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Ich sag ganz ehrlich: Ich auf meine alten Tage, was brauch ich noch ein Weihnachten? Das einzige an Weihnachten, das mich persönlich noch erfreut, ist Weihnachtsbock. Den trink ich gern, den Weihnachtsbock. Ein paar Flaschel Weihnachtsbock, und wenn ich die getrunken habe, machts bei mir auch klingeling. Nach ein paar Flaschel, da steht das Christkind vor der Tür. Da höre ich von Weitem das Jingle Gebell.
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Seitenzahl: 102
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Gerhard Polt, geboren 1942 in München, brilliert seit 1975 als Kabarettist, Schauspieler, Poet und Philosoph auf deutschen und internationalen Bühnen. Bei Kein & Aber sind zahlreiche Bücher, CDs und DVDs von und mit ihm erschienen, zuletzt Circus Maximus. Das gesammelte Werk und Das Konversationslexikon Der große Polt. Polt lebt und schreibt in Schliersee, München und Terracina.
Mit Gerhard Polt durch den Advent. Grantelnd begleitet er uns durch die Zeit vor beziehungsweise nach Fasching, in der Nikoläuse ohne Gewerbeschein wahllos Menschen sentimentalisieren, in der wir uns den Weg durch jingle-verbellte Kaufhäuser bahnen und uns weihnachtliche Nebenwirkungen ins Weißbier spucken. Denn Gerhard Polt weiß: Steht erst mal der Nikolausi vor der Tür, ist auch der Heilige Abend unvermeidlich.
»Kabarettist? Dichter! Polt ist ein großer Volksdichter. Nachspielen können ihn viele, schreiben wie er kann keiner. Unnachahmlich.« Süddeutsche Zeitung
„Immer lauert da hinter den Sätzen der Abgrund, und man fühlt sich wie Rotkäppchen vorm Wolf.“ Bayerischer Rundfunk
SOHN Nikolausi …
VATER Hehehe, der Kleine, hehe, nein, das ist nicht Nikolausi, das ist Osterhasi, hehehe, hehe.
SOHN Nikolausi …
VATER Hehehe, nein, das ist nicht Nikolausi, weißt du, jetzt ist ja Frühling. Es ist ja jetzt nicht mehr Winter, hehehehe.
SOHN Nikolausi …
VATER He, nein, he, das ist Osterhasi, weißt du, Osterhasi mit den Ohrli, hehehe, der bringt Gaggi für das Bubele, hehehehe, jaja.
SOHN Nikolausi …
VATER He, nein, also, nein, nein, weißt du, das handelt sich hier nicht um, äh, um, um Nikolausi, das ist Osterhasi, net, das ist ein Osterhasi, kein Nikolausi, gell?
SOHN Nikolausi …
VATER Ja, also, nein, jetz hör doch mal zu, net, wenn ich’s dir scho sag, das ist, es handelt sich hier nicht um ein Nikolausi, sondern um ein Osterhasi, net. Jetzt sieh das doch mal endlich ein.
SOHN Nikolausi …
VATER Ja, also, ja, Rotzbub frecher, ja, wie soll ich’s dir denn noch erklären, also so was, nein, gleich schmier ich dir eine, net.
SOHN Nikolausi …
VATER Ja Herrschaftseitenmalefiz, jetzt widerspricht er ständig, net. Jetzt, jetzt hör doch amal zu, wenn ich schon sag, äh, äh, Nik… äh, O … äh, äh, das ist Osterhasi, net …
SOHN Nikolausi …
VATER Naa, das ist kein Nikolausi, net, jetzt, also, wenn einer mal sich in einen Gedanken förmlich hineinverrennt, dann ist er ja wie vernagelt, net.
SOHN Nikolausi …
VATER schreit Ja, also, so, ja also, du Rotzbub, net, das ist ein Osterhasi, das ist kein Nikolausi, Osterhasi, verstanden, Osterhasi …
SOHN Nikolausi …
Es dauert manchmal doch geraume Zeit, bis man erkennt, dass der Nikolaus kein Heiliger, sondern ein Mensch, und der Krampus (Knecht Ruprecht, Schmutzli) ein Arschloch ist – aber ganz bestimmt kein Dämon! Die Angst vor jenen Herrn ist ein Stück guter alter Tradition und auch die Wirkung dieser Angst, die Generationen von Bettnässern erzeugte.
