No Limits - Berauschende Sehnsucht - Vanessa Sangue - E-Book

No Limits - Berauschende Sehnsucht E-Book

Vanessa Sangue

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Beschreibung

Als Dante Warden in einer Bar in eine Schlägerei gerät, sieht der MMA-Kämpfer Rot: Was zur Folge hat, dass er vor dem Staatsanwalt landet. Wenn Dante nicht ins Gefängnis will, muss er sich einer Therapie unterziehen - ausgerechnet wenige Wochen bevor die entscheidende nächste Saison losgeht, in der Dante seinen Titel verteidigen will! Doch nicht nur Dante kann sich Schöneres als die Therapie bei Penelope DeWinter vorstellen. Die regelmäßigen Sitzungen sind auch für die hübsche Psychologin keine leichte Aufgabe. Penelope hat in ihrer letzten Beziehung Schreckliches erlebt und seitdem panische Angst vor dominanten Männern. Doch ob sie will oder nicht: Dantes Präsenz fasziniert sie auf eine ungekannte Weise, und der charmante Kämpfer schafft es, sich mit jeder Sitzung tiefer in ihr Herz zu schleichen ... (ca. 450 Seiten)

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Songs

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Die Autorin

Die Romane von Vanessa Sangue bei LYX.digital

Impressum

Vanessa Sangue

No Limits

Berauschende Sehnsucht

Roman

Zu diesem Buch

Als Dante Warden in einer Bar in eine Schlägerei gerät, sieht der MMA-Kämpfer Rot: Was zur Folge hat, dass er vor dem Staatsanwalt landet. Wenn Dante nicht ins Gefängnis will, muss er sich einer Therapie unterziehen – ausgerechnet wenige Wochen bevor die entscheidende nächste Saison losgeht, in der Dante seinen Titel verteidigen will! Doch nicht nur Dante kann sich Schöneres als die Therapie bei Penelope DeWinter vorstellen. Die regelmäßigen Sitzungen sind auch für die hübsche Psychologin keine leichte Aufgabe. Penelope hat in ihrer letzten Beziehung Schreckliches erlebt und seitdem panische Angst vor dominanten Männern. Doch ob sie will oder nicht: Dantes Präsenz fasziniert sie auf eine ungekannte Weise, und der charmante Kämpfer schafft es, sich mit jeder Sitzung tiefer in ihr Herz zu schleichen …

Songs

Roc Me Out – Rihanna

Indestructible – Disturbed

Stompa – Serene Ryder

Maneater – Nelly Furtado

Back For More – Five Finger Death Punch

Beside Myself – Hesta Prynn

Bedroom Wall – Banks

You’re Going Down – Sick Puppies

I Knew You Were Trouble – Taylor Swift

1

Sie sollte weniger trinken. Oder erst viel später aufwachen.

Penelope nahm einen Schluck aus ihrem Starbucksbecher und betrat den Aufzug. Sie erntete ein paar irritierte Blicke, weil sie noch immer eine Sonnenbrille trug, aber das interessierte sie nicht im Geringsten. Extreme Situationen erforderten eben extreme Maßnahmen. Nachdem sie am Abend zuvor vielleicht einen oder zwei Tequilas zu viel getrunken hatte, besaß sie das Recht, in geschlossenen Räumen eine Sonnenbrille zu tragen. Und wenn sie an diesem Tag nicht einen vollen Terminkalender gehabt hätte, wäre sie auch zu Hause geblieben.

Die Fahrstuhltüren öffneten sich mit einem leisen Ping auf ihrer Etage.

Teresa, die blonde Empfangsdame, blickte bei ihrem Erscheinen auf und warf ihr ein kleines Lächeln zu. »Gestern zu viel gefeiert, Boss?«

Penelope verzog den Mund. »Frag nicht. Jessie wollte ihren neuesten Arbeitserfolg feiern und hat partout kein Nein akzeptiert.«

Teresa schnaubte und schob die Lesebrille auf dem Nasenrücken ein Stück nach oben, bevor sie wieder auf den Computerbildschirm blickte. »Dabei war gestern doch erst Mittwoch. Ein bisschen früh angefangen diese Woche, was?«

Penelope und Teresa verband ein freundschaftliches Verhältnis, deshalb ließ sie ihr diesen Seitenhieb durchgehen.

»Ich hatte ja gar nicht vor, so viel zu trinken«, grummelte Penelope und wechselte zu einem anderen Thema – der Arbeit. »Also, was steht heute an, Tess? Und habe ich irgendwann eine Verschnaufpause?« Sie blieb vor dem Schreibtisch stehen, schob die Sonnenbrille in die Haare, bevor sie noch einen Schluck Kaffee nahm.

»Sieht eher schlecht aus. Gleich kommt Mr Peterson, danach Mrs Livsey mit ihrer Tochter Emma. Anschließend hast du ungefähr eine halbe Stunde Pause, bevor dein neuer Patient Mr Warden kommt.«

Penelope schaltete etwas ab, während Tess noch mehr Namen aufzählte und damit unwillkürlich ihre Kopfschmerzen verschlimmerte. Schließlich hielt sie eine Hand hoch und unterbrach ihre Assistentin. »Okay, das reicht. Ich hab’s verstanden. Langer Tag.« Penelope richtete sich wieder auf, nachdem sie sich zuvor auf die etwas erhöhte Vorderseite des Schreibtischs gelehnt hatte. »Legen wir los.«

Sie verzog sich in ihr Büro, verstaute die Tasche im Schreibtisch, trank den Rest des Kaffees aus und warf den leeren Becher in den Müll. Nachdem sie sich in ihrem ledernen Stuhl niedergelassen hatte, betrachtete sie für einen Moment lang ihr Büro. Sie befand sich im zehnten Stock eines Bürokomplexes, der neben ihrer Praxis für Psychologie noch weitere Büros aus anderen Branchen beherbergte. Ihr Schreibtisch stand in der hinteren linken Ecke. Dahinter ließen zwei große Fenster das Tageslicht herein und verschafften dem Raum, zusammen mit der beigen Wandfarbe, eine ruhige Atmosphäre. Alle Möbel, inklusive der obligatorischen Couch, die manche Patienten bevorzugten, waren schokoladenbraun. Auf dem hellen Holzfußboden lag ein dunkler, flauschiger Teppich, auf dem neben der Couch drei Sessel und ein Couchtisch standen, der zusätzlich eine heimelige Atmosphäre schaffen sollte. Hinter ihrem Schreibtisch stand ein schmales Bücherregal, in dem Romane aus verschiedenen Genres standen, darunter auch ein paar von Penelopes Lieblingen. An der gegenüberliegenden Wand hingen Schwarz-Weiß-Fotografien von Landschaften.

Alles in diesem Raum war darauf ausgerichtet, dass sich ihre Patienten wohlfühlten und Penelope ihre Geheimnisse und Sorgen anvertrauten. Trotzdem fühlte es sich für Penelope so an, als würden die Wände näher kommen. Stöhnend schloss sie die Augen. Sie sollte sich unter der Woche wirklich nicht mit ihren Schwestern betrinken. Aber Serenity, die Jüngste, hatte an diesem Tag frei, und Jessamine, die Mittlere, war der Grund, warum sie überhaupt feiern gewesen waren. Sie hatte für den Medienkonzern, in dem sie arbeitete, einen großen Deal an Land gezogen. Und sie feierten kleine und große Erfolge immer zusammen.

Während Penelope noch hoffte, ihr Schädel möge nicht explodieren, öffnete sich die Tür und Tess kam herein. Ihre langen, blonden Haare hatte sie zu einem zurückhaltenden Dutt frisiert, und ihre Modelfigur steckte in einem züchtigen schwarzen Kostüm mit kobaltblauer Bluse, die perfekt zu ihrer Augenfarbe passte. Die Lesebrille baumelte im Ausschnitt. Mit einem schadenfrohen Grinsen stellte sie eine Tasse mit frischem Kaffee auf Penelopes Schreibtisch ab.

»Dachte mir, den könntest du gebrauchen.« Sie zwinkerte ihr zu. »Mr Peterson wird in zehn Minuten hier sein.«

Penelope nickte und richtete sich etwas auf. Zeit, ihren Kater so gut wie möglich zu ignorieren und an die Arbeit zu gehen. Auf dem Schreibtisch lagen bereits die Akten der Patienten, und sie überflog die von Mr Peterson, während sie am Kaffee nippte.

Mr Peterson war ein älterer Herr, der nach dem Tod seiner Frau an schweren Depressionen litt. Er war seit fast einem Jahr bei ihr in Behandlung, und obwohl Penelope jeden Tag mit schwierigen Schicksalen zu tun hatte, wurde ihr doch jedes Mal das Herz schwer, wenn sie in die vertrauensseligen braunen Augen blickte und das Leid darin erkannte.

Wie aufs Stichwort ertönte die Gegensprechanlage und Tess’ körperlose Stimme verkündete, dass Mr Peterson eingetroffen war. Penelope erhob sich, legte seine Akte auf den Couchtisch und lächelte, als der grauhaarige Mann in gebeugter Haltung ihre Praxis betrat. Ein leichtes Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen, als er sie sah, und sie machte einen Schritt auf ihn zu und reichte ihm die Hand.

