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Nicht alles für die Katz: Krimi Paket 3 Romane von Alfred Bekker Der Umfang dieses Buchs entspricht 500 Taschenbuchseiten. Dieses Buch enthält folgende Krimis: Alfred Bekker: Böser Bruder Alfred Bekker: Katzenjammer für einen Mörder Alfred Bekker: Stadt der Schweinehunde Krimis der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre. Mal provinziell, mal urban. Und immer anders, als man zuerst denkt. Die Tochter eines Gangster-Bosses kommt bei dem Aufnahmeritual einer Satanistensekte ums Leben. Ihre Leiche wird auf einer Müllkippe gefunden und Auslöser eines Strudels der Gewalt. Die Sektenmitglieder stehen jetzt auf der Todesliste des Syndikats. Doch je länger die Ermittler sich mit dem Fall befassen, desto deutlicher wird, dass hinter den Ereignissen ein perfider Plan steht... Ein Ermittler nimmt mit seinem Team den Kampf gegen das Verbrechen auf. Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
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Seitenzahl: 547
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Nicht alles für die Katz: Krimi Paket 3 Romane
Alfred Bekker
Published by Alfred Bekker, 2021.
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Nicht alles für die Katz: Krimi Paket 3 Romane
Böser Bruder
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Katzenjammer für einen Killer
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Stadt der Schweinehunde
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Interview mit Alfred Bekker (2008)
Further Reading: 10 Ferien Thriller: Krimi-Lesefutter für lange Nächte
Also By Alfred Bekker
About the Author
About the Publisher
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 500 Taschenbuchseiten.
Dieses Buch enthält folgende Krimis:
Alfred Bekker: Böser Bruder
Alfred Bekker: Katzenjammer für einen Mörder
Alfred Bekker: Stadt der Schweinehunde
Krimis der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre.
Mal provinziell, mal urban. Und immer anders, als man zuerst denkt.
Die Tochter eines Gangster-Bosses kommt bei dem Aufnahmeritual einer Satanistensekte ums Leben. Ihre Leiche wird auf einer Müllkippe gefunden und Auslöser eines Strudels der Gewalt. Die Sektenmitglieder stehen jetzt auf der Todesliste des Syndikats.
Doch je länger die Ermittler sich mit dem Fall befassen, desto deutlicher wird, dass hinter den Ereignissen ein perfider Plan steht...
Ein Ermittler nimmt mit seinem Team den Kampf gegen das Verbrechen auf.
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Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
Thriller von Alfred Bekker
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© 2015 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
Es war Mitternacht. Durch die Fenster der St. Lucas Church in der 48th Street drang hin und wieder das flackernde Licht der Neonreklamen in der Umgebung. Ansonsten erhellten etwa dreißig Kerzen den Bereich um den Altar. Eine Gruppe von etwa zwanzig dunklen, in Mönchskutten gehüllten Gestalten bildete einen Halbkreis. Die Kapuzen waren tief ins Gesicht gezogen. In einer Art Singsang murmelten sie lateinische Sätze vor sich. Einer der Kuttenträger trat vor den Altar. Er streckte die Arme aus. Seine Kapuze rutschte dabei etwas nach hinten, sodass für kurze Zeit ein Teil des von Narben und Geschwüren entstellten Gesichtes erkennbar wurde.
"Hier spricht Bruder Maleficius im Namen der Schar deiner ergebenen Diener, oh Herr des Bösen!"
"Amen!", antwortete der Chor der Kuttenträger.
"Dieser Ort sei von nun an dir geweiht, Satan!", fuhr der Mann fort, der sich selbst Bruder Maleficius genannt hatte. Er ergriff das über den Altar ausgebreitete Tuch und riss mit einem Ruck daran, sodass Bibel und Holzkreuz zu Boden fielen.
Der Singsang der Kuttenträger schwoll an. Steigerte sich immer mehr, bis Bruder Maleficius mit dem Zeigefinger der linken Hand ein Pentagramm in die Luft malte. Von einer Sekunde zur anderen war es still.
Bruder Maleficius stellte sich vor den Altar, kniete nieder.
"Heute möchten wir eine neue Schwester in die Schar deiner Anhänger aufnehmen, oh Herr des Bösen und der Verdammnis!", rief der Narbige.
Seine Worte hallten zwischen den hohen Kirchenmauern wider.
"Dein Wille geschehe, Satan", so antwortete der Chor der Kuttenträger. "Wie in der Hölle, so auf Erden."
Bruder Maleficius erhob sich wieder, drehte sich herum.
"Tritt vor, Schwester der Schande!", rief er.
Eine relativ zierliche Gestalt unter den Kuttenträgern machte einen Schritt nach vorn.
"Zeige dich!", forderte Bruder Maleficius. Die Kapuze glitt zurück. Ein brauner Haarschopf wurde sichtbar. Das Kerzenlicht beleuchtete das feingeschnittene Gesicht einer jungen Frau. Sie ließ die Kutte über die Schultern gleiten. Darunter trug sie nichts. Ihr wohlgeformter Körper war mit magischen Zeichen bemalt. Einer der anderen Kuttenträger reichte der jungen Frau einen messingfarbenen Kelch.
"Trink!", forderte Bruder Maleficius. "Trink, auf das du in das Reich Satans einkehrst und als seine Dienerin zurückkehrst!"
Die junge Frau trank den Inhalt des Kelches aus. Plötzlich fiel ihr der Kelch aus der Hand. Ihr Körper verlor den Halt. Sie sank in sich zusammen. Bruder Maleficius fing sie auf. Er griff ihr unter die Arme. Einer der anderen Kuttenträger kam herbei, fasste sie unter den Knien.
Sie wurde auf den Altar gehoben und dort abgelegt.
Ihre helle Haut schimmerte im flackernden Licht der Kerzen. Die im Halbkreis stehenden Satansjünger begannen wieder mit ihrem Singsang. Sie beteten magische Formeln vor sich hin.
"Dominum Satanicum!", rief Bruder Maleficius laut.
Er stellte sich vor den Altar, breitete die Arme aus und wiederholte diesen Ruf insgesamt sechsmal.
Dann holte Maleficius eine kleine silberfarbene Dose unter seiner Kutte hervor. Er öffnete sie. Ein leuchtendes, fluoreszierendes Pulver war darin enthalten.
"Hinabgestiegen bist du in das Reich des Todes! Nimm jetzt das Salz des Lebens und kehre zurück aus der Unterwelt als SEINE Dienerin auf ewig!"
Maleficius nahm eine Prise des fluoreszierenden Pulvers, öffnete mit der anderen Hand ihre Lippen und flößte es ihr ein.
Die Dose ließ er in den weiten Ärmeln seiner Kutte verschwinden.
Mit der rechten Hand griff er der jungen Frau auf den Bauch. Am Mittelfinger befand sich ein breiter Ring. Ein roter Stein war auf der Handinnenseite. Daneben trat eine kaum sichtbare Injektionsnadel hervor.
Maleficius drückte zu.
Der Einstich war kaum zu sehen, als er die Nadelring zurückzog.
"Erwache, Tochter des Bösen!", rief er.
Es herrschte absolute Stille.
Man hätte in diesem Augenblick eine Stecknadel fallen hören können.
Maleficius wiederholte seinen Ruf. "Erwache, Tochter des Bösen!"
Aber die junge Frau rührte sich nicht.
Ihre Augen blieben starr wie die einer Toten.
Einer der anderen Satansjünger schnellte herbei. Er fasste die junge Frau bei den Schultern. "Dolores!", rief er. Dann tastete nach ihrem Puls.
Er nahm seine Kapuze vom Kopf. Das Gesicht eines jungen Mannes mit dunklen Locken und einem dünnen Oberlippenbart kam zum Vorschein. Angst leuchtete in seinen Augen. "Scheiße, Mann, die ist tot!", rief er. Sein Gesicht wurde leichenblass. Er wandte sich an Maleficius. "Weißt du eigentlich, wen du da umgebracht hast, du Spinner?"
"Immer schön ruhig bleiben, Brett!", erwiderte der Narbige.
Ein übler Geruch schlug mir entgegen, als ich aus dem Sportwagen stieg. Hunderte von kreischenden Möwen kreisten über der Mülldeponie Cannary Lane auf Staten Island. Etwa ein Dutzend Einsatzfahrzeuge von City Police, State Police und FBI parkten zwischen den sich auftürmenden Müllbergen. Dazu noch die Wagen des Coroner sowie einiger Spezialisten der Scientific Research Division.
Die Agenten Clive Caravaggio und Fred LaRocca sprachen gerade mit dem zuständigen Chief der Homicide Squad. Agent Medina stand ein paar Meter weiter und blickte auf ein in blaue Plastikfolie eingewickeltes Paket, das etwa die Größe eines menschlichen Körpers hatte.
"Ich hoffe, wir haben hier nicht allzu lange zu tun", raunte mir mein Freund und Kollege Milo Tucker zu. Er rümpfte die Nase. "Es könnte wenigstens eine frische Brise vom Atlantik her wehen!"
"Du wirst es schon überleben", erwiderte ich.
"Von einer Gasmaske hat mir vor diesem Einsatz niemand etwas gesagt."
"Gehört die nicht zur Standard-Ausrüstung - so wie die Kevlar-Weste?"
"Haha, selten so gelacht!"
"Eigentlich sollten wir die immer im Kofferraum haben."
Wir erreichten Clive.
Der stellvertretende Leiter des FBI Field Office New York grüßte uns knapp und deutete anschließend auf den Mann neben sich. "Das ist Captain Riley von der Homicide Squad des 103. Reviers. Er hat uns gerufen."
