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Nach dem tödlichen Anschlag auf den Gesundheitsminister werden die unendlichen Gräberfelder einer Friedhofsmaschine zu Resonanzräumen und Projektionsflächen einer fragmentierten Gesellschaft, die auf ein Drittel der einstigen Bevölkerung zusammengeschrumpft ist. Der Impfstoff gegen das tückische Antilopenvirus hat ausschließlich blauäugige Menschen wie Peggy und Rico vor dem Tod bewahrt. Doch während das semmelblonde Pärchen felsenfest davon überzeugt ist, dass die letzte Ruhestätte des geschätzten Politikers kein profanes Reihengrab am Stadtfriedhof, sondern ein Pyramiden-Mausoleum im heimischen Garten sein sollte, fassen die libertären Globetrotter Jenny und Flutze die ministrable Exhumierung ausschließlich unter dem mitleidlosen Vorsatz der Grabschändung ins Auge. Erst wenn die Gebeine von den Hyänen des benachbarten Zoos zerkaut sind, so deren Hoffnung, könne die Erinnerung an die vermeintliche Lichtgestalt verblassen und der Aufbau freiheitlicher Korrektive voranschreiten. Dumm nur, dass sich mittlerweile niemand mehr an eine aufgeklärte Demokratie noch an deren Feinde erinnern mag, und die Leiche des Ministers, mit der Jenny und Peggy ihren jeweiligen Kampf um die ideologische Deutungshoheit zu begründen versuchen, unauffindbar bleibt. Aus rollenspielartigen Perspektivwechseln, diffusen Wahrnehmungen und kriminalistisch verschränkten Zeitebenen schält sich langsam ein konspiratives Kaleidoskop heraus, das dieses Impfdrama als prophetisch-fröstelnde Groteske fortschreibt. Neben "Napalmjenny. Bonobos schmusen inkognito" findet sich in diesem Band mit "Das Bienenhotel" ein weiteres Hörstück, das als kurioser Schwank über eine dysfunktionale Gesellschaft gelesen werden kann und von der Unbehaustheit des beschädigten Individuums in all seinen künstlich erschaffenen Peripherien erzählt.
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Seitenzahl: 63
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napalmjenny. bonobos schmusen inkognito. Nach dem tödlichen Anschlag auf den Gesundheitsminister werden die unendlichen Gräberfelder einer Friedhofsmaschine zu Resonanzräumen und Projektionsflächen einer fragmentierten Gesellschaft, die auf ein Drittel der einstigen Bevölkerung zusammengeschrumpft ist. Der Impfstoff gegen das tückische Antilopenvirus hat ausschließlich blauäugige Menschen wie Peggy und Rico vor dem Tod bewahrt. Doch während das semmelblonde Pärchen felsenfest davon überzeugt ist, dass die letzte Ruhestätte des geschätzten Politikers kein profanes Reihengrab am Stadtfriedhof, sondern ein Pyramiden-Mausoleum im heimischen Garten sein sollte, fassen die libertären Globetrotter Jenny und Flutze die ministrable Exhumierung ausschließlich unter dem mitleidlosen Vorsatz der Grabschändung ins Auge. Erst wenn die Gebeine von den Hyänen des benachbarten Zoos zerkaut sind, so deren Hoffnung, könne die Erinnerung an die vermeintliche Lichtgestalt verblassen und der Aufbau freiheitlicher Korrektive voranschreiten. Dumm nur, dass sich mittlerweile niemand mehr an eine aufgeklärte Demokratie noch an deren Feinde erinnern mag, und die Leiche des Ministers, mit der Jenny und Peggy ihren jeweiligen Kampf um die ideologische Deutungshoheit zu begründen versuchen, unauffindbar bleibt. Aus rollenspielartigen Perspektivwechseln, diffusen Wahrnehmungen und kriminalistisch verschränkten Zeitebenen schält sich langsam ein konspiratives Kaleidoskop heraus, das dieses Impfdrama als prophetisch-fröstelnde Groteske fortschreibt.
