronomisch hoch waren und dafür die Hotelzimmer zu klein und manchmal sogar ein wenig schäbig. Ihre Heimatstadt London hatte zwar auch ihre Berühmtheiten unter den altehrwürdigen Bauwerken und galt sowieso für viele als eine der schönsten Städte der Welt, aber mit der Atmosphäre von Paris konnte selbst sie nicht konkurrieren. Jedenfalls sah Jessica das so...

Der Fahrstuhl ruckte unterwegs und drohte sogar stehenzubleiben. Erst als er seinen Weg endlich wieder fortsetzte, bemerkte Jessica, daß beinahe synchron dazu auch ihr Herz stehengeblieben war. Vor Schreck.

Sie lauschte mal wieder in sich hinein. Zu der Unruhe hatte sich noch etwas anderes gesellt: Ein Anflug von... Furcht!

Nichts war mehr geblieben von der berühmten Pariser Atmosphäre, die in jedem Winkel zu spüren war, egal, wo in der Stadt man sich befand. Selbst an Orten, die man lieber vermied, weil sie zu den häßlichen Seiten der Stadt gehörten, spürte man es.

“Ich bin blind geworden!” murmelte sie vor sich hin – und lauschte erschrocken diesen Worten nach. Wenn sie jemand unbedacht gehört hatte, wußte er damit nichts anzufangen. Nicht blind im Sinne des Wortes meinte Jessica das nämlich, sondern eben jenes Sinnesorgan, wie sie es nannte, um die Atmosphäre von Paris wahrnehmen zu können: Es versagte zum ersten Mal in ihrem Leben! Und genau dieser Umstand war es, was ihr jene Furcht einflößte.

Wie wenn man plötzlich aufwacht und nichts mehr sehen kann. Das war zutiefst erschreckend.

Der Vergleich ließ sie schaudern. Sie konnte es kaum erwarten, daß sich endlich die Tür auftat, sobald der Lift gestoppt hatte. Er war insgesamt so quälend langsam über die Stockwerke gekrochen, wie sie es empfunden hatte, daß sie zu Fuß über die Treppe wahrscheinlich schneller gewesen wäre. Und dann der Beinahestopp... Vielleicht war es anzuraten, für die restliche Dauer ihrer Anwesenheit in diesem Hotel tunlichst die Benutzung dieses Liftes zu vermeiden.

Sie taumelte mehr als daß sie hinausging.

Die Halle war leer, wie beinahe erwartet. Nur der Portier schaute auf, weil er den Fahrstuhl gehört hatte, und blinzelte überrascht herüber.

Ob es ihn überraschte, daß sie noch so spät auf den Beinen war oder ob vielmehr ihr Aussehen...?

Jessica verdrängte schleunigst diese für ihr Ego äußerst destruktiven Gedanken in die hinterste Ecke ihres Denkens und versuchte ein Lächeln, während sie dem Portier zugrüßte.

Der erschrak dabei sogar und vergaß glatt, den Gruß zu erwidern. Sicher nicht seine übliche Art, sonst hätte er den falschen Beruf ausgeübt.

Jessica beschloß, es lieber zu ignorieren, und wandte den Blick in die Richtung, in der sie die kleine Hotelbar wußte. Es kam zwar höchst selten vor, daß sie bei einem Parisaufenthalt die Hotelbar besuchte, aber sie wußte zumindest, wo eine solche zu finden war. Ob sie noch geöffnet hatte? Von hier aus konnte man das nicht erkennen. Jedenfalls war die Tür geschlossen.

Sie lief hinüber und probierte an der Türklinke. Normalerweise erwartete man als Eingang in eine Hotelbar eine Pendeltür. Hier ging man andere Wege.

Die Tür ließ sich öffnen, und als das um einen Spalt geschehen war, wußte sie, wieso man darauf Wert legte, sie geschlossen zu halten und auch auf eine Pendeltür zu verzichten: Die Musik war viel zu laut. Sie hätte das halbe Haus geweckt.

Jessica beeilte sich, hineinzuschlüpfen. Hinter ihr fiel die Tür lautlos ins Schloß.

Trotz dieser Lautlosigkeit empfand Jessica es unwillkürlich als etwas... Endgültiges!

*

In der Hotelbar herrschte trübes Licht, im Gegensatz zu der hellen Beleuchtung in der Eingangshalle, die wohl erst später gedämpft wurde, weit nach Mitternacht.

Unwillkürlich schaute Jessica auf die Uhr über dem Tresen. Groß wie auf einem Bahnhof und in erster Linie sicher zur Dekoration da. Erst in zweiter Linie, um die Gäste daran zu erinnern, wie spät es war, damit sie ihre Termine nicht verpaßten, weil man die Hotelbar zu gemütlich fand.

So richtig gemütlich allerdings wirkte die Hotelbar nicht auf Jessica, und das lag nicht allein an der viel zu lauten Musik, die aus unsichtbaren Lautsprechern von allen Seiten her unerbittlich auf sie eindrang und an die sich ihre Ohren erst gewöhnen mußte. Zwar die typische Barmusik, also in Grunde genommen kaum aufdringlich, aber dennoch: So als reine Hintergrundmusik, für die sie wahrscheinlich gedacht war, wäre sie passender gewesen. Zumindest nach Jessicas Geschmack.

Die Hocker vor dem Tresen waren weitgehend unbesetzt, außer einer einzigen Person, die Jessica bewußt ignorierte, obwohl es sie eigentlich danach drängte, sie sich genauer zu betrachten. Als würde diese einzelne Person sie irgendwie... magisch anziehen.

Jessica, die der Überzeugung war, es sei unschicklich, Fremde zu begaffen, konzentrierte sich bemüht auf die überreichlich vorhandenen freien Plätze. Sie hatte sozusagen die freie Auswahl und setzte sich umständlich auf einen der Barhocker, dabei bemüht, Herrin über den recht gewagten Rock zu bleiben. Wieso eigentlich hatte sie ausgerechnet den angezogen? Der entsprach zwar der neuesten Mode und war von daher gesehen bestens für ihren Job am nächsten Morgen geeignet, aber für einen knappen Besuch in der Hotelbar...?

Nun, es wird sich zeigen, wie knapp der Besuch werden wird, dachte sie ketzerisch, denn in ihr zeigte sich nicht die Andeutung von Müdigkeit. Als hätte sie zwölf Stunden am Stück durchgeschlafen.

Trotzdem schüttelte sie jetzt den Kopf über die Wahl ihrer Kleidung. Sowohl der Rock als auch das Oberteil... Sie waren beide nicht nur ungeeignet für die Hotelbar, sondern auch, wenn sie hinaus auf die Straße ging, um sich die hübschen Beine zu vertreten. Was, um alles in der Welt, hatte sie sich dabei bloß gedacht?

Gar nichts! war ihre lapidare Erklärung, denn in der Tat, sie hatte nur so schnell wie möglich aus dem Zimmer entkommen wollen und ganz einfach nach den Klamotten gegriffen, die für den morgigen Tag bereitlagen.

Und das mir! rügte sie sich selbst. Jede andere Frau konnte sich das eher leisten, so herumzulaufen, wie es ihr gerade in den Sinn kam, aber sie, Jessica Endres, Redakteurin der renommierten Londoner Modezeitschrift “Just In”, die den Ehrgeiz hatte, in der Branche noch viel höher hinaufzusteigen...? Wenn sie nicht schon gewissermaßen als Baby Mode mit der Muttermilch aufgenommen hätte, wäre sie kaum jemals in diesem Beruf gelandet. Sie verließ niemals das Haus, ohne genau zu wissen, welches Outfit zu welchem Anlaß am besten paßte und was man lieber vermied. In ihrem ganzen Leben war es ihr noch nicht vorgekommen, daß sie sich so unpassend gekleidet hatte wie ausgerechnet hier und heute.

Sie schüttelte mal wieder den Kopf. Wenn sie nicht aufpaßte, wurde ihr das zur Gewohnheit.