Ich nickte Riley freundlich zu. "Es hieß, eine Leiche sei hier auf der Deponie gefunden worden."
Captain Riley nickte. "Wenn es sich allerdings nur um irgendeine Tote handeln würde, hätten wir nicht den FBI verständigt", erklärte er.
"Um wen handelt es sich?", fragte ich.
"Um Dolores Montalban, die Tochter des Mannes, der in Spanish Harlem als El Columbiano bekannt ist. Der Name sagt Ihnen sicher etwas. Er gilt als graue Eminenz im Kokain-Geschäft gilt. Vor drei Tagen ging eine Vermisstenanzeige ein. Und jetzt finden wir Dolores hier nackt und in Plastik verpackt auf der Müllhalde."
"Wann wurde sie gefunden?", erkundigte sich Clive.
"Vor anderthalb Stunden. Einer der Bulldozer-Fahrer hat das Paket bemerkt. Die Plastikhülle war beschädigt. Eine Hand ragte heraus."
"Verstehe", brummte Clive. Der Italo-Amerikaner fuhr sich mit einer schnellen Bewegung über das Gesicht. Die Hitze und der Geruch setzten uns allen zu.
"Wie konnten Sie Dolores Montalban so schnell identifizieren?", fragte ich.
"Die Tote hat eine Tätowierung zwischen den Schulterblättern, die ziemlich ungewöhnlich ist", antwortete der Captain. "Ein umgedrehtes Kreuz. In der aktuellen Vermisstenliste für New York City gibt es niemanden sonst, der dieses Merkmal aufweist."
"Verstehe."
"Außerdem ist Dolores Montalban vorbestraft. Kirchenschändung, Schändung von Grabstätten und dergleichen mehr. Ein Verfahren ist übrigens noch nicht abgeschlossen. Zusammen mit ein paar Mittätern soll sie nachts in die methodistische Kirche St. Andrew an der Delaware Road in Paterson, New Jersey eingedrungen sein und dort die Wände mit Schweineblut bemalt haben."
Riley führte uns zu der Stelle, wo die Tote aufgefunden worden war. Der Gerichtsmediziner beugte sich über das Plastikpaket, das von einem Mitarbeiter der Scientific Research Division teilweise aufgeschnitten worden war. Die Tote war vollkommen nackt. Eigenartige Zeichen waren auf ihren Körper gemalt worden. Kreise, Pentagramme, Sechsecke. Vermutlich hatten sie irgendeine okkulte Bedeutung.
"Was ist die Todesursache?", wandte sich Clive Caravaggio an den Gerichtsmediziner, einen etwa vierzigjährigen Mann mit hoher Stirn. Ich kannte ihn flüchtig. Sein Name war Sounders. Er machte ein ziemlich ratloses Gesicht, zuckte die Achseln. "Akuter Herzstillstand", sagte er. "Viel genauer kann ich dazu noch nicht Stellung nehmen."
"Mir hat Dr. Sounders auch noch nicht mehr verraten", erklärte Riley. "Aber bei einer Toten, die so verpackt auf einer Müllkippe abgelegt wird, kann man wohl kaum eine natürliche Todesursache annehmen."
Dr. Sounders bückte sich und klappte die Plastikplane ein ganzes Stück zur Seite, sodass der Rumpf der Toten vollständig sichtbar wurde. Der Arzt deutete auf einen winzigen roten Punkt in der Nähe des Bauchnabels. "Das könnte die Folge einer Injektion sein."
"Sie meinen, Dolores Montalban wurde vergiftet?", fragte Clive.
"Alles noch Spekulation. Ich habe den Verdacht, dass Miss Montalban ein muskellähmendes Mittel verabreicht bekam. Genaues kann ich Ihnen natürlich erst nach einer eingehenden Obduktion sagen." Sounders deutete zu den Achselhöhlen. "Sie sehen hier die Hämatome. Unter den Knien sind ähnliche Stellen zu finden. Die Tote wurde von zwei Personen getragen, als sie noch lebte. Aber sie war vermutlich vollkommen gelähmt und konnte keinerlei Muskelspannung aufbieten. Sonst wären diese Hämatome nicht in der vorliegenden Form entstanden."
Sounders deckte die Plastikplane wieder über die Tote.
Mehr konnten wir vom Coroner im Moment nicht erfahren.
"Diese Zeichen - das sieht mir nach irgendwelchen satanistischen Ritualen aus", meinte Milo. "Passt zu der Tätowierung auf dem Rücken und ihren Vorstrafen."
Riley nickte. "Das umgedrehte Kreuz ist ein Satanistenzeichen."
"Weiß Mister Montalban schon vom Tod seiner Tochter?", erkundigte sich Clive.
Captain Riley schüttelte den Kopf. "Nein, wir dachten, dass ihr vom FBI diesen unangenehmen Job übernehmen würdet!"
Clive nickte. "Verstehe." Er wandte sich an mich. "Montalban und ich sind vor Jahren mal böse zusammengerasselt. Er wird sich an mich erinnern..."
"...und jetzt hast du wenig Lust, ihm gegenüber zu treten!", schloss ich.
Clive nickte. "Es geht darum, so viel wie möglich an Informationen aus dem Kerl herauszubekommen. Wenn ich dabei bin, trägt das wahrscheinlich nicht gerade zu einer guten Gesprächsatmosphäre bei."
"Wir machen das schon", mischte sich Milo ein. "Das war's doch, was du hören wolltest, oder?"
"Ihr habt was bei mir gut", sagte Clive.
"Wir kommen darauf zurück", erwiderte ich.
"Ich hoffe nur, dass das Ganze nicht der Auftakt zu einem Krieg zwischen den Drogenkartellen ist!", meldete sich Agent Fred LaRocca zu Wort. "Schließlich wissen wir nicht, ob der Zusammenhang zum Satanismus nicht vielleicht nur vorgetäuscht ist."
"Dazu hat mir Nat noch etwas Interessantes gesagt, kurz bevor ich das Field Office verließ, um her zu kommen", ergänzte Clive an mich und Milo gerichtet. Nat Norton war ein Kollege aus dem Innendienst, dessen Spezialgebiet die Betriebswirtschaft und das Aufspüren von Geldströmen war. "Nach Nats Angaben hat es auf Montalbans bekannten Konten sehr bemerkenswerte Bewegungen gegeben. Auffällig sind unter anderem mehrere Barabhebungen von jeweils über einer halben Million Dollar."
"Dann wurde Montalban vielleicht erpresst", entfuhr es mir.
"Das war auch mein erster Gedanke, Jesse."
Anderthalb Stunden später waren Milo und ich auf dem Weg nach Long Island. Rick Montalban bewohnte eine Villa in den Hamptons, direkt am Meer. Früher hatte er in Spanish Harlem residiert. Offenbar war ihm dieses Pflaster seid einigen Jahren zu heiß geworden.
"Dirty Rick" war er früher wegen seiner rücksichtslosen Vorgehensweise genannt worden. Mehrere Vorstrafen wegen Körperverletzung und Drogendelikten standen auf seinem Konto. Aber "Dirty Rick" war mit den Jahren geschickter geworden. Er hatte begriffen, dass man besser davonkam, wenn man andere die Drecksarbeit verrichten ließ und dafür sorgte, immer eine weiße Weste zu behalten. So war aus "Dirty Rick" schließlich jener Mann geworden, den die Latinos in Spanish Harlem und der Bronx fast ehrfurchtsvoll "El Columbiano" nannten. Eine graue Eminenz, die aus dem Hintergrund heraus einen Großteil des Drogenhandels kontrollierte. Darüber hinaus hielt er auch seine Hand über zahllose Nachtclubs und Wettbüros, mit deren Hilfe das schmutzige Geld weiß gewaschen wurde. Inzwischen hatte Montalban einen Großteil seines Geldes in legale Geschäfte investiert, sodass absehbar war, wann er sich vollkommen vom illegalen Sektor verabschieden würde. Für uns bedeutete dies, dass es immer schwieriger wurde, ihm überhaupt noch irgendwelche Straftatbestände nachzuweisen.
Dutzende von Auftragsmorden gingen wahrscheinlich auf das Konto von "El Columbiano".
Bis jetzt war es uns nicht gelungen, ihn auch nur für einen davon zur Verantwortung zu ziehen.
Er regierte seine Organisation bis heute mit eiserner Hand. Verrat bedeutete den sicheren und oft auch qualvollen Tod.
Montalban duldete weder Widerspruch noch Kooperation mit der Justiz in seinen Reihen. Wer immer sich nicht daran hielt, musste bitter dafür bezahlen.
Seit Jahren waren wir vom FBI Field Office New York diesem Kerl auf den Fersen. Dasselbe galt für die Kollegen der Drogenpolizei DEA und der Steuerfahndung. Aber bislang war bei all diesen Ermittlungen nicht genug herausgekommen, als dass ein District Attorney darauf eine Anklage gründen konnte.
Möglicherweise war "El Columbiano" jetzt selbst Opfer eines Verbrechens geworden.
Mit seiner Unterstützung konnten wir deshalb trotzdem wohl kaum rechnen.
Leute wie Montalban pflegten derartige Probleme auf ihre eigene Art zu lösen. Meistens sehr blutig. Genau das mussten wir verhindern.
"Ich frage mich, wer hinter einer Entführung von Montalbans Tochter stecken könnte", sagte Milo, als wir gerade die letzten Randbezirke von Brooklyn hinter uns gelassen hatten und weiter Richtung Nordosten fuhren. Links war der Atlantik zu sehen. "Auf jeden Fall scheiden irgendwelche Amateure wohl aus. Wer die Tochter von Dirty Rick entführen will, der ist entweder lebensmüde oder sehr, sehr mächtig."
