Omas for Future - Cordula Weimann - E-Book

Omas for Future E-Book

Cordula Weimann

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Beschreibung

"Wenn unsere Kinder eine Zukunft haben wollen, muss die Generation 50+ dringend mit ins Boot. Immerhin sind wir mehr als die Hälfte der Wähler und erzeugen das meiste CO2 pro Kopf!" Mit diesen Gedanken nahm Cordula Weimann im Jahr 2019 die Dinge selbst in die Hand und gründete die mittlerweile bundesweit aktive Bewegung "Omas for Future". Doch warum gerade Omas? Weil Frauen zwar mehr als die Hälfte der Generation 50+ ausmachen, jedoch bis heute weitgehend gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich von den Entscheidungen ausgeschlossen sind. Politik und gesellschaftlicher Wandel werden fast immer noch ausschließlich von Männern 50+ dominiert. Doch gerade in dieser Zeit der Veränderungen braucht es das Wissen, das Denken, das Fühlen und die Weitsicht der agilen Frauen über 50 als Korrektiv. In Omas for Future stellt Cordula Weimann Intention und Handeln ihrer Organisation vor. Sie regt explizit die Frauen ihrer Generation dazu an, sich für eine lebenswerte, nachhaltige und klimaneutrale Zukunft ihrer Kinder und Enkel einsetzen und die beiden wichtigsten Währungen der Welt in den Vordergrund zu stellen: gesunde Nahrungsmittel und echte Beziehungen. Denn je mehr wir im Einklang mit der Natur und unseren Nächsten leben, umso gesünder und glücklicher sind wir.

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SCORPIO

Hinweis

Ich hatte überlegt, ob ich gendern soll. Dann habe ich mich aber der besseren Lesbarkeit halber entschieden, wo möglich, Formulierungen zu wählen, die geschlechtsneutral sind. Und ansonsten überwiegend bei der alten Schreibweise zu bleiben. Ich bitte meine Leserinnen und Leser, mir das nachzusehen.

Cordula Weimann

1. eBook-Ausgabe 2024

© 2024 Scorpio Verlag in der Europa Verlage GmbH, München

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München

unter Verwendung eines Motivs von © Wolfgang Schmidt

Layout und Satz: Margarita Maiseyeva

Konvertierung: Bookwire

ePub-ISBN: 978-3-95803-595-9

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich

geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des

Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags

unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für

Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die

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Inhalt

Vorwort

1. Kapitel Wer sind eigentlich diese Omas?

Mein Leben davor

11.2.1979 – Die Tagesschau im Ersten:1

Wir können doch nichts tun

Wir entscheiden über die Zukunft

Warum Omas?

Hallo Kinder, schickt mir eure Omas und Opas!

Wir entscheiden, wo es langgeht!

Warum aber Omas?

2. Kapitel Wir handeln

Aus Liebe zu unseren Kindern und unserer Erde

Aus Liebe handeln?

Wenn der Fußabdruck drückt

Die Macht der Selbstwirksamkeit

Weil die Natur keine Rechnung schreibt

Mehr als nur eine Klimakrise

Aus Liebe zu dir

Mein Körper ist mein Tempel

Ein glückliches und sinnerfülltes Leben

Die Krise als Chance

3. Kapitel Aus der Gegenwart lernen

Wie die Großen Vier die Klimawende stoppten

Deutschland war Vorreiter im Klimaschutz

Die Großen Vier wachen auf

Wenn Lobbyismus die Politik steuert

Geld regiert die Welt

Falsche Vorbilder und Werteverfall

Die Entwicklung des Wertewandels: drei Beispiele

Exkurs: Mauerfall und Aufbau Ost

Hinter den Kulissen

Die wachsende Schere zwischen Arm und Reich

Geld: Vom Tauschmittel zur Fiktion

Immer noch reicher …

Geld arbeitet? Echt jetzt?

Wie wichtig ist unsere Gesundheit?

Im Fokus der Medizin: Symptome

Als die Natur zum Industriebetrieb wurde

Heile Kinderwelt

Wie viel Liebe zur Natur gibt es in der industriellen Landwirtschaft?

… und irgendwo ging die Liebe verloren

4. Kapitel KOMM mit nach MORGEN

Jetzt kann und wird Zukunft gelingen

Haus der Zukunft

Zukunft Mensch

Umzug in die lebenswertere Zukunft

Die Zukunft ist CO2-neutral

Für das Gemeinwohl sind auch wir zuständig

Zukunft ist … fair

Faire Preise

Faire Besteuerung

Faires Finanzsystem

Packungsbeilage Leben

»Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage …

Gesund mit der Heilkraft der Natur

Ideal: Naturheilkunde und Schulmedizin gehen Hand in Hand

Zukunft isst gesund

Landwirtschaft geht jetzt gemeinsam

Gemeinschaftsförderung – ganz von allein

Die Stadt von morgen …

… versorgt sich vor allem selbst

… ist gesünder

… ist grüner

… ist lebenswerter

Exkurs: Kopenhagen – Pionierin der Zukunft

Eine Zukunft voller lebendiger Dörfer

Lebensqualität und ihre Zutaten

Leben in einer Welt

Nachhaltiger Konsum

Unternehmer der Zukunft

Eine neue Wirtschaftsethik

… und alles nur möglich in einer Demokratie

Aus der Resignation in die Verantwortung

Ihr seid unsere Zukunft

DANKE!