Das Bienenhotel. Als Arne den Nutzen von Insektenhotels infrage stellt, schaukelt sich das anfangs launige Dramolett über die Nachhaltigkeit ökologischer Lebensweise sogleich zu einem galligen Schwank über dysfunktionale Gesellschaften auf. Das Fernbleiben der Kerbtiere in einem von Menschen geschaffenen Habitat wird zum Dreh- und Angelpunkt dieses kurzen wie kuriosen Hörstücks, zum Synonym für die Unbehaustheit des beschädigten Individuums in all seinen künstlich erschaffenen Peripherien.
Thomas Herget wurde 1964 in Frankfurt am Main geboren. Neben seinem Studium in Darmstadt publizierte er für Zeitungen im deutschsprachigen Raum. Es folgten literarische Förderpreise und Stipendien. Journalistische Tätigkeiten unter anderem für taz, Frankfurter Rundschau und Passauer Neue Presse. Heute verfasst er Film- und Theaterrezensionen, zeichnet für das Bühnen-Ressort eines Magazins verantwortlich und schreibt für Hörfunk und Theater. Er lebt in der Nähe von Kiel.
napalmjenny. bonobos schmusen inkognito
Synopse
(„napalmjenny. bonobos schmusen inkognito“)
Das Bienenhotel
Synopse
(„Das Bienenhotel“)
für hilde nocker
personen
JENNY
FLUTZE, jennys mann
PEGGY
RICO, peggys mann
DER STOLPERER, ein tagelöhner
tierstimmen und geräusche
pausen
/ kurzer und durchdringender bonoboruf, // längere bonoborufe, /// ein intermezzo an bonoborufen, entfernt und leiser.
zeit, ort und anmerkungen
zweifellos im anschluss an eine jetztzeit, vielleicht schon morgen. zu sehr früher stunde, der vollmond wacht noch streng über der einstmals angesehenen zivilisation. unter dichtem blattwerk: die gräberfelder einer riesigen friedhofsmaschine, die als atmender organismus stets wahrnehmbar ist. die figuren befinden sich meist in bewegung, in beobachtender und belauernder manier, was durch duktus und sprache nachdrücklich herausgearbeitet werden sollte. keine regieanweisungen.
///
RICO ich sehe das blut. nicht wie in dem film. aber es ist noch da. so rot. mitten im august. nach heftigem gewitterregen. zuerst der mann. anschließend das blut. überall.
PEGGY was macht der mann dort auf der bühne?
RICO - fragt die peggy noch -
PEGGY - während mein rico mit dem handy filmt, was die speicherkarte hergibt.
RICO dem minister flappt das silbrige teil noch an der seite hin und her. wie ein zappelnder fisch. da haben sich seine schweren jungs bereits auf ihn geworfen. tja, danach kam das blut.
FLUTZE also, ich hab kein blut gesehen. auch kein messer. da war kein messer, weder im minister noch im film. auch wenn sie den auf besagtem kanal dreimillionenfünfhundertsiebenunddreißigtausendneunhunderteinundzwanzigmal geteilt haben wollen. muss sich der rico eingebildet haben.
JENNY was fürn film? ne, das sind alles hirngespinste. flutze, du hast in den ersten tagen aber selbst von nem messer gesprochen, nicht bloß im suff, das musst du zugeben.
FLUTZE weil plötzlich alle aufgeschrien haben und einer auf diese person gezeigt hat. da war jemand, der sich verdrücken wollte.
PEGGY feige sau!
JENNY halts maul, peggy!
PEGGY so ein feingliedriger mann, der gesundheitsminister. jenny, hast du mal seine hände gesehen? als die noch warm waren? eine haut wie aus papier. blaue adern darunter. wie autobahnen auf landkarten.
JENNY die peggy weiß nicht, dass es keine landkarten mehr gibt. sie hat auch noch ein telefon mit wählscheibe. ich hätte dem typen das teil jedenfalls so tief reingerammt, dass es dem auf der gegenüberliegenden seite seines astralleibs die pergamenthaut zerfetzt hätte.
PEGGY erdrückt haben sie ihn. wie elefanten. als sie sich auf ihn geworfen haben, mit ihren rasierten tattookörpern.
FLUTZE er soll seinen inneren verletzungen erlegen sein.
PEGGY da habt ihrs!