"Du glaubst also, die Konkurrenz des Kolumbianers steckt dahinter. Irgendetwas ging schief, Dolores kam ums Leben und wurde dann auf die Müllkippe gelegt, wo sie mit etwas Glück vielleicht nie gefunden worden wäre!"
"Ergibt doch Sinn, oder?"
"Nach dem alten Mafia-Kodex waren die Familien der Gangster tabu, Milo."
"Du weißt, dass diese humanen Zeiten längst vorbei sind, Jesse."
"Ja, ich weiß."
"Heute wird auf nichts mehr Rücksicht genommen, wenn der Profit in Gefahr ist."
"Die Entführer haben offenbar gewusst, dass Dolores etwas mit Satanismus zu tun hat", vermutete ich. "Sonst hätten sie nicht versucht, das Ganze als einen Ritualmord zu tarnen."
"Kann ja sein, dass die Entführer Helfer im näheren Umfeld der Montalbans hatten."
"Immer vorausgesetzt, es gab überhaupt eine Entführung und der Tod der jungen Frau ist nicht doch das Ergebnis irgendwelcher Rituale."
"Der Coroner sprach davon, dass wahrscheinlich ein muskellähmendes Mittel verabreicht wurde. Das passt eher zu einer Entführung als zu einem Gruftie-Ritual, wenn du mich fragst."
"Hängt vom Ritual ab, würde ich sagen."
"Du kennst dich da aus?"
"Nicht genug, um wirklich mitreden zu können, fürchte ich. Warten wir erst mal ab, welche Substanzen der Coroner im Körper von Dolores Montalban letztlich feststellt."
"Bis der Coroner soweit ist, hat der saubere Mister Montalban längst eine Armee von Killern in Gang gesetzt!", gab Milo zu bedenken.
Wir brauchten etwas über eine Stunde, ehe wir Montalbans Residenz erreichten. Das Gelände um die Villa war weiträumig abgesperrt. Es gab hohe, elektrisch geladene Zäune. Bewaffnete Männer in Kampfanzügen patrouillierten daran entlang. Manche von ihnen führten mannscharfe Dobermänner bei Fuß.
Wir mussten mit dem Sportwagen, den die Fahrbereitschaft des FBI uns zur Verfügung stellte, an einer Art Checkpoint anhalten. Die Security Guards, die hier Wache schoben, trugen Kevlar-Westen und MPis. Sie sahen sich unsere ID-Cards eingehend an und nahmen über Funk Kontakt mit ihrem Boss auf. Schließlich wurden wir durchgewinkt.
"Da kommt man sich ja vor wie an einer Landesgrenze", knurrte Milo.
"Ja, aber wenn El Columbiano meint, dass dieses Anwesen exterritoriales Gelände sind, hat er sich geschnitten!"
Von diesem Checkpoint aus führte die Straße über eine Anhöhe. Dahinter lag die Villa. Ein großes dreistöckiges Anwesen aus Sandstein. Ungefähr ein Kilometer feinsten Sandstrandes gehörte zu Montalbans Domizil. Außerdem hatte sich "El Columbiano" einen eigenen Yachthafen angelegt. Es musste ein Vermögen gekostet haben, das Hafenbecken ausbaggern zu lassen. Eine größere, hochseetaugliche Yacht und mehrere kleinere Boote lagen an Stegen vertäut.
"Dieser Mann hat wirklich alles, was man sich nur wünschen kann", stellte Milo fest.
"Nur seine Tochter. Die kann ihm trotz all seines Reichtums niemand mehr zurückbringen", erwiderte ich.
"Alles kann man sich eben nicht kaufen!"
"Du sagst es."
Ich parkte den Sportwagen vor dem großen Hauptportal der Villa. Es war durch massive Säulen gekennzeichnet, die wohl an Bauwerke der Antike erinnern sollten.
Wir stiegen aus. Bis zum Portal waren es etwa zwanzig Meter. Vier Security Guards in schwarzen Anzügen erwarteten uns. Zwei der Männer trugen MPis über die Schulter. Bei den anderen drückten sich die Pistolen durch die Jacketts.
Milo und ich zeigten erneut unsere ID-Cards.
"Wir werden Sie nach Waffen durchsuchen", erklärte der Anführer der Vier. Ein breitschultriger Kerl mit kurzgeschorenen, dunklen Haaren, durch die die Kopfhaut hindurchschimmerte.
"Kommt nicht in Frage!", erwiderte ich. "Wir gehen durch diese Tür da vorne und jemand von Ihnen bringt uns zu Mister Montalban, ohne auch nur den Versuch zu machen, uns vorher abzutasten!"
Der Dunkelhaarige verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
"Du kommst dir wohl sehr wichtig vor, G-man", knurrte er.
"Stell dir vor, ich bin wichtig."
"So?"
"Frag mal deinen Boss. Bei dem sind wir nämlich angemeldet."
Milo mischte sich jetzt ein. "Wir lochen dich höchstens ein, wenn du uns daran hinderst, unsere Pflicht zu tun. Was dein Boss mit dir macht, wenn er erfährt, dass du uns unnötigerweise aufgehalten hast, möchte ich gar nicht wissen!"
Einer der anderen Bodyguards sagte ein paar Sätze auf Spanisch. Ich verstand kein Wort.
Der Dunkelhaarige antwortete mit einem knappen "Sí!" und atmete tief durch. "Folgen Sie uns!"
Rick Montalban empfing uns in einem weitläufigen Salon. Durch die hohe Fensterfront hatte man einen fantastischen Blick auf den Atlantik.
Montalban war ein hochgewachsener, grauhaariger Mann mit braungebranntem Gesicht und aufmerksamen braunen Augen. Er trug einen grauen Anzug. Sein Alter schätzte ich auf Mitte Fünfzig bis Anfang Sechzig.
Neben ihm stand ein etwa dreißigjähriger junger Mann. Er wirkte wie eine jüngere Ausgabe Montalbans.
Ich zeigte meine ID-Card und stellte uns vor.
"Special Agent Jesse Trevellian, FBI. Dies ist mein Kollege Milo Tucker. Mister Montalban?"
"Buenos días, senores", knurrte "El Columbiano", der meines Wissens allerdings schon seit Jahrzehnten die amerikanische Staatsbürgerschaft besaß. Er deutete auf den Mann neben sich. "Das ist mein Sohn José."
Ich nickte José Montalban kurz zu.
Zwar war ich ihm noch nie persönlich begegnet, hatte aber schon einiges über den jungen Montalban gehört. Dirty Rick wollte ihn zu seinem Nachfolger aufbauen. Einem Nachfolger mit blütenreiner Weste. So hatte der Alte ihn bislang aus allem rausgehalten, was irgendwie nach Illegalität roch. José Montalban war für uns ein unbeschriebenes Blatt. Abgesehen davon, dass er auf der Columbia Betriebswirtschaft studiert hatte, wussten wir nichts über ihn. Vor allem war er bislang nicht ein einziges Mal mit der Justiz in Berührung gekommen.
Rick Montalban musterte zuerst mich, dann Milo mit einem abschätzigen Blick.
Ein geschäftsmäßiges Lächeln bildete sich um seine dünnen Lippen.
"Das FBI hat schon versucht, mir was am Zeug zu flicken, als Sie beide vermutlich noch auf die Grundschule gingen!" Er lachte heiser. "Sie werden da wohl kaum mehr Glück haben. Ich bin gespannt, was Sie von mir wollen." Er warf einen demonstrativen Blick auf die Rolex an seinem Handgelenk. "Meine Zeit ist knapp. Und da Sie schon ein paar Minuten zu spät zu dieser Unterredung gekommen sind, sollten Sie den Rest der Zeit, die ich Ihnen zugestehen will, gut nutzen. Alora, qué es passado? Ich denke, es lohnt sich nicht, dass wir uns extra setzen..."
"Wir sind nicht wegen Ihrer Drogengeschäfte hier", erklärte ich ruhig.
"Seien Sie vorsichtig, was Sie sagen, G-man! Alles was Sie hier unter Zeugen äußern, werde ich vor Gericht sonst gegen Sie verwenden! Etwa, wenn ich Sie wegen Verleumdung verklagen sollte!" Er lachte heiser. Dann trat er einen Schritt vor, richtete den Zeigefinger wie den Lauf einer Waffe auf mich. "Niemand hat mir je die Beteiligung an Drogengeschäften oder dergleichen nachweisen können! Also passen Sie gut auf, was Sie so von sich geben!"
Innerlich kochte ich.
Die Arroganz von Dirty Rick war kaum zu überbieten.
Clive Caravaggio, der ihn besser kannte, hatte schon gewusst, weshalb er Milo und mir diesen Besuch aufgehalst hatte.
Ich musste mir alle Mühe geben, ruhig zu bleiben. "Wir sind nicht wegen Ihrer Geschäfte hier", erklärte ich noch einmal. "Es geht um Ihre Tochter."
"Dolores! Was ist mit ihr?"
Sein Gesicht veränderte sich. Die Besorgnis, die jetzt in seinen Zügen zu lesen war, erschien mir echt.
"Wir müssen Ihnen bedauerlicherweise mitteilen, dass Ihre Tochter Dolores Montalban nicht mehr lebt."
"Was?"
"Ihre Leiche wurde auf der Müllkippe Cannary Lane gefunden. Sie war in Plastik eingewickelt, hatte den Körper mit eigenartigen Zeichen bemalt und..."
"No es verdad!", entfuhr es Rick Montalban. "Madre de Dios, das kann nicht wahr sein."