Anmerkungen / Quellenverzeichnis

Für Aluna, Svea, Felix, Arne, Tilo, Tamino, Marlon

und alle anderen Kinder dieser Erde, die uns vertrauen.

Uns Erwachsenen vertrauen,

dass sie eine lebenswerte Zukunft haben werden.

Vorwort

Ich bin weder Schriftstellerin noch Journalistin oder Wissenschaftlerin, die geschult ist, Bücher zu schreiben. Ich bin Frau, Mutter, Oma und Unternehmerin, Atemtherapeutin und ausgebildet in ganzheitlicher Psychologie. Aber ich kam an einen Punkt in meinem Leben, an dem ich es nicht mehr ausgehalten habe, zuzuschauen, wie sich die Dinge entwickeln.

Und vor allem: zu schweigen.

Ich war geschockt und wollte es lange nicht wahrhaben, als ich erkannte, dass unsere wunderschöne Erde, unsere Mutter Erde, für Geld und die Profite weniger geopfert, die Lebensgrundlage von Milliarden Menschen dafür riskiert wurde und wird. Für immer und ewig. Ich war wie betäubt und fassungslos zugleich. Ich konnte, ich wollte es nicht glauben. Und als ich dieser Wahrheit nicht länger ausweichen konnte, entschloss ich mich, aufzustehen und meine Stimme zu erheben. Denn ich war mir sicher, es gibt noch mehr Frauen und auch Männer in meiner Generation, die so denken und fühlen wie ich. Es müsste nur eine den ersten Schritt machen.

Für diese Menschen habe ich dieses Buch geschrieben. Für die Frauen und Männer, die spüren, dass es so nicht weitergehen kann. Die wie ich etwas grundlegend verändern wollen. Und die offen dafür sind, die notwendigen Veränderungen der nächsten Zeit als Chancen wahrzunehmen. Dafür, dass das Leben in der Zukunft besser aussehen kann, dafür, wie Zukunft gelingen wird.

Seit rund 100 Jahren lehrt uns die Quantenphysik, dass alles mit allem verbunden ist und daher folgerichtig alles auf alles Auswirkungen hat. Der Buddhismus lehrt es schon seit Jahrhunderten, und viele Menschen fühlen diese Verbundenheit. Dennoch haben dieses Wissen, diese Weisheit, die damit verbundenen Erkenntnisse und die daraus folgenden Konsequenzen bislang keine Auswirkungen auf unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem.

Dieses Buch zeigt, wie krank unsere Gesellschaft und unser System aktuell sind. Es möchte informieren, wie jeder Einzelne selbstwirksam an einer positiveren Zukunft mitwirken kann: in seinem individuellen Alltag und in Gemeinschaften. Es möchte vor allen Dingen Mut machen und Lust auf morgen, auf eine lebenswertere und menschengerechtere Zeit, in der sich das Leben nicht mehr an Wirtschaftswachstum, Geld und Profit ausrichtet. Sondern am Menschen und seinem Eingebunden- und Miteinander-verbunden-Sein, was logischerweise aus der Umsetzung der Quantenphysik folgt.

Es möchte Hoffnung machen und Anregung geben, es möchte dazu beitragen, dass Menschen sich miteinander vernetzen und Gemeinschaften aufbauen. Es möchte sie ermutigen, ihr Leben wieder mehr selbst in die Hand zu nehmen und damit für ihr Glück, ihre Zufriedenheit und ihre Gesundheit Verantwortung zu übernehmen, Gesellschaft zu gestalten und an der großen Transformation, dem großen kollektiven Bewusstseinswandel mitzuwirken.

Ich habe dieses Buch geschrieben, um die Verantwortung für unsere Zukunft und unsere Gesellschaft, für unsere Erde und unser Leben auf ihr wieder mitten unter die Menschen zu bringen. Zukunft ist eben nicht nur eine Sache von Politikern, Wissenschaftlern, Schriftstellern und Journalisten. Jeder Einzelne ist aufgefordert, in seinem Lebensbereich an diesem Wandel mitzuwirken durch das eigene Reflektieren und Hinterfragen, durch die eigene Veränderung. Darum ist es ein Buch von Mensch zu Mensch, von Frau zu Frau, von Oma zu Oma und natürlich von Oma zu Opa.

Ich habe nicht den Anspruch, dass ich den Stein der Weisen gefunden habe oder umfassende Antworten liefern kann. Wir alle sind Teil eines großen Ganzen, und in diesem wirkt jeder auf seine Art an der Zukunft mit.

Der Wandel, den wir brauchen, die große Transformation, fängt in unseren Herzen an – in jedem von uns.

Lasst uns handeln!

Gemeinsam sind wir mehr Zukunft.

Mein Leben davor

Die Zukunft hängt davon ab,

was du heute tust.

MAHATMA GANDHI

Nein – so hatte ich mir meinen Lebensabend nicht vorgestellt: mit 60 noch mal richtig durchzustarten, einen Verein und eine Bewegung zu gründen und aufzubauen.