»Mr Peterson. Es ist schön, Sie wiederzusehen.«

Seine faltige Hand schloss sich um ihre, und gemeinsam gingen sie zu den sich gegenüberstehenden Sesseln. Penelope wartete geduldig, bis ihr Patient Platz genommen hatte, und setzte sich dann selbst. Sie griff nach ihrem Schreibblock, legte ihn auf die breite Armlehne des Sessels und neigte den Kopf, als sie Mr Peterson anblickte. Er kreuzte die Hände über dem rundlichen Bauch, um das Zittern zu verbergen. Mr Peterson fühlte sich selbst nach einem Jahr immer noch unwohl, dass er eine Psychologin aufsuchen musste. Eine Brille mit silbernem Gestell lag auf seiner Nase, und dahinter blickten Penelope braune Augen an, die so voller Traurigkeit waren, dass sie einmal tief durchatmen musste.

»Wie ist es Ihnen seit unserer letzten Sitzung ergangen, Mr Peterson? Haben Sie getan, was ich Ihnen geraten habe, und sind wieder etwas mehr aus dem Haus gegangen?«

Während Mr Peterson mit seiner Märchenerzählerstimme sprach, machte sich Penelope immer wieder Notizen. Hin und wieder warf sie eine Frage ein oder machte ihn auf etwas aufmerksam, was er vielleicht noch ändern könnte. Sie sprachen außerdem viel von seiner verstorbenen Frau, und jedes Mal, wenn ihr Name fiel, erhellte sich sein Gesicht, nur um sogleich von allumfassender Trauer überschattet zu werden, als er sich erinnerte, dass sie nicht länger an seiner Seite war.

Eine Stunde später verabschiedete sie ihn. Als sie gerade seine Akte auf den neuesten Stand brachte, kündigte Tess Mrs Livsey und ihre Tochter Emma an. Mrs Livsey war eine alleinerziehende Mutter und mit Kind und Fulltimejob total überfordert. Während Penelope mit der Mutter sprach, kümmerte sich Tess draußen im Wartezimmer um Emma.

Penelope beobachtete die Frau, deren blonde Locken so sehr der ihrer Tochter glichen, sehr aufmerksam. Sie befürchtete, dass sie früher oder später das Jugendamt einschalten musste, damit Emma nichts passierte. Zwar würde Mrs Livsey ihrer Tochter niemals etwas antun, dafür liebte sie das Kind viel zu sehr, aber Mrs Livsey war in letzter Zeit in einem solch labilen Zustand, dass Penelope sich ernsthafte Sorgen machte. Immer wieder schlang sie die Arme um ihren zierlichen Körper und wiegte sich langsam vor und zurück.

Am Ende verschrieb Penelope ihr ein leichtes Beruhigungsmittel, verzichtete aber auf ein Schlafmittel, damit Mrs Livsey merkte, ob ihre Tochter nachts Hilfe benötigte.

Als die beiden wieder im Aufzug verschwanden, warf Tess ihr einen besorgten Blick zu. Sie brauchten keine Worte zu wechseln. Tess arbeitete schon lange für sie, und auch wenn sie selbst keinen Abschluss in Psychologie hatte, so erkannte sie inzwischen doch die Zeichen.

»Wer kommt als Nächstes?«, fragte Penelope, während sie die Schultern rollte und den Blazer abstreifte. Es wurde langsam warm. Außerdem pochte ihr Schädel so stark, dass sie überlegte, mit dem Kopf ein paarmal gegen die nächste Wand zu rennen. Das konnte unmöglich mehr wehtun.

Tess ging wieder hinter ihren Schreibtisch und setzte die Brille auf. »Mr Warden wird in etwa fünfzehn Minuten hier sein. Er ist auf gerichtliche Anweisung hier.«

Penelope stöhnte frustriert. Das waren immer die schwierigsten Patienten. Die, die nicht freiwillig herkamen, sondern gezwungen wurden. Die wollten sich nämlich nie helfen lassen, was Penelopes Job nur unnötig verkomplizierte. Dazu kam, dass die Sitzung mit Mrs Livsey länger gedauert hatte und Penelope jetzt nur noch halb so viel Zeit hatte, um die Abschriften des Gerichts zu lesen. Und wieder einmal verfluchte sie sich selbst, dass sie mit ihren Schwestern feiern gegangen war. Andernfalls hätte sie Mr Wardens Unterlagen nämlich gestern Abend schon gelesen.

Sie holte sich noch schnell die dritte Tasse Kaffee und verschwand dann wieder in ihrem Büro, damit sie die ihr verbleibende Zeit nutzen konnte.

Anscheinend war ihr neuer Patient in eine Barschlägerei geraten, und da es nicht sein erstes Vergehen dieser Art gewesen war, hatte das Gericht ihn vor die Wahl gestellt: Gefängnis oder Therapie. Da hatte er wohl das kleinere Übel gewählt.

Sie studierte noch immer seinen Lebenslauf und die Polizeiakten, als ihre Gegensprechanlage summte und Tess’ Stimme an ihr Ohr drang und ihr die Ankunft von Mr Warden ankündigte. Penelope runzelte die Stirn. Die Stimme ihrer Empfangsdame klang sowohl atemlos als auch verführerisch.

Sie hielt ein Seufzen zurück. Dafür konnte es nur einen Grund geben. Offensichtlich war Mr Warden gut aussehend.

»Gib mir noch fünf Minuten, Tess.«

Penelope griff sich den Schreibblock, legte ihn auf den Sessel und stand auf. Sie warf einen Blick in den kleinen, runden Spiegel, der neben dem Bücherregal hing, und überprüfte ihre Erscheinung. Ihre schokoladenbraunen Haare lagen noch immer perfekt, keine Strähne hatte sich aus dem strengen Pferdeschwanz gelöst. Die grauen Augen blickten klar, und das Make-up schlug sich noch immer recht gut darin, ihre Augenringe zu verbergen. Sie zog das graue, hochgeschlossene Kleid zurecht und drückte den Knopf für die Gegensprechanlage.

»Du kannst ihn jetzt reinschicken, Tess.«

Die Tür wurde geöffnet, und das Erste, was Penelope hörte, war das atemlose Lachen ihrer Empfangsdame. Sie runzelte erneut die Stirn, glättete die Gesichtszüge aber sofort, als sich der Mann im Türrahmen zu ihr umwandte. Ein Hüne betrat ihr Büro, ein süffisantes Grinsen auf den Lippen. Plötzlich fühlte sich ihr eigentlich großes Büro ziemlich klein an.

Die Tür schloss sich mit einem leisen Klicken, und bernsteinfarbene Augen blickten sie an. Überall, wo sie hinsah, sah sie durchtrainierte Muskeln. Sie hatte bereits Berge gesehen, die kleiner und schmaler waren als dieser Mann. Er trug abgewetzte Jeans und ein graues Shirt mit dem ausgeblichenen Logo irgendeiner Sportsbar auf der Brust. Auf seinen Wangen lag ein Bartschatten, der eigentlich schon viel zu ausgeprägt war, um noch als Schatten zu gelten. Über jedes Stückchen Haut, das sie von seinem linken Arm erkennen konnte, zog sich ein überraschend buntes Tattoo. Gerade als sie dieses Tattoo näher studieren wollte, realisierte sie, dass sie ihren neuen Patienten wortlos anstarrte.

Schnell richtete sie den Blick wieder auf seine Augen und ignorierte das wissende Funkeln darin. Er hatte sie beim Starren ertappt.

»Mr Warden.« Sie machte einen Schritt auf ihn zu und reichte ihm die Hand. »Schön, Sie kennenzulernen.«

Er ergriff ihre Hand, und ein Stromschlag durchzuckte ihren Körper. Sie unterdrückte einen Schauer. Kurz meinte sie, so etwas wie Überraschung in seinem Blick zu sehen, bevor der süffisante Gesichtsausdruck zurückkehrte.

Sie entzog ihm die Hand. »Bitte, nehmen Sie Platz.« Sie deutete auf die beiden Sessel und wartete wie immer, bis ihr Patient saß, bevor sie sich selbst setzte.

Erneut richtete sie den Blick auf Mr Warden und ballte eine Hand zur Faust. Seine Präsenz war so überwältigend, dass sie ihr beinahe die Luft zum Atmen nahm. Seine unleugbar dominante Aura schüchterte sie ein. Und machte ihr Angst. Schnell unterdrückte sie die aufsteigenden Bilder und setzte eine professionelle Miene auf. Dafür hatte sie jetzt keine Zeit.

»Also, wollen Sie mir verraten, wieso Sie hier sind, Mr Warden?«, begann sie das Gespräch.

Sofort verschwand das Grinsen aus seinem Gesicht. Sie betrachtete seinen muskulösen Körper, als er sein Gewicht im Sessel verlagerte und sich so hinsetzte, dass er einen Arm auf der Rückenlehne ablegen konnte. Seine dunkelblonden Haare waren an der Seite etwas kürzer als in der Mitte, und er hatte sie leicht nach hinten gestylt. An seiner linken Schläfe befand sich eine feine Narbe, und auch seine Nase sah aus, als wäre sie schon einmal gebrochen gewesen. Aber das unterstrich nur seine aggressive Ausstrahlung. Sein Gesicht war kantig, maskulin, und wenn seine Nase und die Narbe ihr nicht schon verraten hätten, dass er vor keinem Kampf zurückschreckte, so hätte das doch der Ausdruck in seinen Augen getan. Da lag nichts Weiches in seinem Blick.

»Sie wissen genau, warum ich hier bin, Süße.«

Penelope unterdrückte ein Seufzen. Er war nicht der erste Patient, der sie auf unangemessene Art und Weise ansprach. Mit solchen Abwehrmechanismen hatte sie jeden Tag zu tun. »Dr. DeWinter, bitte.« Es war ihr wichtig, zu ihren Patienten ein professionelles Verhältnis zu wahren. Nur so konnte sie ihnen helfen.

