7,99 €
"Alex Kennedy bedeutet nichts als Ärger - und er steht nicht auf Frauen!" Olivia ist gewarnt, als sie auf einer Party den charismatischen Alex erblickt. Auf einen Mann wie ihn kann die schöne Fotografin gut verzichten! Unvergessen ist ihr Exverlobter, der sich überraschend als schwul geoutet hat. Doch gegen jede Vernunft inspiriert der Anblick von Alex muskulösem, sexy Körper Olivia zu einem spontanen erotischen Fotoshooting. Plötzlich verspürt sie ein unwiderstehliches Prickeln, und ehe sie sich versieht, liegt sie in Alex Armen. Vergessen sind alle Warnungen, als sie sich auf ein gefährlich hemmungsloses Spiel einlässt...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 551
Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Vervielfältigung, des Ab- oder Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des Verlages.
Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der
Megan Hart
Naked – Hemmungslose Spiele
Erotischer Roman
Aus dem Amerikanischen von Jule Winter
MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Geschäftsführer: Thomas Beckmann
Copyright © 2013 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH
Titel der nordamerikanischen Originalausgabe: Naked
Copyright © 2010 by Megan Hart
erschienen bei: SPICE Books, Toronto
Published by arrangement with
HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln
Redaktion: Bettina Lahrs
Titelabbildung: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz
Autorenfoto: © by Harlequin Enterprises S.A., Schweiz
Satz: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN (eBook, EPUB) 978-3-86278-579-7
www.mira-taschenbuch.de
Werden Sie Fan von MIRA Taschenbuch auf Facebook!
eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net
„Alex steht nicht auf Frauen.“ Wie Patrick das sagte, klang es nach Warnung. Ich hatte den Mann, um den es ging, wohl etwas sehr auffällig aus dem Augenwinkel beobachtet, aber bislang eigentlich nur als Teil des großen Gesamtbilds wahrgenommen, das ganz typisch war für Patricks alljährliche Weihnukka-Party. Alex war eindeutig hübscher als die nach einer Idee von Martha Stewart arrangierten Weihnachtssterne oder die blinkenden Lichterketten. Aber das traf auf alle Männer hier zu. Patrick hatte die heißesten Freunde, die ich je gesehen habe. Ehrlich, seine Partys waren praktisch eine offizielle Versammlung der heißesten Typen auf Erden. Nach seiner Ermahnung schaute ich mir Alex natürlich noch genauer an, allein schon, um Patrick damit auf die Nerven zu gehen. Was wie immer wunderbar klappte.
„Ach, so heißt er also?“
Patrick schnaubte missbilligend. „Ja, so heißt er.“
„Alex … und weiter?“
„Kennedy“, sagte Patrick. „Aber er steht nicht …“
„Ich hab dich schon verstanden.“ Ich drückte meine Lippen gegen den Rand meines Weinglases. Der intensive Duft des Rotweins stieg mir in die Nase. Ich konnte das Aroma förmlich auf der Zunge schmecken, aber ich trank nicht. „Er steht also nicht auf Frauen, hm?“
Patrick zog einen Schmollmund und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein. Himmel, Olivia! Jetzt hör schon auf, ihm auf den Arsch zu glotzen.“
Ich hob eine Augenbraue und ahmte damit exakt Patricks süffisante Miene von vorhin nach. Eine alte Angewohnheit von mir – und eine, die ihn zuverlässig zur Weißglut trieb. „Warum lädst du mich eigentlich zu deinen Partys ein, wenn ich den Männern nicht auf den Arsch glotzen darf?“
Patrick echauffierte sich, wie nur er das konnte. Er zog kurz die Stirn kraus und spitzte empört die Lippen. Doch dann fiel ihm ein, was das mit den Falten um seinen Mund und zwischen seinen Brauen machte, und er bändigte seine Mimik rasch wieder. Sein Blick folgte meinem quer durch das Esszimmer und durch den Türbogen. Alex stand mit dem Rücken zu uns. Er hatte einen Arm auf den Kaminsims im Wohnzimmer gestützt und hielt in der freien Hand ein Glas Guinness. Während der ganzen Zeit, die ich ihn beobachtete, hatte er noch keinen Schluck getrunken.
„Und warum um alles in der Welt weist du mich extra auf seine sexuellen Vorlieben hin?“ Ich nahm jetzt doch einen Schluck Wein und starrte Patrick so lange unverwandt an, bis er entnervt wegschaute.
Er zuckte mit den Schultern. „Ich wollte nur sicherstellen, dass du Bescheid weißt.“
Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Von dem halben Dutzend Männer, die sich am Büfett bedienten, und dem weiteren Dutzend, das im Wohnzimmer stand, redete, tanzte oder flirtete, waren neunundneuzig Prozent schwul. Und das restliche Prozent spielte mit dem Gedanken, schwul zu werden. „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mir Hoffnung mache, auf einer deiner Partys jemanden abzuschleppen, Patrick.“
Plötzlich umschlossen mich von hinten zwei dicke, muskelbepackte Arme, und ein straffer Bauch drückte gegen meinen Rücken. „Komm, wir laufen weg und schauen, wie lange es dauert, bis er merkt, dass wir verschwunden sind“, sagte eine dunkle Stimme direkt neben meinem Ohr.
Ich drehte mich um. „Patrick, du hast mir gar nicht erzählt, dass du Billy Dee Williams zur Party eingeladen hast. Ach nein, halt! Billy Dee würde niemals so einen Pullover tragen. Hallo, Teddy.“
„Mädchen, mach bloß keine Witze über diesen Pullover. Mama McDonald hat ihn mir zu Weihnachten geschenkt. Patrick hier hat genauso einen gekriegt.“ Teddy zwinkerte Patrick zu. „Der Unterschied ist nur der, dass ich Manns genug bin, das Ding auch zu tragen.“
Ich wurde noch mal umarmt, fest gedrückt, bekam einen Kuss und einen Klaps auf den Arsch, und das alles innerhalb weniger Sekunden. Dann wandte Teddy sich Patrick zu und ließ ihm dieselbe zärtliche Behandlung angedeihen. Patrick, der immer noch schmollte, schubste ihn unwillig weg. Teddy lachte und wuschelte mit einer Hand durch Patricks Haare. Patrick glättete mit gekränkter Miene seine gerupften Federn, ließ sich dann aber doch dazu herab, einen Wangenkuss zu akzeptieren.