Endlich wurde sie auf den Barkeeper aufmerksam, der sie erwartungsvoll musterte. So, wie sie momentan aussah, mußte er annehmen, sie sei Stammgast an allen Theken von allen Hotelbars der Stadt. Aber seltsamerweise war Jessica das auf einmal völlig egal. Sie schaffte es sogar, ein Lächeln aufzusetzen, während sie bestellte.

Er stutzte und bewegte sich nicht von der Stelle.

Das verwirrte Jessica nun doch. Sie wiederholte und fügte auch noch eindringlich hinzu: “Ohne Alkohol! Jetzt verstanden? Oder was ist daran so schwer? Ist mein Französisch so schlecht?”

“Nein, ist es nicht... Oh, Madam, pardon, ich bin untröstlich. Wie komme ich dazu, Sie so anzustarren?”

“Ich weiß, ich sehe zwar hier und heute nicht aus wie eine, die keinen Alkohol trinkt, aber trotzdem will ich ganz einfach den Cocktail wie da oben auf dem Werbeschild beschrieben – und ohne Alkohol! Oder wissen Sie nicht, was Sie wohl selber dort heute abend draufgekritzelt haben?”

Wieso hatte sie das alles überhaupt gesagt – und dabei mit soviel Ärger in der Stimme?

Der Barkeeper duckte sich wie unter Hieben, murmelte noch etwas Unverständliches und zog sich schleunigst zurück. Man sah ihm an, daß er froh war, rechtzeitig außer Reichweite zu kommen. Dann machte er sich ganz ohne Eile ans Werk, um das Gewünschte zusammenzustellen.

Jessica benutzte die Gelegenheit, sich in der Hotelbar umzuschauen. Nur den einzigen Gast außer ihr an der Theke, den vermied sie nach wie vor und ganz bewußt. Obwohl sie dafür keine überzeugende Erklärung fand, außer, daß es sich eben nicht schickte, fremde Leute anzustarren. Aber dann hätte sie ja auch sämtliche anderen Gäste in der Hotelbar mit ihren Blicken vermeiden müssen...

In der Ecke saß ein jüngeres Pärchen. Nicht so, als wären sie verliebt. Ganz im Gegenteil: Sie schienen sich über irgend etwas mit gedämpften Stimmen zu streiten.

Ihr Blick wanderte weiter. Ein Gast war doch tatsächlich am Tisch eingeschlafen. Er saß aufrecht, mit steifem Rücken, vor sich einen halben Drink stehen, und seine Augen waren geschlossen. Wenn man genau hinsah, bemerkte man, daß er tief und fest schlief. Wäre ein Bett nicht bequemer gewesen? Und Jessica durfte annehmen, daß der Mann ein Bett im Hotel hatte, sonst hätte er nicht hier sitzen dürfen.

Den Barkeeper, der das ganze Personal um diese Zeit darstellte, schien es nicht zu stören, daß einer seiner Gäste friedlich schlummerte anstatt etwas zur Erhöhung des Umsatzes beizutragen.

Leicht amüsiert ließ Jessica ihren Blick weiterschweifen. Es waren außerdem noch ein paar Gäste in der Hotelbar, schön verteilt, als würden sie tunlichst jeden Kontakt mit anderen vermeiden wollen.

Es erschien schon seltsam, wie viele Menschen ein Hotelzimmer buchten, um anschließend die meiste Zeit sowieso in der Hotelbar zu verbringen. Jessica war das noch nie zuvor aufgefallen. Sie war ja auch keine typische Besucherin von Hotelbars.

Jetzt schaute sie wieder nach dem Barkeeper. Der war immer noch nicht fertig. Wie lange sollte das denn noch dauern?

Ganz zuletzt fiel ihr Blick endlich doch noch auf den Gast, der als einziger mit ihr den Platz an der Theke teilte. Obwohl er am ganz anderen Ende saß.

War es Zufall, daß der Mann genau im gleichen Moment seinen Blick auf sie richtete?

Jessica konnte aus ungewissen Gründen diesem Blick nicht mehr ausweichen. Sie betrachtete jetzt sogar ungeniert den Mann, aber irgendwie verschwamm das Bild vor ihren Augen. Als würden sie sich mit Tränen füllen, um ihr die Sicht zu erschweren.

Sie blinzelte verwirrt, doch der Eindruck blieb. Sie vermochte gerade noch zu ahnen, daß der Mann sie wohl anlächelte.

Jessica konnte nichts dafür: Sie lächelte zurück!

Das erschreckte sie nun doch noch mehr als alles andere: Seit wann fiel es ihr ein, in Hotelbars nächtens wildfremde Männer anzulächeln? Was war denn in sie gefahren?

Sie war jetzt so ärgerlich über sich selbst, daß sie am liebsten vom Hocker gerutscht und davongelaufen wäre. Der Barkeeper würde wahrscheinlich nicht traurig darüber sein, wenn sie den bestellten Cocktail nicht mehr haben wollte. So, wie er sich verhielt.

Überhaupt kam es ihr im nachhinein seltsam vor, daß er sie bei der Bestellung nicht nach ihrer Zimmernummer gefragt hatte, wie es normal gewesen wäre.

Andererseits: Was an diesem späten Abend war denn überhaupt noch normal?

Ihr fiel etwas ein: Zwar hatte sie beim Eintreten auf die große Uhr geschaut, aber gar nicht bewußt aufgenommen, wie spät es war. Wenn sie sich recht erinnerte, hatte sie sich um zirka elf Uhr am Abend hingelegt.

Sie schaute auf die große Uhr und erschrak erneut: Die Zeiger zeigten unmißverständlich halbeins! Wie war das denn möglich? Es waren doch nie und nimmer ganze anderthalb Stunden vergangen, seit sie sich hingelegt hatte.

Es konnte nur so sein, daß die Uhr falsch ging. Das wäre zwar ziemlich ungewöhnlich gewesen, ausgerechnet hier, in einer Hotelbar, aber wieso sollte sie sich darüber denn Gedanken machen?

Ihr Blick fiel wieder auf den Mann am anderen Ende des Tresens. Weil sie einfach nicht anders konnte, obwohl sich alles in ihr dagegen sträuben wollte. Schon wieder wirkte das Bild, wie er da saß und jetzt ihren Blick erwiderte... irgendwie verschwommen. Da konnte sie blinzeln wie sie wollte: Der Eindruck blieb!

Sie rutschte jetzt tatsächlich vom Barhocker und ging am Tresen vorbei auf den Mann zu, der prompt stärker lächelte. Erwartungsvoll?

Was tu ich denn da gerade? schrien Jessicas Gedanken entsetzt, aber sie konnte es trotzdem nicht verhindern: Sie ging weiter, wie von unsichtbaren Fäden gesteuert, bis sie den Fremden erreichte.

Schlagartig wurde das Bild von ihm klar. Sie sah einen Mann ungefähr in ihrem Alter, vielleicht ein wenig älter. Sein Lächeln wirkte offen und charmant, aber irgend etwas dabei störte sie.

Jessica schaute genauer hin und wußte im nächsten Augenblick, was es war. Der Mann spielte dieses Lächeln nur, zwar ziemlich perfekt, aber: Denn er fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut. Das genaue Gegenteil war der Fall. Er unterdrückte mühsam seine... Furcht.

Wovor fürchtete er sich denn eigentlich so sehr?

Jessica schaute zu dem Barkeeper hinüber, weil sie sich von diesem beobachtet fühlte.

Der hatte sie tatsächlich beobachtet, anstatt den Cocktail endlich fertig zu mixen, wie sie ihm aufgetragen hatte.

Aber auch in der Miene des Barkeepers sah Jessica... unverhohlene Angst. Bei ihm war das noch wesentlich deutlicher als bei dem Fremden, den sie jetzt wieder ansah.

Sein Lächeln erstarb und ließ das Gesicht zu einer starren Maske werden. Seine Augen flackerten nervös. Er machte Anstalten, sich vom Barhocker rutschen zu lassen, wie um fliehen zu wollen, aber irgendwie schien ihm die Kraft dazu zu fehlen.

Seine Lippen zitterten, als wollten sie etwas sagen, aber auch das gelang ihm nicht.