Er schnaubte spöttisch. »Klar.«

»Also, wieso sind Sie hier, Mr Warden?«

»Weil ich in einer Bar einen trinken war und die dummen Sprüche der Idioten neben mir nicht mehr ertragen konnte. Leider hat die Polizei unsere kleine Party unterbrochen, und plötzlich war ich der Schuldige.« Er zuckte mit den Schultern. »Und hier sind wir jetzt, Dr. DeWinter.« Er sprach ihren Namen besonders deutlich aus.

Diese Therapie würde nicht einfach werden. Sie machte sich ein paar Notizen, und als sie den Kopf wieder hob, begegnete sie Mr Wardens Blick. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, und sie schnappte unwillkürlich nach Luft. Mr Warden schaute sie so eindringlich an, dass sie das Funkeln in seinen Augen nicht ignorieren konnte.

Sofort griffen sämtliche ihrer Schutzmechanismen, und sie unterdrückte die Erinnerungen. Es dauerte etwa zwei Herzschläge lang, bis sie sich wieder unter Kontrolle hatte.

Dante runzelte die Stirn, als die Psychologin seinem Blick auswich. Sie hatte versucht, das Zittern ihrer Hand zu verbergen, aber er hatte es gesehen. Er war schließlich kein Anfänger mehr. Was war hier los?

Er sah sie sich genauer an, betrachtete die strenge Frisur, das konservative Kleid und die steife Körperhaltung. Alles an ihr schrie geradezu professionell und unterkühlt. Dennoch hatte er das Feuer in ihren Augen gesehen, als er ihre Hand ergriffen hatte. Und verdammt sollte er sein, wenn er es nicht auch gespürt hatte.

Aber er war schließlich auch nur ein Mann. Und obwohl ihr Kleid hochgeschlossen war und ihre Arme bis zu den Ellbogen bedeckte, konnte es die Kurven, die sich darunter verbargen, nicht verstecken.

Sie war groß, vielleicht etwas über einen Meter siebzig, was sie neben ihm jedoch klein aussehen ließ. Ihre Brüste spannten das Kleid, und er ließ den Blick dort etwas verweilen. Und dann ihre Beine … Obwohl das Kleid bis kurz über die Knie reichte, bekam er eine Ahnung ihrer wahrscheinlich verlockend weichen Schenkel, als sie die Beine übereinanderschlug. Leider lenkte das seinen Blick nur auf die schwarzen High Heels mit den roten Sohlen, die für ihren Job beinahe unanständig hoch waren. Prompt lieferte sein Verstand ihm Bilder von eben diesen High Heels, die sich hinter seinem Rücken kreuzten.

Unwillkürlich nahm Dante den Arm von der Rückenlehne und rieb sich übers Kinn, als er grinsen musste. Das kratzende Geräusch, das seine Bartstoppeln dabei verursachten, veranlasste die liebe Frau Doktor, ihn wieder anzusehen. Ihre grauen Augen, um deren Iriden sich ein schwarzer Ring zog, der die Intensität ihres Blicks noch verstärkte, schauten nun wieder abschätzend, gefühlskalt. Keine Spur mehr von der Angst, die er vor wenigen Sekunden dort noch gesehen hatte.

»Und wieso waren diese Männer, die neben Ihnen an der Bar saßen, Idioten, Mr Warden?«

Beim Klang ihrer Stimme biss er die Zähne zusammen. Wenn sie nicht Psychologin geworden wäre, hätte sie ein Vermögen bei einer Telefonsex-Hotline verdienen können.

Er zuckte mit den Schultern. »Sind Männer nicht immer Idioten?« Er hatte wirklich keine Lust, mit dieser Frau, so verführerisch sie auch war, zu reden. Er wollte diese Zwangstherapie, die man ihm aufgedrückt hatte, so schnell wie möglich beenden. Schließlich begann in zwei Monaten die neue Saison, und er musste jede freie Minute mit Training verbringen. Er war stolz auf seinen Titel, den er letztes Jahr als MMA-Fighter gewonnen hatte. Und in diesem Jahr musste er ihn um jeden Preis verteidigen.

Dr. DeWinter beobachtete ihn abschätzend, als suche sie eine Antwort auf eine Frage, die sie nicht gestellt hatte. Er erwiderte ihren Blick und stellte plötzlich überrascht fest, dass die Raumtemperatur anzusteigen schien. Spannung lag in der Luft, und er ballte eine Hand zur Faust, als ein Kribbeln seinen Körper erfasste. Das konnte er jetzt wirklich überhaupt nicht gebrauchen. Er mochte seine Frauen weich, anschmiegsam und unterwürfig. Doch jede Bewegung der Frau vor ihm verkündete, dass sie alles andere als unterwürfig war. Außerdem war er lange genug beim Militär gewesen, um zu erkennen, wenn jemand mit inneren Dämonen kämpfte. Und in den faszinierenden grauen Augen seiner Seelenklempnerin wohnten definitiv Dämonen. Er hatte weder Lust noch Zeit für weitere Probleme.

Dennoch knisterte die Luft zwischen ihnen vor sexueller Spannung, und auch die abgebrühte Dr. DeWinter bemerkte es. Er sah es in den nervösen Bewegungen ihrer Hände und wie sie sich die trockenen Lippen leckte.

Sein Blick blieb an diesen Lippen hängen, voll und verführerisch, die in jedem Mann Gedanken an Blowjobs hochkommen ließen.

Langsam wanderte sein Blick wieder nach oben, und als sich ihre Blicke trafen, musste er seine ganze Selbstkontrolle aufbringen, um seine Seelenklempnerin nicht zu schnappen und auf dem verdammten Couchtisch zwischen ihnen zu vögeln. Dann blinzelte sie, und der Bann war gebrochen.

»Hören Sie, Mr Warden.« Sie warf einen Blick auf den Schreibblock, der auf der Lehne ihres Sessels lag, bevor sie ihn wieder ansah. »Ich weiß, dass Sie wahrscheinlich nicht hier sein wollen. Und wenn es nach mir ginge, dann würde ich Sie jetzt auch wieder nach Hause schicken …«

»Dann tun Sie das doch, Doc«, warf er ein. Aber als er sie unterbrach, warf sie ihm einen so vernichtenden Blick zu, dass ein schwächerer Mann als er wahrscheinlich eingeknickt wäre und sich entschuldigt hätte. Aber er grinste sie einfach nur an.

»Aber …«, setzte sie wieder an und schlug die Beine anders übereinander.

Das verführerische Rascheln des Stoffs machte ihn wahnsinnig.

»… Sie sind jetzt nun einmal hier, und ich werde die gerichtlichen Anordnungen einhalten. Entweder Sie nutzen die Zeit mit mir sinnvoll oder die nächsten vier Wochen werden für uns beide sehr unangenehm werden.«

»Ich wüsste da schon etwas, um unsere gemeinsame Zeit sinnvoll zu nutzen.« Er grinste sie an.

»Mr Warden.« Ihre Stimme war eine Oktave tiefer gerutscht, und obwohl ihm ihr Tonfall sagte, dass er ein großkotziges Arschloch war, so sprach ihr Körper doch eine andere Sprache.

Kurz fragte er sich, ob es wohl schon zu spät war, um sich einen neuen, vorzugsweise männlichen, Psychologen zu suchen? Denn er hatte so eine Ahnung, dass die dreimal wöchentlich stattfindenden Sitzungen mit dieser Psychologin zu einer süßen Folter werden würden. Die am Ende wahrscheinlich nicht einmal belohnt werden würde. Er verzog das Gesicht. Er hatte sich nur für Dr. DeWinter entschieden, weil ihre Praxis in der Nähe seiner Trainingsräume lag und er fälschlicherweise angenommen hatte, dass es nur ältere, männliche Psychologen gab und keine rattenscharfe Brünette, die ihm das Leben schwer und die Hose eng machen würde.

Er schüttelte den Kopf, um ihn wieder freizubekommen. Ihm juckte es in den Händen, in den Käfig zu steigen. Er wollte etwas von der Spannung, die von ihm Besitz ergriffen hatte, loswerden. Er warf einen Blick auf die Armbanduhr. Noch dreißig Minuten.

»Schon klar, Doc.« Er lehnte sich wieder zurück. »Die Kerle in der Bar?« Er sah, wie sie überrascht die Augenbraue hob, ihn aber weiter aufmerksam beobachtete.

Sie nickte ihm aufmunternd zu.

»Da war diese Frau, und sie sind über sie hergezogen und haben Wetten abgeschlossen, wer sie wohl am schnellsten flachlegen kann. Also bin ich rübergegangen und hab denen gesagt, dass sie ihre beschissenen Klappen halten und sich verpissen sollen, sonst würde ich ihnen dabei helfen.« Er hob eine Schulter. »Sie haben sich für die Variante mit Hilfe entschieden.«

Dr. DeWinter machte sich ein paar Notizen, und er fragte sich unwillkürlich, ob er ihr mehr verraten hatte, als er eigentlich wollte.

»Und lösen Sie Ihre Probleme öfters auf diese Art?«, fragte sie ihn, ohne den Blick zu heben.

»Auf welche Art?«

Jetzt sah sie ihn wieder an, und er konnte nicht das geringste Gefühl in den grauen Tiefen ihrer Augen erkennen. »Auf die gewalttätige Art.«

War da etwa ein Hauch Verachtung in ihrer Stimme?