Ich deutete mit dem Weinglas auf Patrick. „Er hat eben versucht, mir zu sagen, dass ich keinen Arsch anstarren darf.“
„Was soll das denn? Ich dachte, wir sind heute alle hier, um auf Männerärsche zu starren?“
Teddy wackelte kokett mit seinem und ich mit meinem, dann ließen wir unsere jeweiligen Hinterteile aufeinanderprallen und brachen in übermütiges Gelächter aus. Fröhliche Weihnachten! Patrick musterte uns mit erhobenen Augenbrauen, die Arme wieder vor der Brust verschränkt. Dann schüttelte er resigniert den Kopf.
„Tut mir leid. Ich habe nur versucht, ein guter Freund zu sein.“
Patrick und ich waren schon sehr lange befreundet. Und vor sehr langer Zeit waren wir sogar mehr als das gewesen. Patrick dachte, dass ihm das bis heute das Recht gab, sich mir gegenüber wie eine besorgte alte Tante zu verhalten, und ich ließ ihn in dem Glauben. Weil ich ihn nun mal liebte. Und weil es nie so viel Liebe in meinem Leben geben konnte, dass ich auch nur auf das kleinste bisschen verzichten würde.
Diesmal schien Patricks Verhalten aber selbst für seine Verhältnisse etwas extrem zu sein. Teddy und ich blickten einander fragend an. Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich lauf nur kurz in die Küche und hol mehr Wein, ihr Süßen“, sagte Teddy. „Wollt ihr auch?“
„Ich hab noch.“ Ich hielt mein Glas hoch, das noch halb voll war.
Patrick schüttelte den Kopf. Wir beobachteten, wie Teddy sich durch die Menge schob. Erst als er außer Hörweite war, wandte ich mich wieder an meinen Exfreund.
„Wenn du mir auf deine unnachahmliche Art zu verstehen geben willst, dass du mit diesem Typen geschlafen hast …“
Patrick lachte kurz und bellend auf, und dieses Lachen klang so anders als sonst, dass ich überrascht verstummte. Er schüttelte den Kopf. „Ach nein, mit dem doch nicht.“
Dabei wich er meinem Blick aus, und plötzlich war mir alles klar. Er brauchte gar nichts mehr zu sagen. Ich hatte die ganze Geschichte klar vor Augen. Verdammt.
Mein Grinsen war wie weggewischt. Patrick hatte aus seinem Privatleben nie ein großes Geheimnis gemacht, und so hatte ich mehr über die Männer erfahren, mit denen er schlief, als mir lieb war. Daher wusste ich: Patrick wurde nicht abgewiesen. Zumindest nicht allzu oft. Ich sah, wie eine tiefe Röte seine perfekten hohen Wangenknochen überzog.
Ehrfürchtig schaute ich zu Alex Kennedy herüber. „Er hat dir einen Korb gegeben?“
„Pssst!“, machte Patrick, obwohl die Musik und die Gespräche um uns herum zu laut waren, als dass uns jemand belauschen könnte.
„Wow.“
Er kniff die Lippen zusammen. „Dazu sage ich kein Wort mehr.“
Ich konnte meinen Blick jetzt gar nicht mehr von Alex Kennedy losreißen, der immer noch auf seinem alten Platz am Kaminsims stand. Jetzt erst fiel mir die Bügelfalte in seiner schwarzen Hose auf und wie sexy der weiche schwarze Pullover seine breiten Schultern und die schmalen Hüften umspielte. Aus der Entfernung konnte ich eigentlich nur erkennen, dass er dunkle Augen hatte. Und dass er sein mittelbraunes Haar ziemlich lang trug und so lässig, als ob er genau ein Mal zu oft mit der Hand hindurchgefahren war. Oder als ob er geradeswegs aus dem Bett hierhergekommen wäre. Haare wie seine brauchten viel Pflege und Stylingprodukte, um wirklich gut auszusehen, und bei ihm hatte das toll funktioniert. Auch seine Züge schienen, von hier aus betrachtet, regelmäßig und attraktiv zu sein. Ja, Alex war ein hübscher Junge, das stand außer Frage. Doch wenn Patrick nicht seine „Wage es bloß nicht!“-Tirade losgelassen hätte, dann hätte ich vielleicht einmal hingeschaut, vielleicht auch zweimal. Aber danach nie wieder.
„Wie kommt’s, dass ich ihm noch nie begegnet bin?“
„Er ist nicht von hier“, sagte Patrick.
Alex schien in ein intensives Gespräch mit einem von Patricks Freunden vertieft zu sein. Ihre Gesichter waren ernst und angespannt. Kein Flirt. Der Mann, der Alex gegenüberstand, trank mit fahrigen Bewegungen, und sein Adamsapfel tanzte, wenn er schluckte.
Ich musste gar nicht erst meine Hände heben und die Daumen und Zeigefinger aneinanderlegen, um einen Rahmen für das Foto zu haben, das ich im Geiste komponierte. Inzwischen machte mein Gehirn das ganz automatisch. Klick. Ich hatte meine Kamera zwar nicht dabei, aber ich konnte mir ganz genau vorstellen, wie das fertige Bild aussehen würde. Alex stand nicht ganz im Zentrum und war etwas unscharf …
Patrick murmelte „Olivia!“ und stieß mir den Ellbogen in die Seite.