“Entschuldigen Sie, wenn ich sie so einfach anspreche”, hörte Jessica sich sagen und wunderte sich darüber zutiefst. Waren das wirklich Worte, die sie willentlich über die eigenen Lippen gehen ließ? “Aber Sie sind mir aufgefallen. Nein, nicht falsch verstehen jetzt, aber ich glaube, mich an Sie erinnern zu können.”

Das war mit Sicherheit die älteste Anmache seit Adam und Eva, wie sie fand, und warum sagte sie dann so etwas?

Mehr noch: “Kennen wir uns nicht... als Kollegen?”

Das eigentlich Unerwartete geschah: Er entspannte sich sichtlich, obwohl seine Hände jetzt zitterten, was sie vorher nicht getan hatten. Er preßte sie fest mit den Handinnenflächen gegen die Kante des Tresens, Jessica nur halb zugewendet. Das Zittern stoppte dadurch prompt.

“Ich glaube, daß ich mich entschuldigen muß, nicht Sie”, ächzte er mühsam: “Ich habe Sie recht ungebührlich betrachtet. Bitte, glauben Sie mir, das ist normalerweise ganz und gar nicht meine Art. Ich bin nicht darauf aus, in Hotelbars späte Bekanntschaften zu machen, wenn Sie verstehen, was ich meine.”

“Ich auch nicht!” hörte sie ihre eigene Entgegnung. Das war wie bei einem Film, wenn man den Akteuren zuschaut. Diese beiden Akteure hier, fand sie, agierten ganz besonders schlecht. Was versuchten sie eigentlich darzustellen? Nächtliche Begegnung von zwei Fremden in einer Pariser Hotelbar? Und was sollte der Sinn davon sein, wenn beide dabei beteuerten, nichts voneinander zu wollen? Wieso sprachen sie dann überhaupt miteinander? Und wieso hatte sie gegenüber ihm eigentlich die Initiative ergriffen?

Ja, noch weniger konnte eine Darstellung wohl kaum überzeugen...

Ein Rest von Angst war noch in ihm geblieben. Das konnte sie nicht nur sehen, sondern im gewissen Sinne sogar... spüren. Und auch der Barkeeper hatte sich inzwischen ganz und gar nicht beruhigt, wie sich Jessica durch einen Seitenblick vergewisserte.

Und endlich dämmerte es ihr, wovor die beiden überhaupt diese Angst hatten: Nämlich vor... ihr!

*

Jessica Endres schaute sich in der Hotelbar um: Aller Augen waren jetzt auf sie gerichtet. Das Pärchen in der Ecke hatte vergessen, sich weiter zu streiten. Und aller Augen waren schreckgeweitet.

Was, um alles in der Welt, glaubten die denn zu sehen? Hatte sie sich in einer Art Monster verwandelt oder was?

Zum ersten Mal schaute Jessica jetzt bewußt in die verspiegelte Rückwand hinter dem Tresen. Ihr Gesicht... Es war keineswegs schlimmer geworden. Ganz im Gegenteil: Inzwischen wirkte es wieder frischer. Die dunklen Ringe unter ihren Augen waren etwas gewichen. So schnell es vorher gegangen war, daß sie plötzlich ausgesehen hatte wie ihre eigene Großmutter, so schnell schien jetzt dieser Prozeß rückläufig zu sein. Wie auch immer.

Sie schaute wieder auf den Fremden vor ihr auf dem Barhocker – und spürte, daß seine Furcht fast völlig gewichen war. Da war er allerdings der einzige in der ganzen Hotelbar.

“Wo bleibt eigentlich mein Cocktail?” raunzte sie den Barkeeper an, ohne ihn dabei anzusehen.

Sie lauschte ihrer Stimme nach und war in diesem Moment fest überzeugt davon, daß sie es nicht selber gesagt hatte - irgendwie. Als hätte einfach eine andere ihren Mund benutzt.

Aber da war keine andere zu spüren in ihr. Nur sie selbst. Und eine unerklärliche Veränderung. Weder Unruhe noch Furcht waren in ihrem Innern geblieben, sondern hatten einer schier unerträglichen Spannung Platz gemacht, wie sie es noch niemals zuvor erlebt hatte.

Es war nicht das erste Mal in diesen Minuten, daß sie sich insgeheim fragte: Was ist los mit mir?

Jedenfalls schien diese Spannung schuld zu sein an ihren ungewöhnlich aggressiv klingenden Äußerungen.

Der Barkeeper jedenfalls war bei ihren Worten zusammengezuckt wie unter Peitschenhieben. Nicht zum ersten Mal, seit sie die Bar betreten hatte, wie ihr bewußt wurde, aber sie spürte keinerlei Mitleid mit ihm.

So war sie nachweislich noch niemals mit Hotelangestellten umgesprungen. Überhaupt bemühte sie sich stets darum, Haltung zu bewahren, auch in außergewöhnlichen Situationen. Selbst wenn ihr erheblicher Ärger ins Haus stand, blieb sie nach außen hin eher gelassen, auch wenn in ihrem Innern wahre Vulkane tobten.

Diese Beherrschtheit war es, was ihren Freund am meisten störte. Bernd pflegte dann zu sagen: “Wieso explodierst du nicht einfach mal, wenn dir etwas dermaßen gegen den Strich geht? Wieso tust du gerade so, als würde es dich gar nichts angehen? Merkst du denn nicht, wie sehr das nervt und daß nicht nur ich dadurch nur noch aufgeregter werde?”

Aber was sollte sie tun? Sie konnte halt nicht aus ihrer Haut. Niemand konnte das. Am wenigsten sie.

Bisher!

Denn heute nacht schien sich alles entschieden geändert zu haben. Als hätte sie sich in eine andere verwandelt.

Ihr kam ein Vergleich aus der Literatur in den Sinn: Jener Wissenschaftler, der mit verbotenen Substanzen experimentiert hatte und sich dadurch in sein genaues Gegenstück verwandelte, mit allen grausigen Konsequenzen!

Aber nein! Sie schüttelte entschieden den Kopf darüber. So weitreichend war ihre Verwandlung ganz und gar nicht. Irgendwie konnte man es sogar erklären: Sie war halt völlig aufgedreht, und dann diese schier unerträgliche Spannung, die sie spürte. Da handelte kein Mensch mehr so wie gewohnt.

Blieb nur noch die entscheidende Frage, wie es dazu überhaupt kommen konnte.

Sie warf wieder einen Blick in die verspiegelte Rückwand. In der Tat, sie erholte sich zumindest vom Aussehen her so schnell, daß man quasi zuschauen konnte.

Jetzt wieder der Fremde vor ihr, dessen Gesicht auf einmal ein Lächeln zeigte. Diesmal war es ehrlicher gemeint und nicht nur eine mehr oder weniger perfekte Maske.

“In der Tat, ich muß mich entschuldigen, denn jetzt erkenne ich Sie auch endlich wieder: Sind Sie nicht Jessica Endres, Redakteurin bei ‚Just In‘?”

Noch Sekunden zuvor hätte Jessica es nie und nimmer für möglich gehalten, daß sie jetzt noch etwas überraschen könnte, und doch war sie nach diesen Worten sogar höchst überrascht: Der kannte sie tatsächlich?

Auf einmal bekam die skurrile, um nicht zu sagen bizarre Situation in der Hotelbar eine wahrlich unvorhergesehene Wendung: Schlagartig fiel zumindest ein Teil jener unerträglichen Spannung von ihr ab. Sie spürte ihr Herz, wie es kräftiger schlug, aber diesmal nicht, weil sie sich total überdreht fühlte.

“Sie wissen sogar meinen Namen?”

“Ja, wirklich, denn wer kennt nicht die größte Konkurrenz, während er um sein eigenes Überleben ringt?” Er mußte selber über diese Äußerung lachen.

Jessica teilte seinen Humor in keiner Weise. Sie legte vielmehr ihre hübsche Stirn in leichte Falten und schaute ihren Gegenüber schräg an: “Eigenes Überleben?” echote sie skeptisch.

“Nun, ich arbeite als Redakteur bei der Pariser Modezeitschrift ‚Le Fashion‘, wenn Sie sich erinnern wollen.”