Nein – ich wollte Überstunden abfeiern. Überstunden, die ich mir in meinen 40 Jahren als Unternehmerin so umfassend erarbeitet hatte, dass es mir dicke vergönnt war, zehn Jahre gar nichts zu tun. Ich wollte mich endlich mal nur um mich kümmern. Aufwachen, wann ich wollte, spazieren gehen, Natur genießen, mich mit anderen treffen, in den Urlaub fahren. Lachen – leben – genießen – feiern. Doch dann kam alles anders.

11.2.1979 – Die Tagesschau im Ersten:1

»Schneestürme, Überschwemmungen, Dürrekatastrophen: Nicht nur das Wetter, sondern das gesamte Klima scheint in Unordnung geraten. Das ist das Thema für hundert Meteorologen, die hier in Genf zur ersten Weltklimakonferenz zusammentrafen. Zweihundert Land- und Forstwirte sowie Energieexperten hören ihnen mit größtem Interesse zu. Aufwendige Messungen – unter anderem bei einem langfristigen Großwetterprojekt im Atlantik – haben gezeigt, dass der Kohlendioxidgehalt der Erdatmosphäre ständig ansteigt. Dieser Anstieg ist die Folge des wachsenden Verbrauchs von Erdöl, Erdgas und Kohle in Industrie und Haushalten.

Gleichzeitig nimmt die Flora, die Kohlendioxid wieder in Sauerstoff umwandelt, durch zunehmende Besiedlung ab. Vor allem das Abholzen tropischer Wälder – wie zurzeit in Brasilien – kann Auswirkungen auf das gesamte Weltklima haben.«

Das ist 45 Jahre her. 45 Jahre!

Damals wäre noch genug Zeit gewesen.

Hatte ich es gehört? Die Tagesschau gesehen? Ich weiß es nicht. Ich war soeben im zweiten Semester meines betriebswirtschaftlichen Studiums angekommen. Doch ich erinnere mich, dass ich irgendwann vor dem dicken, grauen Wälzer »Global 2000« saß, der vom amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter beauftragt worden war. Schon als Abiturientin hatte ich die »Grenzen des Wachstums« überflogen, die Jahre zuvor vom Club of Rome veröffentlicht worden waren.

Ich wollte nicht glauben, was ich las. Hielt es für unmöglich. Ich fühlte mich nicht nur ohnmächtig – ICH WOLLTE ES NICHT GLAUBEN. Ich wollte durchstarten mit meinem Leben. Alles lag doch vor mir. Also schob ich diese Störungen meiner Träume beiseite und vertraute darauf, dass sich unsere Politiker schon kümmern würden.

Also eine typische Babyboomerin …

Voller Elan und guten Mutes begann ich das Leben, zu dem ich als Nachkriegskind und Babyboomerin erzogen worden war: »Lerne, leiste, spare was – dann bist du, kannst du, hast du was.«

Ich hatte schon immer eine große Liebe zur Natur und eine Abneigung gegen Gifte in meinem Körper und in meinem Umfeld. Ich bevorzugte Kräuter statt Medikamente und für das Düngen oder das Bekämpfen von Blattläusen setzte ich auf Brennnesseljauche.

Doch ich war kein echter Öko, ich zog mich gern schick an. Und die Grünen, die sich soeben gegründet hatten – da passte ich nicht rein. Zu viel Systemkritik. Zu viele Flügelkämpfe. Ich brauchte – ohne es so benennen zu können – erst mal Stabilität und Sicherheit in meinem Leben. Studium, Auto, Haus, Kinder …

Als ich Anfang der 1990er-Jahre hörte, dass am besten auf jedes Dach eine Fotovoltaikanlage sollte, ging das völlig gegen mein Schönheitsempfinden. Wie konnte man Häuser so verschandeln? Und die Windräder! Der ganze Kamm am Eggegebirge im Osten des Paderborner Landes war bald schon voll davon – das tat ja im Auge weh. Nein!

Nach den ersten harten Jahren der Selbstständigkeit und Geldnot pflegten wir als junge Familie mit Haushälterin und Gärtner einen großzügigen Lebensstil, flogen all-inclusive in den Urlaub, und der Skiurlaub war genauso Programm wie der Flug in die Sonne und der Sportwagen. Im Hinterkopf mahnte eine leise Stimme, dass Fliegen nicht so gut für das Klima war, aber war es so schlimm? Es flogen doch alle!

Und ehrlich gesagt: Ich hatte meine Freizeit geopfert, Überstunden ohne Ende geleistet, um das alles aufzubauen. Da wollte ich mir nun auch etwas gönnen. Der Luxus war quasi Schmerzensgeld für all die Vergnügungen, Belohnungen und die Leichtigkeit, auf die ich zuvor verzichtet hatte. Ich hatte es mir verdient.

Im wohlverdienten Wohlstandskokon

So schwammen auch wir auf der zunehmenden Wohlstandswelle höher, weiter und schneller – mein Leben kreiste um meine Familie und um mich. Und obendrein engagierte ich mich gesellschaftlich in Kindergarten und Schule, hatte etliche Ehrenpöstchen, setzte mich für lokale Belange ein – wenn es sein musste, gründete ich auch mal eine Bürgerinitiative.