"Leider ist es so, wie mein Kollege gerade berichtet hat", mischte sich jetzt Milo in das Gespräch ein.
"Dolores...Was mit ihr geschehen?"
"Das wissen wir nicht", erklärte ich. "Die Todesursache ist noch weitgehend unklar. Außer einem kleinen Einstich in der Bauchgegend gibt es keine sichtbaren Verletzungen. Näheres wissen wir, wenn die Obduktion abgeschlossen ist."
"Ich habe ein Foto zur Identifizierung hier", sagte Milo.
Er griff in die Innentasche seiner Jacke und zog es hervor.
"Geben Sie her!", forderte jetzt José Montalban. Er warf einen kurzen Blick auf das am Tatort gemachte Polaroid und gab es anschließend seinem Vater.
Tränen glitzerten in Rick Montalbans Augen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten.
Das Gesicht wandelte sich zu einer Maske unbändiger Wut.
"Das ist meine Schwester", sagte José. "Da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Am besten Sie lassen uns jetzt allein."
"Das kann ich nicht", erwiderte ich.
"Wieso?"
"Weil wir diesen Fall bearbeiten und sowohl Ihnen als Ihrem Vater ein paar Fragen stellen möchten. Wir gehen bislang davon aus, dass Dolores Montalban nicht eines natürlichen Todes starb und daher..."
"Seit wann kümmert sich das FBI um solche Fälle?", brauste jetzt Rick auf. Er lockerte die Krawatte und den ersten Hemdknopf. "Das ist ein Fall für das NYPD. Aber das FBI hat damit überhaupt nichts zu tun."
"Da irren Sie sich", erklärte ich.
"Geben Sie es doch zu, Agent Trevellian! Sie wollen jetzt sogar den Tod meiner Tochter dazu benutzen, um mir auf der Nase herumtanzen zu können! Um mir was anzuhängen ist Ihnen buchstäblich jedes Mittel recht!"
"Es geht darum, den oder die Mörder Ihrer Tochter zu finden", sagte ich so ruhig wie möglich. "Ein Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen ist im Übrigen nicht ausgeschlossen."
"Ach, hatte Dolores etwa jetzt plötzlich auch etwas mit Drogenhandel zu tun? Hören Sie doch auf, Trevellian. Sie sind geschmacklos."
"Sie haben Ihre Tochter vor drei Tagen als vermisst gemeldet?"
"Sí, es verdad. Sie hat in New York eine Wohnung, die ich ihr gemietet habe. Ich lasse diese Wohnung rund um die Uhr überwachen. Man hört ja heute so viele schreckliche Dinge über die Kriminalität im Big Apple..."
Ich sah, dass Milo die Augen verdrehte, als wollte er sagen: 'Ausgerechnet dieser Mann muss sich darüber beklagen!'.
"Sie kam nicht nach Hause?", schloss ich.
Montalban nickte. "Weder in ihre New Yorker Wohnung noch hier. Für eine Nacht hätte ich nichts gesagt. Dolores führte ein Leben, das in der Tradition unserer Familie als - cómo dice? - zügellos gegolten hätte. Aber so ändern sich die Zeiten."
"Mister Montalban, ich frage Sie gerade heraus: Wurde Dolores Opfer einer Entführung?"
Er sah mich entgeistert an. "No, Senor! Wie kommen Sie darauf?"
Milo meldete sich zu Wort. "Im Laufe Ihres Geschäftslebens - oder wie immer man das bezeichnen mag - haben Sie sich nicht nur Freunde gemacht, Mister Montalban."
"Un amigo por toda gente - wer kann das schon sein, Agent Tucker?"
"Was den Tod Ihrer Tochter betrifft, glauben wir, dass sie zuerst entführt wurde. Irgendetwas ging schief. Vielleicht hat sie das muskellähmende Gift nicht vertragen, das man ihr verabreicht hat. Jedenfalls kam Dolores ums Leben und dieser Mord wurde als Teil eines satanistischen Rituals getarnt."
"Das ist nur eine Theorie", stellte José Montalban klar, der bisher geschwiegen hatte.
Milo drehte sich zu ihm herum. "Aber eine, für die es Indizien gibt. So hat Ihr Vater in letzter Zeit große Barabhebungen vorgenommen. Möglicherweise haben sich die Entführer also mit einer Forderung gemeldet!"
"So, Sie überwachen immer noch meinen Zahlungsverkehr?", fragte Dirty Rick. Ein Raubtierlächeln erschien auf seinem Gesicht. "Ist das nicht illegal?"
"Sie wissen genau, dass derartige Maßnahmen von unabhängigen Richtern überprüft werden müssen", antwortete Milo. "Im Übrigen sind wir ja nicht die einzigen, die hinter Ihnen her sind. Mit der DEA und der Steuerfahndung gibt es wohl auch ein paar Meinungsverschiedenheiten."
"Wir sollten den Anwalt anrufen", meinte José an seinen Vater gerichtet.
"Wie wär's, wenn Sie mit uns kooperieren und auspacken!", fuhr ich dazwischen, ehe Rick etwas sagen konnte. "Es geht um die Mörder Ihrer Tochter."
"Ja ich weiß", murmelte er.
"Dann sollten Sie es auch riskieren, dass vielleicht das eine oder andere ans Tageslicht kommt, wenn Sie mit uns zusammenarbeiten. Wie gesagt, einige Indizien deuten auf eine Entführung hin. Ich gehe davon aus, dass Sie zumindest ahnen, wer dahinter steckt."
Rick Montalban verschränkte die Arme. "Und an wen dachten Sie da so?"
"Geschäftliche Konkurrenten, vielleicht auch Leute aus Ihrer Organisation..."
"Jetzt werden Sie unverschämt!"
"Die Entführer hatten auf jeden Fall Insider-Wissen."
"Das haben Sie sich alles schön zurechtgelegt, nicht wahr?"
"Es wäre nett, wenn Sie uns die Auflistung Ihrer Telefongesellschaft über sämtliche angenommenen Gespräche überlassen würden..."
"Ich dachte, die hören Sie ab!" Montalbans Gesicht wurde grimmig. "Ein Entführer wäre kaum so dämlich, sich per Telefon zu melden, Trevellian! Im Übrigen ist das alles Unsinn, was Sie sich da ausgedacht haben."
Ich zuckte die Achseln. "Möglich. Aber ich warne Sie: Versuchen Sie nicht, auf eigene Faust den Rächer zu spielen! Wir werden Ihnen genau auf die Finger sehen, bei allem, was Sie tun!"
"Halten Sie mich für so dumm? Sie und Ihresgleichen träumen doch nur davon, dass ich mich vergesse und wie ein Berserker durch Manhattan laufe... Dann könnten Sie mich endlich in Handschellen legen! Aber Sie kennen mich schlecht, G-man! Verdammt schlecht!"
Einige Augenblicke lang herrschte eine angespannte Stille.
Milo und ich wechselten einen kurzen Blick.
Auf die Sache mit der Entführung stieg Rick Montalban nicht ein. Ob "El Columbiano" die Wahrheit sagte, war allerdings eine zweite Frage.
"Okay, gehen wir mal davon aus, Sie sagen die Wahrheit, dann bleibt noch die Spur in Richtung Okkultismus", nahm Milo das Gespräch wieder auf. "Ihre Tochter hatte entsprechende Kontakte und wurde mehrfach wegen Kirchen- und Grabschändung bestraft."
Rick Montalban nickte.
Er bedeckte einige Augenblicke lang das Gesicht mit der rechten Hand, atmete schließlich tief durch und schüttelte stumm den Kopf.
"Soy católico, Senor Trevellian. Ich bin tiefgläubiger Katholik und meine Tochter ließ sich das Zeichen Satans zwischen die Schulterblätter tätowieren, sodass man es immer sehen konnte, wenn sie etwas tiefer ausgeschnittene Kleidung trug. Madre de Dios! Zu meiner Zeit trugen nur Sträflinge Tätowierungen, heute laufen selbst Töchter aus gutem Hause damit herum! Aber dieses Zeichen..." Er schüttelte den Kopf.
"Sie wollte provozieren", mischte sich José ein. "Ich glaube, sie hat das mit dem Satanismus gar nicht so richtig ernst genommen. Das war ein Spaß für sie."
"José, wie redest du? Ist das ein Spaß, nachts in Kirchen einzudringen und im Haus des Herrn - en la casa de dios! - abartige Rituale mit Schweineblut durchzuführen, Grabsteine umzuwerfen oder zu besudeln? Ist das ein Spaß?" Rick Montalban drehte sich um, ging ein paar Schritte bis zur Fensterfront. Er blickte hinaus in Richtung Atlantik. Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen. Schließlich fuhr "El Columbiano" in gedämpftem Tonfall fort: "Ich hatte immer gehofft, dass Dolores auf den rechten Weg zurückfindet. Schon um ihrer Mutter willen..."
"Mit Ihrer Frau hätten wir auch gerne gesprochen", sagte ich.
"Das dürfte kaum möglich sein."
"Warum?"
"Meine Frau ist seit längerem psychisch krank. Sie befindet sich im Sanatorium von Ebenezar, Rhode Island. Falls Sie versuchen sollten, Kontakt mit ihr aufzunehmen, werde ich alles tun, um das zu verhindern."
"Soll das seine Drohung sein?"
"Fassen Sie es auf, wie Sie wollen, Mister Trevellian. Wenn meine Frau von Dolores' Tod erfährt, könnte das ihren Zustand sehr verschlimmern. Und nun betrachte ich dieses Gespräch als beendet." Montalban wandte sich an die Bodyguards, die die ganze Zeit über gewartet hatten. "Bringt sie raus!"
"Moment!", rief ich.
