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Ausgangspunkt für den Erfolg unternehmerischer Nachhaltigkeit ist deren Implementierung in die Unternehmensstrategie. Eine Strategie ändert man allerdings nicht über Nacht. Wer die einzelnen Bausteine im Unternehmen und im Controlling verankern möchte, muss wissen, dass es sich um einen mehrstufigen Prozess handelt, der eine klare Zielrichtung, Geduld und Einsatz voraussetzt. „Wer die einzelnen Bausteine der Nachhaltigkeitssteuerung im Unternehmen und im Controlling verankern möchte, muss wissen, dass es sich um einen mehrstufigen Prozess handelt, der eine klare Zielrichtung, Geduld und Einsatz voraussetzt. Dieses Buch ist ein wichtiger Ratgeber und Helfer für eine erfolgreiche Implementierung der Nachhaltigkeit in die Unternehmenspraxis.“ Siegfried Gänßlen Ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Internationalen Controller Vereins Ehemals Vorstandsvorsitzender der Hansgrohe SE „Integrierte Konzepte der Nachhaltigkeitssteuerung kennzeichnen die Praxis noch selten. Eine systematische Koordination und Ausrichtung auf die Unternehmensstrategie wird immer häufiger eine Aufgabe des Controllings. Aktuell sind nur wenige Controller hierauf vorbereitet. Dieses Buch zeigt Wege auf, wie Nachhaltigkeitscontrolling praktisch funktionieren und organisiert sein kann und welche Aufgaben hierbei anfallen.“ Prof. Dr. Stefan Schaltegger Professor für Nachhaltigkeitsmanagement Leiter des Centre for Sustainability Management Leiter des MBA Sustainability Management Leuphana Universität Lüneburg
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Seitenzahl: 474
utb 5332
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Prof. Dr. Ulrich Sailer ist Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Er leitet den Master-Studiengang Controlling und beschäftigt sich insbesondere mit dem Nachhaltigkeitscontrolling und mit der Digitalisierung im Controlling.
Ulrich Sailer
So werden Unternehmen nachhaltig gesteuert
5., überarbeitete Auflage
Umschlagmotiv: © SilverV – iStock
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
5., überarbeitete Auflage 2024
4., vollständig überarbeitete Auflage 2022
3., überarbeitete Auflage 2020
2., überarbeitete Auflage 2017
1. Auflage 2016
DOI: https://doi.org/10.36198/9783838562544
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Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung
utb-Nr. 5332
ISBN 978-3-8252-6254-9 (Print)
ISBN 978-3-8385-6254-4 (ePDF)
ISBN 978-3-8463-6254-9 (ePub)
Das Tempo der Veränderungen bleibt hoch. Regulatorische Anforderungen wie die CSRD oder die EU-Taxonomie haben zahlreiche Unternehmen dazu bewegt, sich nun intensiv mit der Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Damit rücken neben der Regulatorik die professionelle und revisionssichere Umsetzung in der Unternehmenssteuerung, der Aufbau von Prozessen und Strukturen sowie eine geeignete Softwareunterstützung in den Vordergrund. Diese Punkte wurden in der fünften Auflage ergänzt, andere Themen haben an Bedeutung verloren und wurden gestrichen. Knapp zwei Jahre nach der letzten vollständigen Überarbeitung war daher bereits wieder eine umfassende Aktualisierung erforderlich.
In der ersten Auflage dieses Buches musste man noch begründen, dass Nachhaltigkeit auch für Unternehmen relevant ist. Das ist nicht mehr der Fall. Der Wechsel vom Why zum How vollzieht sich. Dies macht es notwendig, Nachhaltigkeit in die Unternehmenssteuerung zu integrieren – und genau das ist die Aufgabe des Controllings. Nachhaltigkeitscontrolling ist somit aktueller denn je. Damit geht dieses Buch bereits in die vierte Auflage. Die rapiden Entwicklungen rund um die unternehmerische Nachhaltigkeit haben eine vollständige Überarbeitung notwendig gemacht. Der Fokus auf das How wurde nochmals geschärft, konsequent auf die Aufgaben der Controller und Manager.
Neben verschiedenen neueren Entwicklungen wie der EU-Taxonomie oder der Corporate Sustainability Reporting Directive wurde das Buch um die nachhaltige Unternehmensentwicklung, um die Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle, um das nachhaltige Risikomanagement, Green Finance und um die Nachhaltigkeitskultur erweitert. Ergänzt wurden zudem das Impact Measurement mit dem Ansatz der Value Balancing Alliance und die Digitalisierung der Nachhaltigkeitssteuerung.
Das Nachhaltigkeitscontrolling wurde noch spannender. Es befähigt und bereichert das Controlling, einen bedeutsamen Beitrag zur Bewältigung der enormen gesellschaftlichen Herausforderungen zu leisten.
Mit diesem Buch sollen Controller und Manager ermutigt und befähigt werden, eine an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtete Steuerung des Unternehmens aufzubauen und umzusetzen. Dazu muss man das Controlling glücklicherweise nicht neu erfinden, aber doch erweitern, Vorgehensweisen anpassen und teils auch Methoden ersetzen. Der Controller als Experte für die Unternehmenssteuerung, als kompetenter Partner für die Zielbildung und Planung, für Steuerungsmethoden, Informationssysteme und Reporting, ist mit diesen Kompetenzen auch für die Steuerung der Nachhaltigkeit prädestiniert. Nachhaltigkeit führt zu einer Erweiterung, Aufwertung und noch stärkeren Sinnstiftung für das Controlling. Das Controlling entwickelt sich weiter und die Nachhaltigkeit ist ein maßgeblicher Treiber hierfür.
Ich freue mich über jede Frage, Kritik und Anmerkung zu meinem Buch. Schreiben Sie mir: [email protected].
Dem UVK-Verlag und insbesondere Herrn Dr. Jürgen Schechler danke ich für die gewohnt freundliche und professionelle jahrelange Zusammenarbeit.
Prof. Dr. Ulrich Sailer
Professor für Controlling und Nachhaltigkeit
Leiter des Masterstudiengangs Controlling
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen
Sigmaringer Straße 25
72622 Nürtingen
www.hfwu.de
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Buch die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter.
Benutzungshinweis
Sämtliche im Buch aufgeführten Links finden Sie auch gesammelt unter https://files.narr.digital/9783825262549/linkliste.pdf
Vorworte
1Grundlagen der Nachhaltigkeitssteuerung
1.1Einführung in die Nachhaltigkeitssteuerung
1.2Was versteht man unter Nachhaltigkeit?
1.3Umsetzung der betrieblichen Nachhaltigkeit: Hemmnisse
1.4Controlling und Nachhaltigkeitscontrolling
2Anforderungen an die Unternehmen
2.1Unternehmensziele
2.2Shareholder und Kapitalmarkt
2.3Stakeholder
2.4Regulatorische Anforderungen zur Berichterstattung
2.4.1Nachhaltigkeitsberichterstattung: CSR-RUG
2.4.2EU-Taxonomie
2.4.3IFRS Sustainability Disclosure Standards
2.4.4Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
2.5Nachhaltigkeitsstandards
2.5.1Global Reporting Initiative
2.5.2Deutscher Nachhaltigkeitskodex
2.5.3UN Global Compact
2.5.4OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen
2.5.5EMAS und ISO 14001
2.5.6Kernarbeitsnormen der International Labour Organization
2.5.7Social Accountability 8000
2.5.8ISO 26000
2.5.9ISO 14031
2.5.10AccountAbility 1000
2.5.11Zertifizierungen durch unabhängige Prüfgesellschaften
2.5.12Vergleichende Darstellung der Nachhaltigkeitsstandards
3Organisation der Nachhaltigkeitssteuerung
3.1Ablauforganisation
3.2Aufbauorganisation
4Normative und strategische Nachhaltigkeitssteuerung
4.1Vision und Mission
4.2Nachhaltigkeitsassessment
4.3Stakeholderdialog
4.4Wesentlichkeit
4.5Strategische Analyse
4.6Typen von Nachhaltigkeitsstrategien
4.6.1Compliance-Strategie
4.6.2Effektivitäts-/ Konsistenzstrategie
4.6.3Suffizienzstrategie
4.6.4Effizienzstrategie
5Nachhaltige Unternehmensentwicklung
5.1Controller als Change Agent
5.2Nachhaltige Geschäftsmodelle
5.3Nachhaltige Wertschöpfungsketten
6Operatives Nachhaltigkeitscontrolling
6.1Performance Measurement System
6.1.1Sustainability Balanced Scorecard
6.1.2Operative Planung
6.1.3Nachhaltigkeitskennzahlen
6.1.4Nachhaltigkeitsrechnungswesen
6.2Umweltrechnungswesen
6.2.1Umweltkostenrechnung
6.2.2Prozessorientiertes Umweltkostenmanagement
6.2.3Instrumente des operativen Umweltcontrollings
6.2.4Übersicht über die Methoden des Umweltrechnungswesens
6.3Social Accounting
6.3.1Inhalt des Social Accounting
6.3.2Wertschöpfungsrechnung
6.3.3Sozialindikatoren
6.4Messung ökonomischer Nachhaltigkeit
6.5Ganzheitliche nachhaltige Messkonzepte
6.5.1Nachhaltige KPI-Sets
6.5.2Impact Measurement
6.5.3Sustainable Value
6.6Software und Digitalisierung der Nachhaltigkeitssteuerung
6.6.1Nachhaltigkeitssoftware
6.6.2Digitalisierung im Nachhaltigkeitscontrolling
7Nachhaltiges Investitionscontrolling
7.1Bedeutung nachhaltiger Investitionen
7.2Methoden nachhaltiger Investitionsentscheidung
8Nachhaltiges Risikocontrolling
8.1Nachhaltigkeitsrisiken
8.2Risikocontrolling
9Nachhaltigkeitsreporting
9.1Nachhaltigkeitskommunikation
9.2Berichtspflichten
9.3Managementreports
9.4Controlleraufgaben
10Green Finance
10.1ESG im Finanzbereich
10.2Controlleraufgaben
11Nachhaltigkeitskultur
Glossar
Literaturverzeichnis
Index
Lernziele
Die Leser
überblicken den aktuellen Umsetzungsstand der Nachhaltigkeit in den Unternehmen.
kennen die wichtigsten begrifflichen und inhaltlichen Grundlagen der Nachhaltigkeit.
sind sich bewusst, dass die Umsetzung der Nachhaltigkeit durch zahlreiche Hemmnisse begrenzt wird.
gewinnen einen Einblick in den Wandel des traditionellen Controllings hin zu einem Nachhaltigkeitscontrolling.