Es gab nur wenige Länder, in denen ich als Frau ähnliche Chancen gehabt hätte wie hier in Deutschland, einem Land mit einem der weltweit besten medizinischen und sozialen Versorgungssysteme. Mit hohen Standards, gewährleistet nicht nur durch unser Grundgesetz und unser Rechtssystem, sondern auch durch ausgeklügelte Sicherheits- und Qualitätsnormen, Prüfsiegel und so weiter.

In einem Land mit wunderschöner Natur, das von Seen bis zu dichten Wäldern, von Bergen bis flachen Ebenen mit Wiesen und Weiden eine unglaubliche Vielfalt bietet auf relativ kleinem Raum. Ich liebe mein Heimatland und mag auch die Volkslieder, die seine Schönheit besingen. Ich singe nicht gut – aber gern.

Doch Politik und Wirtschaft? Damit konnte ich nicht viel anfangen. Wirtschaftsmagazine schüchterten mich ein: So gut und erfolgreich war ich nicht als Unternehmerin. Politik machte mich ohnmächtig. Darum habe ich sie ausgeblendet. Die Kraft, mich damit auseinanderzusetzen, konnte ich nicht aufbringen. Als viel beschäftigte Mutter von drei Kindern und selbstständige Unternehmerin steckte ich lieber den Kopf in den Sand, las jahrelang keine Zeitung, hörte sehr selten Nachrichten. Ich konnte ja sowieso nichts ändern. Und deshalb wollte ich lieber nicht so viel wissen. Und damit ging es mir gut.

Als brave Staatsbürgerin ging ich selbstverständlich regelmäßig wählen. Ich machte mein Kreuzchen auch mal bei Parteien, über die ich heute nur den Kopf schütteln kann und fassungslos bin, wie sie gegen unsere Zukunft entschieden haben und noch entscheiden. Heute!

Denn mein Leben änderte sich schlagartig im Sommer 2019,als ich so richtig begriff, wie es wirklich um unsere wunderschöne Erde steht, wie wir alle in den 45 Jahren seit derersten Weltklimakonferenz ohne Rücksicht auf Verlusteweitergemacht hatten, die Erde und damit unsere Lebensgrundlage zu zerstören.

Und binnen weniger Wochen nahm mein Leben mit 60 Jahren eine Wende, die ich mir nicht gewünscht hatte.

Wo ist die Jugend?

Bald nachdem ich Anfang 2011 nach Leipzig umgezogen war, lernte ich den Klimawissenschaftler Dr. Harry Lehmann kennen. Ich erinnere mich gut an unsere erste Begegnung: Er erzählte mir, dass er im Auftrag der Regierung einen Think Tank leite, der sich mit der Frage beschäftigte, welche Weichen die Regierung heute stellen müsse, damit wir noch in 50 Jahren in Wohlstand und Frieden leben können.

Konkret: Er war Fachbereichsleiter beim Umweltbundesamt, einer unabhängigen Behörde, die Hans-Dietrich Genscher Anfang der 1970er-Jahre initiiert hatte. In dieser Funktion beriet er nicht nur die deutsche Regierung, sondern teilte das Wissen seines Teams auch mit anderen Regierungen und Politikern der Welt. Täglich las er zwei bis drei Stunden Zeitung – nein, nicht Social Media, sondern internationale Presse. Ich war einem echten Bildungsweltbürger und Klimawissenschaftler begegnet.

Es klingt vielleicht naiv, aber ich war erleichtert. Sehr erleichtert. Dass wir Politiker hatten, die so weit nach vorne schauten, hatte ich nicht erwartet. Ich hatte immer geglaubt, die dachten und agierten nur von Wahl zu Wahl.

Harry und ich trafen uns regelmäßig zum Essen. Ich hörte ihm gerne zu, und er freute sich, sein Wissen teilen zu können. Ohne dass es mir wirklich bewusst war, bekam ich nun erstklassig und lebendig erzählte Nachhilfe in Weltgeschichte, Politik und Klimaforschung.

Mit der Zeit änderte sich aber seine zunächst optimistische Haltung in Bezug auf den begonnenen CO2-neutralen Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Zunehmend frustriert erzählte er, wir gingen diesbezüglich in Deutschland inzwischen rückwärts (vgl. Seite 101ff.). Auch nachdem 2015 in Paris die Staaten der Welt die 1,5 Grad als Obergrenze für die weitere Erderwärmung gesetzt hatten, änderte sich nicht viel. Ich verstand inzwischen viele Zusammenhänge und teilte Harrys Frust. Immer wieder sagte ich: »Harry, wo ist die Jugend? Warum geht die Jugend nicht auf die Straße? So wie damals die 68er oder die Friedens- und die Anti-Atomkraft-Bewegung. Ohne die Jugend haben wir keine Chance.«

Es kam 2019 – das Jahr, in dem die Jugend aufstand. Als ich die Fridays for Future zu Jahresbeginn 2019 in Leipzig nahe dem Bahnhof entdeckte, eine kleine Gruppe von vielleicht 50 Schülerinnen und Schülern mit einigen Erwachsenen und Schildern wie »There is no planet B«, war ich erleichtert. Vor Freude darüber, dass die Jugend sich endlich selbst um ihre Zukunft kümmerte, trank ich im nächsten Lokal einen Sekt. Und das war’s dann.

Wir können doch nichts tun

Sei du selbst die Veränderung,

die du in der Welt sehen möchtest.