"Ihre Zeit ist um, G-man. Ich gehe nicht davon aus, dass sie ernsthaft daran interessiert sind, den Mord an meiner Tochter aufzuklären. Ich wüsste also nicht, worüber wir weiter zu reden hätten!"
"Wir können das Gespräch gerne im Bundesgebäude an der Federal Plaza fortsetzen!", erwiderte ich. "Aber vielleicht sind Sie ja vernünftig und geben uns doch noch ein paar Auskünfte."
Rick Montalban lag eine Erwiderung auf der Zunge. José legte seinem Vater eine Hand auf die Schulter. El Columbiano beruhigte sich daraufhin wieder etwas und schwieg. José sagte ein paar Sätze auf Spanisch.
Anschließend wandte sich der Kronprinz des Kolumbianers an uns. "Mein Vater ist sehr mitgenommen von der Nachricht, die Sie ihm überbringen mussten. Ich glaube, es wäre das Beste, wir setzen das Gespräch ein anderes Mal fort. Ich werde in der Zwischenzeit mit meinem Vater reden..."
Ich hatte eigentlich keine Lust, diesen Gangsterboss so einfach davonkommen zu lassen. Rick Montalban spielte mit falschen Karten. Er verschwieg uns etwas.
Aber Milo nickte mir leicht zu. "Geht schon in Ordnung!"
Milo hatte Recht.
Dieser Mann mochte ein übler Krimineller sein. Aber in diesem Moment war er in erster Linie ein Vater, der seine Tochter verloren hatte. Dafür hatte er Mitgefühl verdient, was auch immer er auf dem Kerbholz haben mochte.
José wechselte ein paar Sätze Spanisch mit den Bodyguards und begleitete uns anschließend anstelle dieser kampflustigen Gorilla-Meute zum Wagen.
"Ich sehe ein, dass Sie unsere Hilfe brauchen", erklärte er, als wir allein waren. "Im Grunde haben wir dasselbe Interesse: Der Mord an meiner Schwester muss aufgeklärt werden."
"Ihr Vater scheint das etwas anders zu sehen", erwiderte ich.
"Mein Vater gehört einer anderen Generation an. Er kam als Einwanderer und musste sich nach oben kämpfen. Die Polizei war dabei nicht immer ein Freund und Helfer für einen jungen Latino, der es zu etwas bringen wollte. Ich hingegen bin hier geboren."
Mir kommen die Tränen, dachte ich. Jetzt versuchte José seinen Vater als armes Opfer von polizeilicher Diskriminierung darzustellen. Ehe ich etwas erwidern konnte, reichte José Montalban mir eine Visitenkarte.
"Besuchen Sie mich in meinem Firmenbüro in der Seventh Avenue. Da können wir uns vielleicht ungestört unterhalten, Agent Trevellian."
"Darauf werde ich bestimmt zurückkommen", antwortete ich.
"Was hältst du von dem Kerl?", fragte Milo, nachdem wir das abgezäunte Gelände rund um das Montalban-Anwesen verlassen hatten.
"Von wem sprichst du? Dem Vater oder dem Sohn?"
"Ich meine José."
"Ein aalglatter Typ. Ehrlich gesagt, kann ich mir noch keinen Reim darauf machen, was für ein Spiel er spielt."
"Ich habe das Gefühl, dass es gewisse Gegensätze zwischen Vater und Sohn gibt, Jesse."
"Ja, das glaube ich auch."
"Vielleicht kommt ja wirklich etwas dabei heraus, wenn wir uns mit ihm allein unterhalten. Und gleichgültig, womit Dirty Rick uns auch drohen mag – vielleicht werden wir uns doch noch mit Mrs. Montalban reden müssen!"
"Mal abwarten."
Ich schaltete einen Gang höher und beschleunigte den Sportwagen etwas.
"Dirty Rick hat uns nach Strich und Faden belogen", sagte Milo. "Ich wette, es gab eine Entführung. Und ich wette auch, dass der große Boss ganz genau weiß, wer dahinterstecken könnte. Aber davon sagt er uns keinen Ton, weil er selbst mit den Schuldigen abrechnen will!"
"Falls das stimmt, haben die Betreffenden keine besonders große Lebenserwartung mehr."
"Du sagst es."
"Über eins komme ich allerdings bei Montalban nicht hinweg, Milo!"
"Worüber sprichst du?"
"Ich nehme Dirty Rick ab, dass er als tiefgläubiger Katholik über das Satanszeichen auf dem Rücken seiner Tochter entsetzt war..."
"Mal ehrlich: Man muss doch kein Katholik sein, um davon nicht begeistert zu sein, Jesse?"
"...aber dieser Kerl findet nichts dabei, mit dem Finger zu schnipsen und eine Armee von Killern von der Kette zu lassen, wenn ihm irgendein Gesicht nicht passt. Mal davon abgesehen, dass seinetwegen Tausende Crack-Süchtige wie lebende Zombies durch die Gegend gehen, bevor sie schließlich jämmerlich krepieren."
"Sei fair, Jesse: Die Justiz konnte ihm nie etwas nachweisen!"
"Dass du in diesem Zusammenhang von Fairness sprichst, Milo, wundert mich! Wenn du mich fragst, ist nicht fair, dass dieser Verbrecher seinen Kopf bislang immer aus der Schlinge ziehen konnte!"
Milo zuckte die Achseln. "Schätze, den Teil über Nächstenliebe hat El Columbiano in der Bibel rasch überschlagen..."
Von der Müllkippe an der Cannary Lane aus machten sich Clive Caravaggio und unser indianischer Kollege Orry Medina auf den Weg zu Dolores Montalbans New Yorker Wohnung.
Sie lag in Greenwich Village in einem Gebäude, das im Stil der sogenannten Cast Iron-Architektur errichtet worden war, die von großen, zusammengeschweißten Metallplatten gekennzeichnet wurde. Man imitierte damit den Stil von Fabrik- und Lagerhallen, die diesen Stadtteil ursprünglich geprägt hatten. In den sechziger und siebziger Jahren hatten sich viele Künstler hier niedergelassen, die in den Achtzigern von den Yuppies verdrängt worden waren. Aber in Häusern zu wohnen, die wie Industriebauten aussahen, war immer noch hip.
Dolores Montalbans Wohnung lag im vierten Stock.
Clive und Orry ließen sich mit dem Aufzug hinauffahren.
Ein Team der Scientific Research Division war verständigt worden und auf dem Weg hier her. Es würde dafür sorgen, dass Dolores' Zimmer erkennungsdienstlich genauestens unter die Lupe genommen wurde.
Unsere Kollegen erreichten die massive Stahltür.
Sie stand einen Spalt offen. Am Zustand des Schlosses war zu sehen, dass sie gewaltsam geöffnet worden war.
Clive und Orry wechselten einen kurzen Blick. Beide griffen zu den Dienstpistolen vom Typ SIG Sauer P226 und postierten sich rechts und links der Tür.
Offenbar gab es noch jemanden, der sich für die Wohnung von Dolores Montalban interessierte.
Orry öffnete mit einem Tritt die Tür. Sie flog zur Seite.
Clive stürzte mit der SIG im Anschlag in den Raum. "FBI! Hände hoch!", rief er. Orry sicherte ihn von hinten.
Dolores Montalbans Wohnung war etwa zweihundert Quadratmeter groß und bestand aus einem einzigen Raum. Das Inventar war fast ausschließlich in den Farben schwarz und weiß gehalten.
Von der Decke hing ein Mobilé. Totenschädel in unterschiedlicher Größe baumelten an hauchdünnen Fäden. Beim geringsten Luftzug tanzten sie wild durcheinander.
In der Mitte des Raumes befand sich eine Regalwand. In den Regalen standen ein paar Bücher, außerdem mehrere Kristallkugeln, Tierschädel und Geistermasken.
Hinter der Regalwand bewegte sich etwas.
Eine Gestalt tauchte hervor. MPi-Feuer knatterte los.
Kristallkugeln und Tierschädel wurden aus dem Regal gefeuert.
Clive warf sich zu Boden. Im Fallen schoss er die SIG ab, rollte sich dann herum, während neben ihm die Kugeln den Teppichboden zerfetzten.
Orry konnte gerade zwei Schüsse in Richtung des MPi-Schützen abfeuern. Der G-man zuckte zurück. Neben der Tür fand er Deckung, presste sich gegen die Wand.
"Durchs Fenster!", rief jemand.
Offenbar war außer dem MPi-Schützen noch jemand hinter den Regalen. Die MPi knatterte erneut los. Diesmal in die andere Richtung. Fensterscheiben zersprangen. Ein schwarz gekleideter Mann sprang nach draußen, krümmte sich dabei wie ein Embryo zusammen. Er rollte sich auf dem etwa andertthalb Meter tiefer gelegenen Dach des Nachbargebäudes ab, rappelte sich auf.
Der MPi-Schütze ballerte noch einmal mit seiner Waffe durch den Raum.
Clive hechtete sich hinter eine niedrige Ledercouch.
Gut ein Dutzend MPi-Kugeln rissen die Polster auf.
Orry tauchte aus seiner Deckung hervor, ging volles Risiko und feuerte seine SIG ab.
Der MPi-Schütze wurde am Oberkörper erwischt, taumelte und fiel zu Boden. Die Regalwand riss er mit sich.
Clive sprang auf.
Mit der SIG in der Rechten lief er auf den am Boden liegenden MPi-Schützen zu. Der Kerl war zweifellos tot.
"Alles klar, Clive?", fragte Orry, der ebenfalls herbeieilte.
"Mit mir schon!", erwiderte der Italoamerikaner.
"Ich kauf mir den zweiten Mann!", versprach Orry.