JENNY die peggy ist ein wesen aus der analogen welt. fleisch und blut. rachsucht und rambazamba. darunter macht sies nicht.
PEGGY dagelegen ist er wie ne ausgepresste zitrone, so ein zerbrechliches persönchen, der herr senator.
JENNY und dann setzt sie im stile thomas bernhards zur suada auf die gesamte sicherheitsbranche an. üble schimpfe. zu eng sitzende anzüge. drogen. menschenhandel. pitbulls. sonnenstudios. ich will jetzt nicht ins detail gehen, aber die peggy kann richtig ausfallend werden, wenn sie aus der papierhaut fährt.
FLUTZE beinahe rassistisch klingt die dann. da hat die jenny recht.
PEGGY he, sonst gehts euch gut?
RICO peggy, die wollen provozieren, merkt man doch.
PEGGY wer die wahrheit leugnet, darf ungeniert mit scheiße werfen? aha, wo gibts das denn? rico, zeig ihnen endlich den film.
RICO peggy -
PEGGY - ja?
RICO ähm -
PEGGY - oh nein, sag nicht, dass es ein problem gibt. das kann nicht dein ernst sein? mensch rico, erzähl bitte nicht, du hast es vermasselt!
FLUTZE rico hält seiner angetrauten ein smartphone in ultraflacher bauweise und mit megastarker kameraauflösung ans ohr -
JENNY - ein xiasung oneplus promax twentytwo, das mehr sieht als das menschliche auge.
RICO hörst du den beifall? die schreie? die panik? es ist alles da! du musst nur der tonspur lauschen. analog ausgedrückt.
PEGGY der tonspur? dann hat er sich also gelöscht, dein unterbelichteter film? dieses selbstzerstörerische video! aber es wird doch sicher etwas überlebt haben? etwas überlebt immer! wie in den alien-filmen. in den zwischenräumen eines ausrangierten raumkreuzers von mir aus. sei so nett und nehm dieses plärrende brikett von meinem ohr!
RICO peggy, jetzt mach hier keinen stress. natürlich hat es überlebt. vielleicht nicht physisch, aber im kollektiven bewusstsein.
FLUTZE jeder andere hätte an dieser stelle ein plädoyer auf die resilienz einer intakten zivilgesellschaft gehalten. auf das vertrauen in demokratische grundwerte. auf staatliche partizipation. nicht rico, der an die dreimillionenfünfhundertsiebenunddreißigtausendneunhunderteinundzwanzigfache teilung eines internetstreifens glaubt, der nur in seiner einbildung existiert. er ist ein alter, weißer mann, was ihm noch keiner gesagt hat, und er ist von gestern -
JENNY - verheiratet mit ner schnalle von vorgestern -
FLUTZE - ner bigotten thusnelda aus der steinzeit!
JENNY sicher fällt ihr gleich ein bibelzitat ein.
PEGGY the king is gone but hes not forgotten. merkt euch das.
JENNY großer gott, sie hat vor rührung tatsächlich pipi in den augen.
PEGGY könnt glatt flennen, fehlen allein die tränen.
JENNY das salz -
PEGGY - das er selbstredend ausgeschlagen hat, zusammen mit kreuzkümmel und traubenzucker. allein, um uns gesunde lebensweise zu lehren –
RICO - und der vielweiberei zu entsagen.
FLUTZE sagenhaft.
JENNY flutze spendet dem rico beifall. ironisch natürlich. da kommt der stolperer ums eck, der speckige schlafsack hängt ihm halb ausm ranzen und schleift überm boden.
RICO kenn dich. bist der stolperer. schlurfst durchs leben und stolperst über die worte wie über die eigenen füße.
STOLPERER was gehts dich an, wenn du eh gescheit daherredest.
RICO he, bleib mal. bleib mal stehen. oder zieh leine. mir einerlei.
STOLPERER denkst, ich weiß nicht, dass du der schöne rico bist.
JENNY der stolperer baut sich vor dem rico auf, mustert ihn vom scheitel bis zur sohle. aber hallo.
STOLPERER nur schön bist du nicht mehr, nachdem der flutze dir den kiefer gebrochen hat.
JENNY bingo!
RICO