Sie konnte sich ganz und gar nicht erinnern, weil der Mann ihr nach wie vor völlig fremd vorkam. Sie hatte ihm gegenüber ja nur Erkennen vorgetäuscht, obwohl sie selber nicht wußte, wieso sie das überhaupt getan hatte. Jetzt hätte sie beinahe angenommen, daß auch er nur eine übliche Masche verfolgte, um mit ihr im Gespräch zu bleiben, wäre da nicht die Tatsache gewesen, daß er sogar ihren Namen wußte – und für welche Zeitschrift sie arbeitete. War das nicht Beweis genug, daß er sie tatsächlich wiedererkannte und nicht nur so tat?

Er schob noch rasch nach, ehe Jessica etwas erwidern konnte: “Ich fühle mich übrigens sehr geehrt, daß auch Sie sich an mich erinnern können. Vielleicht ein gutes Zeichen dafür, daß doch noch nicht alles verloren ist? Zumindest für... ‚Le Fashion‘?”

Jessica konnte indessen grübeln, soviel sie wollte: Es wollte ihr einfach nicht einfallen, ob sie dieses Gesicht jemals zuvor gesehen hatte. Zwar bildete “Le Fashion” wirklich eine Ausnahme in der Szene, aber sie war sicher, auch Redakteure von dort zu kennen, obwohl deren Rolle noch so untergeordnet erscheinen mochte. Dieser Mann vor ihr jedenfalls hatte ihres Wissens nach niemals dazu gehört.

Aber sie wollte das jetzt nicht laut äußern, zumal sie ja vorher behauptet hatte, sich an ihn zu erinnern. Jetzt etwas anderes zu behaupten, hätte nachgerade peinlich werden können...

Sie erinnerte sich an die Rolle, die “Le Fashion” in der Modeszene spielte: Wer, wenn er auch nur halbwegs bei Verstand war, kam eigentlich auf die völlig absurde Idee, ausgerechnet in Paris ein Modejournal ins Leben zu rufen, das im Namen einen französischen Artikel und eine englische Bezeichnung enthielt? Wo doch hinlänglich bekannt war, daß französische Leserinnen englische Bezeichnungen vor allem betreffend internationale Mode eher verabscheuten als bevorzugten? Und dann sogar als Name für eine Modezeitschrift, die etwas auf sich halten wollte, eine solche Formulierung, zu allem Überfluß mit einem französisch klingenden Artikel wie “Le” davor? Das war schlimmer noch als ein Sakrileg, das war nachgerade tödlich für jegliche Verkaufszahlen!

Und so wurde hinter vorgehaltener Hand in der Szene gemunkelt, hinter dem Magazin stünde eine gewaltige Kapitalkraft, die bewußt darauf aus war, ein sogenanntes Abschreibegeschäft abzuwickeln. Mit anderen Worten: je schlechter das Magazin lief, desto mehr Steuern konnte man sparen. Und wenn das mal irgendwann nicht mehr möglich war, weil das Finanzamt Lunte roch, konnte man das Magazin immer noch kippen. Oder es geschah ein Wunder und es lief auf einmal doch mit schwarzen Zahlen.

Daran glauben mochte jedoch niemand, der die Branche auch nur halbwegs kannte.

Der Blick, den Jessica nun dem Fremden zuwarf, war schon ein wenig mitleidig. Ja, das war das einzige, was man gegenüber Mitarbeitern von “Le Fashion” empfinden konnte: Mitleid. Denn sie blieben bei allem die eigentlichen Verlierer.

Er hob beide Hände wie abwehrend.

“Die Tatsache, daß sie sich lieber gar nicht äußern, spricht sozusagen Bände. Sie ist sogar noch eindrucksvoller als ihr mitleidiger Blick, der mir keineswegs entging.”

“Oh, das wollte ich nicht”, versicherte Jessica, obwohl ihr mitleidiges Lächeln diese Worte Lügen strafte.

“Sie fragen sich wohl, wieso jemand überhaupt für ein solches Magazin arbeitet, das von vornherein zum Scheitern verurteilt ist?” Eine Frage, die offenbar rein rhetorisch gemeint war und keinerlei Antwort aus fremden Mund bedurfte, weil er sich diese lieber selber gab: “Wir haben den Ehrgeiz, trotzdem was daraus zu machen! Sie wissen ja selber am besten, was gemunkelt wird: Entweder der sichere Untergang oder auch... endlich der Erfolg!”

“Und wie wollen Sie das erreichen?” blieb Jessica skeptisch.

Was tu ich hier eigentlich? fragte sie sich indessen insgeheim. Wieso plaudere ich hier nächtens in der Hotelbar mit einem mir völlig unbekannten Redakteur dieses Absteigermagazins, und wieso interessiert es mich auch nur im geringsten, wie die Mitarbeiter dieses Schrott-Magazins den drohenden Untergang aufhalten wollen?

Sie schlußfolgerte sogleich: Eigentlich interessiert es mich wirklich in keiner Weise! Wenn ich jetzt einfach weggehe, ist das zwar ziemlich unhöflich, aber andererseits wäre es sinnvoller, als hier wertvolle Schlafenszeit zu vergeuden.

Trotzdem blieb sie stehen und heuchelte sogar Interesse, ohne dagegen anzukommen. Und wieso? Das blieb die quälende Frage, auf die sie einfach keine Anwort finden konnte, während sie den Worten des Mannes lauschte:

“Ich bin deshalb hier!” Er machte eine kleine Kunstpause, um diese Worte auf die Zuhörerin einwirken zu lassen. Und dann ließ er die Katze aus dem Sack: “Ich bin hier verabredet mit demjenigen, der angeblich hinter dem Modezaren Fernando Brunell steht!” Wieder eine Kunstpause, obwohl ihre Wirkung auf Jessica genau gegenteilig zur Absicht blieb: Es nervte sie eher und machte es für sie keineswegs spannender. Denn es interessierte sie immer noch nicht wirklich, was der Fremde zu sagen hatte: “Es wird – jebenfalls hinter vorgehaltener Hand – gemunkelt, nicht er selbst sei der große Modeschöpfer, als der er sich gern ausgibt, sondern in Wahrheit sei er nur der Strohmann des eigentlichen Genies.”

“Aha?” Auch Jessica kannte schließlich dieses Gerücht, über das niemals auch nur eine einzige Modezeitschrift berichtet hätte, sofern sie sich für seriös hielt. Aber was war “Le Fashion” denn schon? Zumindest alles andere als seriös in ihrem eher verzweifelten Bemühen, auf dem Markt endlich doch noch richtig Fuß zu fassen.

“Ich weiß, niemand würde jemals darüber berichten wollen”, sprach der Fremde prompt aus, was Jessica insgeheim dachte, “es sei denn, es gibt einen eindeutigen Beweis.”

“Und Sie hoffen, diesen Beweis erbringen zu können?”

“Ja, denn ich bin genau mit jenem Mr. Unbekannt hier in der Hotelbar verabredet!” Er warf einen Blick auf die große Uhr. “Jedenfalls hoffe ich das immer noch, denn eigentlich ist er längst über die Zeit.”

“Er hat Sie versetzt?”

“Wie gesagt, ich hoffe noch.”

“Und wie kommen Sie zu der Überzeugung, daß es ihn überhaupt geben könnte? Sie wissen doch selbst, welche Gerüchte hinter den Kulissen der Modebranche ständig kursieren. Wenn man nur einen Bruchteil davon in die Öffentlichkeit bringen würde, hätte das für die ganze Branche fatale Folgen, denn sie würde jeglichen Rest von Seriösität verlieren.”

“Ich höre die Worte und verstehe ihren Sinn sehr wohl”, entgegnete er leicht pikiert. “Sie wollen mich vor unseriöser Berichterstattung warnen, die zuviel Schaden anrichten könnte? Nun, in Anbetracht der Tatsache, dass ‚Le Fashion‘ ohnedies weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit erscheint, um es einmal so krass zu formulieren, wäre der Schaden höchstens geringfügig. Andererseits, würde es mir gelingen, ein Exklusivinterview mit dem großen Unbekannten zu bekommen, wie mir fest zugesagt, wäre das nicht nur für die Branche ein Gewinn.”