»Wenn es nötig ist.« Seit seiner Kindheit kämpfte er. Erst spielerisch, dann als Hobby, danach in der Army und jetzt im Käfig. Er hatte sich deswegen noch nie schuldig gefühlt. Wieso fühlte er sich dann jetzt so, als hätte er etwas falsch gemacht, während seine Psychologin ihn mit diesem eindringlichen Blick betrachtete?

»Und wann ist es für Sie nötig, Gewalt anzuwenden, Mr Warden?«

Gottverflucht. Diese Stimme machte ihn wahnsinnig. Was würde er nicht dafür geben, wenn sie einmal seinen Vornamen aussprechen würde. Oder noch besser, herausschreien würde.

»Wenn drei Vollidioten über eine Frau sprechen, als wäre sie ein Stück Fleisch, das zum Verkauf angeboten wird. Klar, jeder Mann hat mal unanständige Gedanken und denkt nur an Sex.« So wie er in diesem Moment. »Aber es ist ein Unterschied, diese Dinge zu denken oder sie laut auszusprechen und Wetten darüber abzuschließen.«

Sie legte den Kopf schräg, und ihr Pferdeschwanz fiel ihr über die Schulter, streichelte die Kurve ihrer linken Brust. »Sie sind also allein gegen drei Männer angetreten?«

Er schmunzelte und lehnte sich nach vorn, stützte die Unterarme auf den Knien ab und blickte ihr direkt in die Augen. »Ja.« Sie wäre nicht die erste Frau, die von seiner körperlichen Kraft beeindruckt war. Und der Gedanke, dass die professionelle Dr. DeWinter von ihm beeindruckt sein könnte, entlockte ihm ein breites Grinsen.

»Und Sie hatten dabei keine Angst?«

Er schnaubte spöttisch. »Wieso sollte ich? Sie waren zu dritt und schienen keine professionelle Kampferfahrung zu haben, ich aber schon. Es war also ein leichtes Spiel für mich.«

»Mhm«, machte sie unverbindlich und schrieb etwas auf ihren Zettel, der sich langsam, aber sicher füllte. »Und wie haben Sie sich gefühlt, als Sie gegen die drei Männer gekämpft haben?«

Er schüttelte den Kopf. »Doc, das war kein Kampf. Die hatten keine Chance. Unter einem Kampf verstehe ich schon, dass ich mich etwas mehr anstrengen muss.«

Sie nickte und betrachtete ihn. Er beobachtete sie dabei, wie sie seinen Körper mit dem Blick abtastete und dieser an seinem linken Arm hängen blieb. Sie schien die Linien seines Tattoos zu verfolgen, bevor sie ihn wieder ansah. Was sie wohl von Tattoos hielt? Und was dachte sie von seinem Sleeve, das eine ruhige Strandszene im Sonnuntergang darstellte?

»Wieso waren Sie an diesem Abend in der Bar?«

»Es war Freitagabend. Wieso sollte ich nicht in einer Bar sein?«

Ein leichtes Lächeln kräuselte ihre Lippen, und das erzeugte ganz neue Bilder in seinem Kopf. Plötzlich sah er die strenge Dr. DeWinter auf ihren Knien vor ihm, während sie langsam seine Hose öffnete, und dabei umspielte eben dieses leise Lächeln ihre vollen Lippen. Er hielt ein Stöhnen zurück. Verdammt! Die nächsten vier Wochen würden die Hölle werden.

Wie sollte er es aushalten, drei Stunden in der Woche mit ihr in diesem Büro eingesperrt zu sein, während sie versuchte, ihm seine Geheimnisse zu entlocken, und er nur daran denken konnte, sie flachzulegen?

»Natürlich.« Sie machte eine weitere Notiz auf ihrem Block.

Danach versuchte sie, mit scheinbar nebensächlichen Fragen mehr über seine Psyche herauszufinden. Aber Dante erkannte die Zeichen. Als Ex-Ranger kannte er sich mit Verhören aus. Außerdem wusste er, dass seine Vergangenheit dunkle Flecken auf seiner Seele hinterlassen hatte. Das bedeutete aber nicht, dass er sich der guten Dr. DeWinter offenbaren wollte.

Erst eine ganze Weile später klappte sie ihren Block zu und warf einen Blick auf die Wanduhr, bevor sie Dante wieder ansah. »Unsere Zeit für heute ist vorbei, Mr Warden.«

Er glaubte, so etwas wie Erleichterung in ihrem Blick erkennen zu können. Urplötzlich störte ihn das. Wieso war sie froh, ihn loszuwerden?

Dr. DeWinter erhob sich, und er tat es ihr gleich. Trotz ihrer High Heels überragte er sie um ein gutes Stück, und es gefiel ihm, dass sie zu ihm aufblicken musste. Als sie um den Tisch herum und in Richtung Tür ging, war jede Bewegung ihres kurvigen Körpers eine einzige Versuchung für ihn. Normalerweise waren seine kurzweiligen sexuellen Bekanntschaften – er weigerte sich, sie Freundinnen zu nennen – eher klein und zierlich. Wieso fühlte er sich also von dieser Psychologin angezogen, die doch das genaue Gegenteil seines üblichen Schemas war?

An der Tür holte er sie wieder ein und kämpfte gegen das Bedürfnis an, sie dagegenzupressen und dieser unheimlichen Spannung zwischen ihnen auf den Grund zu gehen.

Sie dagegen wirkte völlig unbeteiligt, und das störte ihn gewaltig. »Wir sehen uns dann nächste Woche wieder.« Sie hielt ihm die Hand hin, und er ergriff sie und hielt sie einen Moment länger fest, als nötig gewesen wäre.

Befriedigt registrierte er, wie ihr der Atem stockte, bevor sie ihm die Hand entzog. Seine Seelenklempnerin war doch nicht so unbeteiligt, wie sie tat.

»Bis nächste Woche, Doc.« Als er die Tür öffnete und sich anschließend noch einen kurzen Moment lang im Empfangsbereich aufhielt, um mit Teresa zu flirten, die er Tess nennen durfte, wenn er wollte, freute er sich plötzlich auf die nächste Sitzung. Es ging doch nichts über eine kleine Herausforderung. Zum Zeitvertreib.

2

Ungefähr fünf Stunden später ließ sich Penelope in den Sessel fallen und blickte aus dem Fenster ihres Büros. Was für ein Tag! Sie schloss die Augen und stöhnte leise. Es mochte am Kater liegen, aber irgendwie war ihr jede Sitzung besonders schwierig vorgekommen. Und eine bildete da unangefochten die Spitze.

Sie fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und löste den strengen Zopf, als sie an Mr Warden dachte. Oder Dante, wie sein Vorname lautete. An den Blick, mit dem er sie bedacht hatte, an seinen muskulösen Körper und dieses unverschämte Grinsen. Nachdem er gegangen war, hatte sie jede freie Minute genutzt, um seine Akte zu studieren. Aber nichts, was dort stand, hatte die sexuelle Anziehung, die sie empfand, abmildern können. Und sie hasste das. Es weckte zu viele unliebsame Erinnerungen, die sie die letzten Monate halbwegs erfolgreich verdrängt hatte.

Sie schüttelte den Kopf, stand auf und griff sich ihre Tasche. Es war an der Zeit, etwas Spannung abzubauen und danach nach Hause zu gehen. Morgen hatte sie noch einen Arbeitstag vor sich, und dann würde sie das Wochenende nutzen, um sich selbst unter Kontrolle zu bringen. Damit sie am Montag, wenn sie Mr Warden wieder gegenübertreten musste, wieder sie selbst war. Eine erfolgreiche, selbstbewusste Psychologin, die sich nicht von diesem Bad Boy angezogen fühlte. Und sollte das nicht gelingen, dann würde sie seinen Fall einfach abgeben.

Tess war bereits nach Hause gegangen, und so war es an ihr, alles abzuschließen und die Alarmanlage zu aktivieren, bevor sie in den Aufzug stieg.

Mit dem Auto fuhr sie zu dem nahe gelegenen Fitnessstudio, wo sie ihr Businessoutfit gegen enge Sporthosen und einen Sport-BH eintauschte. Danach ging sie direkt aufs Laufband und rannte sich den Frust von der Seele. Sie hörte erst auf, als sie völlig verschwitzt war und so heftig atmete, dass die Frau neben ihr schon komische Blicke in ihre Richtung warf. Danach zwang sie sich noch zu einer Runde Muskeltraining, bis sie glaubte, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen. Am nächsten Tag würde sie dieses harte Training sicherlich bereuen, aber jetzt fühlte sie sich eindeutig besser.

Als sie die Stöpsel ihres iPods aus den Ohren zog, stellte sie verwundert fest, dass ein wummernder Bass aus der unteren Etage des Fitnessstudios zu ihr heraufdrang. Sie runzelte die Stirn und blickte auf die Uhr an der Wand. Es war schon fast neun. Um diese Uhrzeit fanden keine Kurse mehr statt. Einer der Trainer, der hinter einer Theke stand und gerade die Regale mit Eiweißriegeln auffüllte, bemerkte ihren verwirrten Blick und grinste.

»Irgendein Kampfsportler hat die untere Etage für ein paar Wochen angemietet. Scheint, als versuche er, etwas Frust loszuwerden.«

Dem konnte Penelope nur zustimmen, als sie den wütenden Klängen der Rockmusik lauschte. Kopfschüttelnd ging sie unter die Dusche, um sich den Schweiß vom Körper zu waschen.