Ich schaute ihn wieder an. „Hör schon auf, dich wie eine Glucke zu verhalten, Patrick. Glaubst du, ich bin eine Idiotin?“
Er runzelte die Stirn. „Nein, natürlich nicht. Ich will einfach nicht …“
In diesem Moment tauchte Teddy wieder auf, und Patrick unterbrach sich mit einem gequälten Lächeln. Ich kannte dieses Lächeln und auch den Blick, der es begleitete, auch wenn ich beides schon lange nicht mehr gesehen hatte. Patrick verbarg etwas vor mir.
Jetzt legte Teddy einen Arm um Patricks Schultern und zog ihn an sich, um an seiner Wange zu schnuppern. „Komm schon“, gurrte er. „Die Käseplatten sind schon ziemlich ausgeräubert, und wir haben fast keinen Wein mehr. Komm mit in die Küche, Liebster, dann kriegst du was besonders Leckeres von mir …“
Vor Teddy war Patrick mit keinem Mann länger zusammengeblieben als damals mit mir. Beziehungstechnisch hatte Teddy mich jetzt also überholt. Ich hatte ihn aber trotzdem sehr gern, oder vielleicht auch gerade deshalb. Ich wusste, dass Patrick ihn liebte, obwohl er das selten so direkt sagte. Und weil ich Patrick auch liebte, wollte ich, dass er glücklich war.
Patrick schaute noch einmal feindselig zu Alex hinüber und zurück zu mir. Ich dachte, er wollte vielleicht noch etwas sagen, doch er schüttelte nur den Kopf und ließ sich von Teddy Richtung Küche ziehen. Ich nutzte die Gelegenheit, mir noch mal in aller Ruhe Alex Kennedys wirklich sehr, sehr geilen Arsch anzuschauen.
„Livvy! Frohes Fest!“ Das war Jerald. Noch einer von Patricks Freunden. Er hatte schon öfters für mich gemodelt. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Er bekam ein paar schöne Porträtaufnahmen für seine Bewerbungsmappe, und ich durfte die Fotos von ihm in das Portfolio aufnehmen, mit dem ich um Aufträge für meine Grafikdesign-Agentur warb. „Wann machst du wieder ein paar schöne Fotos von mir, hm?“
„Wann kannst du denn mal wieder bei mir vorbeischauen?“
Jerald strahlte mich an. Seine Zähne waren perfekt. „Wann immer du mich brauchst.“
Wir plauderten ein paar Minuten über das Wann, Wo und Wofür, dann umarmte er mich, gab mir einen Kuss und verschwand, um jemanden mit einem Penis aufzutun. Das war schon in Ordnung, es machte mir nichts aus, auf Patricks Partys allein unterwegs zu sein. Ich kannte die meisten seiner Freunde. Die, die er noch nicht so lange kannte, betrachteten mich zwar als eine Kuriosität. Ein Relikt aus alter Zeit. Ich war die Frau, mit der Patrick zusammen gewesen war, ehe er sein Coming-out hatte. Aber sie waren nett zu mir, wenn sie mir auch manchmal heimlich mitleidige Blicke zuwarfen. Alkohol half natürlich. Und mit den Freunden, die Patrick und mich seit dem College kannten, konnte ich über die gute alte Zeit lachen, als wir beide noch ein Paar waren.
Mit dem Weinglas in der Hand ging ich zum Büfett und lud meinen Teller mit allen möglichen Delikatessen voll. Quadratische Naan-Brote, zu denen es würzigen Hummus gab, Käsewürfel, die man in Honigsenf mit Cranberrys dippen konnte, und ein paar rote Weintrauben, die noch verloren an den Rebästen hingen. Patrick und Teddy wussten, wie man eine anständige Party gab, und obwohl es der Samstag nach Thanksgiving war, hatte ich noch genug Platz im Magen für so leckeres Essen. Ich überlegte gerade, ob ich von dem Roastbeef probieren sollte, das neben den krossen Baguettebrötchen lag, oder ob der figurschonende Erdbeer-Walnuss-Salat nicht vernünftiger wäre, als jemand mich an die Schulter tippte. Ich drehte mich um.
„Hey, Süße!“
Patricks Nachbarin Nadia. Ich drehte mich um, das Brötchen noch in der Hand. Nadia war immer ausgesprochen nett zu mir. Nicht dass sie dazu keinen Grund gehabt hätte, aber ich hatte doch den Verdacht, dass diese überschäumende Freundlichkeit von Hintergedanken genährt war. Und heute Abend erwies sich diese Vermutung als richtig.
„Ich möchte dir gern Carlos vorstellen. Meinen Freund.“ Nadia hatte ein hübsches Lächeln. Ansonsten war ihr Gesicht ziemlich unscheinbar. Aber wenn sie lächelte, wollte ich sie am liebsten sofort fotografieren. Dieses Lächeln verwandelte die ganze Frau.
„Freut mich“, murmelte Carlos. Sein Blick war sehnsüchtig auf das Büfett gerichtet, doch Nadia hielt ihn so fest, dass er keine Chance hatte, etwas Essbares zu ergattern.
„Nett, dich kennenzulernen, Carlos.“
Nadia blickte erwartungsvoll von ihm zu mir. Carlos’ dunkle Augen glitten kurz über mein Gesicht, ehe er meinen Blick erwiderte. Dann schaute er Nadia an, die ihre Hand fest in seine Ellenbeuge gelegt hatte. Ihre Haut wirkte neben seiner sehr weiß. Ich glaube, uns war beiden klar, was sie erwartete. Aber keiner von uns war bereit, es ihr zu geben.
