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Eine Highschool. Ein Toter. Vier Verdächtige.
An einem Nachmittag sind fünf Schüler in der Bayview High zum Nachsitzen versammelt. Bronwyn, das Superhirn auf dem Weg nach Yale, bricht niemals die Regeln. Klassenschönheit Addy ist die perfekte Homecoming-Queen. Nate hat seinen Ruf als Drogendealer weg. Cooper glänzt als Baseball-Spieler. Und Simon hat die berüchtigte Gossip-App der Schule unter seiner Kontrolle. Als Simon plötzlich zusammenbricht und kurz darauf im Krankenhaus stirbt, ermittelt die Polizei wegen Mordes. Simon wollte am Folgetag einen Skandalpost absetzen. Im Schlaglicht: Bronwyn, Addy, Nate und Cooper. Jeder der vier hat etwas zu verbergen – und damit ein Motiv...
Mit einem exklusiven Bonuskapitel!
Karen M. McManus bei cbj & cbt:
One Of Us Is Lying
Two Can Keep A Secret
One Of Us Is Next
The Cousins
You will be the death of me
Nothing more to tell
One of us is back
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Seitenzahl: 543
Karen M. McManus
ONE OF US
IS LYING
Aus dem Amerikanischen
von Anja Galić
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Copyright © 2017 by Karen M. McManus
Published by Arrangement with Karen M. McManus
Dieses Werk wurde vermittelt durch die
Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel
»One of Us Is Lying« bei Delacorte Press,
an imprint of Random House Children’s Books, New York.
© 2018 für die deutschsprachige Ausgabe
by cbj Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Aus dem Amerikanischen von Anja Galić
Lektorat: Katarina Ganslandt
Covergestaltung: © Suse Kopp, Hamburg,
unter Verwendung mehrerer Motive von
Gettyimages (CoffeeAndMilk, drbimages, Henry Arden),
iStockphoto (cometary)
he · Herstellung: AnG
Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach
ISBN 978-3-641-20499-0V008
www.cbj-verlag.de
Für Jack,
der mich immer zum Lachen bringt
»SIMON SAGT …«
Ein Sex-Tape. Eine mögliche, ungewollte Schwangerschaft. Zwei Fremdgeh-Skandale. Und das ist bloß der Post von dieser Woche. Wenn jemand sein gesamtes Wissen über die Bayview High ausschließlich aus der von Simon Kelleher entwickelten und regelmäßig mit Updates gefütterten Gossip-App beziehen würde, müsste er sich fragen, ob irgendeiner der Schüler überhaupt noch Zeit hat, am Unterricht teilzunehmen.
»Das ist Schnee von gestern, Bronwyn«, sagt eine Stimme direkt hinter mir. »Warte, bis du den Post von morgen siehst.«
Mist. Ich lasse mich nur extrem ungern dabei erwischen, wie ich About That lese, am allerwenigsten vom Urheber höchstpersönlich. Ertappt lasse ich mein Handy sinken und knalle die Tür meines Schließfachs zu. »Und? Wessen Leben wirst du als Nächstes ruinieren, Simon?«
Er setzt sich neben mir in Bewegung, als ich mich gegen den Strom der zum Ausgang strebenden Schüler schiebe. »So was nennt man Dienst an der Allgemeinheit«, sagt er mit einer wegwerfenden Geste. »Du gibst Reggie Crawley doch Nachhilfe, oder? Bist du nicht froh, zu wissen, dass er in seinem Zimmer eine versteckte Kamera installiert hat?«
Ich spare mir die Mühe, ihm zu antworten. Dass ich mich auch nur in die Nähe des Zimmers des notorisch bekifften Reggie Crawley begebe, ist ungefähr so wahrscheinlich wie die Möglichkeit, dass Simon doch noch mal so etwas wie ein moralisches Gewissen entwickeln könnte.
»Das haben sich die Leute schon selbst zuzuschreiben. Würden sie nicht lügen und betrügen, wäre ich arbeitslos.« Er sieht mich mit seinen kalten blauen Augen von der Seite an, als ich schneller gehe. »Wohin so eilig? Lass mich raten – du kannst es mal wieder nicht erwarten, dich in irgendeiner AG mit Ruhm zu bekleckern?«
Ich wünschte, es wäre so. Wie um mich zu verhöhnen, ploppt genau in dem Moment eine Erinnerung auf dem Display meines Smartphones auf: Mathlete-Training um 15 h, Epoch Coffee. Gefolgt von einer Textnachricht einer meiner Teamkolleginnen: Evan ist hier.
Das war ja klar. Evan, der supersüße Mathe-Crack – viel weniger ein Widerspruch in sich, als man meinen sollte –, scheint immer nur an den Tagen zum Training für den Mathematik-Wettbewerb aufzutauchen, an denen ich nicht kann.
»Falsch geraten«, antworte ich kurz angebunden. Im Allgemeinen, und in letzter Zeit auch im Besonderen, versuche ich Simon gegenüber so wenige Informationen wie möglich preiszugeben. Wir schieben uns durch die grün lackierte Stahltür, die ins hintere Treppenhaus führt und als eine Art Trennlinie zwischen dem muffigen alten Gebäudetrakt der Schule und ihrem großzügigen, lichtdurchfluteten neuen Anbau dient. Mit jedem Jahr steigt die Zahl wohlhabender Familien, die von San Diego nach Bayview ziehen und erwarten, für ihre Steuergelder etwas Schickeres geboten zu bekommen als vergilbte Schallschluckdecken und zerschrammte Linoleumböden.
Simon klebt mir immer noch an den Fersen, als wir den Chemiesaal im dritten Stock erreicht haben. »Hast du nichts anderes zu tun?«, frage ich und verschränke die Arme.
»Doch. Ich muss zum Nachsitzen«, sagt er und wartet offenbar darauf, dass ich weitergehe. Als ich stattdessen die Hand auf die Türklinke lege, lacht er schallend los. »Das ist jetzt nicht dein Ernst. Du etwa auch? Und, wie lautet dein Vergehen?«
»Ich wurde zu Unrecht beschuldigt«, zische ich und reiße die Tür auf. Es sitzen schon drei andere Schüler im Raum, allerdings gehören sie alle nicht zu den üblichen Verdächtigen, mit denen ich gerechnet hätte. Bis auf einen.
Nate Macauley kippt seinen Stuhl etwas nach hinten. »Bist du falsch abgebogen?«, fragt er mich grinsend. »Das hier ist der Raum fürs Nachsitzen, nicht die Schülermitverwaltung.«
Er muss es wissen. Nate bringt sich seit der fünften Klasse praktisch ständig in irgendwelche Schwierigkeiten, was übrigens auch ungefähr der Zeitpunkt ist, zu dem wir das letzte Mal miteinander geredet haben. Aus der Gerüchteküche weiß ich, dass er wegen irgendwas zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden ist. Vielleicht Trunkenheit am Steuer oder Drogenhandel. Jeder weiß, dass er dealt, wobei mein Wissen natürlich rein theoretisch ist.
»Sparen Sie sich Ihre Kommentare.« Mr Avery hakt unsere Namen auf einem Klemmbrett ab und schließt hinter Simon die Tür. Die durch die hohen Rundbogenfenster in den Raum fallende Sonne malt Dreiecke auf den Boden, und vom Sportfeld hinter dem Parkplatz wehen Geräuschfetzen vom Footballtraining herüber.
Ich setze mich neben Cooper Clay, der einen Zettel zusammenknüllt und ihn kurz wie einen Baseball in der Hand wiegt, bevor er ihn mit einem leisen »Achtung, Addy!« dem Mädchen gegenüber von ihm zuwirft. Addy Prentiss blinzelt, lächelt unsicher und macht keine Anstalten, den Papierball zu fangen, der zu Boden fällt.
Die Zeiger der Wanduhr steuern langsam auf drei zu und ich verfolge ihre Vorwärtsbewegungen mit dem ohnmächtigen Gefühl einer zu Unrecht Verurteilten. Ich sollte nicht hier sein. Ich sollte jetzt im Epoch Coffee über Differentialgleichungen brüten und versuchen mit Evan Neiman zu flirten.