MAHATMA GANDHI

Doch innerlich hatte Harry mich aufgerüttelt. Ich begann mich umfassender zu informieren. Nach mehr als 40 Jahren erfolgreichen Wegduckens zog ich den Kopf aus dem Sand und habe gelesen, gelesen, gelesen. Bücher, namhafte Tagespresse, Dokumentationen, wissenschaftliche Berichte – alles außer Social Media. Ich wollte fundiertes Wissen. Ich wollte verstehen, ob mein Verhalten etwas damit zu tun hatte, was gerade passierte. Und, wenn ja, was ich dagegen tun konnte. Verantwortung übernehmen – so war ich erzogen worden.

Eines Tages zeigte mir Harry Lehmann auf seinem Laptop eine Animation, die anschaulich machte, wie dynamisch weltweit die Temperatur seit 1850 gestiegen ist. Ich sah, wie sie bis 1920 mit kleineren Ausschlägen stabil geblieben war, um dann zu steigen und ab 2010 immer heftiger auszuschlagen. In einzelnen Monaten war schon 2018 die 1,5-Grad-Grenze überschritten worden.

Panik erfasste mich. Die Erderwärmung war gar nicht in dennächsten Jahren zu erwarten. Wir befanden uns schonmittendrin. Ich wurde zornig auf die Politiker, die ständigdavon sprachen, dass wir bis 2045 klimaneutral sein sollten.

Wie dumm war das denn? Jeder weiß doch aus seiner Schulzeit, wie wir reagierten, wenn der Lehrer sagte: »In zwei Wochen schreiben wir die Klassenarbeit.« Dann stöhnten alle, das sei zu knapp. Und wann fingen wir meistens an, dafür zu lernen? Zwei bis drei Tage vor dem Termin. Einen Zeitpunkt zu benennen, der 25 Jahre entfernt lag, und dann trotzdem zu hoffen, dass die Menschen die Dringlichkeit der Sache erkennen und entsprechend handeln würden – wie sollte das klappen? Hatten die denn keine psychologischen Berater?

Wir brauchten jetzt die Vollbremsung, sofort, wenn diese 80-Millionen-Gesellschaft bis 2045 kontrolliert und ruhig klimaneutral werden sollte. Doch erst nachdem sich 26800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hinter die Fridays stellten und öffentlich verkündeten: »Die Kinder haben recht!«, zeigten einige Politiker Einsicht.

Nachts träumte ich, dass die Menschen wie Lemminge auf einen Abgrund zuliefen, schwatzend, lärmend, lachend. Ich sah mich einsam am Rand stehen und warnen, dass dort der Abgrund sei: Keiner hörte mich, sie rannten weiter …

In einem Seminar zur Persönlichkeitsentwicklung im Juni 2019 kam ich in der Kaffeepause mit mehreren Frauen auf das Thema Klimaerwärmung zu sprechen. Eine von ihnen sprang auf, streckte die Hände erst zum Himmel und schlug sie dann vor die Augen: »Ich kann das alles nicht mehr hören. Und im Fernsehen – diese Bilder, diese schmelzenden Eisberge und die Gletscher. Die Korallenriffe – ich ertrage das nicht mehr. Ich kann doch nichts tun!«

»Du kannst nichts tun?«, fragte ich nach.

»Ja, ich kann doch nichts daran ändern.«

»Doch, du kannst eine Menge tun.« Ich hatte viel darüber gelesen. Also nahm ich einen Zettel und schrieb auf:

Auf Ökostrom umstellen.

Kurzstrecken zu Fuß, mit dem Rad oder ÖPNV, nicht im Auto. 3. Weniger Fleisch essen.

Richtig lüften.

Nur fliegen, wenn es wirklich notwendig ist.

Kleidung secondhand kaufen, reparieren, tauschen, leihen.

CO2-neutral surfen im Internet mit Ecosia.

Nur kaufen, was du wirklich brauchst (30 Prozent der Nahrung werfen wir ungenutzt weg und 40 Prozent der Kleidung).

Lebensmittel regional und saisonal kaufen.

… und in Bioqualität.

Der Kreis um mich hatte sich vergrößert. Meine Liste erregte Aufsehen, es kam zu einer längeren Diskussion. Ich erkannte: Die Menschen wissen gar nicht, wie sie mit ihrem Verhalten zur Erderwärmung beitragen. Sie machen das nicht absichtlich. Ich selbst hatte mich bis vor Kurzem nicht anders verhalten.

Zurück in Leipzig, teilte ich meine Erfahrung mit Harry Lehmann. Harry – erfahren in der Gründung von Vereinen – schlug spontan vor, einen gemeinnützigen Verein zu gründen, der über all diese Risiken und Nebenwirkungen unseres Verhaltens informieren sollte, vor allem auch darüber, was jeder Mensch im Alltag ändern könnte, um seiner gefühlten Ohnmacht zu entkommen. Wirksam werden – selbstwirksam. Noch am selben Tag gründeten wir zusammen mit Freunden und Familienmitgliedern, die zufällig im Garten waren, unseren Verein: »Leben im Einklang mit der Natur e. V.« Der Name war Programm: Nur im Einklang mit der Natur – auch unserer eigenen – ist Zukunft möglich. Denn es kann uns Menschen nur so gut gehen, wie es der Erde geht. Sie ist unsere Lebensgrundlage.