Wie nachhaltig wollen wir sein?
Vor wenigen Jahren berichtete ein leitender Manager eines größeren, mittelständischen Unternehmens aus Süddeutschland, leicht resigniert, über das Nachhaltigkeitsmanagement in seinem Hause. Man habe vor geraumer Zeit enthusiastisch begonnen, sich um die Nachhaltigkeit zu kümmern. Hierbei wurden wichtige Kriterien ausgewählt, um die ökologischen und sozialen Leistungen zu messen, und in den Jahren darauf konnten die Werte der meisten Kriterien auch deutlich verbessert werden.
Nachdem wesentliche Effizienzziele erreicht wurden, war die Luft aber raus. Klar hätte man hie und da einen Wert noch weiter verbessern oder auch noch ein paar weitere Ziele verfolgen können. Mit den erreichten Ergebnissen war man jedoch bald zufrieden, man konnte sich damit sehen lassen und die rechtlichen Vorgaben werden erfüllt.
Bald stellte sich das Management die Frage, ob man dieses Engagement nun dauerhaft fortführen solle. Schließlich gäbe es genügend weitere Herausforderungen, wie die digitale Transformation, der globale Wettbewerb sowie die Sicherung der Finanzierung. Man müsse Prioritäten setzen und auf veränderte Anforderungen reagieren. Es setzte sich das Argument durch, dass niemandem geholfen wäre, wenn das Unternehmen nur noch in Nachhaltigkeit investiert und zugleich seine Wettbewerbsfähigkeit verliert. Wenn man seine Existenz bedroht, bleiben nur die nicht nachhaltigen Unternehmen im Markt übrig. Nachdem man also Erfolge in der Nachhaltigkeit vorweisen könne, die Anforderungen des Gesetzgebers und die Erwartungen der Kunden erfüllt habe, könne man die Nachhaltigkeit erstmal von der Agenda nehmen und sich nun anderen wichtigen Aufgaben widmen.
„Die niedrig hängenden Früchte sind geerntet, die einfachen und günstigen Maßnahmen umgesetzt. Zunehmend müssen Unternehmen längerfristige Investitionen für ihre grünen Projekte tätigen. Doch Mittel dafür zu finden ist schwierig.“ (Bergius 2014)
Da weiterhin weltweit mehr Ressourcen verbraucht werden als nachwachsen und mehr Schadstoffe emittiert werden, als von der Umwelt aufgenommen werden können, erscheint ein nachlassendes Engagement in der Nachhaltigkeit deutlich verfrüht. Das Gegenteil ist notwendig. Weltweit nimmt der CO2-Ausstoß weiterhin zu, das Pariser Klimaziel wird nicht einmal planerisch erreicht und soziale Mindeststandards werden in den Lieferketten nach wie vor verletzt. Viele Unternehmen sind zwar sehr bemüht, ein gutes Bild abzugeben, tiefgreifende und konsequente Anpassungen findet man dennoch selten. Bestehende Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle werden bewahrt, um den kurzfristigen Erfolg zu sichern und eine optimierte Nachhaltigkeitskommunikation sichert die Reputation (vgl. Vanini, Schubert 2022, S. 48). Zwischen der Perspektive des einzelnen Unternehmens und den globalen Herausforderungen klaffen große Lücken. Aus dem globalen Blick lassen sich nicht ohne weiteres konkrete Anforderungen für die Unternehmenssteuerung ableiten.
In den dominierenden, finanzbasierten Steuerungskonzepten der Unternehmen ist solch eine logische Beziehung zwischen dem „großen Ganzen“ und dem täglichen Handeln hingegen fest etabliert. Die aus dem Kapitalmarkt abgeleiteten Verzinsungsanforderungen der Kapitalgeber sind eins zu eins im Steuerungssystem der Unternehmen abgebildet. Geschäftsfelder bis hin zu einzelnen Produkten und Leistungen erfahren nur dann ihre Existenzberechtigung, wenn sie mindestens diese Verzinsungsanforderung erfüllen. Und Investitionsentscheidungen werden nur dann positiv beschieden, wenn sie zu einer Wertsteigerung beitragen, sprich: die Investitionen im Unternehmen sind profitabler als eine Anlage am Kapitalmarkt.
Über solch eine verblüffende Logik zwischen dem weltweiten Kapitalmarkt und den alltäglichen Entscheidungen im Unternehmen verfügt die Nachhaltigkeit (noch) nicht. Dieser konzeptionelle Nachteil einer fehlenden Verbindung zwischen globalen Anforderungen und dem Wirken des einzelnen Unternehmens bis hin zu den alltäglichen operativen Entscheidungen behindert die weitere Entwicklung der Nachhaltigkeit. Die Konkurrenz der schlüssigen finanzbasierten Konzepte scheint übermächtig und dominiert in den meisten Unternehmen, trotz Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Auch in der Managementausbildung sind solche wertbasierten Konzepte weiterhin fest etabliert.
Regulatorische Anforderungen
Aufgrund der begrenzten Eigenmotivation nicht weniger Unternehmen, sich nachhaltig zu transformieren, spielen rechtliche und formale Anforderungen im Nachhaltigkeitsmanagement eine große Rolle. Zu nennen sind beispielsweise:
Berichtspflichten nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
EU-Vergaberichtlinie zur Erlangung öffentlicher Aufträge
Lieferkettengesetz zum Schutz von Menschen- und Kinderrechten in vorgelagerten Lieferketten
EU-Taxonomie-Verordnung zur Förderung eines nachhaltigen Finanzwesens
CO2-Steuer zur Belastung von Treibhausgasemissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger.
Gesellschaftliche Erwartungen
Darüber hinaus ist auch ein gesellschaftlicher Wandel zu beobachten. Das Pariser Klimaabkommen erreichte eine weltweite Verpflichtung zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen. Bewegungen wie Fridays for Future und deren Unterstützung durch Scientists for Future förderten die mediale Präsenz des Klimawandels und die Parteiprogramme unterscheiden sich nicht darin, ob der Klimawandel bekämpft werden soll, sondern wie. Die größte Motivation für nachhaltiges Handeln sollte nicht der Druck regulatorischer Maßnahmen oder abwandernder Kunden sein, sondern dass es sich schlichtweg nicht gehört, anderen Schäden zuzufügen. Ein moralisch verantwortliches Handeln kann sich in einem wettbewerblichen System aber scheinbar nur schwer durchsetzen.
Nachfolgende Ergebnisse einer Befragung von 51 Nachhaltigkeitsverantwortlichen überwiegend größerer deutscher Unternehmen im Jahre 2021 durch die Universität Mannheim und die Bertelsmann-Stiftung bestätigen die Bedeutung formaler Vorgaben für das Nachhaltigkeitsengagement. Das dominierende Thema ist aktuell der Klimawandel und die Begrenzung der Treibhausgasemissionen. Für knapp zwei Drittel der befragten Unternehmen sind die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft und der Einsatz nachhaltiger Rohstoffe, die EU-Taxonomie, das Lieferkettengesetz, die Berichtspflichten und die nachhaltige Finanzierung sehr bzw. eher wesentlich.
Abb. 1.1: Wesentliche Themen für die Nachhaltigkeitstransformation in den nächsten Jahren (Quelle: Kunzlmann, Edinger-Schons, Kraemer 2021, S. 29)
Erwartungen des Kapitalmarkts
Die Beschäftigung mit der Nachhaltigkeit ist dabei keinesfalls nur eine von außen an die Unternehmen herangetragene Forderung, vielmehr dient diese auch der originären Zielerreichung. Die Sicherstellung des langfristigen Unternehmenserfolgs und damit der Steigerung des Unternehmenswertes erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit den Faktoren, die den langfristigen Erfolg sicherstellen. Eine Begrenzung auf betriebswirtschaftliche Kennzahlen aus dem Rechnungswesen reicht hierfür bei Weitem nicht aus.
Die nachfolgende Abbildung zeigt, wie sich die Bedeutung materieller und immaterieller Vermögenswerte in den letzten Jahrzehnten bei den Unternehmen des US-amerikanischen Aktienindex S&P 500 drastisch verändert hat. Die Bedeutung immaterieller Werte ist enorm gestiegen. Sie erklären den weitaus größten Teil der Unternehmenswerte.
Immaterielle Werte finden sich nur zu einem geringen Anteil in der Bilanz. Es handelt sich vielmehr um den von Anlegern erwarteten Wert, der sich aus dem zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ergibt. Hinter dem immateriellen Wert verstecken sich also Positionen, die den zukünftigen Erfolg erklären. Dies sind beispielsweise die Reputation des Unternehmens, die Qualifikation der Mitarbeiter, die Attraktivität für neue Mitarbeiter, die Innovationskraft des Unternehmens, die Resilienz im Umgang mit dem Klimawandel, die Akzeptanz in der Gesellschaft, … Diese Faktoren entziehen sich weitgehend den etablierten betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten und dem betrieblichen Rechnungswesen. Die Bedeutung materieller Vermögenswerte ist nur noch gering, und doch dominieren sie die Kennzahlensysteme wie etwa den ROI-Treiberbaum.