Mr Avery ist die Art von Lehrer, der einen beim geringsten Verdacht sofort zum Nachsitzen verdonnert, statt sich irgendwelche Erklärungen anzuhören, aber vielleicht kann ich ihn trotzdem noch dazu bringen, einzusehen, dass ich nichts getan habe. Als ich mich räuspere und die Hand hebe, bemerke ich, wie Nates Grinsen breiter wird. »Mr Avery, das Handy, das Sie bei mir gefunden haben, gehört mir gar nicht. Ich habe keine Ahnung, wie es in meine Tasche gekommen ist. Dashier ist meins«, sage ich und halte mein in einer pink und melonengrün gestreiften Hülle steckendes iPhone in die Höhe.
Ganz ehrlich, man muss schon extrem ahnungslos sein, um in Mr Averys Unterricht ein Handy mitzubringen. Er verfolgt eine harte »Handys bleiben draußen«-Politik und verbringt die ersten zehn Minuten jeder Stunde damit, Rucksäcke zu filzen, als wäre er der Chef der Flughafensicherheitskontrolle und wir würden alle auf der schwarzen Liste stehen. Mein Handy lag – wie immer – in meinem Schließfach.
»Im Ernst jetzt?« Addy dreht sich so schnell zu mir um, dass ihre blonde Mähne wie in einer Shampoo-Werbung um ihre Schultern schwingt. Sie muss chirurgisch von ihrem Freund amputiert worden sein, dass sie allein hier auftauchen konnte. »Bei mir wurde auch ein Handy gefunden, das mir nicht gehört.«
»Da wären wir dann schon zu dritt«, schaltet Cooper sich mit seinem weichen Südstaaten-Akzent ein. Er und Addy wechseln einen überraschten Blick, und ich frage mich, wie es sein kann, dass sie bis jetzt noch nicht darüber gesprochen haben, obwohl beide zur Kaste der Schulstars gehören. Aber vielleicht haben die Hyperbeliebten Besseres zu tun, als sich über zu Unrecht verhängtes Nachsitzen zu unterhalten.
»Jemand hat uns reingelegt!« Gespannt wie eine Sprungfeder, die nur darauf gewartet hat, sich auf den neuesten Skandal zu stürzen, beugt Simon sich mit aufgestützten Ellbogen über den Tisch. Sein Blick huscht über Cooper, Addy und mich und heftet sich dann auf Nate. »Aber warum sollte irgendjemand wollen, dass eine Gruppe von Leuten mit nahezu makelloser Schülerakte zum Nachsitzen verdonnert wird? So was Beknacktes kann sich eigentlich nur ein Typ einfallen lassen, der … hier Stammgast ist.«
Ich schaue zu Nate rüber, kann mir aber nicht vorstellen, dass er dahintersteckt. So etwas auszuhecken macht eine Menge Arbeit, und alles an Nate – von seinen ungekämmten dunklen Haaren bis hin zu seiner abgewetzten Lederjacke – schreit förmlich Kein Bock. Oder gähnt es vielmehr. Er begegnet meinem Blick, sagt jedoch nichts, sondern kippt in seinem Stuhl bloß noch ein Stück weiter zurück. Ein Millimeter mehr und er knallt hintenüber.
Cooper setzt sich aufrechter hin und legt die Stirn seines attraktiven Captain-America-Gesichts in Falten. »Moment mal. Ich dachte, das Ganze wäre einfach eine Verwechslung, aber wenn uns allen das Gleiche passiert ist, kann das nur auf dem Mist von irgendeinem dämlichen Scherzkeks gewachsen sein. Und wegen so was verpasse ich gerade das Baseballtraining.« Er klingt wie ein Herzchirurg, der daran gehindert wird, eine lebensrettende Operation durchzuführen.
Mr Avery verdreht die Augen. »Spart euch die Verschwörungstheorien für einen anderen Lehrer auf. Bei mir zieht die Nummer nicht. Ihr wisst, dass es verboten ist, Handys in den Unterricht mitzubringen, und ihr alle habt gegen diese Regel verstoßen.« Er wirft Simon einen besonders finsteren Blick zu. Jeder Lehrer an der Schule kennt seineApp, kann aber so gut wie nichts dagegen unternehmen. Simon verwendet lediglich die Initialen der Leute, über die er schreibt, um ihre Identität nicht allzu offensichtlich preiszugeben, und erwähnt auch nirgendwo, um welche Schule es sich handelt. »Ihr werdet also alle bis vier Uhr hier sitzen und einen Aufsatz von mindestens fünfhundert Wörtern darüber schreiben, wie die sogenannten modernen Kommunikationsmittel amerikanische Schulen zugrunde richten. Wer die Aufgabe nicht erledigt, darf morgen gleich noch mal nachsitzen.«
»Und womit sollen wir den Aufsatz schreiben?«, fragt Addy. »Ich sehe hier keine Computer.« Die meisten Klassenräume sind mit Chromebooks ausgestattet, aber Mr Avery, der zu seinem eigenen Besten schon vor zehn Jahren in Rente hätte gehen sollen, sperrt sich hartnäckig dagegen.
Er tritt zu Addy an den Tisch und tippt auf den linierten gelben Schreibblock, der vor ihr liegt. Wir haben alle so einen vor uns liegen. »Entdecken Sie den Zauber handschriftlicher Aufzeichnungen. Es ist eine fast vergessene Kunst.«
Addys hübsches herzförmiges Gesicht spiegelt vollkommene Verwirrung wider. »Aber woher sollen wir wissen, wann wir fünfhundert Wörter erreicht haben?«
»Indem Sie sie zählen«, entgegnet Mr Avery, dann fällt sein Blick auf mein Smartphone, das ich immer noch in der Hand halte, und er dreht sich zu mir. »Und das hier nehme ich so lange an mich, Miss Rojas.«
»Gibt Ihnen die Tatsache, dass Sie gerade zum zweiten Mal ein Handy von mir konfiszieren, nicht zu denken?«, frage ich. »Ich meine, wer besitzt schon zwei Handys?« Nate grinst so unmerklich, dass ich es mir vielleicht auch nur eingebildet habe. »Im Ernst, Mr Avery, da hat uns jemand einen üblen Scherz gespielt.«
Mr Averys schlohweißer Schnurrbart zuckt genervt und er streckt ungeduldig die Hand aus. »Handy, Miss Rojas. Es sei denn, Sie möchten unbedingt morgen wiederkommen.« Seufzend gebe ich es ihm, während er missbilligend in die Runde sieht. »Die Handys, die ich bereits eingezogen habe, befinden sich in meinem Schreibtisch. Sie bekommen sie nach dem Nachsitzen zurück.« Addy und Cooper tauschen einen amüsierten Blick, weil ihre richtigen Handys garantiert sicher in ihren Rucksäcken verstaut sind.
Mr Avery wirft meins in eine Schublade seines Schreibtischs, dann setzt er sich und schlägt ein Buch auf. Alles an seiner Haltung lässt erkennen, dass er beabsichtigt, uns während der nächsten Stunde zu ignorieren. Ich hole einen Stift heraus, trommle damit auf den Schreibblock und denke über die Aufgabe nach. Glaubt Mr Avery wirklich, die modernen Kommunikationsmittel würden unsere Schulen zugrunde richten? Ziemlich drastische Aussage nur wegen ein paar in den Unterricht geschmuggelter Handys. Oder ist die Frage als Provokation gemeint und er will, dass wir ihm widersprechen?
Ich spähe zu Nate rüber, der über seinen Block gebeugt dasitzt und die Seite in Druckbuchstaben mit den Worten Computer sind scheiße füllt.
Vielleicht denke ich auch einfach zu viel nach.
Mir tut schon nach ein paar Minuten die Hand weh. Ganz schön erbärmlich, aber ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal irgendwas von Hand geschrieben habe. Außerdem schreibe ich mit rechts, was sich immer noch unnatürlich anfühlt, egal wie viele Jahre ich es schon so mache. Als ich in der zweiten Klasse war, hat mein Vater darauf bestanden, dass ich lerne, mit der rechten Hand zu schreiben, nachdem er meinen ersten Pitch gesehen hatte. Dein linker Arm ist Gold wert, meinte er. Verschwende die Kraft darin nicht für irgendwelchen Mist, der komplett unwichtig ist. Und soweit es ihn betrifft, gilt das für alles außer für das Werfen eines Baseballs.
Damals fing er an, mich Cooperstown zu nennen – nach der Stadt, in der die Baseball Hall of Fame steht. Gibt doch nichts Schöneres, als einen Achtjährigen ein bisschen unter Druck zu setzen.