Selbstwirksamkeit sollte die Devise sein. Ohnmacht ist ein unangenehmes Gefühl, ein Gefühl der Hilflosigkeit: Ich kann nichts tun. Ich habe keine Macht über mein eigenes Leben, meine Zukunft wird von anderen bestimmt. Das macht mich klein, wertet mich ab, lähmt mich.

Jeder hat Schöpfungskraft. Ohne Ausnahme. Dieser Schöpfungskraft Raum zu geben, wirksam werden zu können, den eigenen Lebensraum selbst (mit-) zu bestimmen unddamit glücklicher leben zu können – das war unser Ziel.

Wir entscheiden über die Zukunft

Was wir heute tun, entscheidet darüber,

wie die Welt morgen aussieht.

MARIE VON EBNER-ESCHENBACH

Einige Wochen später saß ich mit meiner ältesten Tochter und einer Journalistin im Garten. Wir sprachen über die Dringlichkeit der Klimawende und vor allem auch über die Fridays for Future. In diesem Gespräch wurde uns bewusst, dass wir gezielt die Generation 50 plus ansprechen müssten.

Denn wir sind 56 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland. Unsere Generation sitzt in den Entscheidungspositionen der Politik und Wirtschaft.

Ohne uns haben die Jüngeren keine Chance. Einfach weil wir, 50 plus, zu viele sind.

Wir sind verantwortlich

Damit kommt uns eine ganz besondere Verantwortung zu. Wir können uns nicht einfach bequem zurücklehnen. Wir haben eine Verantwortung für Bildung und Weiterbildung, für Weiterentwicklung und Veränderungsbereitschaft, für die Mitgestaltung einer Zukunft für alle.

Wir Älteren entscheiden die Zukunft unseres Landes und die Zukunft unserer Kinder und Enkel.

Irgendwo hatte ich eine Frau mit einem Schild »Omas for Future« in der Zeitung gesehen. Ihnen wollte ich mich anschließen. Ich fand sie nicht im Internet. Selbst die Domain »omasforfuture. de« war noch frei – 99 Cent pro Jahr. Ich drückte auf KAUFEN! Eine kleine Bewegung mit dem Zeigefinger, die mein Leben restlos verändern sollte.

Ich hielt inne, zögerte: Wollte ich das wirklich? Ade, du ersehnte Ruhe nach den vielen Jahren voller Arbeit. Doch dann kam der Schlüsselmoment, der endgültig zum Auslöser wurde.

Ich war mit meinem damals dreijährigen Enkel in der Natur unterwegs. Wir übten Radfahren und entdeckten immer wieder Schönes am Wegesrand. Er freute sich und schaute mir strahlend in die Augen.

In seinem Blick las ich dieses unendliche Vertrauen, das nurKinder haben können: Ich würde ihm eine gute Zukunft garantieren. Das Leben würde immer so schön sein wie dieserAugenblick. Es durchfuhr mich. Ich belog ihn. Das spürte ichin jeder Zelle meines Körpers. Es würde diese Zukunft fürihn nicht geben. Da wusste ich, dass ich handeln musste.

Handeln aus Liebe

Für ihn und für alle anderen Kinder. Denn für Kinder sind wir Erwachsenen allmächtig und der sicherste Halt im Leben. In den Augen kleiner Kinder können wir alles, wissen alles, ermöglichen alles. Wir sind für sie verantwortlich, und sie schenken uns bedingungsloses Vertrauen und bedingungslose Liebe. Und was tat ich? Ich trug mit meinem Verhalten Tag für Tag dazu bei, dieses Vertrauen zu enttäuschen, ihre Zukunft zu gefährden.

Das Sinnvollste, was ich deshalb für meine Kinder und Enkel tun konnte, war, mich für ihre Zukunft zu engagieren und dabei die Menschen meiner Generation mitzunehmen, die das genauso empfinden. Wir Älteren haben die Welt dahin gebracht, wo sie heute ist, egal ob mit Absicht oder »aus Versehen«. Es braucht uns, um gegenzusteuern. Weil wir 56 Prozent der Wähler und 45 Prozent der Bevölkerung darstellen.

Ich wusste, mein Leben würde sich komplett verändern. Doch ich ahnte noch nicht, auf welchen Sumpf ich stoßen würde.

Warum Omas?

Nichts auf der Welt

ist so mächtig wie eine Idee,

deren Zeit gekommen ist.

VICTOR HUGO

Hallo Kinder, schickt mir eure Omas und Opas!

Die Idee war nun da. Die Energie zum Starten auch. Doch wie sollte ich Menschen meiner Generation erreichen? Wie sie für meine Ideen begeistern und mitreißen? Wie gründete man überhaupt eine Bewegung? Ich schloss mich den damals sehr aktiven Parents for Future in Leipzig an, den Eltern der Kinder von Fridays for Future, und lernte von ihnen.

Stundenlang schrieb ich Texte für die Webseite www.omasforfuture.de, in denen ich alle Informationen, die ich durch meine Lektüre und viele Gespräche über den Klimawandel gesammelt hatte, allgemein verständlich formulierte. Dabei wurde mir mit jedem Tag, der verstrich, bewusster, wie schlimm es tatsächlich um unsere Erde steht. Immer wieder war ich fassungslos. Geschockt. Wütend. Das ging so über Wochen und wühlte mich immer wieder emotional auf. Es war kaum zu ertragen.