Ich war klein und die Macht der Nikolaustradition ungebrochen. Die Krampusse klirrten mit Ketten. Sie waren in Felle gehüllt. In ihren rußigen Gesichtern spiegelte sich das tierische Vergnügen, mit dem Ochsenfiesel sauber zuhauen zu können. Hämisch fragten die Erwachsenen: »Und? War er schon da, der Nikolaus? Bist du auch immer brav gewesen? Weil sonst kummst nei in ’n Sack!«
Ich hätte es nicht geglaubt, dass man wirklich in einen Sack hineinkommt wegen Unbravheit, aber der Ismeier Manfred, mein Kindkollege, hatte es eigenhändig berichtet.
Auf dem Land wussten wir noch nichts von devoten Kaufhausnikoläusen und von der pädagogischen Einbahnstraße, die der Krampus als Erziehungsparameter darstellt.
Es war der sechste Dezember neunzehnhundertneunundvierzig gegen neunzehn Uhr, als sich ein Stiergehörnter auch meiner bemächtigte – obwohl ich die donnernde Frage des heiligen Nikolaus: »Bist du auch immer brav gewesen?« eindeutig und wahrheitsgemäß mit »Ja« beantwortet hatte – und mich in seinen Sack stopfte.
Ketten klickten, klackten und rasselten, Schweine grunzten und Ratten pfiffen, als ich im Sack an einem Haken im Saustall aufgehängt wurde. Ich schrie eine Ewigkeit in dieser finsteren Hölle des Onkel Hieronymus Bosch. Und manchmal wache ich heute noch auf in der Nacht, schwitzend, sehe den Krampus auf mich zukommen … und ich weiß, ich habe eine Kindheit gehabt, die kann mir keiner mehr nehmen!
Umständehalber verließ ich das Land und kam in die Großstadt zur Zeit, als wiederum die Existenzfrage: »Bist du auch immer brav gewesen?« im Raum stand.
Ein circa achtjähriger Robespierre forderte mich, den Neuling vom Land, auf:
»Und? Gehst mit, am Nikolo an Bart anzünden?«
Mir wurde schwindlig. »Einem Nikolaus den Bart anzünden?« Was heißt da »einem«? Es gibt doch nur den Nikolaus. Den heiligen St. Nikolaus! Und ihm den Bart anzünden? – Ein ungeheures Vorhaben! Vor Kurzem noch vom Krampus gejagt, frisch einem noch feuchten Bett entwichen, überrollte mich die Frage des Großstadtrevolutionärs auf ’s Neue. Sie wirkte jetzt eine Spur gleichgültiger.
»Oiso, was is? Gehst jetza mit oder net?«
»Sowieso!«, hörte ich mich antworten. Mein Herz war in der Unterhose angelangt.
Kurz darauf standen wir schon vor unserer »Bastille«, der Türken-/Ecke Schellingstraße. Hundert bis zweihundert Kinder, bis an die Zähne mit Latten, Stöcken, Zwisteln und Steinen bewaffnet, harrten vor dem Portal des Studentenschnelldienstes der Nikoläuse aus.
Schon kam einer heraus. Aus allen Kehlen erscholl ein Pfuiii, ein Pfeifkonzert, kreischendes Hohngelächter. Ein Gewitter von Wurfgeschossen entlud sich in Richtung Nikolaus, welcher unwürdig behende auf einem Fahrrad das Weite suchte.
Ein neuer Schnelldienstheiliger wurde auf die Straße gespuckt, um Tradition zu verbreiten.
»Da is scho wieder oana!«, jauchzten die jungen Revoluzzer im Kampfesrausch. »Den machma fertig!«, schrien sie.