Während sie zu ihrem Auto ging, sah sie das erste Mal seit ein paar Stunden auf ihr Handy und musste lachen. Jessamine, die alle eigentlich nur Jessie nannten, war anscheinend shoppen gewesen und hatte in der gemeinsamen Whatsapp-Gruppe ein Foto von einem ultrakurzen Kleid gepostet, das mehr zeigte, als es versteckte. Daraufhin hatten sie und Reni sich einen verbalen Schlagabtausch geliefert, welche Kleiderlänge noch als angemessen im Büro galt. Reni war der Meinung, dass Jessies neueste Errungenschaft eindeutig in die Kategorie »nicht bürotauglich« fiel. Penelope schüttelte den Kopf und schrieb ihre Meinung zu dem Kleid.

Eindeutig nichts für ein normales Büro. Aber da du damit sowieso deinen Boss ärgern willst, ist das genau das richtige Kleid!

Danach warf sie das Handy auf den Beifahrersitz und fuhr zu dem Appartementgebäude, in dem auch ihre beiden Schwestern wohnten. Jessie zog sich immer etwas zu freizügig an, aber sie erweckte nur selten den Eindruck eines Flittchens. Eigentlich war sie eine hoffnungslose Romantikerin. Aber da sie Menschen, und Männern im Besonderen, nicht vertraute, zog sie sich zwar so an und weckte in den meisten Männern den Wunsch, sie haben zu können, nur um sie dann eiskalt abblitzen zu lassen.

Die Psychologin in Penelope wusste, dass der Großteil der Schuld bei ihren Eltern lag. Während sie einander bedingungslos liebten und alles für einander tun würden, waren ihnen ihre Kinder eigentlich egal. Sie liebten sich einfach so inbrünstig, dass nicht mehr genug Liebe für ihre drei Töchter übrig geblieben war. Manchmal fragte sich Penelope, warum ihre Eltern überhaupt drei Kinder bekommen hatten. Aber wer wusste schon, was in den Köpfen von Verrückten vor sich ging? Eins stand aber mit Sicherheit fest: Ihre Eltern hatten Narben auf den Seelen dreier junger Mädchen hinterlassen, die auch Jahre später ihr Leben noch immer beeinflussten.

Aber das mit den provokanten Outfits hatte erst vor zwei Jahren angefangen. Da hatte Jessie in der Firma des berühmt-berüchtigten Medienmoguls als seine persönliche Assistentin angefangen. Sie wollte ihn ganz eindeutig provozieren, denn auch ihre Schwester hatte ein Problem mit ungewollter sexueller Anziehung.

Später in dieser Nacht wachte Penelope plötzlich schreiend auf. Panisch huschte ihr Blick hin und her, nur damit ihr noch immer schlafender Verstand registrieren konnte, dass sie sicher war. Sie war zu Hause. Allein. Niemand bedrohte sie. Dennoch konnte sie die Erinnerungen an den Traum nicht mehr abschütteln, und ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie noch ein paar Stunden Zeit hatte, bevor sie eigentlich aufstehen musste.

Auf wackeligen Beinen checkte sie erst, ob noch alle Fenster und die Tür fest verschlossen waren, ging danach unter die Dusche, drehte das Wasser auf und stellte sich unter den kochend heißen Strahl. Sie schrubbte ihre Haut, bis sie das Gefühl hatte, dass sie jeden Moment aufreißen musste. Dennoch war es nicht genug. Erst als das Wasser kalt wurde und ihre Tränen versiegt waren, verließ sie die Dusche mit geröteter Haut. In dieser Nacht würde sie keinen Schlaf mehr finden.

3

Montagmittag aß Penelope gerade eine Kleinigkeit und versuchte, den Gedanken an ihren nächsten Termin zu verdrängen, als die Gegensprechanlage ihres Telefons summte.

»Penelope?«

»Ja?«

»Mr Warden lässt ausrichten, dass er seinen Termin heute Mittag nicht wahrnehmen kann.«

Penelope verkniff sich ein erleichtertes Seufzen und fühlte sich prompt schuldig. Sie war Psychologin. Das hier war ihr Job. Und Mr Warden hatte eine gerichtliche Anweisung zu befolgen.

»Könntest du mir seine Nummer bringen, Tess?«

»Klar.«

Penelope aß die Reste des Salats, als Tess auch schon hereinkam und einen gelben Notizzettel auf den Schreibtisch legte.

»Bitteschön.« Sie grinste sie an. »Du solltest an deinem Gesichtsausdruck arbeiten, Boss. Man sieht dir die Erleichterung viel zu sehr an.«

Penelope öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, schüttelte dann aber den Kopf. »Ich weiß. Aber der Mann geht mir gehörig auf die Nerven.«

»Ich kann mir gar nicht vorstellen, wieso«, lachte Tess und verließ das Büro wieder.

Einen Moment lang starrte Penelope auf den kleinen gelben Zettel, als wäre er allein schuld daran, dass sie dieses Telefonat jetzt führen musste. Dann griff sie sich den Telefonhörer und wählte die Nummer. Mit jedem Klingeln ballte sie die Hand stärker zur Faust, und als schließlich die Mailbox ansprang, musste sie sich zusammenreißen, um das Telefon nicht wieder auf den Hörer zu knallen.

Penelope wusste ganz genau, wieso sie so heftig reagierte. Aber sie entschied sich dafür, das Gefühl zu ignorieren. Stattdessen lauschte sie Mr Wardens tiefer Stimme und kniff dabei die Augen zusammen.

»Mr Warden. Ich erhielt gerade die Nachricht, dass Sie Ihren Termin heute kurzfristig abgesagt haben. Wenn Sie mir keinen legitimen Grund dafür liefern können, dann bedeutet das einen Verstoß gegen die Richtlinien des Gerichts, und Sie wissen, was das bedeutet. Sie haben eine Stunde, um mich zurückzurufen. Ansonsten sehe ich mich dazu gezwungen, den zuständigen Staatsanwalt zu informieren.« Damit beendete sie das Gespräch und lächelte zufrieden vor sich hin. Sie sollte es nicht so genießen, dass sie Mr Warden gegenüber eine Machtposition innehatte, aber sie tat es. In vollen Zügen.

Penelope erhob sich, strich den dunkelroten Rock, den sie trug, glatt und ging zum Empfang.

»Tess? Ich habe Mr Warden eine Nachricht hinterlassen. Ich gehe und hole mir einen Kaffee. Ruf mich bitte an, sollte er sich melden. Er muss seine Termine einhalten.« Sie strich sich eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. »Gib ihm bitte einen neuen Termin, sobald er sich meldet.«

»Wird gemacht, Boss.«

Penelope ging zu dem Starbucks auf der anderen Straßenseite. An diesem Tag war es wesentlich wärmer als zuvor, und die lockere weiße Bluse bot ihr kaum Abkühlung. Seufzend schob sich Penelope die Sonnenbrille in die offenen Haare und betrat das Geschäft. Sie bestellte den üblichen Milchkaffee mit Karamellaroma und setzte sich an einen der freien Tische im hinteren Bereich.

Das Wochenende hatte ihr geholfen, ihre Erinnerungen wieder sicher in der Kiste in ihrem Kopf zu verstauen. Dennoch musste sie zugeben, dass sie vor dem Treffen mit Mr Warden nervös gewesen war. Er entsprach einfach viel zu sehr dem, was sie für den Rest ihres Lebens hatte vermeiden wollen. Wieso konnte er kein netter, unschuldiger Angestellter in irgendeiner Firma sein? Wieso musste er dieser dominante Macho sein, der sie innerhalb einer Stunde völlig aus der Fassung gebracht hatte?

Weil er sonst nicht in deiner Praxis gelandet wäre, Dummkopf.

Innerlich schüttelte sie den Kopf über sich selbst, während sie Kaffee trank. Es gab nur eins, was sie tun konnte. Sie musste ihre Gefühle abschalten und Mr Warden als das betrachten, was er war. Ein Patient. Sie verzog abschätzig den Mund. Wenn das nur so einfach wäre.

»Dante!«

Schwer atmend hielt er inne und warf einen Blick in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Dort stand seine Assistentin Sage und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, aus dem Ring zu steigen. Er nickte seinem Sparringspartner zu und ging auf die zierliche Frau zu. Ihre kinnlangen Haare waren derzeit dunkellila gefärbt, und das schwarze Tanktop, das sie trug, zeigte die Tattoos auf ihren Armen.

»Was gibt’s, Sage?«

»Jemand hat dir eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen.«

»Und warum zum Teufel kann das nicht bis später warten?«, knurrte er. »Du weißt, dass ich es hasse, wenn ich beim Training gestört werde!«

»Sie ist von deiner Psychologin.« Sie grinste spöttisch.

Ein Muskel zuckte in seiner Wange, und er verbiss sich einen wütenden Kommentar. War ja klar, dass er nicht einfach so davonkommen würde, aber er hatte es versuchen wollen. Das ganze Wochenende war er von zwei Stimmungen beherrscht worden. Entweder er konnte es kaum erwarten, die strenge Dr. Penelope DeWinter wiederzusehen, oder er suchte nach einer Möglichkeit, wie er diese Therapie umgehen konnte. Da er zu keinem Ergebnis gekommen war, hatte er Sage gebeten, in der Praxis anzurufen und seinen Termin für diesen Tag abzusagen.

»Gib mir das verdammte Handy.«

Sage drückte ihm das silberne Gerät in die getapte Hand und blickte ihn erwartungsvoll an.