Abb. 1.2: Entwicklung des Anteils materieller und immaterieller Vermögenswerte am Unternehmenswert (Quelle: Ocean Tomo 2020)
Aus dieser Erkenntnis lässt sich folgern, dass eine allein auf das Finanz- und Produktionskapital ausgerichtete Unternehmenssteuerung unzureichend ist. Es ist ebenso das Humankapital der Mitarbeiter, das geistige Eigentum, die Nutzung ökologischer Ressourcen und die Beziehung zu den Stakeholdern zu steuern. Die Steuerung all dieser Kapitalarten vermag den Cashflow langfristig zu steigern und die Risiken zu begrenzen. Beides ist ursächlich für einen hohen Unternehmenswert. Die aufgeführten Kapitalarten stehen zugleich im Zentrum des Integrated-Reporting-Ansatzes, der im neunten Kapitel aufgegriffen wird. Die integrierte Berichterstattung soll zu einer integrierten Unternehmenssteuerung führen. Die zu steuernden Kapitalarten sind sowohl wirtschaftlicher, als auch ökologischer und sozialer Herkunft. Der Ansatz vertritt somit die Überzeugung, dass wirtschaftlicher Erfolg in Form eines hohen Unternehmenswertes nur durch eine integrierte nachhaltige Unternehmenssteuerung erfolgen kann. Nachhaltigkeit behindert den wirtschaftlichen Erfolg nicht, sondern ist eine Voraussetzung für diesen.
Entwicklungsstufen der unternehmerischen Nachhaltigkeit
Die Einschätzung, dass Nachhaltigkeit eine Voraussetzung für langfristigen Erfolg ist, wird keinesfalls von allen Unternehmen geteilt. Es finden sich sehr unterschiedliche Ausprägungen, wie die Nachhaltigkeit etabliert ist und umgesetzt wird. Nachfolgende Systematik zur Entwicklungsreife der Nachhaltigkeit hilft dabei, den Umsetzungsstand der Nachhaltigkeit in den Unternehmen besser einzuordnen (vgl. Schneider 2015, S. 32ff.). Das Reifegradmodell der CSR stellt von links nach rechts einen zunehmenden Nutzen für die Gesellschaft und für die Umwelt dar.
Tabelle 1.1: Reifegrad der Nachhaltigkeit in Unternehmen (vgl. Schneider 2015, S. 32ff.)
Es geht nicht mehr um das Warum, sondern um das Wie!
In weiten Teilen der Gesellschaft wird der Nachhaltigkeit eine hohe Relevanz zugesprochen. Ein Buch zur Nachhaltigkeit muss nicht mehr, wie noch vor einigen Jahren, in der Einführung eine ausführliche Rechtfertigung enthalten. Es geht nicht mehr um das „Warum“, sondern um das „Wie“. Unternehmen als bedeutsame gesellschaftliche Akteure, die einerseits für großen Wohlstand sorgen, andererseits aber auch für große ökologische und soziale Schäden verantwortlich sind, müssen sich insbesondere um das „Wie“ kümmern.
Begriff der Nachhaltigkeit
Der Begriff der Nachhaltigkeit bzw. Sustainability stammt aus dem lateinischen „sustinere“, das mit aufrechterhalten oder bewahren übersetzt werden kann. Es sollen Strukturen und Prozesse geschaffen werden, die dauerhaft Bestand haben und lebensfähig sind (vgl. Grober 2010, S. 19f.). Die erstmalige Nutzung des Begriffs der Nachhaltigkeit wird Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) zugeschrieben, der für die Forstwirtschaft einen vorausschauenden Umgang proklamierte. Man solle Holz nur in dem Umfang schlagen, wie es wieder nachwächst. Allerdings dürfte das seit jeher eine Maxime vernünftig handelnder Menschen gewesen sein. Jäger und Sammler sind aus ihren Jagdgebieten weitergezogen, bevor die Bestände dezimiert wurden. Und auch die ersten sesshaften Bauern wussten, dass sie einen Teil der Ernte wiederum für die Aussaat benötigen und mit ihrem knappen Boden pfleglich umgehen müssen.
1972 erlange die Studie „The Limits to Growth“ des Massachusetts Instituts of Technology (MIT) weltweit Aufmerksamkeit. In dieser vom Club of Rome initiierten Studie wurde ein Simulationsmodell für die Entwicklung der Weltwirtschaft und der Lage der Menschheit erstellt. Dabei wurde prognostiziert, dass im Laufe der nächsten 100 Jahre die Wachstumsgrenzen erreicht, natürliche Ressourcen aufgebraucht sind, es zu irreparablen Umweltschäden kommt und die industrielle Produktion sowie die Bevölkerungszahl sinkt. Auch wenn die Studie nicht unkritisiert blieb und im weiteren Verlauf Anpassungen vorgenommen wurden, war die Notwendigkeit einer systemischen Betrachtung der natürlichen Umwelt und des Wohlstands gesetzt (vgl. Meadows u.a. 1987).
Eine weithin akzeptierte Definition der Nachhaltigkeit stammt aus dem sogenannten Brundtland-Bericht aus dem Jahre 1987. Gro Harlem Brundtland, ehemalige norwegische Ministerpräsidentin, leitete die von den Vereinten Nationen beauftragte Kommission „World Commission on Environment and Development“, deren Abschlussbericht mit dem Titel „Our Common Future“ zumeist als Brundtland-Bericht bezeichnet wird. Hierin wurde das Leitbild einer Nachhaltigen Entwicklung entworfen und der Begriff der Nachhaltigkeit maßgeblich geprägt (vgl. World Commission on Environment and Development 1987).
„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, welche die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation befriedigt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“
(https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/brundtland_report_563.htm, Abruf: 27.02.22)
Diese Definition der nachhaltigen Entwicklung ist weit verbreitet und hat eine hohe Akzeptanz gefunden. Diese impliziert eine Gerechtigkeit zwischen den Generationen wie auch die Gerechtigkeit innerhalb einer Generation. So plausibel diese Definition ist, so abstrakt ist sie auch. Als konkrete Handlungsanleitung ist sie wenig geeignet.
Eine ähnliche Definition findet sich beim Rat für Nachhaltige Entwicklung, der 2001 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder einberufen wurde, um die Bundesregierung in der Nachhaltigkeitspolitik zu beraten.
„Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Zukunftsfähig wirtschaften bedeutet also: Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen. Das eine ist ohne das andere nicht zuhaben.“
(Rat für Nachhaltige Entwicklung, in https://www.nachhaltigkeitsrat.de/nachhaltige-entwicklung/ Abruf: 27.02.22)
Nachhaltige Entwicklung und Nachhaltigkeit werden zumeist synonym verwendet. Die genannten Bedürfnisse können wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Natur sein. Hierbei ist anzustreben, dass weltweit alle diese Bedürfnisse befriedigen können. Darüber hinaus darf die gegenwärtige Befriedigung der Bedürfnisse nicht zu Lasten zukünftiger Generationen gehen.
3-Säulen-Modell und Triple-Bottom-Line
1992 fand die erste UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro statt. Mit 178 teilnehmenden Ländern wurde die Nachhaltigkeit zum Leitprinzip der Politik erklärt und das 3-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit, die Integration wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Aspekte, begründet. Nachhaltigkeit basiert also auf diesen drei Säulen (vgl. Gabriel, Sailer 2021, S. 33ff.). Das Abstraktionsniveau dieses Leitbildes ist allerdings recht hoch, so dass es bei konkreten betrieblichen Maßnahmen kaum als Entscheidungshilfe dienen kann (vgl. Weber, Georg, Janke, Mack 2012, S. 14).
Abb. 1.3: 3-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit
Durch sogenannte Managementregeln wird das Leitbild der Nachhaltigkeit konkretisiert. Aus dem noch eher abstrakten Nachhaltigkeitsverständnis der Brundtland-Definition können Handlungsprinzipien abgeleitet werden. Die Nachhaltigkeitswirkungen von Maßnahmen können daran gemessen werden, wie stark sie diesen ökonomischen, ökologischen und sozialen Managementregeln folgen (vgl. Burschel, Losen, Wiendl 2004, S. 31f.).
Ökonomie
Ökologie
Soziales
Es ist ein ausreichend hoher Cashflow zu erwirtschaften, der die Liquidität des Unternehmens jederzeit sichert und den Shareholdern attraktive Wertsteigerungen und Ausschüttung ermöglicht.
Natürliche Ressourcen sollen höchstens in dem Umfang verbraucht werden, wie sich diese bzw. wie sich Substitute reproduzieren. Es sollen keine Emissionen verursacht werden, die die natürliche Aufnahmekapazität übersteigen, und es soll nichts gemacht werden, was die natürlichen Ökosytemdienstleistungen zerstört.
Für die Stakeholder soll der Wert durch eine Steigerung des Humankapitals Einzelner und durch die Erhöhung des Sozialkapitals der Gemeinschaft gesteigert werden. Das Sozialkapital soll stets im Interesse der Stakeholder gemanagt werden.
Tabelle 1.2: Nachhaltigkeitsziele (vgl. Dyllick, Hockerts 2002, S. 133, frei übersetzt)
In der Praxis wird der Begriff des Triple-Bottom-Line-Ansatz häufig benutzt. Demnach werden ökonomische, ökologische und soziale Anforderungen gleichrangig angesehen. Der ökonomische Erfolg ist etwa Voraussetzung für die Finanzierbarkeit ökologischer und sozialer Maßnahmen. Ökonomischer Erfolg ist aber nur in einem stabilen sozialen Umfeld möglich und ohne eine gesunde Umwelt gibt es keine stabilen sozialen Systeme, ohne die sich auch Unternehmen nicht erfolgreich entwickeln können.
In der Unternehmenspraxis wird diese vernetzte, gleichwertige gegenseitige Abhängigkeit der drei Dimensionen oftmals so nicht gesehen (vgl. Weber, Georg, Janke, Mack 2012, S. 17). Häufig wird die ökonomische Dimension über die soziale und ökologische Dimension gestellt. Anders gesagt: soziale und ökologische Maßnahmen werden dann ergriffen, wenn sie das ökonomische Ziel fördern. In Abgrenzung zum gleichgewichtigen Triple-Bottom-Line-Ansatz wird dieser als Ökonomischer Triple-Bottom-Line-Ansatz bezeichnet.