Ich wusste bis zur zweiten Klasse nicht, dass ich schwarz bin. Oh, natürlich habe ich schon immer gewusst, dass meine Haut dunkler war als die meiner Eltern und Brüder. Auch sonst sah ich ihnen nicht ähnlich. Sie hatten nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich adoptiert worden war, und wir feierten jedes Jahr nicht nur meinen Geburtstag, sondern auch den Tag, an dem ich Teil der Familie geworden war. Ich hatte nie das Gefühl, nicht aus ganzem Herzen geliebt zu werden. Ich wurde sogar hemmungslos verwöhnt – von zwei viel älteren Brüdern und von Eltern, die, wie ich später erfuhr, verzweifelt versucht hatten, mich dafür zu entschädigen, dass ihre Ehe vor die Hunde gegangen war.
Ich hatte immer geglaubt, ich sei etwas Besonderes. Aber bis zur zweiten Klasse hatte ich nie verstanden, dass ich auch … anders war.
Desiree Johnson zog damals in unsere Gegend, und so kam sie in die Grundschule in Ardmore. Vorher hatte sie in der City von Philadelphia gewohnt. Sie hatte das Haar zu Hunderten winziger Zöpfchen geflochten, die eng an ihrem Kopf anlagen und an den Enden mit Plastikspangen verschlossen waren. Sie trug T-Shirts mit Goldschriftzügen und weiche Velourshosen. Ihre Sneaker waren strahlend weiß und irgendwie zu groß für ihre Füße. Sie war anders, und wir alle starrten sie unverhohlen an, als sie das erste Mal in unser Klassenzimmer kam.
Unsere Lehrerin, Miss Dippold, hatte uns an diesem Morgen erzählt, wir bekämen eine neue Mitschülerin. Sie hatte uns ausdrücklich darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, nett zu neuen Mitschülern zu sein. Besonders zu denen, die „nicht so“ waren wie wir. Sie las uns eine Geschichte über Zeke vor – ein Pony mit Streifen, das gar kein Pony, sondern ein Zebra war. Sogar in der zweiten Klasse hatte ich lange vor dem Ende kommen sehen, wie die Geschichte ausgehen würde.
Was ich nicht hatte kommen sehen, war Miss Dippolds Anweisung, mein Pult so zu drehen, dass Desiree neben mir sitzen konnte. Ich gehorchte natürlich. Ich war sogar hocherfreut, weil Miss Dippold mich als Freundin für das neue Mädchen auserwählt hatte. Hatte sie das vielleicht gemacht, weil ich in dieser Woche die Klassenbeste im Buchstabieren war und deshalb als Erste auf den Pausenhof durfte? Oder hatte Miss Dippold etwa bemerkt, dass ich Billy Miller meinen besten Bleistift geliehen hatte, weil seiner wieder mal zu Hause lag? Mein Pult kratzte über den Fußboden, als ich es zur Seite schob, und kleine Reste vom Bohnerwachs rollten sich unter den Tischbeinen auf. Hausmeister Randall stellte ein zweites Pult und einen Stuhl neben meins.
Wie sich herausstellte, war nichts von dem, was ich gedacht hatte, der Grund dafür, dass die neue Mitschülerin zu mir gesetzt wurde. Sondern etwas, worauf ich im Leben nicht gekommen wäre.
„Hier“, sagte Miss Dippold, nachdem Desiree sich hinter das neue Pult gesetzt hatte. „Das ist Olivia. Ich bin sicher, ihr werdet bald die besten Freundinnen.“
Desirees Spangen klackerten gegeneinander, als sie den Kopf drehte und mich musterte. Den Faltenrock, die Kniestrümpfe und Schnallenschuhe. Mein Haar, streng zurückgekämmt und mit einem Haarband gebändigt. Die Strickjacke.
Für eine Zweitklässlerin war Desiree schon ziemlich abgebrüht. „Sie machen wohl Witze!“
Miss Dippold blinzelte hinter ihrer großen Schildpattbrille. „Desiree? Gibt es ein Problem?“
Sie seufzte schwer. „Nein, Miss Dippold. Ist alles in Ordnung.“
Später, kurz vor der Mittagspause, beugte ich mich zu ihr hinüber, um auf die Zeichnungen zu schauen, die sie auf ihrem Block machte. Es waren zumeist Kreise und Wirbel, die sie mit dem Bleistift schraffierte. Ich zeigte ihr meine eigenen Kritzeleien, die nicht halb so hübsch waren.
„Ich zeichne auch gerne“, sagte ich.
Desiree schaute flüchtig auf meine Werke und schnaubte. „Mhm.“
Ich ließ mich nicht entmutigen. „Vielleicht hat Miss Dippold deshalb gedacht, wir werden bestimmt Freundinnen“, erklärte ich geduldig. „Weil wir beide so gerne zeichnen.“
Desirees Augenbrauen schossen hoch, bis sie fast den Haaransatz berührten. Sie schaute sich in der Klasse um. Die anderen wurden langsam unruhig, weil sie sich auf die Mittagspause und die Sloppy Joes in der Kantine freuten. Dann blickte sie wieder mich an. Und dann nahm sie meine Hand und legte sie neben ihre. Auf der hellgrauen Tischplatte wirkten unsere Finger wie dunkle Schatten.
„Miss Dippold wusste nicht, dass ich gerne zeichne“, sagte Desiree. „Sie meinte, das würd’ schon passen, weil wir beide, du weißt schon.“
„Was sind wir beide?“
Sie stöhnte entnervt auf und verdrehte die Augen. „Weil wir beide schwarz sind“, zischte sie.
Ich blinzelte verwirrt und versuchte den Sinn hinter ihren Worten zu verstehen. Auch ich schaute mich jetzt im Klassenzimmer um und sah ein Meer aus weißen Gesichtern. Caitlyn Caruso war auch adoptiert. Sie kam aus China und sah anders aus als die anderen Kinder. Aber Desiree hatte natürlich recht. Sie hatte mich auf etwas hingewiesen, das ich schon die ganze Zeit hätte wissen müssen.