Simon bückt sich zu seinem Rucksack und kramt darin herum, dann hebt er ihn auf seinen Schoß und schaut hinein. »Wo zur Hölle ist meine Wasserflasche?«
»Hier wird nicht geredet, Mr Kelleher«, sagt Mr Avery, ohne aufzuschauen.
»Ich weiß, aber … meine Wasserflasche ist weg. Und ich hab Durst.«
Mr Avery zeigt auf das Waschbecken im hinteren Teil des Raums, auf dessen Ablage sich Reagenzgläser und Laborschalen stapeln. »Dann holen Sie sich was zu trinken. Aber leise.«
Simon steht auf, geht rüber, nimmt sich einen der Pappbecher, die umgekehrt ineinandergeschachtelt als Turm ebenfalls auf der Ablage stehen, und füllt ihn mit Wasser aus dem Hahn. Er kehrt an seinen Platz zurück und stellt den Becher auf seinem Tisch ab, aber statt zu trinken, schaut er stirnrunzelnd zu Nate rüber, der immer noch eifrig vor sich hin schreibt. »Hey«, sagt er und tritt gegen Nates Stuhl. »Jetzt mal im Ernst. Hast du die Handys in unsere Rucksäcke geschmuggelt, um uns eins auszuwischen?«
Diesmal hebt Mr Avery streng den Blick. »Ich sagte leise, Mr Kelleher.«
Nate lehnt sich zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. »Warum sollte ich so was machen?«
Simon zuckt mit den Achseln. »Damit du bei der Strafe für das, was auch immer deine Schnapsidee des Tages war, Gesellschaft hast?«
»Wenn einer von Ihnen noch einen Ton von sich gibt, kann er morgen gleich noch mal nachsitzen«, warnt Mr Avery.
Simon öffnet trotzdem den Mund, aber bevor er etwas sagen kann, dringt von draußen Reifenquietschen zu uns herein, gefolgt von einem lauten metallischen Krachen. Addy schnappt erschrocken nach Luft und ich stemme mich gegen mein Pult, als wäre mir gerade jemand hinten reingefahren. Nate, der heilfroh über die Unterbrechung zu sein scheint, ist der Erste, der aufspringt und zum Fenster läuft. »Wer ist so dämlich, auf dem Schulparkplatz einen Unfall zu bauen?«, sagt er.
Bronwyn schaut zu Mr Avery, als wolle sie erst um Erlaubnis bitten, aber als er aufsteht, geht sie ebenfalls zum Fenster. Addy folgt ihr und ich hieve mich schließlich auch vom Stuhl hoch … bevor ich weiter hier blöd rumsitze. Ich habe mich gerade ans Fensterbrett gelehnt, um rauszuschauen, da taucht Simon neben mir auf und lacht abfällig, als er sieht, was unten los ist.
Zwei Autos, ein roter älterer Camaro und ein unscheinbarer silbergrauer Wagen, sind ineinandergekracht. Wir starren schweigend hinunter, bis Mr Avery schwer seufzend den Kopf schüttelt. »Ich sollte wohl besser mal runtergehen und mich vergewissern, dass niemand verletzt wurde.« Er lässt den Blick über uns wandern und nimmt dann Bronwyn ins Visier, die er wahrscheinlich für die Verantwortungsbewussteste hält. »Miss Rojas, Sie sorgen hier für Ruhe, bis ich wieder da bin.«
»Okay.« Bronwyn schaut nervös zu Nate rüber. Wir bleiben am Fenster stehen und warten darauf, wie es weitergeht, aber bevor Mr Avery oder ein anderer Lehrer unten auftaucht, setzen die beiden Wagen zurück und fahren vom Parkplatz.
»Schade, da hatte ich mir jetzt ein bisschen mehr von versprochen«, sagt Simon enttäuscht. Er kehrt an seinen Platz zurück und nimmt seinen Becher, aber statt sich hinzusetzen, schlendert er damit nach vorn und schaut sich das Poster mit dem Periodensystem der Elemente an. Dann geht er zur Tür, als hätte er vor, den Raum zu verlassen, späht aber nur kurz in den Flur hinaus, bevor er zurückkommt und seinen Becher hebt, als wollte er uns zuprosten. »Will sonst noch jemand einen Schluck Wasser?«
»Ich gerne.« Addy setzt sich wieder an ihren Tisch.
»Hol dir selbst welches, Prinzessin«, sagt Simon grinsend. Addy verdreht die Augen, bleibt aber sitzen, während Simon zu Mr Averys Pult spaziert und sich dagegenlehnt. »Ist doch so, oder? Wie geht’s denn mit dir weiter, jetzt wo die Homecoming-Party vorbei ist? Bis zum Abschlussball ist es noch eine ganz schöne Durststrecke. Meinst du, du hältst das durch?«
Addy sieht mich Hilfe suchend an. Ich kann es ihr nicht verübeln. Wenn es um unsere Clique geht, kennt Simon kein Pardon. Er tut zwar so, als wäre es ihm komplett egal, ob er an der Schule beliebt ist oder nicht, hat sich aber ziemlich viel darauf eingebildet, als er letztes Jahr auf dem Abschlussball in den Hofstaat des Prom Kings gewählt wurde. Mir ist immer noch nicht so ganz klar, wie er das angestellt hat. Durchaus vorstellbar, dass er schmutzige Geheimnisse gegen Wählerstimmen getauscht hat.
Aber auf der Homecoming-Party letzte Woche hat er es nicht in den Hofstaat geschafft, dafür bin ich zum König gewählt geworden. Also stehe ich vielleicht als Nächster auf seiner verdammten Abschussliste.
»Worauf willst du hinaus, Simon?«, frage ich und setze mich neben Addy. Ich kann nicht behaupten, dass Addy und ich total eng befreundet wären, aber irgendwie fühle ich mich für sie verantwortlich. Sie ist seit der Neunten mit meinem besten Freund zusammen und ziemlich nett. Zu nett, um jemandem wie Simon, der einfach nie weiß, wann es reicht, die Stirn bieten zu können.
»Addy ist das Prinzesschen und du bist die Sportskanone«, sagt Simon zu mir. Er deutet mit dem Kinn auf Bronwyn und danach auf Nate. »Du die Intelligenzbestie und du der Outlaw. Ihr seid allesamt wandelnde Teenie-Film-Stereotypen.«
»Was ist mit dir?«, fragt Bronwyn, die vom Fenster an ihren Platz zurückkehrt und sich auf ihr Pult setzt. Sie schlägt die Beine übereinander und zieht ihren dunklen Zopf über die Schulter nach vorn. Mir fällt auf, dass sie dieses Jahr hübscher aussieht als früher. Vielleicht eine neue Brille? Längere Haare? Jedenfalls hat sie auf einmal so eine »Sexy Nerd«-Ausstrahlung.
»Ich bin der allwissende Erzähler«, antwortet Simon.
Bronwyns Brauen schießen über den schwarzen Rand ihrer Brille. »Die Rolle gibt’s in Teenie-Filmen nicht.«
»Ach, Bronwyn …« Simon zwinkert ihr zu, hebt den Wasserbecher an den Mund und trinkt ihn in einem Zug aus. »Im wahren Leben schon.«
Es klingt wie eine Drohung, und ich frage mich, ob er irgendwas über Bronwyn herausgefunden hat, das er über seine blöde App verbreiten kann. Ich hasse dieses Ding. Fast alle meine Freunde sind dort schon durch den Dreck gezogen worden, was in manchen Fällen zu echten Problemen geführt hat. Mein Kumpel Luis ist wegen dem, was Simon über ihn geschrieben hat, von seiner Freundin verlassen worden. Ja, okay, an der Geschichte, dass Luis was mit der Freundin seines Cousins hatte, war tatsächlich was dran. Aber trotzdem. So was darf man nicht einfach online stellen. Der Flurtratsch ist schon schlimm genug.
Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich ziemlich viel Schiss davor, was Simon über mich schreiben könnte, wenn er mich ins Visier nehmen würde.
Simon hält seinen Becher hoch und verzieht das Gesicht. »Schmeckt total widerlich.« Er lässt ihn mit einer dramatischen Geste fallen und ich verdrehe die Augen. Selbst als Simon zu Boden sackt, glaube ich immer noch, dass er das Ganze bloß spielt. Bis er zu röcheln anfängt.