Aus einer übergeordneten Perspektive greift die ökonomisch dominierte Betrachtung des Triple-Bottom-Line-Ansatzes zu kurz. Schließlich ist die Basis jeglichen Lebens eine gesunde Umwelt. Und Unternehmen stehen nicht neben der Gesellschaft, sondern sind ein Teil von ihr. Aus diesem Grunde sollte die Umwelt die Basis bilden, dem die Gesellschaft als Ganzes und die Unternehmen als Teil dieser folgen. Dies sieht auch der an der Nürtinger Hochschule entwickelte Managementansatz zur nachhaltigen Betriebswirtschaft vor.
Abb. 1.4: Nürtinger Modell einer Nachhaltigen Betriebswirtschaft (Quelle: Gabriel, Ernst 2021, S. 26)
Basis sind die planetaren Grenzen. Diese geben die physikalischen Rahmenbedingungen für sämtliche wirtschaftlichen Aktivitäten vor. Ein „take, make and waste“ ist mit einer endlichen Welt langfristig unvereinbar. Unternehmen sind ein Teil der Gesellschaft und erbringen innerhalb der planetaren Grenzen und des gesellschaftlichen Rahmens ihre Wertschöpfung. In der traditionellen Betriebswirtschaft erstreckte sich die Leistung darin, die Wertschöpfung für den größtmöglichen wirtschaftlichen Erfolg auszugestalten. Ein nachhaltiges Management geht aber darüber hinaus. Es muss die Akzeptanz der Gesellschaft und die planetaren Grenzen in die Ausgestaltung der Wertschöpfung einbinden (Gabriel, Ernst 2021, S. 27). Damit ist auch der Verantwortungsbereich eines nachhaltigen Controllings abgedeckt, da Controller das Management dabei unterstützen, rationale Entscheidungen zu treffen.
Der ökonomische Triple-Bottom-Line-Ansatz ist häufig bei größeren, managementgesteuerten Unternehmen vorzufinden. Die Nachhaltigkeit hat sich hierdurch aus einer restriktiven, kostenverursachenden Ecke heraus zu einem stärker innovativen Ansatz entwickelt. Die Innovationen führen zu Kosteneinsparungen, zu neuen Produkten oder zur Begrenzung von Nachhaltigkeitsrisiken. Dennoch werden solche Maßnahmen zumeist nur ergriffen, wenn sie zugleich wirtschaftlich sind und nicht allein deshalb, weil sie nachhaltig sind. In der Kommunikation wird die Nachhaltigkeit hingegen als Selbstzweck dargestellt.
Nachhaltigkeitsmanagement, CSR und ESG
War es aber nicht schon immer die Aufgabe der Unternehmen, wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen? Hierfür wird der Begriff der Nachhaltigkeit nicht benötigt und auch eine Nachhaltige Betriebswirtschaft ist hierdurch nicht zu begründen.
„Nachhaltigkeitsmanagement strebt „unternehmerische Nachhaltigkeit (corporate sustainability) durch die Steuerung von ökologischen, sozialen und ökonomischen Wirkungen an, um erstens eine nachhaltige Unternehmens- und Geschäftsentwicklung zu erreichen und zweitens einen positiven Beitrag des Unternehmens zur nachhaltigen Entwicklung der gesamten Gesellschaft sicherzustellen“ (Schaltegger 2015, S. 202)
Der in der Unternehmenspraxis häufig genutzte Begriff CSR, die Corporate Social Responsibility, grenzt sich vom Nachhaltigkeitsmanagement dadurch ab, dass Unternehmen auf freiwilliger Basis auf gesellschaftliche Belange reagieren und sich hierzu mit den Stakeholdern austauschen. CSR ist somit enger gefasst als das Nachhaltigkeitsmanagement. Das Nachhaltigkeitsmanagement umfasst alle und nicht nur die freiwilligen Aktivitäten, um die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens und der Gesellschaft zu fördern. Neben der Integration ökologischer und sozialer Belange in das Steuerungssystem des Unternehmens gehören hierzu auch die Entwicklung einer nachhaltigen Organisation, nachhaltiger Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle. Dies geht somit weit über die reine Beseitigung negativer Effekte hinaus. (vgl. Schaltegger 2015, S. 202)
Ein weiterer, in der Praxis häufig genutzter Begriff ist ESG als Abkürzung für Environmental, Social und Governance. Unter letzterem versteht man die verantwortungsvolle Unternehmensführung. Dies beinhaltet beispielsweise Transparenz in der Unternehmensführung und wirkungsvolle Aufsichtsgremien. ESG hat sich vor allem in der Finanzbranche etabliert, setzt sich nun aber zunehmend auch bei Unternehmen durch. Nachhaltigkeit und ESG sind folgendermaßen abzugrenzen:
Nachhaltigkeit
ESG
Nachhaltigkeit ist das Handlungsprinzip, mit endlichen Ressourcen so umzugehen, dass heutige und künftige Generationen ihre Bedürfnisse befriedigen können. Dies umfasst ökonomische, ökologische und soziale Aspekte.
ESG bezieht sich auf die Verantwortung und Leistung von Unternehmen in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt, ihren Umgang mit sozialen Aspekten und die Art und Weise der Unternehmensführung wie Transparenz und Einhaltung von Standards.
In diesem Buch wird weitgehend die Bezeichnung „Nachhaltigkeit“ genutzt, da diesem die Auffassung einer ökonomisch, ökologisch und sozial integrierten Unternehmenssteuerung zugrunde liegt. Bei ESG fehlt die ökonomische Dimension, wodurch diese von ökologischen und sozialen Inhalten eher abgegrenzt als integriert wird. Die Begriffswahl sollte jedoch nicht zu spitzfindig bewertet werden. Dort wo in der Literatur und in Originalquellen die Bezeichnung ESG genutzt wird, vorwiegend im Finanzsektor, findet sich dies vereinzelt auch hier im Buch.
Sustainable Development Goals
Eine große Bekanntheit erlangten die 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Sustainable Development Goals, kurz SDGs. Die SDGs ersetzten die acht Millenniums-Entwicklungsziele, welche die Vereinten Nationen für den Zeitraum von 2000 bis 2015 verfolgt haben. Die SDGs umfassen 17 Handlungsfelder der Nachhaltigkeit und sind als globaler Aufruf zum Handeln zu verstehen, um weltweit bis 2030 die darin definierten Ziele zu erreichen. Insbesondere sollen bis 2030 weltweit Armut und Hunger verschwunden sein. Die Ziele sind zwar primär an Staaten adressiert, werden aber auch von zahlreichen Unternehmen aufgegriffen, um ihr Nachhaltigkeitsengagement daran auszurichten.
„Als Teil der globalen Gemeinschaft orientieren wir unsere Nachhaltigkeitsziele an den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen. Wir fokussieren uns dabei auf 9 SDGs, bei denen wir den größten Impact in unserem Geschäftsmodell, Lieferketten und Sortimenten haben. Sie bilden unseren Rahmen dafür, wie wir Sozial- und Umweltverantwortung verstehen, für die Tchibo Welt konkretisieren und in unseren Geschäftsprozessen umsetzen.“ (Quelle: Tchibo GmbH 2020, S. 28)
Die 17 Handlungsfelder sind in folgender Abbildung dargestellt:
Abb. 1.5: Sustainable Development Goals (Quelle: UNESCO 2019, https://www.unesco.de/bildung/bildungsagenda-2030/bildung-und-die-sdgs)
Die detaillierten Inhalte und Ziele der Handlungsfelder können an zahlreichen Stellen im Internet nachgelesen werden, etwa bei der UNESCO oder beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ):
Links:https://www.unesco.de/bildung/bildungsagenda-2030/bildung-und-die-sdgs-https://www.bmz.de/de/ministerium/ziele/2030_agenda/17_ziele/index.html
Der Umsetzungsstand der 17 SDGs lässt sich im Detail auf der Website des sogenannten SDG-Trackers (https://sdg-tracker.org) verfolgen, der auf der Online-Plattform „Our World in Data“ (https://ourworldindata.org) angeboten wird. Hierbei werden die 17 SDG, 169 Unterziele und 232 Indikatoren beschrieben und die aktuellen Ausprägungen der Indikatoren werden visuell durch Grafen und Karten sowie durch Tabellen, die auch zum Download zur Verfügung stehen, dargestellt:
“Our World in Data’s SDG Tracker is a free, open-access resource where users can track and explore global and country-level progress towards each of the 17 Sustainable Development Goals through interactive data visualizations. This resource is kept up-to-date with all of the latest data across all of the 17 Goals.”
(Quelle: https://sdg-tracker.org, Abruf: 05.03.2022)
Gegen Nachhaltigkeit lässt sich kein überzeugendes Argument finden. Eine langfristig erfolgreiche Steuerung der Unternehmen, die Wahrung der Umwelt, ein sorgsamer Umgang mit Ressourcen und die Einhaltung ethisch weithin akzeptierter Standards, überzeugen. Zwischen der Überzeugung und dem Tun liegen, wie so oft, noch viele Hürden. Nachhaltigkeit ist weniger ein Erkenntnis- als ein Umsetzungsproblem. Die Umsetzung und die dabei auftretenden Schwierigkeiten werden im folgenden Abschnitt diskutiert.
Nicht nur auf der strategischen und geschäftspolitischen Ebene wird eine nachhaltige Transformation behindert, sondern auch in der Art und Weise, wie Unternehmen traditionell gesteuert werden. Bewährte und etablierte Steuerungskonzepte erschweren oftmals eine nachhaltige Ausrichtung des Unternehmens. In diesem Abschnitt werden zehn in der Unternehmenssteuerung begründete Hemmnisse für eine rasche nachhaltige Transformation vorgestellt. Deren Kenntnis ist eine wichtige Voraussetzung, um ein wirksames Nachhaltigkeitscontrolling zu errichten.