Mein Genosse und Animator reichte mir feierlich sein Sturmfeuerzeug. »Jetzt zündma eam an Bart o! Mia gebm da Rückendeckung!«
Fest entschlossen, meine jahrelange Demütigung mit einem Bartbrand zu rächen, laufe ich mit weichen Knien über die Straße, das Sturmfeuerzeug wie eine Fackel erhoben haltend. Schlachtengesänge wie »Nikolo, scheiß ins Klo!« tragen mich vor das entsetzte Gesicht des heiligen Mannes. Wieder verdunkelt sich der Himmel vor lauter Zaunlatten und Haken, Pfeilen … Wasserbomben … Eiern – es herrscht Krieg. Der Nikolaus duckt sich, macht zwei, drei schnelle Schritte und verschwindet in der Sicherheit des nahen Gemüseladens … Wumm! Ktschschk! Duiiiing! Das Schaufenster birst, ein Volltreffer! Johlen! Der Nikolaus liegt auf dem Boden, umgeben von Glas. Ein Splitter hat sein Gesicht verletzt. Rotes Blut tropft auf seinen weißen Bart. Er reißt ihn sich vom Kinn und drückt ihn auf die Wunde. Ich sehe ein junges Gesicht voller Panik.
Jetzt rollt, nach überwundener Schrecksekunde, der Gemüsehändler mit seiner enormen Wampe auf den Nikolaus zu und bespeit ihn mit einem Potpourri von Unflätigkeiten, worin er dem Wort »Drecksau« eindeutig den Vorzug gibt. Der Nikolaus entwindet sich dem Griff des Fetten und flieht aus dem Laden. Zum Glück trifft ihn sein eigener, wie ein Speer nachgeschleuderter Krummstab nicht mehr.
Das Kinderheer auf der anderen Straßenseite aber hat sich blitzschnell aufgelöst. Und ich, ich stehe da, den blutleeren Daumen auf dem Sturmfeuerzeug.
Dann geh ich heim als Sieger. Sieger einer Revolution, deren Errungenschaften unumkehrbar sind!
PS: Sachzwänge nötigen mich seit Jahren am sechsten Dezember in ein eindrucksvolles, stilechtes Nikolausgewand. Ich versuche, ein fairer, aufgeschlossener, geschenkbereiter, psychologisch hieb- und stichfester Heiliger zu sein. Nur wenn ich frage: »Bist du auch immer brav gewesen?«, beschleicht mich so ein Gefühl … Trotzdem. Schwamm drüber!
Krampus der Krampus erzeugte Generationen von Bettnässern; pädagogische Einbahnstraße als Erziehungspromotor; Charakteristisch: Ketten klirren, in Felle gehüllt, rußiges Gesicht, tierisches Vergnügen, mit dem Ochsenfiesel sauber zuhauen zu können
Ich hab da so ein Ding, wegen dem Glühwein. Kennen Sie die Glühweine? Jetzt muss ich zwei nehmen, so runde Tabletten. Ja, ich hab bloß zwei Glas Glühwein, und jetzt nehm ich pro Glas eine Tablette. Aber diese Wirkungen, diese … Nebenwirkungen! »Magen-Darmstörungen wie Magenbeschwerden, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Magengeschwüre mit, aber auch ohne Blutungen, im Einzelnen auch mit Durchbrüchen.« Sapperlot! »Die Häufigkeit dieser Störungen wächst mit der Steigerung der Tagesdosis.« Ist ja logisch, gell. »Überempfindlichkeitsreaktionen wie Hautausschlag, allergische Ödeme, Steigerung der Lichtempfindlichkeit der Haut, Jucken, Rötungen, Mundschleimhautentzündungen, Haarausfall, Nagelwachstumsstörungen, Kopfschmerzen.« Ja, das ist blöd, die hab ich ja gehabt. »Schwindel, Sehstörungen, Leukopenie und eine« – was – »Knochenmarksdepression! Gelbsucht«, hehe! Da hätten sie doch genauso gut »Hepatitis« schreiben können. »Störungen der Niere, akutes Nierenversagen, Wasseransammlungen, die als Ödeme meist im Bereich der Oberschenkel, aber auch als Herz-Kreislaufstörungen, ja bis zum Herzstillstand führen können. Außerdem kann das Mittel das Führen eines Fahrzeugs erheblich beeinträchtigen.«
Na ja, an Weihnachten bin ich sowieso daheim.