Bronwyn springt auf und läuft zu ihm. »Simon …« Sie schüttelt ihn an den Schultern. »Alles okay? Was ist los? Simon! Hey, kannst du mich hören?« Die Sorge in ihrer Stimme verwandelt sich in Panik, sodass ich ebenfalls aufspringe, aber da hat Nate sich schon an mir vorbeigeschoben und kniet sich neben Bronwyn.
»Wir brauchen den Pen«, sagt er mit Blick auf Simons Gesicht, das dunkelrot angelaufen ist. »Hast du ihn dabei?« Simon nickt wild und fasst sich an die Kehle. Ich schnappe mir schnell meinen Kuli und halte ihn Nate hin, weil ich annehme, dass er einen Luftröhrenschnitt oder so was in der Art durchführen will, aber Nate schaut mich so entgeistert an, als wäre mir gerade ein zweiter Kopf gewachsen. »Seinen EpiPen, meine ich. Dieses Ding, mit dem man sich Adrenalin spritzen kann.« Er schaut sich suchend nach Simons Rucksack um. »Ich glaub, er hat einen allergischen Schock.«
Addy ist mittlerweile ebenfalls aufgestanden. Sie steht einfach da, hat die Arme um den Körper geschlungen und scheint vor Schock kein Wort rauszukriegen. Bronwyn dreht sich mit hektisch gerötetem Gesicht zu mir. »Ich rufe einen Krankenwagen und gehe einen Lehrer holen. Bleib so lange bei ihm, okay?« Sie holt ihr Handy aus Mr Averys Schublade und läuft auf den Flur hinaus.
Ich hocke mich neben Simon. Seine Augen treten ihm aus dem Kopf, die Lippen sind blau angelaufen und er gibt grauenhafte Erstickungsgeräusche von sich. Nate hat mittlerweile den kompletten Inhalt von Simons Rucksack auf den Boden geschüttet und wühlt sich durch das Chaos aus Büchern, Arbeitsblättern und anderem Zeug. »Wo hast du ihn, Simon?« Er zieht den Reißverschluss des Vorderfachs auf und kramt zwei Stifte und einen Schlüsselbund heraus.
Aber Simon ist nicht mehr in der Lage zu sprechen. »Alles wird gut, du schaffst das, Kumpel. Ganz ruhig«, sage ich und lege ihm eine schweißnasse Hand auf die Schulter, als ob das irgendetwas nützen würde. »Wir haben dafür gesorgt, dass Hilfe kommt.« Wie immer, wenn ich aufgeregt oder nervös bin, verfalle ich in meinen gedehnten Südstaatenslang. Vielleicht ist das eine Art Auto-Programm zur Selbstberuhigung, keine Ahnung. Ich drehe mich zu Nate um. »Bist du sicher, dass er sich nicht nur an irgendwas verschluckt hat?« Möglicherweise braucht er keinen verdammten EpiPen, sondern ein beherztes Heimlich-Manöver.
Nate ignoriert mich und wirft Simons leeren Rucksack zur Seite. »Fuck!«, schreit er und schlägt mit der Faust auf den Boden. »Das gibt’s doch nicht. Hast du ihn irgendwo in der Hosentasche, Simon? Simon!« Simons Augen rollen in die Höhlen zurück, während Nate seine Klamotten absucht. Aber alles, was er findet, ist ein zerknülltes Taschentuch.
Aus der Ferne sind Sirenen zu hören und im nächsten Moment stürzt Mr Avery mit zwei anderen Lehrern in den Raum, dicht gefolgt von Bronwyn, die ihr Handy ans Ohr presst. »Wir können seinen EpiPen nicht finden«, sagt Nate knapp und deutet auf den kleinen Haufen mit Simons Sachen.
Mr Avery starrt einen Augenblick entsetzt auf Simon hinunter, dann dreht er sich zu mir. »Cooper! Im Krankenzimmer gibt es irgendwo Adrenalin-Pens. Beeilen Sie sich!«
Ich laufe auf den Flur hinaus und höre Schritte hinter mir, die aber leiser werden, während ich zum hinteren Treppenhaus renne und die Tür aufreiße. Immer drei Stufen auf einmal nehmend, rase ich in den ersten Stock hinunter und laufe im Zickzackkurs zwischen ein paar Schülern hindurch zum Krankenzimmer. Die Tür ist angelehnt, aber es ist niemand da.
Hektisch schaue ich mich in dem vollgestopften kleinen Raum um. An der Fensterwand steht eine Liege, links davon ein großer grauer Materialschrank. Mein Blick fällt auf zwei weiße Hängeschränke, die mit dicken roten Buchstaben beschriftet sind. Auf dem einen steht DEFIBRILLATOR, auf dem anderen ADRENALIN-PENS. Ich stürze zum zweiten und reiße ihn auf.
Er ist leer.
Ich versuche es mit dem anderen, in dem aber nur ein Gerät aus Kunststoff mit einem Herz-Logo liegt. Da ich mir ziemlich sicher bin, dass es nicht das ist, was ich suche, nehme ich mir den grauen Materialschrank vor, ziehe hektisch Schubladen mit Verbandszeug und Tablettenschachteln heraus und wühle darin herum, kann aber nirgends etwas finden, das nach einem Adrenalin-Stift aussieht.
»Sind Sie fündig geworden, Cooper?« Ms Grayson, die vorhin mit Mr Avery und Bronwyn in den Chemieraum gekommen ist, stürzt ins Krankenzimmer und hält sich keuchend die Seite.
Ich deute auf den leeren Hängeschrank. »Eigentlich müssten sie da drin sein, oder? Sind sie aber nicht.«
»Schauen Sie im Materialschrank nach«, sagt sie, ohne auf die über den Boden verstreuten Packungen mit Verbandszeug und Tabletten zu achten, die beweisen, dass ich das bereits getan habe. Kurz darauf stößt noch ein weiterer Lehrer zu uns und wir nehmen fieberhaft den kompletten Raum auseinander, während das Heulen der Sirenen immer näher kommt. Nachdem wir den letzten Schrank geöffnet haben, wischt sich Ms Grayson mit dem Handrücken über ihre verschwitzte Stirn. »Cooper, geben Sie Mr Avery Bescheid, dass wir noch nichts gefunden haben. Mr Contos und ich suchen weiter.«
Ich komme gleichzeitig mit den blau gekleideten Rettungssanitätern im Chemiesaal an. Sie sind zu dritt, zwei von ihnen schieben eine weiße Rollbahre, der andere rast vorneweg, um die kleine Menge Schaulustiger zur Seite zu schieben, die sich vor der Tür versammelt hat. Ich folge ihnen und mein Blick fällt auf Mr Avery, der zusammengesackt mit aus der Hose hängendem gelben Hemd neben der Tafel auf dem Boden sitzt. »Wir haben keine EpiPens gefunden«, informiere ich ihn keuchend.
Er fährt sich mit zitternder Hand durch seine schütteren weißen Haare, während einer der Sanitäter Simon irgendein Mittel spritzt, bevor seine Kollegen ihn auf die Trage heben. »Gott helfe diesem Jungen«, flüstert er, aber er scheint es mehr zu sich selbst zu sagen als zu mir.
Addy steht immer noch wie erstarrt an ihrem Platz, ihr laufen Tränen über die Wangen. Ich gehe zu ihr hin und lege ihr einen Arm um die Schultern, als die Sanitäter Simon in den Flur hinausschieben. »Würden Sie bitte mitkommen?«, sagt einer von ihnen zu Mr Avery, der sich hochhievt und ihnen aus dem Klassenraum folgt. Zurück bleiben nur ein paar erschütterte Lehrer und wir vier, die wir uns hier mit Simon zum Nachsitzen eingefunden haben.
Was gerade mal fünfzehn Minuten her sein kann, auch wenn es sich wie Stunden anfühlt.
»Meint ihr, er kommt wieder in Ordnung?«, fragt Addy mit bebender Stimme. Bronwyn presst ihr Handy zwischen die Handflächen, als würde sie damit beten. Nate hat die Fäuste in die Hüften gestemmt und starrt fassungslos zur Tür, durch die sich langsam immer mehr Lehrer und Schüler in den Raum schieben.
»Wenn du mich fragst, eher nein«, sagt er.
Bronwyn, Nate und Cooper sprechen mit den Lehrern, aber ich bringe kein Wort heraus. Ich brauche Jake. Als ich mein Handy aus der Tasche hole, um ihm zu schreiben, zittern meine Hände so sehr, dass ich ihn stattdessen anrufe.