[1]Trägheit von Transformationen
[2]Schwierige oder fehlende Messung der Nachhaltigkeit
[3]Komplexe Ursache-Wirkungsbeziehungen
[4]Wenig etablierte Steuerungsinstrumente
[5]Unklare Zielsysteme
[6]Langfristige Wirkungen
[7]Das Gefangenendilemma
[8]Der Einzelne vs. die globalen Herausforderungen
[9]Die Dominanz wirtschaftlicher Ziele
[10]Durch Fremd-Manager gesteuerte Unternehmen
Hemmnis 1: Trägheit von Transformationen
Woran liegt es, dass man ökologische und soziale Missstände so schwer in den Griff bekommt? Wenn wir Nachhaltigkeit wünschen, warum unterlassen wir dann nicht einfach die ursächlichen, schädigenden Handlungen? Viele Unternehmen zögern, sich strategisch neu auszurichten und die Geschäftsmodelle anzupassen. Nachhaltigkeit ist dann nicht im Kerngeschäft verankert und unzureichend in die Geschäftsprozesse integriert (vgl. Sassen u.a. 2021, S. 24). Hier werden wohl häufig Gefahren gesehen, die man eben so lange vermeidet, wie man das bestehende Geschäftsmodell noch absichern und fortführen kann. Abgesehen von einigen Innovatoren halten sich viele Unternehmen zurück und fokussieren sich darauf, Risiken zu verhindern. In einer risikoaversen Rechtfertigungskultur ist es eben wichtiger ein Risiko zu verhindern als eine Chance zu realisieren. Veränderungen werden erst dann ergriffen, wenn sie nicht mehr vermeidbar sind – sprich: die Nicht-Veränderung wird plötzlich selbst als Risiko wahrgenommen. Die Kultur bürokratisch gesteuerter Unternehmen birgt die Gefahr von Trägheit und verspäteter Anpassungen in sich.
Ein weiterer Grund für die Trägheit einer nachhaltigen Transformation mag in einer verzerrten Wahrnehmung liegen. So steht oftmals im Raum, dass Nachhaltigkeit der Wirtschaftlichkeit tendenziell schade. Man müsse sich Nachhaltigkeit leisten können. Entwickelt sich dies zu einem Narrativ, werden nachhaltige Maßnahmen nur dann vorgeschlagen, wenn die Wirtschaftlichkeit eindeutig belegbar ist. Falls der Nachweis aber zweifelhaft ist, werden Vorschläge für nachhaltige Maßnahmen erst gar nicht unterbreitet (vgl. Judick 2018, S. 102). Nicht nachhaltig zu sein, muss nicht gerechtfertigt werden und die Nachhaltigkeit ist mit dem Makel belegt, wohl kaum wirtschaftlich zu sein. Gegen ein Narrativ anzukämpfen, erfordert einen kulturellen Wandel (siehe Kapitel 11). Studien, die das Gegenteil belegen, gibt es, doch schaffen sie es kaum, ein Narrativ zu beseitigen (vgl. Bernatzky, Endenich, Wömpener 2018, S. 204f.).
„Bereits vor einigen Jahren haben Politik und Wirtschaft einen Kompromiss zu Lieferketten beschlossen, der eine freiwillige Selbstverpflichtung aller deutschen Unternehmen zur Wahrung von Menschenrechten und Umweltschutz bei ihren Aktivitäten beinhaltete – allerdings ohne das gewünschte Ergebnis: Eine Befragung ergab, dass nur eines von fünf Unternehmen diese freiwillige Selbstverpflichtung erfüllt.“
(Fratzscher 2021)
Die wichtigsten Hemmnisse für die Nachhaltigkeitstransformation werden von 51 befragten Nachhaltigkeitsverantwortlichen größerer deutscher Unternehmen gemäß nachfolgender Abbildung genannt. In mehr als der Hälfte der Unternehmen sind Kosten und fehlende Ressourcen ein wesentliches Hindernis für die Umsetzung der Nachhaltigkeit. Dies drückt, genau wie das an dritter Stelle genannte Kriterium, aber nur aus, dass ein Unternehmen andere Prioritäten setzt. Und in jeweils mehr als einem Drittel der Unternehmen verhindern die Geschäftsführung bzw. das mittlere Management die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen.
Abb. 1.6: Hemmnisse für die Nachhaltigkeitstransformation (Quelle: Kunzlmann, Edinger-Schons, Kraemer 2021, S. 26)
Hemmnis 2: Schwierige oder fehlende Messung der Nachhaltigkeit
Betriebswirtschaftliche Entscheidungen treffen wir häufig auf Basis von Kosten und Erlösen oder Ein- und Auszahlungen. Wir investieren, wenn der Barwert der zukünftigen Einzahlungsüberschüsse die Auszahlungen übersteigt, und wir kalkulieren Aufträge und Preise für Produkte und Dienstleistungen auf Basis der zurechenbaren Kosten. Das Rechnungswesen stellt die zentralen Informationen bereit, mit denen unternehmerische Entscheidungen getroffen werden und jeder angehende Kaufmann erlernt den Umgang mit diesen Daten. Unter den Betriebswirten sind die Controller die Experten, die schwerpunktmäßig auf Basis des Rechnungswesens die Entwicklung des Unternehmens planen, Maßnahmen beurteilen und die Umsetzung begleiten. Was im Rechnungswesen nicht erfasst wird, unterliegt der Gefahr, übersehen oder unterschätzt zu werden. An (Quartals-)Ergebnissen ausgerichtete Steuerungs- und Vergütungskonzepte verstärken diesen Effekt. Folgende Beispiele sollen dies verdeutlichen:
Investitionen in Mitarbeiter, also Maßnahmen der Weiterbildung, aber auch der Team- und Organisationsentwicklung, werden im Rechnungswesen nur als Aufwand dokumentiert. Im Vergleich zum Kauf einer Maschine werden durch die fehlende Aktivierung die damit gewonnenen Potenziale ausgeblendet.
Eine sehr hohe Arbeitsbelastung führt zu Überlastung, Arbeitsunfällen und teils zur Erkrankung (Burnout) von Mitarbeitern. Die Heilungskosten trägt nicht das Unternehmen, sondern die Versichertengemeinschaft.
Die Produktion führt zu einer Zerstörung oder Verschmutzung der Umwelt (CO2-Emission, Rodung von Waldflächen, Überfischung, …). Die daraus entstehenden Folgekosten werden vom Unternehmen weder erfasst nochbezahlt.
Der Gebrauch mancher Produkte schädigt die Kunden langfristig (Nikotin, gesüßte Speisen, Fast Food, …). Die daraus entstehenden Folgekosten fallen nicht beim Unternehmen an, sondern werden vom Kunden und von der Gesellschaft getragen.
Werden diese Kosten im herkömmlichen Steuerungssystem des Unternehmens nicht erfasst, so werden sie auch nicht systematisch bei den Entscheidungen berücksichtigt. Es mag viele nachvollziehbare Gründe geben, warum die in den aufgeführten Beispielen genannten Kosten im Unternehmen nicht ohne weiteres verbucht werden können. Vielfach ist die Höhe der Kosten unbekannt oder es ist fraglich, ob und in welchem Umfang diese Kosten überhaupt einem einzelnen Unternehmen zugerechnet werden können. Die Peter Drucker zugeschriebene Aussage: „What gets measured, gets managed“, legt diesen Zusammenhang nahe. Was man messen kann, wird gesteuert. Dies sollte allerdings nicht als Ausrede benutzt werden, um alles, was man nicht oder nur schwer messen kann, zu vernachlässigen. Eine zuverlässige Messbarkeit ist für die Steuerung sicherlich hilfreich, aber kein Kriterium für die Bedeutsamkeit.
Nachhaltigkeit führt zu einer Erweiterung der entscheidungsrelevanten Informationen. So sind neben den Daten aus dem Rechnungswesen auch Informationen über den CO2-Ausstoß, den Energieverbrauch, über die Einhaltung der Sozialstandards bei den Lieferanten, … notwendig. Die für eine nachhaltige Steuerung notwendigen Daten liegen oftmals weder quantifiziert noch monetarisiert noch in der Genauigkeit und Zuverlässigkeit vor, wie die Daten aus dem Rechnungswesen. Die zahlreichen ökologischen Messkonzepte wie Materialstromanalysen, die Ökologische Gewinn- und Verlustrechnung oder die Ökoeffizienzanalyse, finden sich noch selten im Werkzeugkasten der Controller. Die Ergebnisse dieser Werkzeuge liegen zumeist in Form technischer Maßeinheiten vor. Dies erschwert die Integration in bestehende Steuerungssysteme.
In den letzten Jahren entstanden verschiedene Initiativen mit dem Ziel, ökologische und soziale Wirkungen nicht nur zu quantifizieren, sondern auch zu monetarisieren. Zu nennen ist hier beispielsweise die Value Balancing Alliance, der True Value von KPMG oder die Impact-Weighted Financial Accounts der Harvard Business School. Diese Ansätze sind aktuell zwar noch in der Entwicklung, doch könnten damit ökologische und soziale Wirkungen in die ökonomischen Daten integriert werden. Sofern sich diese Ansätze durchsetzen, sofern sie praktikabel sind und sofern sie auch Eingang in die Nachhaltigkeitsberichterstattung finden, könnten daraus umfassend integrierte und nachhaltige Steuerungssysteme entstehen. Dies würde das Controlling der Nachhaltigkeit auf eine neue Ebene stellen. Der Ansatz der Value Balancing Alliance wird im sechsten Kapitel vorgestellt.
Es ist keinesfalls so, dass nur die Nachhaltigkeit Messschwierigkeiten verursacht. Dies trifft auch auf die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit, die Produktqualität oder die Innovationsstärke zu. Dennoch müssen auch diese gesteuert werden. Die Herausforderung, trotz schwieriger Messung zu steuern, ist bei der Nachhaltigkeit keinesfalls einzigartig.