Er wandte sich der zerschossenen Fensterfront zu.
Von dem Flüchtenden war nichts zu sehen.
Orry schwang sich aus dem Fenster und landete auf dem angrenzenden Dach des Nachbarhauses.
Er rannte in geduckter Haltung vorwärts. Die Schrägung und der rutschige Untergrund sorgten dafür, dass Orry sein Tempo bremsen musste, wollte er nicht hinunter stürzen.
Clive Caravaggio verständigte inzwischen unser Field Office.
Orry erreichte das Ende des Dachs, blickte hinab.
Sofort zuckte er zurück, als auf ihn geschossen wurde.
Dicht zischte das Projektil an seinem Kopf vorbei.
Eine Feuertreppe führte hinunter in einen Hinterhof. Orry hörte die schnellen klappernden Schritte auf den Metallrosten, aus dem die Feuertreppe bestand. Er blickte über den Dachvorsprung. Der G-man sah kurz das Gesicht des Flüchtenden. Es war zu einer Maske der Angst erstarrt. Umrahmt wurde es von gelocktem Haar. Ein dünner Oberlippenbart gab dem unteren Teil des Gesichts Kontur. Orry schätzte den Kerl auf nicht älter als 25 Jahre.
Er stand auf einem Treppenabsatz und ballerte in die Höhe.
Orry feuerte zurück.
Es machte klick. Der Flüchtende hatte das Magazin seiner Waffe offenbar leergeschossen. In Panik lief er weiter.
"Stehenbleiben!", rief Orry.
Der G-man landete mit einem Satz auf dem obersten Absatz der Feuertreppe. Orry nahm immer mehrere Stufen auf einmal und hetzte weiter hinunter.
Der Lockenkopf war inzwischen mit einem tollkühnen Sprung auf dem Asphaltbelag gelandet. Er schrie auf, rollte sich einigermaßen geschickt auf dem Boden ab, wie man es in Selbstverteidigungskursen beigebracht bekam.
Der Flüchtende hielt sich kurz den Fuß, rappelte sich auf und hetzte weiter.
Orry feuerte einen Warnschuss ab.
"Bleiben Sie stehen, Mann!"
Der Lockenkopf dachte gar nicht daran. Keuchend rannte er weiter. Er riss das leere Magazin aus dem Griff seiner Pistole heraus, schleuderte es von sich und griff in die Jackentasche, um ein neues hervor zu holen.
Der Hinterhof wurde von drei Seiten durch Gebäude unterschiedlicher Höhe begrenzt. Einige Pkw parkten hier. Außerdem standen auf der linken Seite einige überfüllte Müllcontainer. Auf der vierten Seite befand sich eine zwei Meter hohe Mauer, die von einer Zufahrt zur nahen Melrose Street unterbrochen wurde.
Eine Schranke versperrte den Weg. Nur wer die richtige Chipcard hatte, konnte mit dem Wagen hindurch.
Der Lockenkopf lief in Richtung der Müllcontainer.
Er schob hastig das frische Magazin in die Waffe, wirbelte herum und feuerte in Orrys Richtung.
Der G-man hatte gerade den letzten Absatz der Feuertreppe erreicht.
Für seinen Gegner war er ein Ziel wie auf dem Präsentierteller.
Orry duckte sich, feuerte zurück.
Dicht zischten die Kugeln des Lockenkopfs an ihm vorbei. Manche wurden von den Metallstreben der Feuertreppe als tückische Querschläger weitergeschickt.
Der Lockenkopf rettete sich inzwischen hinter einen Mercedes.
Orry nahm die letzten Stufen mit einem Sprung. Der Lockenkopf tauchte kurz aus seiner Deckung hervor, aber Orry rettete sich hinter einen Chevy. Dessen Seitenscheiben zerbarsten Augenblicke später unter dem Beschuss des flüchtigen Gangsters.
Der Lockenkopf rollte sich unter den parkenden Fahrzeugen hinweg.
Clive Caravaggio hatte inzwischen die Feuertreppe erreicht, hetzte mit weiten Schritten hinunter.
Im Hintergrund waren die Sirenen der Einsatzfahrzeuge des NYPD zu hören. Verstärkung war also im Anmarsch.
Der Lockenkopf tauchte plötzlich zwischen zwei parkenden Fahrzeugen hervor und feuerte auf Clive. Clive duckte sich und feuerte zurück.
Orry schnellte ebenfalls aus seiner Deckung hervor und schoss.
Der Lockenkopf duckte sich und rannte zu den Müllcontainern. Im nächsten Moment war er hinter ihnen verschwunden.
Orry setzte zu einem Spurt an.
Er verständigte sich mit Clive durch ein paar Handzeichen.
Von zwei verschiedenen Seiten pirschten sich die beiden G-men langsam an die Müllcontainer heran. Sie trafen dabei auf kein Gegenfeuer mehr.
Vorsichtig schlich Orry vorwärts, hielt sich dabei dicht an einem der Container. Als er ihn umrundet hatte, schnellte er mit der Waffe im Anschlag hervor.
Eine Gestalt tauchte von der anderen Seite her auf.
"Clive!", entfuhr es Orry. Unser indianischer Kollege senkte die Waffe.
Von dem Lockenkopf war nichts zu sehen.
Clive machte ein ziemlich ratloses Gesicht. "Verdammt, wo ist der Kerl?" Er blickte sich suchend um.
"Jedenfalls kann er sich nicht in Luft aufgelöst haben", brummte Orry. Auch er ließ den Blick schweifen. Schließlich deutete er zu einem Rost, das den Schacht zu einem Kellerfenster schützte.
Orry machte zwei schnelle Schritte darauf zu, bückte sich und hob mit einem Ruck das Rost an. Er schleuderte es zur Seite.
Der Schacht war etwa ein Meter fünfzig tief.
Das kaum gesicherte Kellerfenster war eingetreten worden.
"Bingo", flüsterte Orry. Er nahm die SIG mit beiden Händen. Ein Satz und er war unten im Schacht. Im Inneren des Kellers herrschte Halbdunkel.
Ein Geruch stieg von dort unten empor.
Gas!
Clive sah, wie selbst das bronzefarbene Gesicht unseres indianischen Kollegen ziemlich blass wurde.
"Hey, was ist los, Orry?"
"Hinlegen!"
Orry schwang sich aus dem Schacht, presste sich auf den Boden.
Im nächsten Moment ertönte ein ohrenbetäubendes Explosionsgeräusch. Der Keller verwandelte sich in einen Glutofen.
Glut und Hitze schossen aus dem Kellerfenster heraus.
Genau wie Orry hatte sich Clive flach auf den Boden gelegt, in der Hoffnung, nicht allzu viel abzubekommen.
Risse bildeten sich im Brownstone-Gemäuer.
Orry und Clive rappelten sich auf, spurteten los und entfernten sich so schnell wie möglich vom Explosionsort.
"Der Kerl muss verrückt geworden sein!", stieß Orry hervor. "Sich selbst in die Luft zu jagen!"
Clive zuckte die Achseln. Sein Griff ging zum Handy. Außer den Verstärkungskräften von NYPD und FBI musste jetzt auch der Fire Service gerufen werden.
"Oben in Dolores Montalbans Wohnung wartet übrigens noch eine Überraschung", sagte Clive, bevor er Verbindung bekam.
Orry hob die Augenbrauen.
"Wovon sprichst du?"
"Im Bad liegt ein Toter. Während ich die Verstärkung rief, warf ich einen kurzen Blick hinein und sah den Kerl in der vollen Wanne liegen."
Eine Viertelstunde später wimmelte es rund um das Haus, in dem sich Dolores' Montalbans Wohnung befand, von Einsatzfahrzeugen. Der Fire Service war damit beschäftigt, den durch die Explosion verursachten Brand zu löschen. Es gab eine starke Rauchentwicklung. Außerdem war nicht klar, an welcher Stelle das Gas letztlich aus dem Leitungssystem ausgetreten war. Das alles machte besondere Vorsichtsmaßnahmen notwendig. Die Bewohner mehrerer Blocks mussten sicherheitshalber evakuiert werden. Bei dem Gebäude, in dessen Keller die Explosion stattgefunden hatte, ging das nur über die Leiterwagen des Fire Service. Bei den am Gebäude installierten Feuertreppen war nicht klar, wie fest sie noch verankert waren, denn die Bausubstanz hatte durch die Detonation erheblichen Schaden erlitten. Selbst ein Einsturz konnte nicht ausgeschlossen werden.
Dazu kam, dass ein Gemisch aus Rauch und giftigen Gasen innerhalb des Hauses emporstieg.
Wer dort hineingeriet, war unter Umständen innerhalb weniger Minuten ohnmächtig, was in dieser Situation den sicheren Tod bedeutete.
Das gesamte Gebiet war auf Clives Anweisung hin weiträumig umstellt worden. Eine Personenbeschreibung des flüchtigen Täters war an alle NYPD-Einheiten gegangen. So schnell es ging würde ein Phantombild folgen, das an sämtliche Police Precincts des Big Apple gehen und über das Datenverbundsystem NYSIS nationwide abrufbar sein würde.
In Dolores Montalbans Wohnung herrschte ebenfalls Gedränge. Außer den Erkennungsdienstlern der Scientific Research Division waren dort auch die FBI-Spurensicherer Mell Horster und Sam Folder tätig.
Clive und Orry befanden sich im Bad.
In der Wanne lag ein Mann im schwarzen Anzug.
Das Gesicht war unter der Wasseroberfläche, die Füße ragten dafür aus der Wanne heraus. Eine automatische Pistole lag auf dem Boden.