»Du kannst jetzt gehen, Sage.«

Sie hob überrascht eine Augenbraue, drehte sich aber ohne ein weiteres Wort um und verließ den Raum. Dante atmete einmal tief durch, bevor er die Mailbox abhörte. Allein ihr Tonfall ließ ihn schon mit den Zähnen knirschen. Aber als die Frau auch noch erwähnte, dass sie sich mit dem Staatsanwalt in Verbindung setzen würde, war er kurz davor, das Handy in der Hand zu zerquetschen. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein! Nur weil er eine Sitzung abgesagt hatte.

Wütend wählte er die Nummer der Praxis.

»Praxis von Dr. DeWinter, Teresa Lane am Apparat. Was kann ich für Sie tun?«

»Tess«, begann er und versuchte, den wütenden Ton aus seiner Stimme herauszuhalten.

»Ah, Mr Warden. Ich habe Ihren Anruf schon erwartet.«

»Ach, ist das so?« Er kniff die Augen zusammen und versuchte, nicht auszuflippen. Bestimmt amüsierten sich die liebe Frau Doktor und ihre Assistentin ganz köstlich über ihn, weil er ihren Anweisungen Folge leisten musste. In diesem Moment war er sich ganz sicher, dass er es kaum noch erwarten konnte, bis die vier Wochen um waren.

»Dr. DeWinter hat mich wegen meines abgesagten Termins angerufen.«

»Ich weiß. Ich soll Ihnen einen neuen Termin geben. Es sei denn, Sie wollen die Therapie abbrechen?«

Er schnaubte. Klar. Und stattdessen ging er lieber in den Knast. Er war vielleicht ein bisschen verrückt, aber er war nicht völlig durchgeknallt! Obwohl das vielleicht vom Standpunkt abhing.

»Nein«, würgte er hervor. »Geben Sie mir noch heute einen neuen Termin!« Er würde seiner Seelenklempnerin erzählen, was er davon hielt, herumkommandiert zu werden.

»Das geht leider nicht.«

»Und wieso nicht?«

»Dr. DeWinter hat heute keine Termine mehr frei.«

»Dann sorgen Sie dafür, dass sie Zeit für mich hat«, knurrte er. Er war von den Trainingskämpfen noch ganz aufgeputscht, die er den ganzen Tag lang absolviert hatte, und das Adrenalin zeigte jetzt seine Wirkung. Er schüttelte den Kopf. »Ich habe morgen keine Zeit, Tess. Und Mittwoch ist schon meine nächste Sitzung bei Dr. DeWinter. Ich brauche den Termin heute.« Weil ich nicht in den Knast will, fügte er im Stillen hinzu.

»Warten Sie einen Moment.«

Ihre Stimme klang mehr als unterkühlt. Toll. Jetzt hatte er auch noch die Assistentin seiner Psychologin verärgert. Das würde ihm die ganze Sache natürlich viel leichter machen. Er lauschte dem Geräusch einer Tastatur, bevor Tess’ Stimme wieder an sein Ohr drang.

»Sie können heute Abend kommen. Achtzehn Uhr.«

Er atmete kontrolliert aus. »Danke.«

»Seien Sie pünktlich, Mr Warden.« Dann klickte es in der Leitung, und das Gespräch war beendet.

Dante knirschte mit den Zähnen. Er hatte noch knapp fünf Stunden Zeit. Gut. So konnte er noch etwas von seiner Frustration loswerden.

Zehn Minuten vor sechs betrat er den Empfangsbereich der Praxis. Überrascht stellte er fest, dass Tess nicht hinter ihrem Schreibtisch saß und nur eine einzelne Lampe dort noch leuchtete. Anscheinend war sie schon gegangen. Dante bemerkte einen Lichtstrahl und folgte ihm zu der einen Spaltbreit offenen Tür, die zu Dr. DeWinters Büro führte. Innerlich wappnete er sich. Er hatte seine Wut im Ring gelassen und wollte das so schnell wie möglich hinter sich bringen. Es brachte ja nichts, wenn er seine Psychologin verärgerte. Das würde am Ende nur ihm selbst schaden.

Er atmete einmal kontrolliert ein und wieder aus und stieß dann die Tür zu dem Büro vorsichtig auf. Er wollte gerade an den Rahmen klopfen, als er mitten in der Bewegung innehielt.

Seine Psychologin stand mit dem Rücken zu ihm. Ihr Blick ging aus dem Fenster. Ihre schokoladenbraunen Haare waren heute offen und reichten ihr bis auf den unteren Rücken. Sie hatte sich mit den Händen auf der Fensterbank abgestützt und ihre Füße überkreuzt. Sie trug rote Schuhe, die perfekt zu dem dunkelroten Rock passten, der kurz über ihren Knien endete. Sie hatte eine ärmellose weiße Bluse in den Bund des Rocks gesteckt, und bei den Lichtverhältnissen bildete er sich ein, die Umrisse ihres BHs erkennen zu können. Er biss die Zähne zusammen. Verdammt. Er steckte in Schwierigkeiten.

Dante räusperte sich leise und klopfte mit den Fingerknöcheln an den Türrahmen.

Überrascht wirbelte die Frau vor ihm herum, und kurz huschte so etwas wie Angst über ihr Gesicht. Aber dann sah sie ihn und schien sich wieder zu entspannen. Er runzelte die Stirn. Etwas stimmte mit ihr nicht. Und nur Gott wusste, warum ihn das gewaltig störte.

»Entschuldigung«, sagte er und machte einen Schritt nach vorn.

Sie drehte sich vollständig zu ihm und verschränkte die Arme unter der Brust, was seinen Blick natürlich genau dorthin lenkte.

Er schluckte schwer. »Ich wollte Sie nicht erschrecken, aber Tess war nicht da.«

Als er ihre Empfangsdame bei ihrem Spitzname nannte, schüttelte sie leicht den Kopf und lächelte. »Sie hat schon Feierabend. Aber da Sie ja noch heute einen Termin wollten …« Sie deutete auf den Sessel, auf dem er schon bei seiner ersten Sitzung gesessen hatte.

»Ich hatte ja keine Wahl«, murrte er mehr zu sich selbst.

Sie setzte sich ihm gegenüber in den Sessel und schlug die Beine übereinander. »Sie haben Ihren Termin heute Mittag abgesagt, Mr Warden.«

Er nickte.

»Wieso?«

Er war sich sicher, dass sie den Grund dafür kannte. »Mir ist spontan etwas dazwischengekommen.«

»Sie wissen aber, dass das kein legitimer Grund ist, nicht wahr?«

Er rollte mit den Augen. »Was denken Sie, warum ich jetzt hier bin?«

Dr. DeWinter lächelte leicht und nickte.

»Aber wo wir gerade davon sprechen, was wäre denn ein legitimer Grund für eine Absage?«

»Mr Warden.« Sie blickte ihn streng an, aber das Lächeln auf ihren vollen, roten Lippen verriet sie. Er amüsierte sie. »Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich Ihnen auch noch die Grundlage für Ihre nächste Ausrede liefern werde, oder?«

Er grinste und zuckte mit den Schultern. »War einen Versuch wert.«

»Wollen Sie mir verraten, warum Sie sich so gegen diese Therapie sträuben?«

Dante seufzte innerlich. Und da wären wir wieder. »Weil ich keine brauche.«

»Das glauben viele Menschen.« Sie sah ihm direkt in die Augen. »Und die meisten irren sich.« Für einen Moment lang wandte sie den Blick ab, bevor sie ihn wieder anschaute. »Es ist keine Schande oder ein Zeichen von Schwäche, eine Therapie zu machen. Es zeugt nur davon, dass man ein Problem erkannt hat und gewillt ist, daran zu arbeiten.«

Er fragte sich, ob sie selbst auch einen Therapeuten hatte.

Dante verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe aber kein Problem.«

»Natürlich nicht«, seufzte sie und machte sich eine Notiz auf ihrem Block.

Langsam ging ihm das Ding auf die Nerven. Es interessierte ihn viel zu sehr, was sie sich da über ihn aufschrieb. Er beobachtete sie dabei, wie sich ihre schlanken Finger um den Kugelschreiber legten und sich ihr Körper etwas seitlich neigte, während sie schrieb.

»Verraten Sie mir etwas?«, fragte er von einer plötzlichen Eingebung getrieben.

Langsam hob sie den Blick und sah ihn überrascht an. Er konnte beinahe sehen, wie sich die Rädchen in ihrem Kopf drehten und sie herauszufinden versuchte, worauf er eigentlich hinauswollte.

Nach einer Weile nickte sie schließlich. »Unter einer Bedingung.«

Sofort wurde er misstrauisch. »Welcher?«

»Danach verraten Sie mir auch etwas.«

Dieser Deal erschien ihm fair, also nickte er.

Dante legte den Kopf schräg und nahm sich einen Augenblick Zeit, um Penelope anzusehen. Etwas lauerte hinter der Fassade seiner Psychologin, aber er konnte nicht ergründen, was das war. »Denken Sie, dass Sie eine Therapie brauchen, Penelope?« Er benutzte mit Absicht ihren Vornamen, um sie auf eine persönlichere Ebene zu bringen.

Der Gedanke war ihm gekommen, als sie gesagt hatte, dass die meisten Menschen sich bei dieser Frage irrten. Er hatte an die Schatten denken müssen, die eindeutig in ihren Augen saßen und sich manchmal auch auf ihrem Gesicht zeigten.

Jetzt beobachtete er ihre Reaktion. Er sah, wie sich ihre Augen weiteten und sich ihre Lippen leicht öffneten. Ihre Atmung beschleunigte sich, und ihre Hand krampfte sich um den Kugelschreiber. Er hatte einen Nerv getroffen. Allerdings dauerte diese Reaktion nur kurz. Dann legte sich wieder die Fassade der kontrollierten Frau über sie, und sie bedachte ihn mit einem tadelnden Blick.