Beispiel
Die Produktionsverlagerung vom Stammhaus an einen ausländischen, günstigen Zulieferer verringert zuhause den CO2-Ausstoß. Bestehen im Ausland geringere Umweltschutzvorschriften, wird der CO2-Ausstoß möglicherweise im Ausland stärker ansteigen, als er im Inland gesenkt wurde. Hinzu kommen noch Transportkosten und die dadurch verursachten Umweltbelastungen. Betrachtet der Hersteller nur die Umweltverschmutzung innerhalb seiner eigenen Werkshalle und nicht die der gesamten Wertschöpfungskette, erscheint die Maßnahme als äußerst umweltfreundlich. Noch schwieriger wird die Beurteilung, wenn beim ausländischen Lieferanten auch noch soziale Mindeststandards missachtet werden. Kann man die inländische CO2-Einsparung mit der Verletzung sozialer Mindeststandards aufrechnen und dabei ermitteln, ob die Maßnahme in Summe vorteilhaft ist? Wohl kaum. Die in weiten Teilen der Ökonomie und vor allem im Controlling übliche Quantifizierung, Summierung und Saldierung ist im sozialen und ökologischen Umfeld nur in engen Grenzen möglich.
Hemmnis 3: Komplexe Ursache-Wirkungsbeziehungen
Wird das Controlling über die Ökonomie hinaus auch auf die Ökologie und auf die Gesellschaft ausgedehnt, erweitert sich das relevante System und es nimmt die Anzahl der Systemelemente zu. Dabei sind die vielzähligen Beziehungen zwischen diesen drei Dimensionen zu beachten. Solch ein komplexes System ist wenig durchsichtig und vorhersagbar (vgl. Judick 2018, S. 102).
Beispiel
Die Entwicklung eines innovativen Produktes verringert den CO2-Ausstoß um 20%. In der Öffentlichkeit genießt das Unternehmen durch seine ökologische Produktpolitik hohes Ansehen, wodurch es seinen Absatz um 30% steigern kann. Durch diesen Rebound-Effekt steigt der gesamte CO2-Ausstoß. Das Unternehmen ist somit wirtschaftlich erfolgreich und genießt eine hohe gesellschaftliche Reputation, die Umweltverschmutzung ist aber gestiegen.
In den klassischen betriebswirtschaftlichen Steuerungssystemen liegt zumeist eine stringente, auf ein Oberziel hin ausgerichtete Systematik vor. Beispielsweise können auf Basis des Ziels „15% Return on Investment (ROI)“ systematisch alle Kenngrößen und Faktoren benannt werden, die dieses Oberziel beeinflussen. So wird der ROI direkt über die Umsatzrendite und den Kapitalumschlag beeinflusst. In einer, zugegebenermaßen recht mechanistischen Vorstellung, kann beispielsweise die geplante Verringerung des Lagerbestands an Rohstoffen direkt durch die daraus resultierende Steigerung des ROI bewertet werden. Wenn der Lagerbestand sinkt, sinkt auch die Kapitalbindung und der Kapitalumschlag (= Umsatz/gebundenes Kapital) steigt. Dadurch steigt der ROI, der sich aus der Multiplikation von Kapitalumschlag und Umsatzrendite ergibt. Solche linearen und einfachen Modelle werden häufig genutzt, um Kosteneinsparungen zu begründen.
Bei den vielfältigen Dimensionen der Nachhaltigkeit wird schnell offensichtlich, dass hier in aller Regel keine linearen Zusammenhänge bestehen und diese sich häufig auch nicht durch einfache mathematische Formeln beschreiben lassen. Dies liegt schon daran, dass kein eindeutiges, nachhaltiges Oberziel existiert. Es gibt nicht die eine Kenngröße, die alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit integriert. Einzelne Maßnahmen können etwa ein ökologisches Teilziel steigern, sich aber negativ auf das ökonomische Ziel auswirken. Dies lässt sich nicht gegenseitig aufrechnen. Hinzu kommt, dass die Auswirkungen vieler Maßnahmen aufgrund komplexer Wirkungsbeziehungen wenig vorhersagbar sind.
Beispiel
In Deutschland werden zahlreiche Granitsteinbrüche aus Gründen des Naturschutzes nicht erweitert oder geschlossen. Das Ziel des Naturschutzes wird hierdurch erst einmal erreicht. Da aber weiterhin die Nachfrage besteht, wird der Granit vermehrt aus Indien und China eingeführt. Hier bestehen in aller Regel keine vergleichbaren ökologischen und sozialen Standards, so dass die Umweltverschmutzung im Vergleich zu einem Abbau in Deutschland, vor allem, wenn man noch den Transport berücksichtigt, insgesamt höher liegt. Die Arbeit im Steinbruch ist in armen Ländern zudem oftmals eine typische Kinderarbeit. Fördert der Rückgang des Granitabbaus in Deutschland damit gar die Kinderarbeit in Indien? Und ist den Kindern geholfen, wenn nur noch Granit ohne Kinderarbeit importiert wird? Solange das Einkommen armer Familien zum Überleben nicht ausreicht und es keine Schulen gibt, werden sich die Kinder eben eine noch schlechtere Arbeit suchen müssen. Das Beispiel zeigt, dass die Beurteilung von Maßnahmen im Hinblick auf die Nachhaltigkeit aufgrund der komplexen Beziehungen ungleich schwieriger ist als in einem mechanistischen betriebswirtschaftlichen Modell.
Solche vielfältigen und vernetzten Systeme, die sich durch Rückkopplungen und Zirkularität im Zeitverlauf oft unberechenbar verändern, sind als komplexe Systeme zu bezeichnen. Und auch die Systemgrenzen verschieben sich. Die ausschließliche Betrachtung der unternehmensinternen Wertschöpfungskette reicht bei der Nachhaltigkeit nicht aus. Aus ökonomischer Sicht ist die wirtschaftliche Wertschöpfung eines Lieferanten unerheblich. Im Nachhaltigkeitscontrolling sind die ökologischen und sozialen Erfolge oder Misserfolge der Lieferanten hingegen in hohem Maße relevant. So verringert sich durch die Auslagerung einer umweltbelastenden Produktion an den Lieferanten schließlich nicht die durch ein Produkt insgesamt verursachte Umweltbelastung. Und der Kunde eines als nachhaltig deklarierten Produkts erwartet, dass die sozialen Mindeststandards auch bei der Rohstofferzeugung und bei der Herstellung der Vorprodukte eingehalten werden und nicht nur auf der letzten Produktionsstufe. Schließlich wird auch eine umweltgerechte Lösung des Entsorgungsproblems erwartet, ob der Hersteller dies nun selbst übernimmt oder nicht.
Hemmnis 4: Wenig etablierte Steuerungsinstrumente
“While new methods and tools designed specifically for sustainability do exist, they’re relatively new, and their penetration and adoption are limited. If the methods are not part of day-to-day routines and practices, it will be difficult to reach judgements and make decisions based on sustainability. In addition, most employees do not have sufficient familiarity with sustainability terminology and frameworks. This is largely because this domain has always been the remit solely of environmental experts.” (Quelle: Farri, Cervini, Rosani 2022)
Im Vergleich zum klassischen operativen Controlling existieren im Nachhaltigkeitscontrolling, insbesondere im sozialen Bereich, noch wenige etablierte und standardisierte Steuerungsinstrumente (vgl. Dubielzig 2009, S. 70ff.; Farri, Cervini, Rosani 2022; Müller 2011a, S. 32f.). Im herkömmlichen Controlling werden zahlreiche Methoden und Instrumente benutzt, die so selbstverständlich sind, dass über ihren Einsatz gar nicht mehr bewusst entschieden wird. Dies sind etwa die Methoden der Kosten- und Leistungsrechnung, die Budgetierung auf Basis der Gewinn- und Verlustrechnung oder der Deckungsbeitragsrechnung, die Kalkulation von Produkten und Aufträgen, eine Break-Even-Analyse oder die Investitionsrechenmethoden. Dies sind alles Grundlagen einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung und sie gehören zum Selbstverständnis dieser Disziplin.
Im Nachhaltigkeitscontrolling finden sich zwar auch viele Instrumente, die aber vorwiegend von Nachhaltigkeitsexperten genutzt werden. In den betriebswirtschaftlichen Standardlehrbüchern finden sich diese Instrumente nahezu nicht. Selbst einen Überblick über die verschiedenen Instrumente zu gewinnen, fällt schwer, da sie recht zersplittert sind. Teils decken sie nur einzelne Schadenquellen ab, teils sind sie branchenspezifisch und teils fällt ihre Anwendung sehr schwer, wie etwa die Ermittlung von Treibhausgasemissionen in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette. Trotz dieser Schwierigkeiten ist es notwendig, dass neue Methoden erlernt und bestehende erweitert werden, um die Nachhaltigkeit zielgerichtet zu steuern.
Hemmnis 5: Unklare Zielsysteme
Im traditionellen Controlling prägen die strategischen Unternehmensziele und die daraus abgeleiteten operativen Ziele die Planung, Steuerung und Kontrolle. So werden in großen Kapitalgesellschaften aus dem Kapitalmarkt die marktüblichen Mindestrenditen ermittelt. Diese stellen die Hürde (hurdle rate) dar, an der sich die unternehmerischen Maßnahmen messen lassen müssen. Eine Investition ist demnach nur lohnend, wenn sie mindestens so rentabel ist wie bei einer alternativen Anlage dieses Geldes am Kapitalmarkt. Diese Denkweise von Investoren (soll ich mein Geld in Unternehmen A oder B anlegen – was bringt mir mehr?) werden in das interne Steuerungssystem der Unternehmen übertragen. Wenn jedes Geschäftsfeld und jede Investition im Unternehmen die hurdle rate erreicht, wird auch das Unternehmen insgesamt die Mindestverzinsungsanforderung der Kapitalgeber erfüllen. Im Finanzbereich lässt sich also die Logik des Kapitalmarktes direkt mit dem internen Steuerungssystem verbinden.
Im Nachhaltigkeitscontrolling existiert hingegen kein einzelnes, extern vorgegebenes Ziel. Im Triple-Bottom-Line-Ansatz dominiert gerade nicht ein Ziel gegenüber den anderen. Aus den uneinheitlichen, teils widersprüchlichen Zielen der Stakeholder lässt sich kein lineares Ziel- und Steuerungssystem mit jeweils konkreten hurdle rates entwickeln.