In plötzlichem Erschrecken schlug er die Hand vor den Mund, und seine Augen weiteten sich.

“Um alles in der Welt, wie komme ich eigentlich dazu, ausgerechnet Sie davon überzeugen zu wollen?”

Jessica mußte unwillkürlich lachen.

“Keine Sorge, ich genieße nicht gerade den Ruf, anderen Storys klauen zu müssen. Ich habe genügend eigene, die bekanntlich gut bei den Lesern ankommen.”

“Kunststück, bei einer so renommierten Zeitschrift wie die Ihrige...” Klang da nicht eine gehörige Portion von Neid heraus?

Jessica gönnte es ihm, denn er hatte ja im Grunde genommen völlig recht.

Sie sagte ein wenig versöhnlicher: “Ich drücke Ihnen fest beide Daumen, daß der große Unbekannte, wie Sie ihn nennen, doch noch kommt. Vielleicht wäre es besser, ich würde mich vorher zurückziehen? Ich meine, wenn er mich genauso erkennt wie Sie, wird er vielleicht davor zurückschrecken, sich mit Ihnen verabredungsgemäß zu treffen? Ich will dem nämlich in keiner Weise im Weg stehen, denn wenn Sie es wirklich schaffen sollten, Ihre Zeitschrift in die schwarzen Zahlen zu führen, wäre ich die letzte, die da nicht applaudieren würde. Immerhin, das wäre in der Tat ein Jahrhundertcoup.” Ihr wurde gar nicht bewußt, daß die letzte Formulierung gerade wieder wie eine Beleidigung klang.

Doch er überhörte es einfach, und auch er wurde jetzt versöhnlicher und zauberte sogar das charmanteste Lächeln auf seine Lippen, zu dem er fähig war: “Ich weiß das sehr wohl zu schätzen, aber ist es wirklich nötig, daß wir unsere nette Plauderei deswegen abbrechen? Ich meine, eigentlich ist mein Interviewpartner schon seit zwei Stunden überfällig – und da soll er sich ausgerechnet jetzt von Ihnen abschrecken lassen?”

“Sie können jedenfalls versichert sein, wenn er sich Ihnen zu erkennen gibt, ziehe ich mich sofort zurück und bewahre völliges Stillschweigen über alles.”

Er nickte erleichtert.

“Ich vertraue Ihnen, weil ich weiß, daß eine Jessica Endres nichts anderes nötig hat!”

Sie schaute sich wie suchend um.

“Und wo ist eigentlich der Fotograf? Oder wollen Sie das entscheidende Foto selber machen?”

“Nein, nein, keinerlei Fotos! Das war seine Grundbedingung. Er hat mir über einen Mittelsmann zu verstehen gegeben, daß er sich ausschließlich mir gegenüber outen will, aber ohne seine wahre Identität völlig preisgeben zu wollen.”

Das Ganze erschien Jessica noch nicht einmal so ungewöhnlich. Aber wieso ausgerechnet ein Redakteur dieses Absteigermagazins? Dazu fiel ihr eigentlich nur eine einzige vernünftige Erklärung ein: Der große Unbekannte, der angeblich hinter Fernando Brunell stand und das eigentliche Modegenie war... hatte gleichzeitig einen guten Geschäftsanteil an dem Magazin “Le Fashion”. Vielleicht dachte er sich, bevor man das Magazin einstellte, weil es nicht mehr länger als Abschreibegeschäft taugte, lieber zu retten, was noch zu retten war? Denn man wußte praktisch gar nichts über die Geldgeber dieses Magazins. Sie hatten auch bislang in keiner Weise interessiert, weil die Marktbedeutung des Magazins deutlich gegen Null tendierte. Ein direkter Zusammenhang jedenfalls erschien Jessica ganz und gar nicht abwegig.

Sofern es überhaupt stimmte, was der Fremde ihr hier weismachen wollte!

Andererseits: Wieso sollte er sie belügen?

Er seufzte jetzt ergeben.

“Tja, wenn er wirklich mich versetzt, sehe ich rabenschwarz für meinen Arbeitsplatz. Dann war dieses Interview weniger als der berüchtigte Strohhalm, den ich nicht zu ergreifen vermochte.”

“Tut mir leid für Sie, aber andererseits... Glauben Sie nicht, daß es genügend andere Modemagazine gibt, die vielleicht einen fähigen Mitarbeiter brauchen?”

“Wie zum Beispiel Ihr ‚Just In‘ oder was?” Er lachte humorlos. “Als würde irgendein seriöses Magazin Interesse haben an einem, der für ‚Le Fashion‘ gearbeitet hat. Nein, seien wir einmal ehrlich: Das hat unser aller Image so unbarmherzig in den Keller gedrückt, daß es besser ist, wenn wir uns nach völlig anderen Betätigungsfeldern umsehen nach dem erfolgten Crash. Vielleicht sollte ich mich meiner Sportlichkeit entsinnen und in den Steinbruch zum Steineklopfen gehen?” Es war als Scherz gedacht gewesen, diese Aussicht auf eine wenig rosige Zukunft, doch er konnte selber nicht darüber lachen.

Jessica dachte: Es sei denn, es gelingt dir dieses Exklusivinterview, und deine Zeitschrift gerät in die begehrten schwarzen Zahlen. Das würde nicht nur den Markwert der Zeitschrift, sondern vor allem auch seiner Macher erheblich in die Höhe schnellen lassen.

Und dann beobachtete sie sich selber, wie sie es sich unaufgefordert und frech auf dem Barhocker neben dem Fremden bequem machte.

“Ich will nach wie vor keineswegs ihren potentiellen Gesprächspartner vertreiben”, sagte sie dabei wie zur Entschuldigung.

Der Fremde ging gar nicht darauf ein. Er machte Anstalten, seine Rechte auszustrecken, unterließ es dann aber doch und fragte stattdessen ein wenig verlegen: “Äh, habe ich mich überhaupt schon vorgestellt? Oder können Sie sich sogar an meinen Namen erinnern?”

Jessica verneinte.

“Mein Name ist Ernesto de Vallon. Klingt alles andere als französisch, zugegeben, aber ich bin garantiert ein echter Pariser. Das heißt, ich wurde hier geboren und bin hier aufgewachsen.”

Jessica konnte mit Fug und Recht behaupten, diesen Namen noch nie in ihrem Leben gehört zu haben.

Sie machte jetzt ebenfalls Anstalten, ihre Rechte auszustrecken, unterließ es aber letztlich ebenfalls, ohne erklären zu können wieso. Nein, sie spürte keinerlei Scheu dem Fremden gegenüber, obwohl sie niemals zuvor so etwas getan hätte: Sich mit einem Wildfremden nächtens in einer Hotelbar unterhalten, als würde sie ihn schon länger als Kollegen kennen und schätzen. Aber sie hatte sich halbwegs damit abgefunden, daß sie hier Dinge tat, die für sie selber unerklärlich blieben und ihr sogar erheblich gegen den Strich gingen – normalerweise. Jedoch die Hand geben, das würde ihr wirklich zu weit gehen. Ansonsten hatte sie beschlossen, alles einfach so hinzunehmen, wie es war.

Und es schien ihr irgendwie gutzutun, wie es sich nach einem Blick in die verspiegelte Rückwand hinter dem Tresen bestätigte.

Aus dem Augenwinkel sah sie dabei, daß endlich ihr Cocktail fertig war und auf den Tresen gestellt wurde. Sie nahm ihn und saugte probehalber am Strohhalm, ohne die Dekoration am Glasrand vorher zu bewundern, die sowieso eher kitschig anmutete.

Beinahe hätte sie das Zeug ausgespuckt.

“Hatte ich nicht ausdrücklich gesagt ohne Alkohol?” fuhr sie den Barkeeper an – in einer Art und Weise, über die sie selbst am meisten erschreckte.