»Baby?« Er geht beim zweiten Klingeln dran und klingt überrascht. Wir haben es nicht so mit Telefonieren. Eigentlich schreiben wir uns in unserem Freundeskreis alle immer nur Nachrichten. Wenn ich mit Jake zusammen bin und sein Handy klingelt, hält er es manchmal hoch und sagt gespielt ratlos: »›Eingehender Anruf‹ – was bedeutet das?« Meistens ist es seine Mutter.
»Jake …?« Mehr kann ich nicht sagen, weil mir gleich wieder die Tränen kommen. Cooper hat immer noch den Arm um mich gelegt, und das ist das Einzige, was mich davor schützt, zusammenzubrechen. Vor lauter Schluchzen bringe ich kein Wort heraus, bis Cooper mir schließlich das Handy aus der Hand nimmt.
»Hey, ich bin’s.« Sein Südstaatenakzent ist stärker als sonst. »Wo bist du?« Er hört kurz zu. »Kannst du draußen auf uns warten? Es hat … Es ist was passiert. Addy ist total fertig. Nein, nein, mit ihr ist alles in Ordnung, aber … Simon Kelleher hatte beim Nachsitzen einen allergischen Schock oder so was. Er ist auf dem Weg ins Krankenhaus und wir wissen nicht, ob er durchkommt.«
Bronwyn sieht Ms Grayson an. »Sollen wir hierbleiben? Brauchen Sie uns noch?«
Ms Grayson greift sich mit fahrigen Händen an den Hals. »Du liebe Güte, nein, ich glaube nicht, dass das nötig ist. Haben Sie den Sanitätern genau erzählt, was passiert ist? Wie war das noch mal? Simon hat … er hat Leitungswasser getrunken und ist anschließend zusammengebrochen?« Bronwyn und Cooper nicken. »Das ist wirklich seltsam. Soweit ich informiert bin, hat er eine Erdnussallergie, aber … sind Sie sicher, dass er nichts gegessen hat?«
Cooper gibt mir mein Handy zurück und fährt sich durch seine akkurat gestutzten rotblonden Haare. »Gesehen habe ich es jedenfalls nicht. Er hat nur das Wasser getrunken und ist danach umgekippt.«
»Vielleicht hat er beim Mittagessen irgendetwas Falsches zu sich genommen«, sagt Ms Grayson. »Möglich, dass er verzögert darauf reagiert hat.« Sie schaut sich im Klassenraum um, und ihr Blick bleibt an Simons Becher hängen, der auf dem Boden liegt. »Den sollten wir wohl besser aufheben«, murmelt sie, tritt an Bronwyn vorbei und bückt sich danach. »Vielleicht will ihn sich jemand genauer ansehen.«
»Ich würde jetzt gern gehen«, stoße ich hervor und wische mir die Tränen von den Wangen. Ich halte es keine Sekunde länger in diesem Raum aus.
»Ist es okay, wenn ich Addy nach unten begleite?«, fragt Cooper und Ms Grayson nickt. »Soll ich danach wiederkommen?«
»Nein, ist schon in Ordnung, Cooper. Ich bin mir sicher, dass man sich bei Ihnen melden wird, falls es noch etwas zu klären gibt. Gehen Sie nach Hause und kommen Sie erst mal ein bisschen zur Ruhe. Simon ist jetzt in guten Händen.« Sie beugt sich etwas näher zu uns und ihr Ton wird sanfter. »Es tut mir so leid für Sie alle. Das muss schrecklich gewesen sein.«
Mir fällt auf, dass sie dabei vor allem Cooper ansieht. Es gibt keine Lehrerin an der Bayview High, die seinem Charme widerstehen kann.
Auf dem Weg nach unten lässt Cooper den Arm um meine Schultern liegen. Ich bin froh, dass er bei mir ist. Ich habe keinen Bruder, stelle mir aber vor, dass es genau das ist, was ein Bruder tun würde, wenn es einem nicht gut geht. Bei den meisten seiner Freunde hätte Jake etwas dagegen, wenn sie mir so nah kommen würden, aber bei Cooper ist es okay. Er ist ein Gentleman. Ich lehne mich an ihn, als wir an den Plakaten für die Homecoming-Party von letzter Woche vorbeigehen, die noch nicht abgehängt worden sind, und lasse mich durch die Eingangshalle führen. Kurz darauf hält er mir die Glastür auf und – Gott sei Dank – da wartet Jake.
Erleichtert lasse ich mich in seine Arme fallen und eine Sekunde lang ist alles gut. Ich werde nie vergessen, wie ich Jake in der Neunten das erste Mal gesehen habe: Damals trug er eine Zahnspange und war noch nicht so groß und breitschultrig wie jetzt, aber ein einziger Blick auf seine Grübchen und in seine himmelblauen Augen hat gereicht und ich wusste: Das ist er. Die Tatsache, dass er sich mittlerweile in einen Adonis verwandelt hat, ist bloß ein kleiner Zusatzbonus.
Er streicht mir über die Haare, während Cooper ihm mit leiser Stimme erklärt, was passiert ist. »Gott, Ads«, sagt Jake. »Das ist ja schrecklich. Komm, ich bring dich nach Hause.«
Cooper bleibt allein zurück und plötzlich tut es mir leid, dass ich es nicht geschafft habe, ihn auch ein bisschen aufzufangen. Ich habe seiner Stimme angehört, dass ihm das alles genauso zusetzt wie mir, er kann es nur besser verbergen. Aber Cooper ist ein solcher Goldjunge, der kommt mit allem klar. Seine Freundin Keely ist eine meiner besten Freundinnen und die Art Mädchen, die immer alles richtig macht. Sie wird wissen, was sie tun muss, um ihm zu helfen. Das kann sie viel besser als ich.
In Jakes Wagen sitzend, schaue ich zu, wie die Stadt an mir vorbeifliegt, während er mich eine Spur zu schnell nach Hause fährt. Da ich nur ungefähr anderthalb Kilometer von der Schule entfernt wohne, dauert die Fahrt nicht lange, und ich wappne mich innerlich für die Begegnung mit meiner Mutter, die mit Sicherheit bereits gehört hat, was passiert ist. Ihre Kommunikationskanäle sind geheimnisvoll, aber absolut zuverlässig. Und natürlich steht sie lauernd auf der Veranda, als Jake in unsere Einfahrt biegt. Obwohl das Botox ihre Züge schon vor langer Zeit zu einer Maske eingefroren hat, sehe ich trotzdem sofort, in welcher Stimmung sie ist.
Ich warte, bis Jake um den Wagen herumgegangen ist und mir die Tür aufmacht. Als ich aussteige, schlüpfe ich wie immer unter seinen Arm. Meine ältere Schwester Ashton macht gern Witze darüber, dass ich wie ein Parasit bin, der sich an seinen Wirt heftet und ohne ihn sterben würde. Ich kann nicht darüber lachen.
»Adelaide!« Meine Mutter streckt mir theatralisch die Hände entgegen, als wir die Stufen hochkommen. »Was ist passiert? Du musst mir alles ganz genau erzählen.«
Ich will nichts erzählen. Schon gar nicht, solange ihr Freund Justin hinter ihr in der Tür lauert und seine Sensationsgier als Sorge tarnt. Er ist zwölf Jahre jünger als meine Mom, womit er fünf Jahre jünger ist als ihr zweiter Ehemann und fünfzehn Jahre jünger als mein Dad. Bei dem Tempo, das sie vorlegt, würde es mich nicht überraschen, wenn sie als Nächstes mit Jake zusammenkommen würde.
»Alles okay«, murmle ich und schiebe mich an ihnen vorbei. »Mir geht’s gut.«
»Hallo, Mrs Calloway«, begrüßt Jake sie. Mom trägt den Nachnamen ihres zweiten Ehemanns, nicht den meines Dads. »Ich bringe Addy erst mal in ihr Zimmer hoch und versuche sie ein bisschen zu beruhigen. Das ist alles ganz schrecklich für sie gewesen. Ich erkläre Ihnen später, was genau passiert ist.« Es verblüfft mich immer wieder, wie lässig Jake mit meiner Mutter redet, so als wären sie gleichaltrig.
Und sie lässt es ihm durchgehen. Steht sogar darauf. »Natürlich, mein Lieber«, säuselt sie und lächelt affektiert.