Hemmnis 6: Langfristige Wirkungen
In einigen Jahren oder Jahrzehnten erwartete Ereignisse werden in gegenwärtigen Entscheidungen oft nur nachrangig berücksichtigt. Das Management ist häufig stärker an der Gegenwart und an kurzfristigen Zielen orientiert. Ein kurzfristiger Erfolg lässt sich direkt auf die vorangegangene Leistung des Managers zurückführen. Dies steigert seine Wertschätzung, erhöht die Vergütung und fördert die Karrieremöglichkeiten. Ein langfristiger Erfolg, der erst nach Jahren eintritt, liegt außerhalb des persönlichen Zeithorizonts des Managers, wird kaum noch mit ihm in Verbindung gebracht und bietet daher auch keine persönlichen Vorteile. Nachhaltig sinnvolle Entscheidungen werden häufig erst nach längerer Zeit wirksam und werden daher weniger priorisiert. Auch risikoaverse Manager werden kurzfristige, relativ sichere Entscheidungen den langfristigen und vermehrt riskanten Entscheidungen vorziehen (vgl. Judick 2018, S. 101, 104).
Auch die Einbindung der Stakeholder in die unternehmerische Willensbildung kann die Gefahr einer Kurzfristorientierung kaum beheben. Eine Gruppe von Stakeholdern sitzt nämlich nie mit am Tisch: die zukünftige Generation. Dieser generationenübergreifende Aspekt der Nachhaltigkeit, der die Nachhaltigkeitsdefinition nach Brundtland in seinem Wesen prägt, ist damit systematisch der Gefahr ausgesetzt, zu schwach oder überhaupt nicht vertreten zu werden.
Ein weiterer Einfluss auf die geringe Bewertung zukünftiger Ereignisse geht auch von der in der finanzorientierten Betriebswirtschaftslehre etablierten Methode der Diskontierung aus. Bei Investitionsentscheidungen wird üblicherweise der Barwert der zukünftigen Einzahlungsüberschüsse berechnet. Ist dieser Barwert größer als die Investitionsauszahlung, ist der Kapitalwert positiv und die Investition lohnt sich. In ferner Zukunft anfallende Kosten, etwa durch Entsorgung oder Renaturierung, haben nur einen geringen Barwert und sind für die Entscheidung daher wenig bedeutsam. Kurzfristige Erfolge beeinflussen den Kapitalwert stärker als langfristige Misserfolge. Demnach wird ein Schaden, der erst in späteren Generationen auftritt als weniger bedeutsam angesehen als ein identischer Schaden in der gegenwärtigen Generation. Dies ist in der Betriebswirtschaft nicht normativ begründet, sondern spiegelt schlichtweg wider, dass heute ein geringerer Betrag verzinslich angelegt werden müsste, um mit dem anwachsenden Kapitel später für einen größeren Schaden zu bezahlen. In der ökonomischen Denkweise ist die Zerstörung der Lebensgrundlagen einer zukünftigen Generation nicht so teuer, als wenn dies bei der gegenwärtigen Generation einträte. Dies wird vielfach als mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit und der Verantwortung für zukünftige Generationen kaum vereinbar angesehen (vgl. Hort 2008, S. 43f.).
Schließlich werden die Lebensumstände zukünftiger Generationen auch deshalb weniger sorgenvoll betrachtet, da es nicht absolut sicher ist, dass die prognostizierten Entwicklungen tatsächlich eintreten. Zudem kann erwartet werden, dass weitere Entwicklungen in Wissenschaft und Technik die zukünftigen Generationen dazu befähigen, mit den Umweltproblemen besser klarzukommen.
Hemmnis 7: Das Gefangenendilemma
Strengen gesetzlichen Vorgaben kommen Unternehmen oftmals zuvor, indem durch einzelne Branchen oder durch Wirtschaftsverbände Zusagen einer „freiwilligen Selbstverpflichtung“ getroffen werden. Dies war in der Vergangenheit etwa beim Verzicht auf FCKW, bei der Verringerung von CO2-Emissionen, bei der Entsorgung von Altautos oder bei der Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten zu beobachten. Kritik erfahren die Selbstverpflichtungen nicht nur, weil sie scheinbar zu einer Verwässerung des Ziels führen und dieses möglicherweise noch hinauszögern. Nicht immer werden die Ziele erreicht und nicht alle Unternehmen halten sich an die Verpflichtung. Solange es keine strengen gesetzlichen Vorgaben gibt, deren Einhaltung konsequent überwacht wird, besteht die Gefahr von Ausreißern bis hin zum gänzlichen Scheitern eines gesellschaftlich wünschenswerten Ziels. Dieses Problem, dass eine von allen Gruppenmitgliedern gewünschte Situation nicht eintritt, da ein abweichendes Verhalten individuell vorteilhaft ist, wird im sogenannten Gefangenendilemma beschrieben.
„Ein Nachhaltigkeitsmanagement über gesetzliche Vorgaben hinaus ist noch zu gering. Selbstverpflichtungen sind nur bedingt wirksam, um die nachhaltige Entwicklung voranzubringen.“ (Sassen u.a. 2021, S. 25)
Hemmnis 8: Der Einzelne vs. die globalen Herausforderungen
Nachhaltige Maßnahmen werden oftmals auch deshalb nicht ergriffen, weil die Auswirkungen dieser einzelnen Maßnahme im Vergleich zu den globalen Problemen als unwesentlich angesehen werden. Wenn nur wenige eine Maßnahme ergreifen, etwa auf Kurzstreckenflüge verzichten und stattdessen mit der Bahn fahren, führt dies noch nicht zu einer spürbaren Verringerung der Umweltbelastung. Damit sei die Maßnahme irrelevant und somit verzichtbar.
„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“
(Mahatma Gandhi, 1869 – 1948)
Hemmnis 9: Die Dominanz wirtschaftlicher Ziele
Häufig trifft man in Unternehmen auf die Aussage, dass Maßnahmen der Nachhaltigkeit so lange ergriffen werden, wie sie dem wirtschaftlichen Ziel nicht schaden. Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, Ökonomie, Ökologie und Soziales, werden hierbei also nicht als gleichrangig betrachtet: die ökonomische Dimension wird über die anderen beiden Dimensionen gestellt. Dieses Verhalten ist insbesondere bei den Unternehmen zu beobachten, die zwar die Nachhaltigkeit initiiert, strategisch ausformuliert und Kennzahlen entwickelt haben, jedoch keine konsequente operative Umsetzung verfolgen (vgl. Bernatzky, Endenich, Wömpener 2018, S. 222).
Bei Dominanz wirtschaftlicher Ziele bräuchte man die Nachhaltigkeit nicht weiter zu thematisieren und selbst der Begriff der Nachhaltigkeit würde sich erübrigen. Es ist schließlich die ursprüngliche Aufgabe von Unternehmen, Maßnahmen zu ergreifen, welche die Erreichung ökonomischer Ziele fördern. Das können effizientere Prozesse, günstigere Einkaufspreise oder auch ökologische Maßnahmen sein, die zu einer Rohstoffeinsparung führen oder soziale Maßnahmen, welche zu einer Erhöhung des Mitarbeiterengagements führen. Ohne wirtschaftlichen Vorteil sind ökologische und soziale Auswirkungen demnach irrelevant. Schäffer bezeichnet den Bereich des ökonomischen Triple-Bottom-Line-Ansatzes etwa als Komfortzone, da es hier keine Zielkonflikte gibt (vgl. Schäffer 2011, S. 83).
Eine häufig genannte Begründung für die Dominanz wirtschaftlicher Ziele liegt darin, dass der wirtschaftliche Erfolg die Durchführung nachhaltiger Maßnahmen überhaupt erst erlaube. Nachhaltigkeit müsse man sich durch seinen wirtschaftlichen Erfolg erst einmal leisten können. Sollten nachhaltige Maßnahmen zu Lasten des ökonomischen Erfolgs gehen, würde dies die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen und möglicherweise zu einem Ausscheiden des Unternehmens aus dem Markt führen. Dann blieben nur die Unternehmen übrig, die sich nicht nachhaltig verhalten – und dies sei ja auch nicht im Interesse der Nachhaltigkeit. Dieser Argumentation folgend könnte man froh sein, dass Unternehmen überhaupt ökologische und soziale Maßnahmen in Betracht ziehen, um den wirtschaftlichen Erfolg zu steigern. Mehr gehe nicht, wenn nicht für alle Wettbewerber die gleichen rechtlichen Vorgaben gelten.
In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird oftmals die Win-Win-Situation von ökonomischem und nachhaltigem Erfolg propagiert. Häufig wird hierbei von einem Business Case for Sustainability gesprochen. So wünschenswert und vorteilhaft eine solche Situation ist, soll dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zwischen ökonomischen und ökologischen bzw. sozialen Zielen auch Konflikte geben kann. Die einseitige Fokussierung auf die erfolgreichen Business-Cases blenden diese Problematik aus. Man sollte also nicht nur Lösungen für die Komfortzone erarbeiten. Das in den letzten Jahren bekannt gewordene Konzept des „Creating Shared Value“ von Michael Porter und Mark Kramer propagiert ebenfalls diejenigen Business Cases, bei denen unternehmerische und gesellschaftliche Interessen im Einklang stehen (vgl. Porter, Kramer 2011, S. 62ff.). Kritiker befürchten, dass eine einseitige Fokussierung auf solche WinWin-Cases den Blick auf diejenigen Fälle, in denen die unternehmerischen und gesellschaftlichen Ziele im Konflikt stehen, verstellt (vgl. Scholz, de los Reyes 2015, S. 196). Aber auch für diese schwierigen Fälle müssen Lösungen gefunden werden.
In einer langfristigen Perspektive lösen sich diese Konflikte teils wieder auf. So können langfristig nur dann Gewinne erzielt werden, wenn Ressourcen nicht kurzfristig ausgebeutet und wenn Mitarbeiter und Geschäftspartner fair behandelt werden. Diese langfristige Perspektive ist häufig bei Familienbetrieben zu beobachten, die in diesem Selbstverständnis auch nachhaltig agieren. In börsennotierten Unternehmen dominiert durch die Erwartungshaltung der Kapitalmärkte und die Ausgestaltung der internen Steuerungssysteme hingegen oftmals eine kurzfristigere Perspektive. Dementsprechend fällt die Umsetzung der Nachhaltigkeit dort schwerer (vgl. Schäffer 2011, S. 83f.).