»Mr Warden, die Antwort auf diese Frage hat keine Relevanz für Ihre Therapie.« Sie zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. Allerdings erreichte es nicht ihre Augen.

Er hatte definitiv einen Nerv getroffen. Aber er hatte auch den Schmerz in ihren Augen gesehen, bevor sie sich wieder unter Kontrolle gehabt hatte. Plötzlich fühlte er sich schuldig.

»Penelope«, setzte er an, um sich zu entschuldigen.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß, was Sie hier tun, und ich verstehe es. Dennoch werde ich Ihnen diese Frage nicht beantworten.«

Dante sah in ihre Augen und neigte den Kopf. Er erkannte, wann er eine Schlacht verloren hatte. Er hob entschuldigend die Hände.

»Na schön«, gab er nach, »darf ich dann eine andere Frage stellen?«

Seine Psychologin schien einen Moment zu überlegen, bevor sie ihm ein weiteres ihrer kleinen Lächeln schenkte und nickte.

»Diesmal versuche ich es auch mit etwas Unverfänglichem.« Er grinste sie an, und Penelope belohnte ihn mit einem kurzen Kichern.

»Verrätst du mir deine Lieblingsfarbe?«

»Rot. Aber eher dunklere Rottöne.« Sie deutete auf ihren Rock.

Er lehnte sich zurück und lächelte zufrieden. Zufrieden, dass er ihr eine persönliche Information entlockt hatte, wenn auch nur eine kleine.

Penelope sah, wie sich Dantes muskulöser Körper in dem Sessel entspannte. Seine erste Frage hätte sie beinahe aus der Bahn geworfen, aber das hier war nicht ihre Freizeit und sie musste sich professionell verhalten. Also hatte sie ihre eigenen Probleme beiseitegeschoben und war auf Dantes Versuch eingegangen, eine persönlichere Beziehung aufzubauen. Vielen Patienten fiel es leichter, sich ihr anzuvertrauen, wenn sie das Gefühl hatten, dass sie so etwas wie eine Freundschaft miteinander verband.

»Jetzt bin ich dran«, verkündete sie.

»Deal ist Deal.«

»Warum haben Sie das Militär verlassen?« Sofort verspannte sich Dante.

Die Frage schwebte unbeantwortet zwischen ihnen in der Luft. Die Anspannung zwischen ihnen war zurückgekehrt. Allerdings lag diesmal nichts Sexuelles darin. Dafür ließ seine unterdrückte Wut ihre Haut kribbeln. Auch nach einigen Minuten schwieg Dante noch.

»Sie können sich mir anvertrauen, Mr Warden.«

Es schien, als knirsche er mit den Zähnen. »Sie haben meine erste Frage auch nicht beantwortet, Doc.«

»Aber die Antwort auf diese Frage spielt sehr wohl eine Rolle für Ihre Therapie.«

»Das behaupten Sie.«

Als er den Blick abwandte, beugte sich Penelope nach vorn und wartete, bis er sie wieder ansah.

»Sie können mir vertrauen, Dante. Wann sonst haben Sie die Chance, einmal alles auszusprechen, vor jemandem, der Sie nicht verurteilen wird und niemandem etwas verraten wird?« Sie lächelte leicht. »Es ist mir sogar verboten, jemandem zu erzählen, was Sie mir anvertrauen.«

Er sah sie lange an, und sie erwiderte seinen Blick. Die Stille zwischen ihnen dehnte sich aus, die feinen Härchen auf ihren Unterarmen richteten sich auf. Schließlich entwich ihm ein so langer Atemzug, als läge das Gewicht der Welt auf seinen Schultern, und als er sprach, verriet seine Stimme Schmerz.

»Ich war bei den Army Rangern. Ich befand mich mit meiner Truppe auf einem Aufklärungseinsatz. Standard. Rein, Auskundschaften und wieder raus. Ganz einfach.« Er schüttelte den Kopf. »Wir waren nachts unterwegs, unser Ziel lag bereits vor uns. Alles war ruhig und schien verlassen. Neben mir lief O’Brien. Wir waren bereits seit unserer Ausbildung ein Team. Ich leitete den Einsatz, er war mein Stellvertreter. Kurz bevor wir unser Ziel erreichten, hörte ich ein verräterisches Klicken. Alles in mir erstarrte. Ich wusste, was das Geräusch bedeutete. Ich sah nach links und entdeckte O’Brien. Auch er war stehen geblieben, sein Körper wie eingefroren. Ganz langsam sah er auf seinen Fuß.« Für einen Moment lang schloss Dante die Augen, und als er Penelope wieder ansah, raubte der Schmerz in seinem Blick ihr den Atem.

»O’Brien wusste, dass wir keine Zeit verlieren durften. Unser Zeitfenster war winzig. Vielleicht hätte ich die Mine entschärfen können, aber das hätte uns Zeit gekostet. Zeit, die wir nicht hatten. Wären wir entdeckt worden, hätten sie uns alle umgebracht. Also warf O’Brien einen Blick zurück auf unser Team, griff unter seine Schutzweste, hat sich das Dogtag vom Hals gerissen und es mir zugeworfen. Instinktiv fing ich es auf. Ich wusste sofort, was er vorhatte. Ich setzte mich in Bewegung, aber ich hatte einige Meter zurückzulegen, und er musste nur den Fuß heben. Die Mine explodierte und zerfetzte seinen Körper. Die Druckwelle schleuderte mich zu Boden. Durch das Piepen in meinen Ohren hörte ich mein Team rufen. Aber es war zu spät. O’Brien war tot.« Er hielt inne und löste die zu Fäusten geballten Hände. »Wir brachen den Einsatz ab und zogen uns zurück. Die Explosion der Mine hatte uns wahrscheinlich sowieso verraten. Zwei Tage später stellte ein Arzt fest, dass einige Splitter mein Knie zerstört hatten. Eine Woche später wurde ich ehrenhaft aus dem Dienst entlassen.«

Jetzt schien er es nicht mehr ertragen zu können, sie anzusehen, und drehte den Kopf weg.

Penelope schluckte schwer, schob ihre persönlichen Gefühle beiseite und verlieh ihrer Stimme einen warmen, ruhigen Klang. »Sie wissen, dass es nicht Ihre Schuld war?«

»Wessen Schuld soll es denn sonst gewesen sein?« Die Trauer war aus seiner Stimme verschwunden und durch Wut ersetzt worden. »Es war mein Team, meine Verantwortung! Meine Aufgabe, sie wieder nach Hause zu bringen.«

»Aber Sie sind kein Hellseher. Sie konnten nicht ahnen, dass dort eine Mine liegt.«

»Aber …«

»Und Sie konnten auch nicht ahnen, dass O’Brien sich opfern würde.« Sie griff über den Tisch hinweg nach seiner Hand. Er blickte sie an.

»Ich habe so viele Menschen getötet. Warum konnte ich diesen einen nicht retten?«

Er blickte sie so voller Verzweiflung an, dass ihr das Herz schwer wurde.

»Es war nicht Ihre Schuld, Dante. Im Krieg geschehen furchtbare Dinge, und nicht alle können verhindert werden. O’Brien hat sich geopfert, um Ihr Team zu retten. Denken Sie, dass er gewollt hätte, dass Sie sich den Rest Ihres Lebens die Schuld an diesem tragischen Unglück geben würden?«

Er öffnete den Mund, zweifelsohne, um ihr zu sagen, dass sie unrecht hatte. Aber dann schaute er sie an und schloss ihn wieder.

Er schwieg, und sie lehnte sich zurück, ließ seine Hand los und machte sich ein paar Notizen auf ihrem Block. Als Dante auch den Rest ihrer Zeit nichts mehr sagte, ließ sie ihn gewähren.

Eine Offenbarung pro Sitzung war völlig ausreichend.

4

Penelope ging ins Schlafzimmer und warf ihre Kleidung aufs Bett, bevor sie in Yogahosen und Tanktop schlüpfte. Danach ging sie in die Küche, schenkte sich ein Glas Wasser ein und ging auf den Balkon hinaus. Sie lehnte sich mit den Unterarmen auf die Brüstung und hielt das Glas locker in der Hand. Von hier aus konnte sie direkt auf den Nordpazifik blicken, und tief sog sie die salzige Meeresluft in ihre Lungen. Der Strand lag ruhig und verlassen und übte eine beruhigende Wirkung auf sie aus.

Als sie an ihrem Wasser nippte, wurde die Balkontür des Appartements neben ihrem aufgeschoben und eine kleinere Version ihrer selbst trat heraus. Jessie hatte die gleichen braunen Haare, allerdings waren ihre kürzer und reichten ihr nur etwa bis zur Brust. Ihre sündigen Kurven steckten in einem schwarzen Rock und einer dunkelblauen Bluse.

»Hey, Schwesterherz. Alles klar?«

Penelope lächelte. »Alles bestens, Jessie. Und bei dir? Wie war dein Tag?«

»Anstrengend«, erwiderte sie stöhnend.

»Kommst du gerade von der Arbeit?«

»Mhm. Aber ich muss gleich noch einmal ins Büro.«

Penelope runzelte die Stirn und drehte den Kopf, um ihre Schwester anzusehen, die sich mit der Hüfte gegen die Brüstung des Balkons gelehnt hatte. »Wieso? Es ist schon spät.«

Jessie zuckte mit einer Schulter. »Du kennst meinen Chef doch. Wir arbeiten an diesem Auftrag für den Wodkaproduzenten, den ich für uns an Land gezogen habe. Das wird ein Riesending, und er will, dass alles perfekt wird.«

Penelope grinste. »Und wieso trägst du dann deine Fick-mich-Stiefel?«, fragte sie mit einem Blick auf die schwarzen Wildleder-Overknees von Louboutin.