Meine Mutter ist der Meinung, dass Jake zu gut für mich ist. Das darf ich mir immer wieder anhören, seit er sich in der Zehnten zum heißesten Jungen der Schule entwickelt hat, während ich dieselbe blieb. Als wir noch jünger waren, hat Mom Ashton und mich regelmäßig zu Schönheitswettbewerben geschleppt, die für uns immer mit demselben Ergebnis endeten: dritter Platz. Nie Königin, sondern immer bloß Prinzessin. Nicht schlecht, aber definitiv nicht gut genug, um die Art von Mann anzuziehen und zu halten, der eine Frau versorgen kann.
Ich weiß gar nicht, ob das überhaupt jemals offen als zu erreichendes Lebensziel ausgesprochen wurde, aber genau das wird von uns erwartet. Meine Mutter ist daran gescheitert. Meine Schwester Ashton, die seit zwei Jahren mit einem Mann verheiratet ist, der sein Jurastudium geschmissen hat und so gut wie nie Zeit mit ihr verbringt, ist gerade auf dem besten Weg, daran zu scheitern. Tja, mit den Prentiss-Mädchen scheint irgendetwas nicht zu stimmen.
»Ich schäme mich so«, sage ich auf dem Weg nach oben leise zu Jake. »Statt irgendwie zu helfen, bin ich total zusammengebrochen. Du hättest Bronwyn und Cooper sehen sollen. Die waren echt toll. Und Nate – mein Gott. Ich hätte nie gedacht, dass Nate Macauley mal so viel Verantwortungsbewusstsein zeigen würde. Ich war die Einzige, die zu nichts zu gebrauchen war.«
»Schsch, sag so was nicht«, raunt Jake in meine Haare. »Das stimmt doch nicht.«
Sein Tonfall ist entschieden, weil er sich weigert, etwas anderes als das Beste in mir zu sehen. Sollte sich das jemals ändern, weiß ich ehrlich gesagt nicht, was ich tun werde.
Als Bronwyn und ich auf den Parkplatz kommen, sind kaum noch irgendwelche Schüler zu sehen, und wir bleiben unschlüssig stehen. Obwohl ich Bronwyn schon seit dem Kindergarten kenne, haben wir nie sonderlich viel miteinander zu tun gehabt. Trotzdem fühlt sich ihre Nähe nicht fremd an. Nach der krassen Szene, die wir gerade miterlebt haben, hat sie sogar fast etwas Tröstliches.
Sie sieht sich benommen um, als wäre sie gerade erst aufgewacht. »Ich bin heute nicht mit dem Wagen gekommen«, sagt sie. »Eigentlich hatte ich vor, nach der Schule bei einer Freundin mitzufahren. Wir wollten ins Epoch Coffee.« Irgendetwas an ihrem Tonfall lässt mich denken, dass es ihr dabei nicht nur um eine verpasste Mitfahrgelegenheit geht.
Ich hätte zwar ein paar geschäftliche Dinge zu erledigen, aber das ist jetzt wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt. »Soll ich dich mitnehmen?«
Bronwyn wirft einen Blick auf mein Motorrad. »Ist das dein Ernst? Ich würde mich noch nicht mal auf dieses mörderische Ding setzen, wenn du mich dafür bezahlen würdest. Weißt du, wie viele Leute jährlich tödlich verunglücken? Das ist echt kein Spaß.« Sie sieht aus, als würde sie jeden Moment eine Statistik aus der Tasche holen und mir unter die Nase halten.
»Wie du willst.« Ich sollte sie einfach hier stehen lassen und nach Hause fahren, aber dort zieht es mich gerade am allerwenigsten hin. Seufzend lehne ich mich neben dem Eingang an die Wand, ziehe einen Flachmann aus der Jackentasche, schraube den Deckel ab und halte ihn Bronwyn hin. »Auch einen Schluck Whiskey?«
Sie verschränkt geschockt die Arme vor der Brust. »Soll das ein Witz sein? Du willst dir erst mal einen genehmigen, bevor du auf deine Höllenmaschine steigst, und das auch noch mitten auf dem Schulgelände?«
»Mit dir kann man echt eine Menge Spaß haben, weißt du das?« Genau genommen trinke ich eher wenig. Den Flachmann habe ich heute Morgen meinem Vater abgenommen und dann vergessen. Aber es hat etwas Befriedigendes, Bronwyn aus der Fassung zu bringen.
Ich will ihn gerade wieder wegstecken, als Bronwyn stirnrunzelnd die Hand danach ausstreckt. »Ach, was soll’s.« Sie lehnt sich neben mich an die rote Backsteinwand und lässt sich zu Boden rutschen. Plötzlich muss ich an früher denken, an die Zeit, als Bronwyn und ich auf derselben katholischen Grundschule waren. Bevor es mit meinem Leben vollends den Bach runterging. Die Mädchen trugen damals alle so karierte Schuluniformröcke und heute hat sie einen ganz ähnlichen Rock an, der ein Stück ihre Schenkel hochrutscht, als sie die Füße kreuzt. Der Anblick ist nicht übel.
Sie nimmt einen überraschend tiefen Schluck, dann sieht sie mich an. »Was. Ist. Da. Gerade. Eben. Passiert?«
Ich hocke mich neben sie, nehme ihr den Flachmann ab und stelle ihn zwischen uns. »Ich hab keine Ahnung.«
»Es sah aus, als würde er sterben.« Bronwyns Hände zittern so heftig, als sie wieder nach dem Flachmann greift, dass er klirrend umfällt. »Findest du nicht auch?«
»Doch«, sage ich, während Bronwyn den nächsten Schluck nimmt und eine Grimasse zieht.
»Armer Cooper«, sagt sie. »Er hat sich angehört, als wäre er gestern erst aus Mississippi hierhergezogen. So redet er immer, wenn er nervös ist.«
»Kann ich nicht beurteilen. Aber dieses Blondchen war echt zu gar nichts zu gebrauchen.«
»Sie heißt Addy.« Bronwyn stupst mich mit der Schulter an. »Solltest du eigentlich wissen.«
»Warum?« Mir fällt kein Grund dafür ein. Diese Addy und ich haben bis heute so gut wie nichts miteinander zu tun gehabt und werden uns wahrscheinlich auch in Zukunft kaum näherkommen. Womit wir beide mit Sicherheit sehr gut leben können. Ich kenne die Sorte. Die haben nichts anderes im Kopf als ihren Freund und die kleinen Machtspielchen, die sie mit anderen Mädchen abziehen. Okay, sie ist ziemlich sexy, aber darüber hinaus hat sie absolut nichts zu bieten.
»Weil wir gerade eben eine extrem traumatische Erfahrung miteinander durchgemacht haben«, sagt Bronwyn, als wäre das eine Erklärung.
»Du stellst für dich und andere ziemlich gern Regeln auf, kann das sein?«
Ich hatte total vergessen, wie anstrengend Bronwyn ist. Der Aktionismus, den sie schon seit der Grundschule an den Tag legt, würde jeden normalen Menschen fertigmachen. Ständig nimmt sie an irgendwelchen Projektgruppen teil oder gründet selbst welche, an denen dann andere Leute teilnehmen. Natürlich ist sie immer diejenige, die alles organisiert.
Aber wenigstens ist sie nicht langweilig. Das muss ich ihr lassen.
Wir sitzen da und schauen schweigend zu, wie die letzten Schüler vom Parkplatz fahren, während Bronwyn immer wieder an dem Flachmann nippt. Als ich ihn ihr schließlich wegnehme, bin ich überrascht, wie leicht er ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Bronwyn harten Alkohol gewöhnt ist. Sie scheint mir eher der Typ für Alcopops zu sein. Wenn überhaupt.
Als ich den Flachmann wieder wegstecke, zupft sie zaghaft an meinem Ärmel. »Ich wollte dir schon damals, als es passiert ist, sagen, dass … Es hat mir wirklich leidgetan, als ich das von deiner Mom erfahren hab«, sagt sie stockend. »Mein Onkel ist auch bei einem Unfall gestorben, das war ungefähr zur selben Zeit. Ich wollte dich eigentlich darauf ansprechen, aber … du und ich, du weißt schon, wir waren ja nie wirklich …« Sie verstummt, ihre Hand liegt immer noch auf meinem Arm.
»Kein Problem«, sage ich. »Ist schon okay. Tut mir leid wegen deinem Onkel.«
»Du vermisst sie bestimmt sehr.«
Ich habe keine Lust, über meine Mutter zu reden. »Der Rettungswagen ist verdammt schnell da gewesen, was?«
Bronwyn errötet leicht und zieht ihre Hand zurück, versucht das Thema aber nicht weiter zu vertiefen. »Woher wusstest du das mit dem EpiPen?«
»Ist doch bekannt, dass Simon eine Erdnussallergie hat«, antworte ich achselzuckend.