Und dann tat sie etwas, was eigentlich so unmöglich war, als würde sie es gar nicht wirklich erleben, sondern nur einen Alptraum: Sie schüttete den gesamten Cocktail einfach in den Ausguß hinter dem Tresen, obwohl dieser ungefähr einen Meter entfernt war. Sie tat es mit einem gezielten Schwung, der die Flüssigkeit mitsamt der Glasdekoration sicher dort landen ließ, wo sie es gedacht hatte.

Der Barkeeper stand mit offenen Augen und offenem Mund da, und auch die anderen Gäste der Hotelbar schauten so entgeistert drein.

Jessica wurde bewußt, daß sie die ganze Zeit über nicht die Augen von ihr gelassen hatten, als hätte sie sich tatsächlich in eine Art Monster verwandelt.

Dabei sah sie wieder völlig normal aus und war nach wie vor die Jessica Endres, die sie immer gewesen war. Obwohl sie sich völlig anders benahm...

*

Für einen Moment keimte in ihr ein schlimmer Verdacht auf: Das alles hier war gar nicht echt, sondern lediglich ein übler Alptraum, so realistisch, daß sie glauben mußte, es real zu erleben!

Sie kniff sich heimlich und machte dabei die im wahrsten Sinne des Wortes schmerzliche Erfahrung, daß sie sich darin irrte: Wirklicher als die Wirklichkeit konnte nichts sein. Dies war kein Alptraum, sondern eine Tatsache: Sie führte sich zwar völlig unmöglich auf, aber das träumte sie nicht nur, sondern erlebte es hautnah. Obwohl sie es am Ende doch lieber gehabt hätte, alles hätte sich als bloßer Traum herausgestellt...

“Wie auch immer”, hörte sie sich maulen: “Wenn man hier noch nicht einmal das zu trinken bekommen kann, was man bestellt hat... Und außerdem: Ich will in der Tat in keiner Weise Ihnen im Weg stehen bei Ihrer noblen Rettungsaktion zum Wohle Ihrer Zeitschrift.” Gesagt, rutschte sie auch schon wieder vom Barhocker. “Man sieht sich!”

Ohne sich noch einmal speziell dem Fremden zu widmen, der sie nun ebenfalls sprachlos angaffte, ging sie schnurstracks zum Ausgang, öffnete und war draußen.

Für Sekunden blieb sie schweratmend stehen und schloß sogar die Augen, wie um sich zu sammeln.

Es nutzte zwar nichts, weil sie sich schon wieder so aufgewühlt vorkam wie vor dem Betreten der Hotelbar, aber sie benötigte es dennoch, um ihre Gedanken zumindest halbwegs auf die Reihe zu bekommen.

Als sie die Augen wieder öffnete, begegnete sie dem neugierigen Blick des Portiers. Der war immer noch derselbe.

Diesmal erwiderte er den Gruß – vorsichtig, wie Jessica es empfand.

Sie durchquerte mit großen, raumgreifenden Schritten die Hotelhalle und strebte dem Ausgang zu. Jetzt brauchte sie zuerst einmal jede Menge frische Luft. Vielleicht nutzte ja das etwas?

“Pardon!” hörte sie den Portier rufen.

“Ja?” antwortete sie ohne Interesse.

“Pardon, Madam, aber es ist heute nacht ziemlich kühl draußen. Sind Sie sicher, daß Sie...?”

“Ja, bin ich! Mir macht das nichts aus!”

Eine glatte Lüge – normalerweise, denn Jessica war eher ziemlich kälteempfindlich. Sie fror jedenfalls lange vor ihrem Freund Bernd Murray. Manchmal, wenn sie gemeinsam fernsahen, saß er da im leichten T-Shirt und empfand die Temperatur als sehr angenehm, während sie sich in eine dicke Decke einwickeln mußte, um es zu ertragen.

Aber sie ahnte schon, daß es diesmal keineswegs eine Lüge war, denn so aufgewühlt, wie sie sich wieder fühlte, würde ihr schlechtes Wetter auf Pariser Straßen absolut nichts ausmachen.

Es bewahrheitete sich spätestens dann, als sie vor das Hotel trat und die kühle Nachtluft tief in ihre Lunge saugte.

Sie genoß es wie noch nie zuvor. Nicht weil die Luft von Paris besser war als die in irgendeiner anderen x-beliebigen Großstadt. Eher das Gegenteil war der Fall. Doch gegenüber der Luft in der Hotelbar erschien sie ihr wie der wahre Genuß.

Obwohl: War es wirklich die Luft gewesen, die sie als bedrückend empfand – im nachhinein gesehen? War es nicht vielmehr ihr eigenes unmögliches – um nicht zu sagen: peinliches! – Auftreten, das ihr jetzt zu schaffen machte?

Sie horchte in sich hinein und konnte nicht den geringsten Schimmer von Reue finden. Als wäre ihr Auftreten ganz normal gewesen.

“Was ist bloß los mit mir?” fragte sie sich nicht zum ersten Mal, doch diesmal klang es eine Spur verzweifelt.

Sie schaute sich draußen um und verlor dabei die Lust auf einen nächtlichen Spaziergang: Das Wetter war heute nacht wirklich ungewöhnlich fies zu den Parisern und ihren Besuchern.

Jessica wandte sich dem Eingang zu und faßte einen neuen Entschluß: Sie trat wieder ein.

Der Portier schaute herüber und schien zu glauben, sie würde nur deshalb zurückkehren, weil er rechtbehalten hatte: Sie war zu leicht bekleidet.

Sie lächelte ihm zu und sagte: “Trotzdem danke!”

Er wußte, wie sie es meinte, und lächelte zurück. Dann nickte er wohlmeinend, und Jessica hob grüßend die Hand, während sie sich dem Fahrstuhl zuwandte.

Nein, falsche Richtung: Sie schwenkte um in Richtung Treppenaufgang. Hatte sie sich denn nicht vorgenommen, den Lift künftig zu ignorieren?

Leichtfüßig lief sie die Stockwerke hinauf. Erstaunlich, sonst war sie ganz und gar nicht so sportlich, doch jetzt fühlte sie sich in der Tat wie gedopt. Hing es mit ihrem innerlichen Aufruhr zusammen?

Sie erreichte ihr Hotelzimmer und schloß hinter sich ab. Sekundenlang lehnte sie sich von innen gegen die Tür und versuchte mal wieder, sich zu sammeln.

Die Unruhe war tatsächlich abgeklungen. Vielleicht konnte sie jetzt doch noch ein paar Stunden schlafen bis zu ihrem Einsatz während der angesetzten Modenschau?

Als nächstes ging sie ins Bad, um ihr Aussehen zu kontrollieren.

Das Spiegelbild, das ihr forschend entgegensah, wirkte völlig normal. Keine Ringe unter den Augen, nichts, weswegen sie sich noch Sorgen hätte machen sollen.

Es blieb nur noch die Erinnerung an die irgendwie bizarr anmutenden Vorgänge in der Hotelbar, an ihr eigenes Benehmen, das so ganz und gar nicht zu ihr paßte. Als wäre sie tatsächlich, wie jener verrückte Wissenschaftler aus der Literatur, in eine andere Rolle geschlüpft, die offenbar die dunkle Seite ihres Seins darstellte.

Dunkle Seite?

Sie lauschte diesen Worten nach und entschied: Na, ich habe ja nichts wirklich Böses getan. Ich war nur ziemlich aufgewühlt, und da tut man sowieso Dinge, die man später bereut. Ist das denn nicht normal?

Das Problem blieb eben nur: Sie bereute überhaupt nichts – nach wie vor!

Alle hatten irgendwie Angst vor ihr gehabt. Nur während sie in der Hotelbar gewesen war. Der Portier danach überhaupt nicht mehr.

“Ich habe nichts Böses getan!” bekräftigte sie laut. “Es war sowieso mal an der Zeit, sich nicht länger von unfähigem Hotelpersonal auf der Nase herumtanzen zu lassen!”

So ganz überzeugend klang das zwar nicht, aber damit gab sie sich vorerst zufrieden und kehrte zurück ins Zimmer. Sie legte die Kleidung ab, kontrollierte, ob sie noch für den morgigen Tag geeignet war, entschied, daß nichts dagegensprach – und legte sich Minuten später wieder ins Bett.