"Was sollen wir denn davon halten?", brummte Orry.
"Es heißt, dass Montalban seine Tochter bewachen ließ", sagte Clive. "Der Kerl könnte einer der Wachhunde gewesen sein. Er schöpfte Verdacht, überraschte die beiden Einbrecher und..."
"...die haben ihn dann überwältigt und in die Wanne gelegt."
"Sie haben ihn nicht erschossen, weil das Lärm gemacht hätte, Orry."
Orry nickte nachdenklich. "Keiner der beiden hatte eine Waffe mit Schalldämpfer dabei. Woran starb der Kerl dann?"
Clive trat auf die Wanne zu.
Er griff ins Wasser, schob das Kinn des Toten etwas zur Seite. Am Hals wurde ein kleiner Einstich sichtbar. Nicht größer als ein Mückenstich. "Na, kommt dir das nicht bekannt vor, Orry?"
"Du kehrst allein von deinem Auftrag zurück, Brett?", fragte die heisere, tiefe Stimme des Kuttenträgers.
Brett schluckte.
Das Licht einiger flackernder Kerzen erhellte den Raum nur notdürftig. Der junge Mann mit den gelockten Haaren und dem dünnen Oberlippenbart trat nur zögernd einen Schritt näher an den Kuttenträger heran.
Knarrend fiel hinter ihm eine Tür ins Schloss.
Jetzt bin ich allein mit ihm, durchzuckte es Brett schaudernd.
Die Kerzen bildeten ein Pentagramm. Der Kuttenträger saß in sich versunken davor. Er drehte Brett den Rücken zu und rührte sich nicht.
"Mike und ich waren dort in... Dolores Wohnung..." Brett sprach abgehackt, stotterte sogar ein wenig.
"Wo ist Mike? Warum ist er nicht hier? Berichte mir alles! Das bist du unserer Gemeinschaft schuldig!"
Brett nickte. "Wir haben versagt, Bruder Maleficius", brachte er schließlich heraus.
"Der Herr der Finsternis hört das nicht gerne."
"Scheiße, Mann, es geht auch alles schief bei dieser Sache!"
"Du vergisst dich!"
"Verzeih, Herr!"
"Dein Temperament geht manchmal mit dir durch, Brett. Die Kraft der Dunkelheit sollte dir inzwischen schon deutlich mehr Gelassenheit geben!"
"Ja, Herr."
Der Kuttenträger, der sich Bruder Maleficius nennen ließ, erhob sich mit überraschender Schnelligkeit.
Er trat auf Brett zu. Sein entstelltes Gesicht lag vollkommen im Schatten der Kapuze. Nichts als Finsternis war dort zu sehen.
"Berichte, Brett!"
"Da war ein Typ, der zu Montalbans Leuten gehörte und uns schon länger gefolgt sein muss! Wir konnten ihn ausschalten..."
"Das ist gut!"
"Die werden uns jagen, Bruder Maleficius!"
"Was ist noch geschehen?"
"Zwei FBI-Leute haben uns überrascht. Wir mussten die Durchsuchung der Wohnung abbrechen."
"Und wo ist Mike?"
"Er ist tot, Bruder Maleficius."
"Dann wird es vielleicht ein paar Unannehmlichkeiten für uns geben!"
"Unannehmlichkeiten? Verdammt, ich..."
"Mäßige dich, Brett. Die Macht der Finsternis scheint zurzeit nur sehr schwach in dir ausgeprägt zu sein. Wir sollten die Rituale bei dir erneuern, Bruder des Bösen."
Brett atmete tief durch.
Er hatte das Gefühl, als ob ihm jemand den Hals abzuschnüren versuchte. Wir hätten einfach die Finger von einer Braut mit dem Familiennamen Montalban lassen sollen!, ging es Brett durch den Kopf. Dann hätten wir jetzt keine Probleme. Weder mit dem FBI noch mit den Mobstern des Montalban-Clans...
Aber Brett schluckte diese Kritik an Bruder Maleficius herunter.
Der Narbengesichtige schätzte es nicht sehr, wenn man seine Entscheidungen nachträglich in Frage stellte. Er sah sich selbst als der Stellvertreter Satans auf Erden an. Das beinhaltete auch die Vollmacht, über Leben und Tod zu entscheiden. Ganz besonders galt das für die Mitglieder seiner Gemeinschaft.
"Ich weiß, was du sagen willst, Brett. Ich kenne jeden deiner Gedanken. Vergiss niemals, wie stark die Macht der Finsternis in mir ist. Sie durchdringt jede Faser meines Körpers, jeden Winkel meines Bewusstseins und verleiht mir die innere Kraft, das zu tun, was getan werden muss. Die zu richten, die der Macht Satans im Wege stehen. Aber habe ich dir je versprochen, an meiner Seite einen einfachen Weg gehen zu können, Brett?"
"Nein", flüsterte der Lockenkopf.
"Und jetzt fahre fort in deinem Bericht! Ich will jede Einzelheit wissen!"
"Ja."
"Wir sind Brüder und Schwestern in Schande, Diener des Bösen, Verkünder des Unaussprechlichen..."
"Ja, Bruder."
"Erinnere dich der Kraft, die du selbst während des Einführungsrituals erhalten hast. Erinnere dich, wie du ein Teil von uns wurdest. Ein Teil der Finsternis..."
"Ja", murmelte Brett fast tonlos.
"Wenn Dolores Montalban wirklich eine der unseren geworden wäre, hätte uns das große Macht in die Hände gegeben. Wer konnte schon ahnen, dass das Höllenfeuer der Dunkelheit in ihrem Geist offenbar noch nicht stark genug brannte, um die Prüfung bestehen zu können..."
Ich fuhr den Sportwagen gerade über die Brooklyn Bridge. Zu beiden Seiten glitzerte das Wasser des East River im milchigen Licht der Abendsonne. Vor uns lag die Skyline des Big Apple, wie man sie sonst nur auf Postkarten fand.
Das Handy schrillte.
Milo nahm ab. Über die Freisprechanlage konnten wir beide die Stimme von Jonathan D. McKee hören, dem Chef des FBI Field Office New York im Rang eines Special Agent in Charge.
"Milo, Jesse, wo sind Sie jetzt gerade?"
"Die Brooklyn Bridge haben wir zur Hälfte passiert. Wenn wir nicht in einen der berüchtigten Staus auf dem Elevated Highway geraten, sind wir in Kürze bei Ihnen, Sir", antwortete mein Kollege.
"Ich brauche Sie beide an der Pier 41. Wir haben einen Tipp bekommen. Danach soll Tommy Aranjuez eine Riesenladung Kokain in Empfang nehmen. Aranjuez gilt als Montalbans Vertrauensmann in der South Bronx."
"Schon ein eigenartiger Zufall, dass dieser Tipp ausgerechnet jetzt kommt", fand ich.
"Das mag sein, Jesse. Aber so einen Fang können wir uns in keinem Fall durch die Lappen gehen lassen. Aranjuez wäre die größte Nummer in Montalbans Organisation, die uns je ins Netz gegangen ist. Vielleicht ist er kooperativ und wir erfahren von ihm etwas mehr über das, was hinter den Kulissen dieses Syndikats so vor sich geht."
"Wann soll der Deal über die Bühne gehen?", fragte Milo.
"Nicht vor 18.00 Uhr. Sie brauchen also keinesfalls mit Rotlicht anzubrausen", antwortete Mister McKee. "Jay und Leslie sind schon dort. Jay hat die Einsatzleitung. Ansonsten schicke ich jeden Agenten hin, den ich im Moment freibekommen kann..."
Etwa fünfzehn Minuten später trafen wir auf einem Parkplatz am West Side Highway in der Nähe von Pier 41 ein. Man hatte einen guten Blick auf die Pier, konnte alles überblicken. Ein Container-Terminal befand sich dort. Den Sportwagen parkten wir etwas abseits. In einem als Pizza-Express-Wagen getarnten Van war unsere mobile Einsatzzentrale. Dort trafen wir unsere Kollegen Jay Kronburg und Leslie Morell.
Agent Fred LaRocca war kurz vor uns eingetroffen. Außerdem waren noch Lieutenant Ray Grogan von der Drogenpolizei DEA sowie Captain Barry Sykes von der Hafenpolizei anwesend.
Jay erläuterte uns die Lage. "Zunächst einmal sei gesagt, dass der Informant eine bislang absolut zuverlässige Quelle ist, die sowohl uns als auch die Kollegen der DEA bislang immer mit zutreffenden Informationen aus dem Umfeld der kolumbianischen Drogenkartelle versorgt hat. Wir können also davon ausgehen, dass auch dieser Tipp brandheiß ist."
"Es geht um eine Ladung Kokain?", fragte ich.
Jay Kronburg nickte. "Versteckt in einer Ladung Landmaschinen. Die Maschinen sind bereits an Land. Fünf große Container mit der Aufschrift "Pan-Americana Cargo". Sie kommen von einem Schiff mit der Bezeichnung Panama Queen, das zurzeit am Kai liegt. Es wird in Kürze den Hafen verlassen..."
"Bevor der Deal über die Bühne geht?", fragte Fred LaRocca.
Jay nickte. "Natürlich. Kapitän und Mannschaft hängen in der Sache mit drin und wollen natürlich kein Risiko eingehen."
Captain Barry Sykes von den Kollegen der Hafenpolizei ergriff das Wort. "Unsere Leute und die Einheiten der Coast Guard werden den Kahn im Auge behalten und ihn nach Möglichkeit stoppen, solange er sich noch nicht in internationalen Gewässern befindet. Aber zunächst müssen wir die Brüder leider ziehen lassen, wenn wir an die größeren Fische heranwollen."