Ich war schwarz. Diese Erkenntnis brachte mich für den Rest des Tages zum Schweigen. Als ich zu Hause war, zog ich all unsere Familienalben aus dem Regal und blätterte jedes einzelne durch. Ich war schwarz! Ich war schon mein ganzes Leben lang schwarz gewesen! Wie hatte mir das vorher nie auffallen können?
Die Antwort war im Grunde einfach. Meine Eltern hatten nie etwas in der Richtung gesagt oder aus dem Umstand ein Drama gemacht. Ich war in einer Umgebung aufgewachsen, für die Multikulti eine Selbstverständlichkeit war. Als Kind einer weißen Mutter und eines schwarzen Vaters war ich als Säugling von einem Paar adoptiert worden, das in einer religiösen Mischehe lebte. Meine Mom war jüdisch, lebte ihren Glauben aber nicht, und mein Vater war ein abtrünniger Katholik. Sie hatten sich scheiden lassen, als ich fünf war. Wir hatten nie über die Farbe meiner Haut geredet oder darüber, was es bedeutete, nicht weiß zu sein. Oder ob es überhaupt etwas bedeuten sollte.
Desiree blieb nicht besonders lange in unserer Klasse. Ihre Familie zog ein paar Monate später wieder um. Aber ich vergaß sie nie, denn sie war die Erste gewesen, die mich darauf hingewiesen hatte, dass ich schwarz war.
Nadia gehörte zu diesen Leuten, die sich selbst so viel darauf einbildeten, farbenblind zu sein, in Wahrheit aber eigentlich nur die Hautfarbe sehen. Sie hatte mir ihren Freund nicht vorgestellt, weil wir beide gerne zeichneten oder beide Depeche Mode hörten. Und auch nicht aus schierer Höflichkeit. Carlos und ich wussten das.
Aber Nadia kapierte es einfach nicht. Sie stand zwischen uns und plauderte angeregt, ließ Namen fallen, die ich wohl kennen sollte, und erwähnte immer wieder irgendwelche Hip-Hop-Songs. Carlos fing meinen Blick auf und zuckte leicht mit den Schultern, als sie gerade nicht hinschaute. Er sah sie liebevoll an und brachte sie schließlich mit einem leisen „Baby“ zum Schweigen.
Nadia lachte und wirkte verwirrt. „Hm?“
„Wenn du mich nicht bald was von dem köstlichen Essen nehmen lässt, werde ich noch ohnmächtig.“
„Carlos trainiert total viel“, vertraute Nadia mir an. Ihr Freund machte sich derweil daran, das Büfett zu dezimieren. „Er ist immer hungrig.“
Ein Tumult im Nebenzimmer bewahrte mich davor, darauf eine Antwort finden zu müssen. Ich hatte aus den Augenwinkeln gesehen, dass Alex Kennedy immer noch dort war. Er hatte sich nicht vom Kamin wegbewegt. Der Mann, mit dem er sich unterhalten hatte, hob jetzt Stimme und Hände, er wedelte mit den Armen durch die Luft und zeigte auf Alex. Anklagend.
Es wäre nicht das erste Mal, dass in Patricks Haus ein Drama seinen Lauf nahm; das ist nun mal so, wenn man eine Party für eine Horde Diven wirft, sagte er dann immer. Ich war auch nicht die Einzige, die sich umdrehte und zu den beiden rüberstarrte. Doch statt sich in dieses Drama einzuklinken, schüttelte Alex nur den Kopf und hob die Bierflasche an die Lippen.
„Du … du bist so ein Arschloch!“, schrie der andere Mann. Seine Stimme bebte, und ich hatte echt Mitgefühl mit ihm. Zugleich war ich von der Szene peinlich berührt. „Ich weiß überhaupt nicht, wieso ich mich mit dir abgegeben habe!“
Es war für mich ziemlich eindeutig, warum er das getan hatte. Alex Kennedy war einfach ein verdammt heißer Typ. Er stand stoisch da und ließ die nächste Welle Anschuldigungen und Beleidigungen an sich abprallen. Schließlich stürmte der andere Mann davon. Ihm folgte ein Grüppchen Freunde, aufgeregt wie gackernde Hühner. Das Ganze hatte nur ein paar Minuten gedauert, und nur wenige hatten sich überhaupt danach umgedreht. Das war bei Weitem nicht die dramatischste Auseinandersetzung, die man hier in den vergangenen Jahren erlebt hatte. Wahrscheinlich hatten alle außer den beiden Beteiligten den Streit am Ende des Abends schon vergessen.
Na ja, und außer mir.
Ich war fasziniert.
Er steht nicht auf Frauen, ermahnte ich mich und nahm mir von dem Roastbeef. Scheiß auf die Diät. Als ich endlich von meinem Teller aufblickte, war Alex Kennedy verschwunden.
Es war eine gute Party. Eine von Patricks besten. Gegen Mitternacht hatte ich genug von den Leckereien und dem Klatsch und musste mein Gähnen hinter der Hand verbergen, damit keiner mich als alte Dame verspottete, obwohl ich mich manchmal schon so fühlte. Im Wohnzimmer wurde inzwischen Karaoke gesungen, und dazu tanzten so viele Leute, dass sowohl die Menora im Fenster als auch der Weihnachtsbaum in der Ecke wackelten.
War das etwa …? Oh nein. Es war. Ich bedeckte meine Augen mit der Hand und spähte zwischen den Fingern hindurch. Ein Mann hatte sich in die Mitte gedrängt und sang Beyoncés tolle Dance-Hymne, die vor ein paar Jahren der absolute Hit gewesen war. Die, in der es darum ging, einen Ring überzustreifen. Oh, und dazu tanzte er außerdem, und sein Timing war einfach perfekt. Kein Schritt ging daneben. Bestimmt hatte er das Ganze schon mal auf Video gebannt und bei YouTube hochgeladen. Alle klatschten und jubelten, aber ich schaute in die Zimmerecke neben dem Kamin, weil ich dort denjenigen vermutete, dem der Auftritt galt. Genau. Da stand Alex Kennedy.
Irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass er sich mal irgendwann einen Ring hatte überstreifen lassen. Höchstens über den Penis.
„Los, nicht schlappmachen“, rief Teddy und schenkte mir Wein nach, obwohl ich keinen mehr wollte. „Die Party ist noch nicht vorbei.“
Ich stöhnte und lehnte mich gegen ihn. „Vielleicht sollte ich lieber nach Hause fahren.“
Er schüttelte grinsend den Kopf und klopfte auf seine Tasche. „Ich hab deine Autoschlüssel.“
Ich hob mein Glas. „Wenn du nicht darauf bestanden hättest, mir dauernd nachzuschenken …“
Wir lachten. Ich hatte schon so viele Nächte bei den beiden im Gästezimmer verbracht, auch wenn ich nicht angetrunken war. Logisch, dass ich mich auch diesmal dafür entschieden hatte. Doch in diesem Moment, als ich durch den Türbogen in das Wohnzimmer-mit-Tanzfläche schaute, hätte ich einiges darum gegeben, nüchtern geblieben zu sein. Denn dann könnte ich jetzt einfach nach Hause fahren. Es war zu kalt und zu dunkel und zu weit, um zu Fuß gehen. Es wäre toll, wenn mich jemand mitnehmen könnte, aber obwohl ein paar Gäste sich schon verabschiedet hatten, waren die meisten noch in Partystimmung, und keiner von ihnen wohnte in meiner Richtung.
Ich verkniff mir das nächste Gähnen. „Ich glaube, ich brauch einen Kaffee.“
Teddy runzelte die Stirn. „Arme Livvy. Immer nur am Arbeiten.“
„Wenn ich’s nicht mache, macht’s keiner.“ Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich bin jedenfalls beeindruckt. Du gehst beharrlich deinen Weg. Hast deinen Job aufgegeben, dich selbstständig gemacht. Patrick hat nicht geglaubt, dass du es durchziehst.“ Teddy guckte einen Moment lang etwas unbehaglich, als habe er ein Geheimnis ausgeplaudert.
„Ich weiß, dass er mir das nicht zugetraut hat.“
„Er ist auch sehr stolz auf dich, Liv.“
Ich war mir nicht sicher, ob Patrick überhaupt das Recht hatte, auf das stolz zu sein, was ich erreicht hatte. Aber ich sagte nichts. Stattdessen ließ ich mich von Teddy umarmen und ein bisschen streicheln. Er war wie eine kuschelige Version der Borg aus Raumschiff Enterprise: Widerstand ist zwecklos. Außerdem hatte ich einfach eine Schwäche für große Männer in Weihnachtsmann-Pullovern. Da konnte man nichts machen.
Ich gab ihm mein Weinglas. „Ich such mir Kaffee. Oder wenigstens eine Cola. Irgendwas.“
Ich hätte genauso gut ins Bett gehen können, aber solange die Party noch im vollen Gange war, konnte ich wahrscheinlich sowieso nicht schlafen. Patricks Küche war total verkitscht. Es gab sogar eine Uhr in Form eines Kätzchens, das mit dem Schwanz wackelte, und Retro-Küchengeräte, die direkt den Fünfzigern entsprungen schienen. Einzige Ausnahme: eine Espressomaschine, die vermutlich der Weltraumforschung zu verdanken war. So ein modernes Ding, das Milch aufschäumte und mit Kapseln bestückt wurde. Ich habe nie begriffen, wie man damit umgeht, und eigentlich traute ich mich nicht, sie anzufassen, aus Angst, einen falschen Knopf zu drücken.
Ich wusste, dass hier irgendwo noch eine stinknormale Kaffeemaschine herumstehen musste. Patrick gab nie irgendwas weg. Und ich meine wirklich nie. Weder das alte Lieblings-T-Shirt noch die Lampe mit dem kaputten Schalter. Verflucht, nicht mal mich hatte er gehen lassen. Er hortete Besitztümer und Menschen, als fürchtete er sich vor einer Zombiekalypse und seine einzige Überlebenschance wäre, danach eine neue Zivilisation aufzubauen, aus alten Klamotten und kaputten Geräten – und mit abgelegten Liebhabern. Es stand daher völlig außer Zweifel, dass er auch die Kaffeemaschine noch hatte. Aber wo? Im Schrank war sie jedenfalls nicht.
Vielleicht irgendwo auf der überdachten Veranda, die jetzt für den Winter mit Plastikplane abgedeckt war. Patrick hatte da draußen ein paar Dutzend Kisten mit Kram zwischengelagert und versprach Teddy ständig, er werde die Sachen irgendwann durchsortieren. Was er dann doch nie machte. Seine Espressomaschine war neu, weshalb die Chance groß war, dass er die alte Kaffeemaschine einfach nach draußen gebracht hatte.
Ich wappnete mich gegen die Kälte, stieß die Hintertür auf und trat auf die Veranda. Brrr, war das kalt. Ich kriegte sofort Gänsehaut und fing an zu bibbern. Ich ließ das Licht aus und steuerte zielstrebig den ersten Kistenstapel an. Dort fand ich zwar nicht die Kaffeemaschine, aber eine Sammlung Pornomagazine, die ich mit steif gefrorenen Fingern durchblätterte und zurück in die Kiste packte. Näher würde ich heute Abend garantiert keiner Erektion kommen, und ein bisschen traurig machte mich das schon.