Eine zarte Röte überzog die Wangen ihrer Schwester, und Penelope schmunzelte. Insgeheim stand Jessie nämlich auf ihren Boss, aber anstatt ihm ernsthaft klarzumachen, dass sie ihn wollte, zog sie einfach ihre Standardnummer durch. Sie zog sich aufreizend an, präsentierte ihm ihren Körper praktisch auf dem Silbertablett, aber ließ ihn niemals wirklich an sich heran.

Innerlich schüttelte Penelope den Kopf. Sie waren schon ein verkorkster Haufen. Jede auf ihre eigene Art. Nur ihre kleine Schwester Serenity schien weitestgehend normal.

»Hast du Reni heute schon gesehen?«, fragte Jessie und lenkte so vom eigentlichen Thema ab.

In diesem Moment ging die gläserne Schiebetür auf der anderen Seite von Jessies Balkon auf und ihre kleine Schwester trat heraus. Sie trug eine gemütliche Jogginghose und ein weites T-Shirt. Während sie und Jessie mehr nach ihrer Mutter kamen, war Reni doch die Tochter ihres Vaters. Sie war in etwa so groß wie Jessie und hatte eine wunderbare Figur, dachte aber, sie wäre zu dick. Sie war süß, niedlich und weich an all den richtigen Stellen. Schon oft hatten Penelope und Jessie versucht, ihr das zu zeigen, und ihr erklärt, dass sie sich für ihren Körper nicht schämen musste, sondern stolz auf ihn sein konnte. Aber Reni sah das anders.

Insgeheim vermutete Penelope, dass sich Reni immer ein wenig als Außenseiterin gefühlt hatte. Dabei liebte sie ihre Schwester von ganzem Herzen. Alle beide.

Reni war das Nesthäkchen ihrer kleinen Familie. Sie hatte einen ganz besonderen Platz in Penelopes Herz. Aber sie befürchtete, dass ihre kleine Schwester das nicht wusste. Penelope schüttelte den Kopf, um die trübseligen Gedanken zu verdrängen.

»Hey, Reni! Unsere Schwester hat heute Abend noch ein heißes Date mit ihrem Boss!«

Reni riss die unschuldigen, grünbraunen Augen auf und band sich die hellbraunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen.

»Wirklich?«

»Das ist kein Date!«, fauchte Jessie und funkelte Penelope aus blaugrauen Augen böse an, die in Gelächter ausbrach.

Kopfschüttelnd wandte sie sich um und sah Reni an. »Ich muss nachher einfach noch einmal ins Büro. Aber es ist etwas rein Berufliches.« Wieder funkelte sie ihre große Schwester wütend an.

»Klar.« Reni grinste und lehnte sich auf die niedrige Betonmauer, die ihre Balkone voneinander trennte. Alle anderen Balkone waren durch viel höhere Mauern voneinander getrennt, aber die Schwestern hatten direkt nach dem Einzug dafür gesorgt, dass ihre Abgrenzungen niedriger gemacht wurden.

Jessie blickte zwischen Penelope und Reni hin und her und verengte die Augen. Ihre Schwestern grinsten sie wissend an.

»Wisst ihr was?«, fragte Jessie. »Ihr beide könnt mich mal kreuzweise! Ich geh jetzt arbeiten!« Hoch erhobenen Hauptes stöckelte sie zurück in ihr Wohnzimmer und schob die Glastür wieder zu.

Penelope blickte ihre kleine Schwester an, und gemeinsam brachen sie in Gelächter aus. Für sie beide war Jessie wie ein offenes Buch.

»Und was hast du heute Abend vor, Reni? Gehst du aus?«

Ihre Schwester schüttelte den Kopf. »Quatsch. Es ist doch erst Montag.«

»Stimmt.« Sie grinste. »Willst du dann vorbeikommen und den Abend mit mir verbringen? Ich hab Ben&Jerry’s.« Sie wackelte mit den Augenbrauen, und die Augen ihrer Schwester leuchteten.

Eine Weile später, als der Abspann der ersten romantischen Komödie an diesem Abend lief, drehte sich Reni zu Penelope um und zog eine Augenbraue hoch.

»Was?«, fragte Penelope, obwohl sie bereits so eine Ahnung hatte, worauf ihre Schwester hinauswollte.

»Also, was ist der Grund dafür, dass du die ganze Zeit zum Fenster hinausguckst und vor dich hin grübelst?«

Von ihren beiden Schwestern konnte sie Reni am wenigsten etwas vormachen. Während Jessie eher der extrovertierte Typ war, war Reni introvertiert. Als kluge, stille Beobachterin entging ihr fast nichts. Außerdem hatte sie ein sehr feines Gespür für die Stimmungen anderer. Sie war auch die Erste gewesen, der aufgefallen war, dass Penelope verändert aus dem Urlaub vor sechs Monaten zurückgekommen war.

»Es war einfach ein anstrengender Tag, Reni.« Penelope zuckte mit den Schultern und spielte die Unbeteiligte.

Aber Reni ließ sich nicht hinters Licht führen. Sie drehte sich so um, dass sie Penelope direkt ansehen konnte, und legte den Kopf schief. »Nellie«, begann sie, »ich bin deine Schwester. Wir sind eine Familie. Und ich kann es dir ansehen, wenn dich etwas beschäftigt.«

»Es ist nichts. Mir geht es gut.« Sie zuckte erneut mit der Schulter und versenkte den Löffel in ihrem Becher Ben&Jerry’s. »Manchmal ist es nur schwierig abzuschalten.«

»Mhm«, machte ihre Schwester und sah sie verständnisvoll an. »Ich nehme nicht an, dass du darüber reden möchtest?«

Penelope schüttelte den Kopf.

»Du weißt, dass ich das nicht kann.«

Reni nickte, rückte aber etwas näher und legte den Arm um sie. »Ich hab dich lieb, Nellie.«

»Ich hab dich auch lieb, Kleines.«

Gemeinsam schauten sie wieder auf den Fernseher, in dem gerade der zweite Film begann.

5

Am Mittwoch war Dantes nächste Sitzung.

»Mr Warden«, begrüßte sie ihn und bedeutete ihm mit einer Handbewegung einzutreten.

Als er an ihr vorbeiging, roch sie den maskulinen Duft seines Aftershaves. Gott. Dieser Mann entwickelte sich wirklich zu einer Plage.

An diesem Tag trug er eine schwarze Jeans und ein dunkelgrünes T-Shirt mit etwas, das aussah wie das Logo einer Kampfsportschule. Das wunderte sie nicht, schließlich hatte er durchklingen lassen, dass er Kampfsporterfahrung hatte.

Er sah sie nicht an, aber sein Oberarm streifte ihre Brüste, als er durch die Tür kam. Unwillkürlich schnappte Penelope nach Luft. Ihr Körper schien wie vom Blitz getroffen. Plötzlich waren alle ihre Sinne auf diesen Mann ausgerichtet, der ihr in diesem Moment einen Blick aus den Augenwinkeln zuwarf, der sie beinahe wohlig erschauern ließ. Sie erkannte dort das gleiche Feuer, das auch in ihr auszubrechen drohte. Sie schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück.

Er verkörperte all ihre Ängste – groß, dunkel und gefährlich. Obwohl sie wusste, dass Dante nichts mit ihrem Geheimnis zu tun hatte, so hatte er seit seinem ersten Erscheinen dafür gesorgt, dass sie immer wieder damit konfrontiert wurde.

Sie beobachtete ihn, wie er sich auf den Sessel setzte, seine langen Beine ausstreckte und die muskulösen Arme auf den Lehnen ablegte.

Nach einem weiteren tiefen Atemzug nahm Penelope in dem anderen Sessel Platz, richtete den Notizblock auf der Armlehne neu aus, ergriff den Stift und sah Dante endlich in die Augen. Die Macht seines Blickes hätte sie bestimmt in die Knie gezwungen, wenn sie nicht schon gesessen hätte. Es war, als könnten diese bernsteinfarbenen Augen direkt bis in ihre Seele blicken und jedes noch so kleine Geheimnis, das sie versteckt hatte, wieder an die Oberfläche ziehen. Aber sie hatte sich fest vorgenommen, sich von Dante Warden nicht einschüchtern zu lassen.

Nichtsdestotrotz war sie eingeschüchtert. Allein sein Auftreten sprach alles in ihr an, was weiblich war.

»Wie ist es Ihnen seit unserer letzten Sitzung ergangen, Mr Warden? Irgendwelche Zwischenfälle?«

Er verzog abschätzig den Mund. »So soll das also laufen, was?«, murmelte er, wohl mehr zu sich selbst als zu ihr.

»Was?«, fragte sie dennoch.

»Nichts.«

Als er nichts weiter sagte und sie einfach nur schweigend anstarrte, brauchte Penelope ihre ganze Selbstbeherrschung, um nicht unruhig hin und her zu rutschen.

»Mr Warden?«, fragte sie schließlich, als die Spannung im Raum beinahe unerträglich wurde. »Gab es seit Montag irgendwelche Zwischenfälle?«

Etwas, das verdächtig nach Verärgerung aussah, blitzte in seinen Augen auf. »Nein, Dr. DeWinter. Keine Zwischenfälle seit Montag.«