“Jetzt bin ich wieder dort, wo alles begonnen hat!” wurde ihr bewußt.

Ihr Blick fiel auf die Armbanduhr neben sich auf der Nachtkonsole. Sie hatte sie dort abgelegt, bevor sie sich zu Bett begeben hatte. Nach dem Aufstehen und beim Ankleiden hatte sie die Uhr völlig vergessen.

Sie zeigte jetzt genau halbeins, wie die Uhr unten in der Hotelbar. Zufall oder nicht: Seltsam war das schon!

Auf einmal spürte sie eine wohltuende Müdigkeit, die alle Unruhe aus ihrem Innern zu vertreiben begann. Sie konnte gerade noch rechtzeitig das Licht löschen, um in einen tiefen, traumlosen Schlaf zu fallen.

Es war wie der Schlaf der Erschöpfung.

*

Den nächsten Tag erlebte die Moderedakteurin Jessica Endres wie in Trance. Sie kam pünktlich genug aus den Federn, machte sich in Rekordzeit fertig, nahm im Frühstücksraum hastig ein viel zu karges Frühstück ein... Dabei schaute sie sich mehrmals verstohlen um, ohne sich selbst gegenüber eingestehen zu wollen, daß sie Ausschau hielt nach dem Fremden von letzter Nacht. Anschließend fand sie sich viel zu früh am späteren Ort des Geschehens ein.

Außer Angestellten, die vollauf mit den letzten Vorbereitungen beschäftigt waren, gab es niemanden. Und dann tauchte ihr Fotograf David Bell auf, was sie sehr erleichterte.

Allerdings begegnete sie ihm ungewöhnlich wortkarg. Es machte ihn nicht mißtrauisch, denn er schien eher froh zu sein darüber, daß er sich nicht endlos lange Instruktionen anhören mußte, als wüßte er als Vollprofi nicht selber, worauf es ankam bei einer Modenschau.

Ehe Jessica doch noch das eine oder andere an Extrawunsch einfallen konnte, zog er sich schleunigst zurück und überließ sie sich selbst.

Mehr und mehr Kolleginnen und Kollegen kamen, und auch Fachpublikum fand sich ein. Betreuer des Gastgebers tauchten auf und kümmerten sich um die Gäste. Es war ein kleines Büfett vorbereitet, das jedoch noch niemanden interessierte. Nur die Getränkebar wurde belagert.

Mit ein wenig Verspätung begann dann die eigentliche Veranstaltung. Jessica nahm den ihr zugewiesenen Platz ein, zückte ihren Notizblock und machte sich bereit. Andere Kollegen und Kolleginnen bevorzugten, sich elektronisch Notizen zu machen. Jessica liebte die altmodische Form. Nur wenn sie den Bericht fertigstellte und im Büro benutzte sie Elektronik, ohne die es leider nicht mehr ging in ihrem Beruf.

Die übliche Eröffnungsrede des Gastgebers, der in der Szene eine eher untergeordnete Rolle spielte. Eigentlich hatte Jessica keine großen Erwartungen an die Modenschau, obwohl für den Gastgeber davon einiges abhing: Entweder seine neue Kollektion erwies sich als glücklicher Wurf und ließ ihn in der Karriereleiter höherklettern, oder das Gegenteil traf ein, und es artete in einem Flop aus. Das bestimmten letztlich die Journalisten und das Fachpublikum: Verrisse in den renommierten Journalen, gepaart mit ausbleibendem Verkauf in den Handel, konnten sich als tödlich erweisen.

Jessica machte sich über solche Dinge schon länger keine Gedanken mehr. Es gehörte ganz einfach zu ihrem Alltag.

Nach der Eröffnung traten die ersten Models auf. Jessica kannte sie alle sogar dem Namen nach. Zumindest hatte der Gastgeber keinerlei Mühen und Kosten gescheut, was das Ensemble betraf. Aber auch die neue Kollektion ließ kaum etwas zu wünschen übrig. Zwar nicht gerade der sprichwörtliche Kracher, aber eigentlich durfte man zufrieden sein. Mit anderen Worten: kein Verriß!

Jessica war es lieber so. Es machte ihr keinen Spaß, negative Berichterstattung zu üben. Sie machte sich ihre Notizen und hoffte, daß der Fotograf David Bell die richtigen Fotos schoß, obwohl sie es noch nie erlebt hatte, daß ihr Kollege auch nur ein einziges Mal versagte.

Als sich die Veranstaltung dem Ende zuneigte, bedauerte sie es beinahe, weil ihr die Atmosphäre guttat, doch dann wartete der Veranstalter noch mit einer echten Überraschung auf: Er stellte einen Gast vor, den jeder im Saal bestens kannte: Fernando Brunell!

Der dickliche Mann, der stets aufgeregt tat und in der Linken das obligatorische Taschentuch trug, mit dem er sich in unregelmäßigen Abständen die Stirnglatze abtupfte, verbeugte sich mit verlegenem Lächeln und übernahm das Mikrophon:

“Die Überraschung des Abends wird die exklusive Vorstellung meiner Sonderkollektion sein. Erst für nächsten Monat geplant und angekündigt im Rahmen der neuen Saisonvorstellungen, und nun heute schon bereits auf diesem Laufsteg, sofern Sie die Geduld aufbringen und noch bis zum Abend ausharren!”

Das war eher ungewöhnlich als sensationell, wie Jessica fand. Was sollte es außerdem? Wollte Fernando Brunell damit den eigentlichen Veranstalter zusätzlich sponsern, einen Konkurrenten?

Obwohl, Konkurrenz findet zwischen den beiden eigentlich nicht wirklich statt, dachte Jessica sogleich, denn dafür ist der Veranstalter zu unbedeutend – noch! Aber was führt Brunell damit im Schilde? Wieso tut er so etwas?

Sie konnte sich nicht erinnern, daß es einen ähnlichen Fall jemals in der Geschichte der Modewelt gegeben hatte. Ungewöhnlich und eigentlich auch völlig absurd!

Die anschließende Pause nutzten die anwesenden Journalisten, ihre Auftraggeber anzurufen und zu berichten, daß sie länger bleiben würden als geplant, weil Brunell die Vorstellung seiner neuen Sonderkollektion vorziehen wollte.

Das brachte in den Planungen der Zeitschriften einiges durcheinander, auch Jessicas Brötchengeber “Just In”, obwohl der Chefredakteur sich nichts anmerken ließ, als sie persönlich mit ihm telefonierte.

“Bleibe am Ball, Jessica!” war das einzige, was Ben Carlson dazu zu sagen hatte.

Endlich entdeckte sie ihren Fotografen.

“Eigentlich hätte ich heute abend wieder in London sein müssen”, murrte er.

“Noch ein Auftrag?” wunderte sich Jessica. “Sage einmal, haben die zu wenig Fotografen zur Verfügung oder was? Ich kann doch wohl verlangen, daß mir ein Fotograf zur Seite gestellt wird, der auch genügend Zeit für seinen Job mitbringt!”

Das war ziemlich hart – viel härter als Jessica es normalerweise gesagt hätte. Schlimmer noch: Normalerweise hätte sie es überhaupt nicht kommentiert, sondern freundlich darum gebeten, doch bitte hierzubleiben und sie nicht im Stich zu lassen.

Er schaute sie deshalb überrascht an und meinte: “Ist ja schon gut, wäre ja nur privat gewesen. Ich hatte ganz vergessen, daß es einem Fotografen von ‚Just In‘ verboten ist, überhaupt ein Privatleben zu haben.”

Jetzt hätte Jessica sich für gewöhnlich entschuldigt. Vielleicht mit den Worten: “War nicht so gemeint.” Und: “Ich bin ja froh, daß sie mir einen geschickt haben, auf den ich mich hundertprozentig verlassen kann.” Aber sie dachte in diesem Moment nicht daran, sondern raunzte nur: “Dein Privatleben interessiert keinen Menschen. Du solltest es schon selber organisieren können, um dich in der Zwischenzeit voll und ganz auf deinen Job zu konzentrieren. Ist das vielleicht zuviel verlangt? Oder meinst du, es macht mir Spaß, alles über den Haufen zu werfen und hierzubleiben? Vielleicht pflegen nicht nur Fotografen so etwas wie ein Privatleben?”