Mein eigenes Geschäft aufzuziehen war toll fürs Ego, und ich war sehr viel zufriedener als zuvor. Die Auswirkungen auf mein Konto und mein Sexleben waren hingegen ziemlich katastrophal. Ich hatte einfach keine Zeit mehr für Dates, selbst wenn ich jemanden fand, von dem ich dachte, er sei die Mühe wert. Mir blieb nicht mal Zeit für einen kleinen Flirt hier und da, denn selbstständig arbeiten hieß in meinem Fall auch allein arbeiten, jedenfalls meistens. Und die beiden Jobs, die ich nebenher machte, um meine Hypothek abbezahlen zu können, waren auch nicht unbedingt geeignet, um Männer kennenzulernen. Ich fotografierte Schulklassen und Sportteams, dafür war ich viel unterwegs. Zwar begegnete ich dabei oft genug einem DILF – einem Dad, den Ich Liebend gern Ficken würde –, aber die meisten waren leider verheiratet. Und mein anderer Nebenjob bei Foto Folks machte Spaß und war gut bezahlt, aber meine Kunden waren entweder Frauen mittleren Alters, die gerne erotische „Boudoir“-Fotos haben wollten, oder Mütter, die ihre Kinder zu mir brachten, um sie vor riesigen Teddybären ablichten zu lassen. Inzwischen hatte ich eine ziemlich üble Allergie gegen Federboas und Plüschtiere entwickelt. Ansonsten galt: Ich war pleite, aber glücklich. Ich war müde und manchmal gestresst. Aber ich machte ganz genau das, was ich machen wollte.
Allerdings war ich auch offiziell untervögelt.
„Komm schon, Patrick. Wo hast du sie versteckt?“ Ich ging zum anderen Ende der Veranda und umrundete die abgedeckten Korbmöbel und einen großen Stapel Liegestühle. „Bingo!“
Kaffeemaschine, Filter und sogar ein Plastikbeutel mit Kaffeebohnen. Er warf wirklich nie was weg. Ich lachte und schüttelte den Kopf. Plötzlich hörte ich, wie die Verandatür geöffnet wurde, und drehte mich um.
Standbild.
Zwei Silhouetten tauchten in der Tür auf. Männer. Der kleinere schob den größeren gegen die Wand. Ja, schon verstanden. Ich wollte mich gerade räuspern, um meine Anwesenheit kundzutun, als der größere Mann das Gesicht dem Licht zuwandte.
Wie hatte ich eigentlich denken können, er sei einfach nur ein normal hübscher Junge? Alex Kennedys Profil ließ mich fast in Tränen ausbrechen, schon allein deshalb, weil man im Laufe seines Lebens so wenigen Menschen begegnete, die wirklich schön und gleichzeitig real waren. Im Licht konnte ich sehen, dass jede Linie seines Gesichts genau richtig war. Jetzt aber, da es halb in Schatten getaucht war, sah ich, dass die Nase zu scharf gebogen war und das Kinn etwas zu hart, um perfekt zu sein. Das Haar fiel ihm in die Stirn, und er verzog das Gesicht, als der Mann vor ihm in die Knie ging und Alex’ Hose öffnete.
Ich hatte immer noch genug Zeit, die beiden zu warnen. Sie waren schon weit gekommen, vielleicht betrunken oder so tief in ihre Leidenschaft verstrickt, dass sie nichts und niemanden um sich herum wahrnahmen. Aber ich hätte sie aufhalten können, wenn ich gewollt hätte. Ich blieb stumm.
„Evan“, sagte die leise, samtige Stimme, die zu Alex gehören musste. „Du musst das nicht machen.“
„Halt die Klappe.“
Die Schatten wurden wieder zu Körpern, der eine hoch aufgerichtet, der andere zu seinen Füßen kauernd. Das Licht von der Straßenlaterne in der Gasse war kaum hell genug, um irgendwas zu beleuchten, aber es genügte, um zu sehen, was da vor sich ging. Und es sorgte auch dafür, dass sie mich nicht sehen konnten, dachte ich, denn ich stand in der hintersten Ecke der Veranda, tief im Schatten. Solange ich mich ruhig verhielt, würden sie gar nicht mitkriegen, dass ich da war. Sie würden kommen – und dann wieder gehen.
Evan riss Alex’ Hose bis zu den Knien runter. Ich schnappte hörbar nach Luft und hielt mir erschrocken die Hand vor den Mund. Den Schwanz konnte ich nicht sehen, bin aber keineswegs zu stolz, zuzugeben, dass ich es sehr wohl versucht habe. Was ich aber sah, war Evans streichelnde Hand. Und seine Schultern, die sich bewegten. Ein schwarzer Schatten vor grauem Hintergrund. Alex ließ seinen Kopf zurückfallen, mit einem dumpfen Knall stieß er gegen die Wand.
„Halt die Klappe und lass mich einfach machen“, sagte Evan.
Vielleicht wollte er verführerisch klingen oder sexy. Aber Alex lachte nur und legte eine Hand auf Evans Kopf. Bildete ich mir das nur ein, oder vergrub er die Finger in den Haaren des anderen Mannes? Es war unmöglich zu erkennen, aber in der nächsten Sekunde zuckte Evans Kopf zurück, und das konnte eigentlich nur am harschen Griff seines Lovers liegen.
„Meinst du das wirklich ernst?“, fragte Alex, immer noch lachend.
Das nächste Geräusch, das Evan von sich gab, klang nicht ganz so bedrohlich, wie es wohl gemeint war, und ich fand es auch nicht besonders sexy, aber Alex schien das anders zu sehen, denn er lockerte seinen Griff so weit, dass Evan den Kopf wieder nach vorn bewegen konnte. Ich hörte das leise schmatzende Geräusch, das ein Mund auf einem Schwanz machte.
Verdammt noch mal.
„Oh, fuck, ja, ja, das ist gut.“
„Ich weiß, wie du’s magst“, murmelte Evan.
„Wer weiß das nicht?“ Alex lachte schon wieder. Leise diesmal und fast verschlafen.
Okay, wenn ich pervers bin, weil es mich anturnt, zwei Leute beim Ficken zu beobachten, dann nehmt mich einfach in euren Voyeur-Club auf und schickt mir das dazugehörende T-Shirt.