»Aber dass er immer so einen Stift bei sich trägt, wusste ich nicht.« Sie schüttelt den Kopf. »Cooper hat dir einen Kuli hingehalten. Was hat er sich dabei gedacht? Dass du ihm eine Nachricht oder so was schreiben willst? Oh mein Gott, echt.« Sie schlägt ihren Hinterkopf so hart gegen die Backsteinwand, dass ich fast Angst bekomme, dass sie sich den Schädel bricht. »Ich sollte nach Hause. Bringt nichts, noch länger hier rumzusitzen.«
»Das Mitfahrangebot steht noch«, sage ich und stehe auf.
Zu meiner Überraschung nickt Bronwyn. »Klar, warum nicht«, sagt sie und streckt mir eine Hand hin. Sie schwankt ein bisschen, als ich ihr aufhelfe. Wahrscheinlich hätte ich ihr den Flachmann schon früher wegnehmen sollen, mir war nicht klar, dass Alkohol auch schon innerhalb von fünfzehn Minuten wirken kann. Wobei ich mir das bei einem Fliegengewicht wie Bronwyn Rojas hätte denken können.
»Wo wohnst du denn?«, frage ich, als ich auf mein Bike steige und den Schlüssel ins Zündschloss stecke.
»Thorndike Street. Durchs Zentrum und nach dem Starbucks dann links auf die Stone Valley Terrace.« Im Nobelviertel. War ja klar.
Normalerweise nehme ich niemanden auf dem Motorrad mit, weshalb ich keinen zweiten Helm mithabe, also gebe ich ihr meinen und muss mich zwingen, den Blick von der nackten Haut ihrer Schenkel abzuwenden, als sie hinter mir aufsteigt und sich den Rock zwischen die Beine klemmt.
»Fahr aber nicht so schnell, okay?«, sagt sie nervös, als ich den Motor starte, und schlingt die Arme viel zu fest um meine Taille. Irgendwie hätte ich Lust, sie noch ein bisschen mehr aus der Fassung zu bringen, fahre aber nur halb so schnell vom Parkplatz wie sonst. Trotzdem klammert sie sich sogar noch fester an mich und presst ihren behelmten Kopf an meinen Rücken, während ich mich durch den Verkehr fädele, aber ich sage nichts. Wenn ich tausend Dollar hätte, würde ich sie darauf verwetten, dass sie die ganze Fahrt über die Augen zukneift.
Das Haus sieht exakt so aus, wie man es erwarten würde – eine riesige viktorianische Villa umgeben von einem gepflegten Rasen mit exotisch aussehenden Bäumen und Blumenbeeten. In der Einfahrt parkt ein Volvo SUV. Mein Motorrad – das man, wenn man großzügig ein Auge zudrückt, als Oldtimer bezeichnen könnte – wirkt daneben genauso fehl am Platz wie ich neben Bronwyn. Es gibt hier gleich mehrere Dinge, die nicht zusammenpassen.
Bronwyn steigt ab und fummelt am Riemen des Helms herum. Ich helfe ihr und löse eine Haarsträhne, die sich im Verschluss verfangen hat, bevor ich ihr den Helm abziehe, worauf sie tief durchatmet und ihren Rock glatt streicht.
»Das war ziemlich … beängstigend«, sagt sie und zuckt zusammen, als ihr Handy klingelt. »Wo ist mein Rucksack?«
»Auf deinem Rücken.«
Sie nimmt ihn ab und holt ihr Handy aus dem Vorderfach. »Hallo? Ja, ich kann … Ja, hier spricht Bronwyn. Haben Sie … Oh mein Gott. Sind Sie sicher?« Der Rucksack rutscht ihr aus der Hand und fällt ihr vor die Füße. »Verstehe. Danke, dass Sie angerufen haben.« Sie lässt das Handy sinken und sieht mich mit großen Augen an, in denen Tränen glitzern.
»Er hat es nicht geschafft, Nate«, sagt sie mit zitternder Stimme. »Simon ist … er ist tot.«
Ich kann nicht aufhören, es immer wieder im Kopf durchzurechnen. Es ist Dienstag, zehn vor neun. Vor exakt vierundzwanzig Stunden ist Simon das letzte Mal zu seinem Klassenzimmer gegangen. Sechs Stunden und fünf Minuten später sind wir gemeinsam zum Nachsitzen angetreten. Eine Stunde später war er tot.
Siebzehn Jahre einfach so ausgelöscht, von jetzt auf gleich.
Ich schlüpfe an meinen Platz in der letzten Reihe und bilde mir ein, dass sich fünfundzwanzig Köpfe zu mir umdrehen, als ich mich setze. Auch ohne Update bei About That hat sich die Nachricht von Simons Tod schon gestern Abend überall herumgesprochen. Sämtliche Leute, denen ich je meine Handynummer gegeben habe, haben mich mit Nachrichten bombardiert.
»Alles okay?« Meine Freundin Yumiko greift nach meiner Hand und drückt sie. Ich nicke, aber die kleine Bewegung reicht, um das schmerzhafte Pochen in meinem Kopf noch zu verstärken. Wie sich herausgestellt hat, ist es eine ganz miese Idee, auf nüchternen Magen einen halben Flachmann Bourbon zu trinken. Zum Glück waren meine Eltern beide noch arbeiten, als Nate mich absetzte, und meine Schwester Maeve hat mir so viel schwarzen Kaffee eingeflößt, dass ich mich wieder halbwegs verständlich ausdrücken konnte, als sie nach Hause kamen. Was von dem Rausch an Nachwirkungen übrig war, erklärten sie sich damit, dass ich noch traumatisiert war.
Es gongt zur ersten Stunde, doch das Lautsprecherknacken, das sonst die morgendlichen Durchsagen ankündigt, bleibt aus. Stattdessen räuspert sich unsere Klassenlehrerin Mrs Park und steht von ihrem Pult auf. Der Zettel, den sie in der Hand hält, zittert, als sie zu lesen anfängt. »Dies ist eine offizielle Bekanntmachung der Schulleitung. Es tut mir unendlich leid, euch diese schreckliche Nachricht überbringen zu müssen. Gestern Nachmittag hat einer eurer Mitschüler, Simon Kelleher, einen heftigen allergischen Schock erlitten. Es wurde sofort ein Krankenwagen gerufen, der auch sehr schnell vor Ort war, aber unglücklicherweise war es bereits zu spät, um Simon noch zu helfen. Er starb kurz nach seiner Ankunft im Krankenhaus.«
Ein leises Raunen geht durch den Raum und jemand schluchzt unterdrückt auf. Als ich mich umschaue, sehe ich, dass die Hälfte der Klasse ihr Handy gezückt hat. Für heute heißt es wohl zur Hölle mit den Vorschriften. Bevor ich länger darüber nachdenken kann, hole ich mein eigenes Handy aus dem Rucksack und öffne About That. Ich rechne fast damit, dass es darin eine Ankündigung zu den saftigen Neuigkeiten gibt, mit denen sich Simon gestern vor dem Nachsitzen aufgespielt hat, aber natürlich steht dort nur das Update der letzten Woche.
Unser dauerbreiter Lieblingsdrummer ist unter die Filmschaffenden gegangen. RC hat an der Deckenlampe in seinem Zimmer eine Kamera installiert und regelmäßig Premierenabende für seine ganzen Freunde abgehalten. Ihr seid gewarnt worden, Ladys. (Für KL kam die Warnung allerdings zu spät.)
Es gibt vermutlich niemanden, der den heißen Flirt zwischen dem Manic-Pixie-Dream-Girl TC und unserem Bonzen-Neuzugang GR nicht mitbekommen hat, aber wer hätte gedacht, dass den Blicken Taten folgen würden? Ihr Freund offensichtlich nicht, der saß beim Spiel am Samstag nämlich völlig ahnungslos auf der Tribüne, während es direkt unter ihm zwischen T&G heftig zur Sache ging. Sorry, JD. Du bist mal wieder der Letzte, der es erfährt.