So habe ich auf der ersten Webseite der Omas die Erderwärmung dramatisch dargestellt. Ich wollte wachrütteln. Die Klimaerwärmung in jeden Vorgarten bringen. Meine Panik war dort in jeder Zeile zu lesen. Daneben bildeten die zehn Veränderungstipps, die ich im Juni 2019 so salopp auf eine DIN-A4-Seite gekritzelt hatte, die Basis für den Infoteil.

War ich bei der ersten Demo Ende August 2019 noch mit einem Pappschild unterwegs: »Hallo Kinder, schickt mir eure Omas und Opas!«, waren die Omas for Future bei der weltweit größten Klimademo drei Wochen später, am 20. September, bei der allein in Deutschland 1,4 Millionen Menschen in 575 Orten auf die Straße gingen, schon mit zwei langen Bannern und mehreren Schildern dabei. Ein kleiner Fake, ich gestehe: Ich war noch immer ganz allein. Also hatte ich meine Freundinnen gebeten: »Wahre Freundinnen unterstützen einander – bitte tragt für mich die Banner und die Schilder in der Demo.« Und das taten sie.

Nach einem Vortrag kamen dann zwei Hände voll Frauen und einige Männer zusammen, und wir gründeten am 10. Oktober dieses ereignisreichen Jahres 2019 die erste Omas-for-Future-Gruppe, mit dem gemeinnützigen Verein »Leben im Einklang« als juristischem Träger im Hintergrund. Nur sieben Wochen später, bei der nächsten globalen Klimademo am 29. November, fiel unsere Gruppe schon mit unseren großen Oma-Herzen auf, die unser Motto verkörpern:

Handeln! Aus Liebe.

Zu unseren Kindern. Zur Erde. Zum Leben.

Post von Greta

In dieser Zeit ploppte folgender Cartoon2 in meinem Messengerkanal auf, angeblich von Greta Thunberg versendet. »Na bravo«, dachte ich: »Da habe ich mir ja mal wieder den schwierigen Weg ausgesucht.«

»Wer will, dass sich etwas verändert?«

Das erste Bild: Fast alle wissen genau, was sie nicht wollen. »Wer ist dafür, dass dieses verboten – jenes abgeschafft – Folgendes verhindert wird?« Mit irgendetwas unzufrieden ist jeder. Und ist das Maß voll, der Unmut, die Angst groß genug, dann wird – zunehmend in den letzten Jahren – demonstriert. Protestbewegungen können sich schnell organisieren, sind sich im Kern einig und bringen oft Massen auf die Straße. Weil sie den Unmut vieler berühren und diesen sichtbar und hörbar machen. Das ist gut so. Das ist gelebte Demokratie.

»Wer ist bereit, etwas an sich zu verändern?«

Das zweite Bild: Wer kennt sie nicht, die guten Neujahrsvorsätze und was dann davon übrig bleibt? Wir Menschen sind »Gewohnheitstiere« – etwas zu verändern, insbesondere das eigene Verhalten, fällt uns meist schwer.

Doch genau da wollten wir ansetzen – wir Omas for Future: Das eigene Verhalten ändern und so die Welt verändern. Selbstwirksam werden, weil die eigene Verhaltensänderung neben Politik und Wirtschaft der dritte wichtige Hebel ist zum Erhalt unserer Lebensgrundlage. Sie ist für jeden von uns auch der preiswerteste und der gesündeste Hebel, wie wir noch sehen werden.

»Wer möchte Anführer der Veränderung sein?«

Doch zu dieser Herausforderung suchte ich nun auch noch Frauen 50 plus, die bereit waren, diesen Wandel anzuleiten, indem sie in ihren Städten eigene Gruppen gründeten. Bundesweit. Auf einem leer gefegten Platz wie im dritten Bild?

Ich brauchte Frauen, die nicht nur das eigene Verhalten reflektieren und ändern, sondern auch noch die Bereitschaft mitbringen, aktiv zu werden und Verantwortung zu übernehmen: schwierig.

Das war die herausfordernde Ausgangslage im Herbst 2019 – und genauso herausfordernd ist sie im Grunde auch heute noch.

Herausforderungen und Durststrecken? Ja! Deshalb aufgeben? Nein!

Unser Ziel ist es seitdem, Menschen und Unternehmen über die Auswirkungen zu informieren, die unser Alltags- und Konsumverhalten auf unsere Gesundheit und die der Natur hat. Wir wollen damit einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel anstoßen, wir wollen mit Fakten und Bildern ein Gefühl dafür vermitteln, wie positiv und lebenswert eine nachhaltige Zukunft für uns alle sein kann. Lebenswerter als jetzt. Mittlerweile zeigen wir auch konkret, wie diese Zukunft aussieht.

Schon kurz nach dem Start drohte das junge Projekt zu scheitern. Die Corona-Pandemie zwang im Frühjahr 2020 die Welt in den Lockdown. Dennoch wuchs die Bewegung stetig.