Jay Kronburg aktivierte einen Flachbildschirm, der zu der Computeranlage in der mobilen Einsatzzentrale gehörte. Das Bild eines Mannes mit Knebelbart, hoher Stirn und schütterem, blauschwarzem Haar wurde sichtbar.
"Das ist Aranjuez, den die Kollegen der DEA für Montalbans Vertrauensmann halten", erklärte Jay.
DEA-Lieutenant Grogan mischte sich in das Gespräch ein. "Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Nur sind sowohl Montalban als auch Aranjuez äußerst clever. Als zuletzt ein District Attorney versucht hat, gegen Aranjuez eine Anklage zusammenzubasteln, ist er damit vor Gericht mit Pauken und Trompeten untergegangen."
"Diesmal kriegen wir ihn vielleicht", sagt Jay. "Denn den Angaben des Informanten nach kommt die Koks-Ladung von einem neuen Geschäftspartner. Aranjuez' Job ist es also, hier her zu kommen und die Lieferung zu bezahlen."
"Hier an der Pier?", fragte ich.
Jay nickte. "Beide Partner misstrauen sich und setzen wahrscheinlich darauf, dass jeder hier nur mit einem kleinen Aufgebot an Mobstern auftreten kann", gab Leslie Morell zu bedenken.
"Hier ist so viel los, dass so ein Deal gar nicht auffällt", ergänzte Jay. "Unseren Einsatz macht das auch nicht gerade unkomplizierter. Aber dazu später mehr."
"Wie soll der Deal genau ablaufen?", erkundigte sich Milo.
"Aranjuez trifft sich mit einem Mittelsmann und übergibt das Geld", gab Jay Auskunft.
"Kennen wir den Mittelsmann?", fragte ich.
Jay schüttelte den Kopf. "Leider nicht. Wir müssen uns an Aranjuez halten. Sobald das Geld übergeben ist, wird der Mittelsmann die Container mit den Landmaschinen für den Weitertransport freigeben. Vielleicht übergibt er die entsprechenden Papiere auch gleich an Ort und Stelle. Zielort ist ein Wiederverkäufer in Connecticut, aber auf dem Weg nach Norden machen die Trucks einen kleinen Zwischenstopp auf einem stillgelegten Industriegelände in der Bronx. Da wird das Rauschgift aus den Containern geholt."
"Okay, dann würde ich sagen, legen wir unsere Kevlar-Westen an!", meinte Fred LaRocca.
"Moment", sagte Jay. "Wir haben einige Dutzend Arbeitsjacken und Schutzhelme organisieren können, wie sie von Hafenarbeitern hier im Terminal getragen werden."
"Wo sind die Jacken?", hakte ich nach.
Jay machte eine wegwerfende Handbewegung. "Auf dem Weg hier her. So wie im Übrigen auch ein Großteil der Kollegen, die an der Operation teilnehmen soll. Ich hoffe nur, dass diese improvisierte Aktion glatt über die Bühne geht."
Wenig später befanden sich Milo und ich in der Nähe der Container mit der Aufschrift "Pan-Americana Cargo". Wir trugen Arbeitsjacke und Schutzhelm, darunter die Kevlar-Weste und die SIG. Über Ohrhörer und Kragenmikro hatten wir Funkverbindung zu den Kollegen.
Sobald Aranjuez auftauchte und seinen Mittelsmann traf, war der Erfolg dieser Operation weitgehend eine Frage der Koordination.
Im Laufe der Zeit trafen immer mehr Kollegen ein.
Jeder von uns versuchte sich so unauffällig wie möglich auf dem Pier zu bewegen.
Die "Panama Queen" legte ab und fuhr Richtung Battery Park und Statue of Liberty nach Süden.
"Ich frage mich, was das für ein Informant ist, der für diesen Supertipp verantwortlich ist", raunte ich Milo zu, während wir darauf warteten, dass sich irgendetwas tat. Wir standen uns die Füße platt, mussten die Umgebung im Auge behalten und gleichzeitig den Eindruck vermitteln, irgendetwas an den Containern oder der Hafenanlage zu tun zu haben.
"Sofern der Tipp gut ist, ist mir das ziemlich gleichgültig", bekannte Milo.
"Das ist doch kein Zufall! Montalbans Tochter wird wahrscheinlich bei einer schief gegangenen Entführung getötet, wenig später geht ein brandheißer Tipp ein, der den großen Boss vielleicht in ziemlich große Schwierigkeiten bringt!"
"Du meinst, dass eine hat etwas mit dem anderen zu tun?"
"Kannst du das ausschließen?"
"Sieht ganz so aus, als wollte da jemand Rick Montalban in arge Schwierigkeiten bringen!"
"Kann man wohl sagen."
Milo zuckte die Achseln. "Um ehrlich zu sein, das würde sogar ziemlich gut zusammenpassen. Der Tippgeber hat vielleicht etwas mit der Entführung zu tun und will sich jetzt vor Dirty Ricks Rache schützen, indem er zum Gegenangriff ansetzt. Und dass die Entführer zumindest Helfer unter den Insidern des Montalban-Syndikats gehabt haben müssen, dürfte außer Frage stehen."
"Bevor wir uns in Spekulationen versteigen, sollten wir mehr über den Typ wissen, der es wagt, Dirty Rick zu verraten, Milo", erwiderte ich.
Wir hatten keine Gelegenheit mehr, uns weiter zu unterhalten.
Über Ohrhörer vernahmen wir Jay Kronburgs Stimme.
"Aranjuez' Wagen ist im Anmarsch. Eine blaue Ford-Limousine. Sie fährt auf den ehemaligen Anlegeplatz der Panama Queen zu..."
An der Kai-Mauer standen ein paar vereinzelte Angler. Einer der gewaltigen Kräne hievte einen zwanzig Tonnen fassenden Container durch die Luft und setzte ihn zielsicher auf den vorgesehenen Truck.
Wenig später sahen wir die Limousine.
Zwei Männer stiegen aus, blickten sich um.
Sie trugen schwarze Anzüge. Bei einem der Kerle blitzte kurz eine Waffe auf, als das Jackett zur Seite glitt.
Schließlich stieg noch jemand aus. Das war Aranjuez. Ich erkannte ihn sofort wieder. Er trug einen Koffer, der mit einer Kette an seinem Handgelenk befestigt worden war.
Die Drei warteten.
Milo und ich postierten uns an der Ecke eines Containers.
Jay dirigierte per Funk die Einsatzkräfte an strategisch günstige Positionen.
Einige Augenblicke lang geschah gar nichts.
Mir fiel ein großes Schlauchboot mit Außenbord-Motor auf. Es war am Heck eines Schrott-Frachters mit der Bezeichnung "Albany Star" befestigt. Zwei Männer standen in dem schaukelnden Boot und bemühten sich offenbar, die meterhoch aufragende Stahlwandung mit Rostprimer zu streichen. Die beiden machten mir einen ziemlich unkonzentrierten Eindruck. Sie blickten immer wieder in Richtung des Ufers.
"Da fährt gerade ein metallicfarbener Van vom West Side Highway ab!", berichtete Jay Kronburg über Funk. "Dem Kennzeichen nach gehört er Tobias Garcia, einem von Aranjuez' Leuten."
"Aranjuez will offenbar auf Nummer sicher gehen", murmelte Milo.
Der Van parkte in einigem Abstand von dem ehemaligen Anlegeplatz der "Panama Queen" hinter einer Reihe von Trucks, die darauf warteten, beladen zu werden. Von Jay Kronburgs Position aus war das alles gut zu überblicken. Er beschrieb uns die Position. Einige unserer Leute wurden eingeteilt, um den Van und seine Insassen im Auge zu behalten.
Endlich bewegte sich etwas.
Einer der Angler packte seine Sachen zusammen und ging auf Aranjuez zu.
Der Angler sprach den Mann mit dem Koffer an.
"Achtung, es geht gleich los!", verkündete Jay Kronburg über Funk. Abhörspezialisten der DEA dokumentierten das Geschehen per Kamera und Richtmikrofon.
Schließlich musste am Ende alles juristisch wasserdicht sein.
Der Angler gab Aranjuez ein kleines Päckchen. Dieser gab es an einen seiner Mobster weiter, einem breitschultrigen Mann mit Ohrring. Der wandte sich in Richtung Ufer. So konnten wir nicht sehen, was er tat. Vermutlich nahm er eine Prise, um sie zu testen. Der Mann mit dem Ohrring nickte Aranjuez zu.
Wenig später wechselte der Geldkoffer den Besitzer.
Aranjuez schloss ihn von der Kette, gab ihm dem Angler. Dieser warf einen kurzen Blick hinein.
Anschließend holte der Angler ein Kuvert aus der Jackentasche. Das mussten die Papiere sein, die Aranjuez berechtigten, die Container abholen zu lassen. Wenn die Bande gut organisiert war, sogar mit Freigabe vom Zoll.
Jay Kronburg gab das Signal zum Eingreifen.
Der Deal war über die Bühne gegangen. Wir konnten Aranjuez auf frischer Tat erwischen.
Wir stürmten aus unserer Deckung.
Gleichzeitig ertönte eine Megafonstimme, die Aranjuez und seine Leute zum Aufgeben aufforderte.
Der Angler erfasste als erster die Situation. Er rannte mit dem Koffer zur Kaimauer und sprang ins Wasser.
Aranjuez und seine Gorillas griffen zu den Waffen, nahmen Deckung hinter der Limousine. Die Insassen des Vans stürzten heraus.
Sie waren mit MPis bewaffnet. Innerhalb von kürzester Zeit gingen Schüsse hin und her.