Aus dem Leberkäse quillt der Käse wie ein Eiter
Der Kevin mampft ihn runter und spricht heiter
Was gut ist, das ist gut, dafür hab ich ein Gespür
Und Weihnachten steht schon vor der Tür
Der Gerichtsvollzieher harrt ratlos vor des Hauses Tor
Hätt gern noch mal vollzogen
Jedoch die Schuldnerbrust ist ausgeflogen
Der Vollzieher ist unzufrieden
Denn ab morgen dräut der Weihnachtsfrieden
Ein Schlumpf auf einem Schlitten hat einen Fusel mitgebracht
Mit viel Prozent aus der Destille
Heilig Abend, der wird stille
Nach langer Abstinenz
Grausig war die Insolvenz
Manche Rechnung bleibt noch offen
Doch das neue Jahr lässt hoffen
In dieser sternehagelvollen Nacht grölt leis ein Chor
Auch unser Kevin tritt hervor
Dulce dulce jubilo
Frieden auf Erd
Und kein Inkasso nirgendwo
Wenn jetzt die Kerzen brennen, dann geht’s mir so, dass ich dann ganz besinnlich werde.
Das ganze letzte Jahr war für mich ein Jahr ohne Führerschein, weil man ihn mir gezwickt hat. Ich will Sie über die näheren Umstände gar nicht belästigen, weil die gehen schon im Grunde auf Jahre davor zurück. Jedenfalls war ich gezwungen, heuer, also dieses Jahr, vollkommen ohne Führerschein zu fahren. Nur wer die Bedeutung eines Führerscheins erfasst hat, weiß, was ein Leben heute ohne Führerschein noch wert ist.
Ich habe aber auch meinen Stolz und habe gesagt: »Ich laufe dem Führerschein nicht hinterher, wenn sie ihn mir nicht geben.«
Beruflich bin ich halt äußerst mit dem Führerschein verbunden, weil ich bin von Beruf ein gelernter Bootsverleiher, ich habe ja Bootsverleih studiert, bin aber durch die permanenten Sparmaßnahmen von Staats wegen und durch den Druck der ausländischen Konkurrenz selbst zu enormen Sparmaßnahmen gezwungen. Ich habe in einer Sofortmaßnahme gleich einmal alle Boote, das heißt, ich habe ja nur eines gehabt, aber das habe ich aufgelöst und damit meinen Verdienst auf ein Minimum heruntergeschraubt. Ich lebe jetzt circa zehn bis elf Prozent unter dem Existenzminimum und bin auch steuerlich dadurch enorm entlastet, und der Staat tut sich schon sehr schwer, mich auszutricksen.
Ich bin ein Mensch, der, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich blicke gern zurück. Es gibt Menschen, die schauen immer nach vorn, oder manche auch hinunter, ich für meinen Teil schaue zurück, das heißt, ich blicke zurück, weil lange schaue ich mir das nicht mehr an, was da zurückliegt.
Wenn ich zurückblicke zum Beispiel, dann muss man sagen, die letzten Jahre waren äußerst erfolgreich, nicht zuletzt für den Borkenkäfer. Allerdings, was dem Borkenkäfer die Zukunft bringen wird, wage ich kaum auszusprechen, weil wenn einmal kein Wald mehr da ist, dann wird’s happig für ihn, und er mag halt gern einmal das Holz.
Sonst, wenn ich zurückblicke, denke ich immer noch gerne an meinen Lottogewinn zurück. Vor drei Jahren, da hab ich sieben Euro dreißig gewonnen, aber das Geld ist heute auch schon wieder verbraucht, und, ehrlich gesagt, so viel Geld war’s ja auch wieder nicht. Jedenfalls konnte ich mir meine Reise nach Thailand, die ich gerne angestrebt hätte, mittels Lottogewinn nicht finanzieren. Dann habe ich gedacht, dass ich mir mit einer Organspende die Reise finanziere, mit Hergabe meiner Niere, aber da hat man keine Chance, weil die Ausländer mit ihren Innereien den Markt überschwemmen. Da können wir mit unseren deutschen Körperteilen nicht mehr mithalten, preislich.