Damals und auch heute noch geben viele Frauen, die eine Gruppe gegründet haben, nach einiger Zeit wieder auf, weil sie keine Gleichgesinnten finden. Auch ich hatte am Anfang gedacht: »Das Thema ist so wichtig, da machen jetzt alle Freundinnen oder auch Bekannte aktiv mit.« So geht es vielen Gründerinnen und Gründern. Doch das ist ein Irrtum. Gleicher Meinung zu sein oder in einer Sache aktiv zu werden – das ist zweierlei. Im Grunde kennen wir das aus den Elternversammlungen der Schulzeit unserer Kinder. Zwei bis vier Aktive haben meist für Aktionen »das Heft in die Hand genommen«, der Rest folgte oder blieb weg.

Mittlerweile wissen wir das und weisen Neustarter direkt auf die mögliche Durststrecke am Anfang hin. Erfahrene Gruppenleitungen stehen als Paten und Patinnen zur Seite. Andere haben Glück: Gleich der erste Artikel in der Regionalzeitung bringt mehrere Interessenten, und die Gruppe startet hoch motiviert durch.

Die Omas for Future bestehen derzeit aus rund 90 aktiven Gruppen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Sie sind eine stabile, sich selbst motivierende und ständig wachsende Bewegung. Die vielen Frauen und Männer entfalten ihre Wirksamkeit lokal und regional. Jede Gruppe hat ihre eigenen Schwerpunkte, je nach den Kompetenzen und Fähigkeiten der Menschen, die zur Gruppe gehören, und je nachdem, was ihnen am meisten Freude macht.

Viele haben durch diese Zusammenarbeit neue Freunde gefunden, einen inspirierenden Lebenssinn, Halt und Orientierung in unseren zunehmend unübersichtlich werdenden Zeiten. Und das Beste: Sie entdecken und entfalten Fähigkeiten in sich, von denen sie nie wussten, dass sie sie haben. Ohne dass es beabsichtigt war, ist die Bewegung zu einer Frauen-Empowerment-Gemeinschaft geworden. Wir geben den Frauen 50 plus nicht nur eine Stimme, wir tragen zu ihrer persönlichen Entfaltung bei, wie viele persönliche Geschichten auf unserer Webseite spiegeln.3

»… mir war damals klar: Zu meinen Stärken gehört … auf gar keinen Fall, Gespräche mit Menschen aus dem öffentlichen Bereich zu führen (Oberbürgermeister, Mitarbeiter der Verwaltung etc.) – das kann ich nicht! Heute weiß ich: Ich kann das!« Bärbel Eickmeyer, Gruppe Bretten.

Wir sind den Fridays for Future dankbar, dass sie auf die Straße gegangen sind. Ohne sie gäbe es die Omas for Future nicht.

Wir entscheiden, wo es langgeht!

Unsere Generation gab es vor hundert Jahren – statistisch gesehen – noch nicht: 1924 lag die Lebenserwartung in Deutschland bei durchschnittlich 57 Jahren. Im Jahr 2024 beträgt sie rund 81 Jahre.4 Wir sind in einem Jahrhundert knapp 25 Jahre älter geworden, eine komplette zusätzliche Generation – Tendenz steigend.

Dank moderner Medizin und Reha bleiben wir länger fit. Kosmetik, Fitnessstudio, Zahntechnik und Friseur, kaum noch sichtbare Hörgeräte und modernste Augenmedizin lassen uns jünger aussehen als je eine Oma- und Opageneration zuvor. Heute 80 zu sein, ist so wie früher 60!

Die Lebensspanne der Menschen ab 50 beträgt mittlerweile fast weitere 50 Jahre – die Hälfte unseres Lebens.

Fakt ist: Oma (und Opa) werden viele von uns zur »Halbzeit« ihres Lebens:5 Wir haben es geschafft, die Kinder sind aus dem Haus oder zumindest selbstständig. Wir sind beruflich erfolgreich, können uns endlich etwas leisten, vielleicht ist das eigene Haus oder die Eigentumswohnung bald abbezahlt, wir haben uns eine Menge beruflicher Kompetenz angeeignet. Jetzt wollen wir uns endlich etwas gönnen und noch mal so richtig aus dem Vollen leben.

So erzeugen wir zwischen unserem 50. und 70. Lebensjahr pro Kopf das meiste CO2 in Deutschland.6

Wir wohnen oft allein oder zu zweit noch in denselben Wohnungen, in denen wir früher mit den Kindern lebten. Diese Wohnungen/Häuser sind mit uns gealtert, wurden nicht oder mangelhaft saniert, haben eine in die Jahre gekommene Heizung. Manchen fehlt die Kraft, manchen das Geld, manchen die Einsicht, die Häuser nun energetisch zukunftstauglich zu machen. Das überlässt man dann eher den Erben. Wir gönnen uns lieber Schönes, vielleicht auch noch mal eine Küche oder ein neues Wohnzimmer, den Wintergarten, sind spendable Großeltern für die Enkel.

Und – viele reisen, reisen, reisen. Fliegen um die halbe Welt und lassen sich auf großen Kreuzfahrtschiffen über die Meere schippern und dabei so richtig verwöhnen. So verbrauchen wir die Ressourcen, die unsere Kinder und Enkel dann später nicht mehr haben werden. Ohne dass wir uns darüber große Gedanken machen. Wir genießen eben unseren Lebensabend. Das halten wir für unser gutes Recht.

Gleichzeitig zahlen unsere Kinder für uns.