Ich hörte noch mehr schmatzende leise Geräusche, und inzwischen war ich selbst feucht und warm, und das Einzige, was mich daran hinderte, zwischen meine Beine zu greifen, war der Umstand, dass ich wie gelähmt war vor Erregung. Oh Mann, ich guckte nicht etwa heimlich einen Schwulenporno, ich starrte auf zwei echte Männer, die gleich abspritzen würden.
Ich presste meine Oberschenkel zusammen. Wow, das fühlte sich gut an. Ich machte es noch einmal, um meine Klit weiter zu reizen. Das war zwar nicht so gut wie ein Finger oder eine Zunge, aber das beständige langsame Anspannen der Muskeln verhalf mir trotzdem dazu, eine Spannung in mir aufzubauen, die ich nur zu gut kannte.
Ich blinzelte. Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Ich konnte sehen, wie Alex’ Augen blitzten, als er auf Evan herabsah. Dann das Strahlen von Evans Lächeln, als er seinen Mund kurz von Alex’ Schwanz löste. Alex legte wieder eine Hand auf Evans Kopf, und Evan widmete sich erneut mit vollem Einsatz seiner Aufgabe.
Alex stöhnte.
Evan gab einen erstickten Laut von sich, der nicht annähernd so aufregend klang wie Alex’ Stöhnen. Ich hörte ein schabendes Geräusch. Die Dielenbretter knarrten. Und dann wieder einen dumpfen Schlag gegen die Hauswand. Ich sah, wie Alex’ Silhouette sich Evans Mund entgegenbog.
Er kam. Ich musste die Augen schließen und mein Gesicht abwenden, ich musste es einfach. Ich durfte das auf keinen Fall mit ansehen. Egal wie sexy das war, egal wie geil und pervers ich war. Na ja, zumindest war mir jetzt nicht mehr kalt.
„Nein“, sagte Alex, und ich öffnete die Augen.
Evan hatte sich erhoben. Zwischen ihnen war jetzt ein Abstand, ein Licht zwischen ihren beiden schattenhaften Körpern. Ich beobachtete, wie Evan sich wieder nach vorn bewegte. Nur ein wenig. Aber Alex machte einen Schritt zur Seite.
„Nein?“, wiederholte Evan. Seine Stimme klang quengelig. „Du lässt mich deinen Schwanz lutschen und willst mich dann nicht küssen?“
Ein Reißverschluss wurde hochgezogen. Ich hörte ein Seufzen. Alex’ Schatten schien mit den Schultern zu zucken.
„Du bist ein verdammtes Arschloch, weißt du das?“
„Das weiß ich“, sagte Alex. „Aber das hast du auch gewusst, bevor du mich nach draußen gelockt hast.“
Evan stampfte doch tatsächlich mit dem Fuß auf. Nicht mal Patrick stampfte mit dem Fuß auf, wenn er die schmollende Diva gab. „Ich hasse dich!“
„Das stimmt doch gar nicht.“
„Doch, das stimmt!“ Evan öffnete die Tür, und ich kniff die Augen zusammen, weil plötzlich grelles Licht auf die Terrasse fiel. „Du brauchst jedenfalls heute nicht mit nach Hause zu kommen!“
„Deine Wohnung ist nicht mein Zuhause. Was glaubst du wohl, warum ich all meine Sachen abgeholt habe?“
Autsch. Das tat selbst mir weh. Wenn ich an Evans Stelle wäre, würde ich Alex schon allein für diesen selbstgefälligen Tonfall hassen.
„Ich hasse dich so sehr! Du Scheißkerl. Ich hätte dir niemals eine zweite Chance geben dürfen!“
„Ich habe dir gesagt, dass du es bleiben lassen sollst“, sagte Alex.
Evan stapfte wütend davon. Alex blieb noch ein, zwei Minuten draußen stehen, schwer atmend. Ich versuchte mucksmäuschenstill zu bleiben, aber mein Herz pochte so schnell, dass ich Sternchen hinter meinen geschlossenen Lidern tanzen sah. Ich war fast sicher, dass er mich hörte, aber das war offenbar nicht der Fall.
Alex verschwand im Haus.
Interessanterweise brauchte ich gar keinen Kaffee mehr, um wach zu bleiben.
Patrick stürzte sich auf mich, als ich wieder in die Küche kam. Er sah ziemlich aufgewühlt aus. „Wo warst du?“
Ich zeigte auf die Veranda. „Ich habe nach deiner Kaffeemaschine gesucht.“
Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Die steht da vorne auf dem Küchenschrank.“
Die Party war immer noch in vollem Gange. Inzwischen hatte ich aber genug. Für einen Abend reichte es mir mit dem Drama. Wenn ich nicht ein paar Gläser Wein zu viel intus hätte, wär’s mir egal gewesen, und ich hätte nach Hause fahren und in meinem Bett schlafen können. Stattdessen kam ich gerade erst von einem ziemlichen Adrenalin-Kick runter und schaffte es kaum, deutlich zu sprechen.
„Du weißt doch, die kann ich nicht bedienen. Zu kompliziert.“
Er beäugte mich kritisch. „Bist du betrunken?“
„Nein. Nur müde.“ Ich umarmte ihn. Das schien ihn erst zu überraschen, denn er zuckte zurück. Doch im nächsten Augenblick schloss er mich seinerseits in die Arme. Er hielt mich fest an sich gedrückt, bis ich ihn sanft wegschob. „Ich geh ins Bett.“
„Jetzt schon?“
„Ich bin total fertig!“ Ich stupste ihn neckisch in die Flanke. Patrick versuchte zwar nicht zu lachen, aber das gelang ihm nicht. „Was ist eigentlich dein Problem?“, wollte ich wissen. „Wieso bist du hier so panisch reingestürmt?“
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!