Er schaute sie an, in einer Art und Weise, als würde er sie soeben zum ersten Mal in seinem Leben überhaupt bewußt wahrnehmen.

Jessica ließ ihn einfach stehen und wandte sich ab. Nicht ohne über die Schulter hinweg ihm zuzurufen: “Und bitte pünktlich!”

Es waren noch ein paar Stunden bis zur abendlichen Modenschau. Das war oft so, daß es mehrere Modeschauen am gleichen Tag in Paris gab und nicht nur die Models von einem Termin zum anderen hetzen mußten, weil sich diese Termine über den ganzen Tag bis manchmal in die Nacht verteilten und in ganz unterschiedlichen Teilen der Stadt stattfanden. Heute waren es nur zwei Termine, die für Jessica infrage kamen und davon ein überraschender.

Halbwegs war es ihr egal, weil sie sowieso auch die nächste Nacht hatte im Hotel verbringen wollen. So jedenfalls war es gebucht. Ihren Artikel würde sie auf dem Hotelzimmer tippen und gleich in die Redaktion schicken.

Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen: Apropos Artikel! Sie fühlte sich in der Tat wie in Trance. Der Tag lief ab, die Routine obsiegte, aber sie war nicht hundertprozentig bei der Sache. Auch die Art und Weise, wie sie heute mit dem Fotografen umgesprungen war, schien das zu beweisen. Viel schlimmer jedoch war, daß sie vergessen hatte, sich mit ihm wegen den Fotos abzusprechen, die er inzwischen geschossen hatte. Ihre Redaktion erwartete eine Vorauswahl von ihr, in Absprache natürlich mit dem Fotografen, der jetzt eigentlich gemeinsam mit ihr zum Hotel hätte fahren sollen. Und was tat sie stattdessen? Sie ließ ihn stehen und ging allein davon.

Hinter ihr klangen Schritte auf. Sie wandte unwillkürlich den Kopf.

“Seit wann rennst du so, Jessica?” beschwerte sich ihr Fotograf.

Nun, zwar hatte sie es vergessen, aber er nicht: Er schwenkte seine Kamera, in der alle Fotos digital gespeichert waren, bereit, sie auszuwählen und in die Redaktion zu schicken:

“Machen wir uns ans Werk!” meinte er dazu, ein schiefes Lächeln zeigend.

“Habe ich dir schon einmal gesagt, daß ich dich für den besten halte?” fragte Jessica erleichtert. Sie sah, wie sich sein Lächeln verstärkte und schränkte rasch ein: “Zumindest einer der besten?”

“Nein!” Aber dann schränkte auch er ein: “Zumindest heute noch nicht!”

Beide lachten jetzt. Anscheinend war er ihr nicht böse wegen dem Anraunzer vorhin.

Jessica horchte in sich hinein und stellte fest, daß ihr das eigentlich völlig egal war. Sie setzte sich gemeinsam mit ihrem Fotografen in ein Taxi, und sie fuhren zurück zu ihrem Hotel.

Als sie ankamen, stellten sie fest, daß ihr Chefredakteur inzwischen veranlaßt hatte, auch für den Fotografen ein Zimmer zu buchen. Aber sie zogen sich beide in Jessicas Zimmer zurück, um dort die Fotos zu besprechen. Erst später ging der Fotograf David Bell in sein eigenes Zimmer, damit Jessica ihren Artikel tippen konnte.

Und nach wie vor fühlte sich Jessica so wie am frühen Morgen schon: Wie in Trance! Als wäre sie gar nicht sie selber, sondern würde bei allem, was geschah, nur halbwegs beteiligt zusehen.

Trotzdem bekam sie das hin, was nun einmal zu ihren Aufgaben gehörte. Nicht mit dem Herzblut wie sonst, aber der Qualität des Ergebnisses tat es kaum Abbruch.

Pünktlich ging alles per Internet nach London, und Jessica zog sich rasch um für die bevorstehende Abendveranstaltung. Da sie nicht wußte, was sie eigentlich erwartete, wählte sie ein eher neutrales Aussehen.

*

Auf dem Weg zum Taxi schlug plötzlich ihr Mobiltelefon an. Das kam für Jessica so überraschend, daß sie unwillkürlich zusammenzuckte.

Sie meldete sich. Es war ihr Freund Bernd Murray.

“Nicht jetzt!” beschwerte sie sich mürrisch. “Ich bin auf dem Weg zu einem wichtigen Termin!” Schon drückte sie auf die Taste, um das Gespräch zu beenden. Mehr noch: Sie schaltete ihr Mobiltelefon ganz aus.

Der Fotograf an ihrer Seite bedachte sie mit einem scheelen Blick.

“Privatleben, eh?”

“Ja, mein lieber David!” entgegnete Jessica verstimmt.

Er ließ sich davon nicht abschrecken: “Dein Freund ist anscheinend nicht aus der Szene?”

“Nein, aber wie kommst du überhaupt darauf?”

“Nun, hat anscheinend keinerlei Verständnis für diesen Job – genauso wenig übrigens wie meine Freundin.”

Beinahe hätte Jessica dem zugestimmt, aber im letzten Augenblick verkniff sie es sich.

So etwas wie ein schlechtes Gewissen meldete sich nun doch noch in ihr: Bernd hatte diese Behandlung wahrlich nicht verdient. Er hatte sich einfach nur gewundert, wieso sie sich den ganzen Tag noch nicht bei ihm gemeldet hatte, wie sie es sonst immer tat.

Heute nicht? Und wieso nicht?

Vergessen! antwortete das schlechte Gewissen von Jessica, und ein schlechtes Gewissen war somit in der Tat angebracht. Seit wann vergaß sie ihren Freund?

Sie liebten sich. Davon war Jessica bis heute überzeugt gewesen. Und inzwischen?

Wenn sie an ihn dachte, war da immer noch das Gefühl in ihrer Brust. Wie es sich gehörte. Aber andererseits fühlte sie sich auch ein bißchen wie betäubt. Das hatte weniger mit Bernd zu tun, sondern eher mit ihr selber. Genauso wie sie den ganzen Tag wie in Trance erlebte, war die Bedeutung ihres Verhältnisses zu Bernd in den Hintergrund gerückt. Nicht, daß sie ihn plötzlich aufgehört hatte zu lieben, sondern es war eben nur so eine Art taubes Gefühl, das alles andere zudeckte - einschließlich der Jessica, die bisher jeder zu kennen geglaubt hatte.

Ich bin immer noch dieselbe! begehrte sie innerlich auf. Ohne Abstriche.

Und trotzdem: Es war, als wäre ihr wahres Ich zurückgedrängt worden, um... was Platz zu machen?

Sie fand keine Erklärung dafür und war auch nicht in der Lage, auch nur das geringste daran zu ändern.

Ihr Fotograf David Bell sagte noch einiges, ehe sie im Taxi saßen, aber Jessica nahm es gar nicht mehr bewußt auf. Also reagierte sie auch nicht darauf. Bis er es endlich aufgab.

Aber er war jetzt zutiefst beleidigt.

Was hatte er denn überhaupt wissen wollen?

Jessica war es im Grunde genommen egal. Sonst hätte sie sich entschuldigt und danach gefragt.

Schweigend erreichten sie den Einsatzort.

Zum zweiten Mal für heute, konstatierte Jessica und schaute sich ohne Interesse um. Wie es aussah, fand sich auch dasselbe Publikum ein.

Ohne es konkret zu wissen, nahm Jessica sogar an, daß Fernando Brunell dieselben Models würde auftreten lassen.

Irgendwie wirkte diese plötzliche Sonderdarbietung auf Jessica improvisiert. Als hätte Fernando Brunell bis kurz vor seiner Erklärung selber nicht gewußt, daß es diese Präsentation überhaupt geben würde.