Hemmnis 10: Durch Fremd-Manager gesteuerte Unternehmen
Die Eigentümer eines Unternehmens treffen die grundlegenden unternehmenspolitischen Entscheidungen wie etwa die Ziele des Unternehmens, die Wahl der Geschäftsfelder und die Besetzung der Top-Positionen. In eigentümergeführten Unternehmen, also in Familienunternehmen, trägt der geschäftsführende Gesellschafter als Eigentümer sämtliche Konsequenzen seiner Entscheidungen. Dies unterscheidet sich von Unternehmen, die durch Fremd-Manager geführt werden.
In Familienbetrieben ist häufig zu beobachten, dass die moralischen Wertvorstellungen des Eigentümers oder der Familie auch für das Unternehmen gelten. Ein solcher Transfer moralischer Werte ist bei Fremdmanagern in großen Konzernen weniger ausgeprägt. Zwar wirkt jede leitende Person in das Unternehmen hinein, doch bei einem angestellten Manager, der über wirtschaftliche Zielgrößen gesteuert wird und für den das Unternehmen manchmal eher ein Karriereschritt als eine Lebensaufgabe ist, wird diese Wirkung oft schwächer und weniger überzeugend sein. In großen Kapitalgesellschaften ist das Führungssystem daher stärker „technisch“ aufgestellt, d.h. es bestehen mehr Richtlinien, Zielvorgaben und formalisierte Prozesse und Kontrollen. Im Familienbetrieb werden Entscheidungen auch im „Geiste“ der Familie getroffen, die enkeltauglich sein müssen. Das Unternehmen wird stärker über Werte gesteuert.
Zahlreiche Werte, welche die Nachhaltigkeit ausmachen, findet man auch in diesem „Geiste“ vieler Familienbetriebe: eine auf lange Frist ausgelegte Beziehung zu Geschäftspartnern, Genügsamkeit, Vertrauen, Verantwortung für Mitarbeiter und ihre Familien, Langfristorientierung, … Es handelt sich um moralische Wertvorstellungen und weniger um die Ergebnisse einer Abwägung, ob dies wirtschaftlich vorteilhaft ist.
„Nachhaltigkeit ist derzeit das vorherrschende Thema. Familienunternehmen überzeugen im Kern durch Beständigkeit, langfristige Perspektive und ökonomische Nachhaltigkeit. Dies verdanken sie in der Regel insbesondere vier Qualitätsfaktoren: Starke Bilanzen, ein hoher Innovationsgrad, überdurchschnittliche Margen sowie dynamisches Wachstum. Eigentümerfamilien sind typischerweise mit einem Großteil des eigenen Vermögens in ihrer Firma investiert und an der langfristigen Wertentwicklung interessiert – was heute zunehmend mit der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren verbunden ist.“ (Olsen 2021)
Der Titel des Buches, Nachhaltigkeitscontrolling, enthält bereits die zentrale Botschaft: die Nachhaltigkeit ist im Unternehmen professionell und zielorientiert zu steuern. Der Begriff Controlling wird im Allgemeinen gleichgesetzt mit der Unternehmenssteuerung – auch in diesem Buch werden beide Begriffe synonym verwendet. In Abgrenzung zur Unternehmensführung, welche die direkte Verhaltensbeeinflussung durch das Management beinhaltet und das Unternehmen als soziales System betrachtet, stellt die Steuerung die instrumentale Betrachtung in den Vordergrund. Die gesamte Organisation wird auf ein rationales, zielorientiertes Handeln ausgerichtet.
Wie nachhaltig agieren Controller in den Unternehmen?
Wie werden die Controller in den Unternehmen gesehen? Werden sie als die wesentlichen Treiber für eine nachhaltige Unternehmenssteuerung wahrgenommen? In der Praxis wird dieses Bild zumeist nicht geteilt. So zeigte etwa die Studie von Schaltegger et al. Bereits aus dem Jahr 2012, dass die Bereiche Finanzen, Controlling und Rechnungswesen bei Nachhaltigkeitsthemen kaum relevant sind. Dort heißt es: „Hingegen sind Rechnungswesen, Controlling und Finanzierung noch immer außen vor. Die Einbindung dieser Funktionsbereiche ist für eine Verankerung von Nachhaltigkeit in den ökonomischen Unternehmensentscheidungen jedoch essenziell“ (Schaltegger, Hörisch, Windolph, Harms 2012, S. 11). Das Controlling war von der Nachhaltigkeit wenig betroffen, es hatte nur einen geringen Einfluss auf die Nachhaltigkeit und war auch bei der Umsetzung von Maßnahmen wenig engagiert (vgl. Schaltegger, Hörisch, Windolph, Harms 2012, S. 31f.).
In der Befragung durch die WHU (Otto Beisheim School of Management in Vallendar, WHU Controller Panel) im Jahr 2021 zeigte sich keine wesentliche Veränderung in der Rolle des Controllings. Befragt wurden Finanz- und Controlling-Verantwortliche in überwiegend mittelgroßen und großen Unternehmen (vgl. Schäffer 2022, S. 5ff.). In nachfolgender Abbildung 1-7 ist für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern dargestellt, welche Abteilungen als maßgebliche Treiber für die Nachhaltigkeit wahrgenommen werden (mit Mehrfachnennungen) und in welchen Abteilungen die Nachhaltigkeit primär verankert ist.
In der WHU-Zukunftsstudie aus dem Jahr 2023, bei der Controller und Controlling-Leiter von über 350 großen mittelständischen sowie großen Unternehmen befragt wurden, bestätigt weiterhin die Diskrepanz zwischen praktischer Notwendigkeit und der Controlling-Praxis.
Abb. 1.7: Welche Abteilungen sind die Treiber der Nachhaltigkeit und in welchen ist die Umsetzung verankert? Befragung von Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern im WHU Controller Panel, Mehrfachantworten möglich (Quelle: Schäffer 2022, S. 6)
„Bei keinem anderen Thema auf unserer Liste klaffen die aktuelle und die für die Zukunft erwartete Bedeutung so weit auseinander wie hier. Und bei keinem anderen Thema scheinen sich politisch korrekter Diskurs und Postulate in der Literatur so weit von der (noch) gelebten Praxis im Controlling entfernt zu haben. Gleichzeitig kann nur das Controlling die Brücke zwischen den neuen nicht finanziellen Metriken und betriebswirtschaftlichem Kalkül bauen, kann nur das Controlling die Verankerung von ESG-bezogenen Themen in der Unternehmenssteuerung hinreichend sicherstellen. Nimmt man das Thema Nachhaltigkeit also ernst, muss das Controlling in den Fahrersitz.“ (Schäffer, Reimer 2024, S. 55f.).
Bis heute hat sich noch keine einheitliche Lösung zur organisatorischen Integration durchgesetzt. Dominierend sind die Strategieabteilung und die Nachhaltigkeitsabteilung. Nur bei 6% der Unternehmen ist die Nachhaltigkeit im Controlling verankert. Bei kleineren Unternehmen liegt der Anteil etwas höher. Man erkennt, dass bei vielen Unternehmen die Nachhaltigkeit noch immer ein Thema des Marketings und der Kommunikation/PR ist. Diese beiden Bereiche gelten als bedeutsame Treiber der Nachhaltigkeit und zusammengenommen ist bei 11% der Unternehmen die Nachhaltigkeit dort verankert. Erstaunlich ist, dass bei 18% der Unternehmen die Nachhaltigkeit keiner Abteilung verantwortlich zugeordnet ist.
Die Studie von Schaltegger u.a. aus dem Jahr 2020 bestätigt ebenfalls das immer noch geringe Engagement der Controller. In der nicht repräsentativen Erhebung haben ganze 6% der Controller bestätigt, sich intensiv mit der Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Und 59% beschäftigen sich hiermit fast nie bzw. haben fast keine Berührungspunkte zur Nachhaltigkeit. Controller agieren dabei sogar oft als sogenannte Gatekeeper. Sie verhindern in dieser Rolle, dass Nachhaltigkeitsthemen in Reports einfließen und somit im Management thematisiert werden (vgl. Schaltegger u.a. 2020, S. 3ff.).
„Aus einer Steuerungsperspektive gibt dieser Befund zu denken. Wer, wenn nicht das Controlling, soll das Thema Nachhaltigkeit federführend in der Unternehmenssteuerung verankern? Wer, wenn nicht das Controlling, soll die Verbindung zwischen den Treibern eines nachhaltigen Wirtschaftens und der Finanzperspektive aufzeigen? Wer, wenn nicht das Controlling, hat einen guten Überblick über alle wertschöpfenden und nicht wertschöpfenden Prozesse im Unternehmen? Und wer, wenn nicht das Controlling, kann den zunehmenden Druck von Kunden und Investoren gut in ein systematisches Programm interner Nachhaltigkeitsinitiativen übersetzen?“ (Schäffer 2022, S. 8)
Zwar wurden für die Steuerung der Nachhaltigkeit in den letzten Jahren und Jahrzehnten zahlreiche Methoden entwickelt, wie etwa die Umweltkostenrechnung, die Ökobilanzierung oder die Ökoeffizienzanalyse, doch werden diese vor allem von Nachhaltigkeitsexperten und weniger von Controllern genutzt. Dabei entstammen viele dieser Methoden dem Rechnungswesen, wofür Controller prädestiniert sind (Petersen u.a. 2021, S. 9). In einer qualitativen Studie auf der Basis von 33 Controllern deutscher Unternehmen äußerten knapp zwei Drittel der Befragten, dass sie selten oder nie mit Nachhaltigkeit zu tun haben. In dieser Studie wurden als Gründe drei Themenfelder erkannt: das Selbstverständnis der Controller, die Arbeitsroutinen und psychologische Vorbehalte (Petersen u.a. 2021, S. 9ff.):
Selbstverständnis
Im Rollenbild des Controllers als Business Partner