Das Problem mit About That ist immer gewesen, dass man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen konnte, dass jedes Wort, das dort stand, wahr war. Simon hat die App in der Zehnten entwickelt, nachdem er während der Frühlingsferien in irgendeinem superteuren Computercamp im Silicon Valley Programmieren gelernt hatte. Außer ihm durfte dort niemand etwas posten. Er hatte überall an der Schule seine Quellen und war extrem vorsichtig mit dem, was er veröffentlichte. Meistens stritten die Betroffenen natürlich alles ab oder taten so, als wäre es ihnen egal, aber er lag mit seinen Behauptungen kein einziges Mal falsch.
Über mich hat er nie etwas geschrieben; dafür ist meine Weste zu weiß. Es gibt nur eine einzige Sache, die Simon über mich hätte ausplaudern können, aber ich wüsste nicht, wie er das jemals hätte herausfinden sollen.
Tja, jetzt ist mein Geheimnis wohl für immer sicher.
»In der Aula wurde eine Trauerberatung eingerichtet, die euch den ganzen Tag offensteht«, fährt Mrs Park mit bebender Stimme fort. »Ihr dürft jederzeit den Unterricht verlassen, wenn ihr das Bedürfnis habt, mit jemandem über diese schreckliche Tragödie zu sprechen. Die Schule möchte nach dem Footballspiel am Samstag einen Gedenkgottesdienst für Simon abhalten. Sobald uns die Einzelheiten dazu bekannt sind, geben wir sie an euch weiter. Das gilt natürlich auch für die Beerdigung, über die uns seine Familie noch informieren wird.«
Kurz darauf gongt es und wir stehen alle auf. Ich bücke mich gerade nach meinem Rucksack, da ruft Mrs Park mich zu sich. »Bronwyn, könnten Sie bitte noch einen Moment bleiben?«
Yumiko wirft mir beim Aufstehen einen mitfühlenden Blick zu und streicht sich eine Strähne ihrer stumpf geschnittenen schwarzen Haare hinters Ohr. »Kate und ich warten draußen auf dich, okay?«
Ich nicke und hänge mir meinen Rucksack um. Mrs Park hält immer noch den Zettel in der Hand, als ich zu ihr nach vorne gehe. »Die Schulleiterin möchte, dass alle Schüler, die mit Simon im Chemiesaal waren, heute ein Therapeutengespräch führen. Mrs Gupta hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, dass Sie um elf einen Termin in Mr O’Farrells Büro haben.«
Mr O’Farrell ist mein Vertrauenslehrer. In den letzten sechs Monaten bin ich öfter Gast in seinem Büro gewesen, um mit ihm eine Strategie für meine College-Bewerbung zu entwickeln. »Spricht Mr O’Farrell mit mir darüber?«, frage ich. Damit könnte ich gut leben.
Mrs Parks Stirn legt sich in Falten. »Oh, nein. Die Schule hat eigens einen Therapeuten einbestellt.«
Na toll. Ich habe den halben Abend gebraucht, um meine Eltern davon zu überzeugen, dass ich keine psychologische Betreuung benötige. Sie werden begeistert sein, wenn sie erfahren, dass ich trotzdem dazu gezwungen worden bin. »Okay.« Ich warte einen Moment für den Fall, dass sie mir noch etwas anderes sagen will, aber sie tätschelt bloß unbeholfen meinen Arm.
Als ich auf den Flur komme, erwarten mich dort wie versprochen Kate und Yumiko. Sie nehmen mich in ihre Mitte, während wir uns zu unserem Kurs in Infinitesimalrechnung aufmachen, als wollten sie mich vor irgendwelchen aufdringlichen Paparazzi abschirmen. Aber als Yumiko Evan Neiman vor der Tür zu unserem Kurs stehen sieht, gibt sie Kate unauffällig ein Zeichen und die beiden lassen sich hinter mir zurückfallen.
»Bronwyn, hey.« Evan trägt eines seiner üblichen Poloshirts mit seinem Monogramm auf der linken Brust – EWN. Ich habe mich immer gefragt, wofür das W steht. Walter? Wendell? William? Ich hoffe für ihn, dass es William ist. »Hast du meine Nachricht gestern Abend bekommen?«
Habe ich. Kann ich irgendwas für dich tun? Brauchst du vielleicht jemanden zum Reden? Evan Neiman hat vorher noch kein einziges Mal versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen, weshalb meine zynische Seite die Oberhand gewann und zu dem Schluss kam, dass er es nur auf einen Logenplatz abgesehen hatte, um auch ja alle makabren Details des erschütterndsten Ereignisses zu erfahren, das sich je an der Bayview High zugetragen hat. »Ja, hab ich. Danke. Aber ich war total durch.«
»Verstehe. Melde dich einfach, wenn dir nach reden ist.« Evan, dem Pünktlichkeit über alles geht, schaut sich im leerer werdenden Flur um. »Okay. Vielleicht sollten wir lieber langsam mal rein.«
Yumiko zwinkert mir zu, als wir uns setzen. »Evan hat beim Mathlete-Training gestern ständig gefragt, warum du nicht gekommen bist«, flüstert sie.
Ich wünschte, ich könnte ihre Begeisterung teilen, aber irgendwann zwischen Nachsitzen und Infinitesimalrechnung habe ich jegliches Interesse an Evan Neiman verloren. Vielleicht leide ich nach der schrecklichen Sache mit Simon gestern unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, aber gerade kann ich mich noch nicht mal daran erinnern, was ich überhaupt jemals an ihm gefunden habe. Nicht dass ich ihm völlig verfallen gewesen wäre. Ich dachte nur, dass Evan und ich vielleicht das Potenzial hätten, bis zum Abschluss eine solide Beziehung zu führen, um uns danach in aller Freundschaft zu trennen und an unsere jeweiligen Unis weiterzuziehen. Kein besonders aufregender Gedanke, ich weiß. Aber so sind Highschool-Beziehungen nun mal, oder? Jedenfalls stelle ich sie mir so vor.
Ich sitze die Stunde im Grunde nur ab und bin mit den Gedanken weit, weit weg von allem, was mit Mathematik zu tun hat. Nach dem Gong folge ich Kate und Yumiko wie ferngesteuert in den nächsten Kurs, diesmal steht Englisch auf dem Plan. Mein Kopf ist immer noch so voll mit dem, was gestern passiert ist, dass es mir ganz normal vorkommt, »Hi, Nate« zu rufen, als wir ihm auf dem Flur begegnen. Zu meiner eigenen – und seiner – Überraschung bleibe ich sogar stehen, worauf er ebenfalls anhält.
»Hey«, sagt er. Seine dunklen Haare sind noch unordentlicher als sonst, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er dasselbe T-Shirt wie gestern anhat. Aber irgendwie funktioniert der Look bei ihm. Fast ein bisschen zu gut. Alles an ihm, von seiner großen, langgliedrigen Gestalt bis zu seinen hohen Wangenknochen und den weit auseinanderstehenden Augen mit den dichten dunklen Wimpern, bringt mich aus dem Konzept.
Kate und Yumiko starren ihn ebenfalls an, aber auf eine andere Art. Eher so, als wäre er ein unberechenbares Tier in einem nicht sonderlich stabil wirkenden Käfig im Zoo.
Dass Nate Macauley und ich uns auf dem Flur unterhalten, gehört nicht unbedingt zu unserer alltäglichen Routine. »Hattest du schon dein Therapiegespräch?«, frage ich.
Sein Gesicht bleibt vollkommen ausdruckslos. »Mein was?«
»Die Trauerberatung. Wegen Simon. Hat dein Klassenlehrer nichts zu dir gesagt?«
»Bin gerade erst gekommen«, antwortet er und ich sehe ihn groß an. Zwar bin ich nie davon ausgegangen, dass Nate je einen Preis für den Schüler mit den wenigsten Fehlstunden gewinnen würde, aber mittlerweile ist es schon fast zehn.
»Oh … okay. Anscheinend soll jeder, der gestern dabei war, ein Einzelgespräch führen. Meins ist um elf.«
»Auch das noch«, murmelt Nate und fährt sich durch die Haare.
Die Geste lenkt meinen Blick auf seinen ziemlich muskulösen Arm, wo er hängen bleibt, bis Kate sich leise räuspert. Mir wird heiß und ich versuche mich wieder auf das zu konzentrieren, was um mich herum vorgeht, allerdings habe ich nicht mitbekommen, was sie gerade gesagt hat. »Tja dann. Man sieht sich«, murmle ich.
Sobald wir außer Hörweite sind, beugt Yumiko sich zu mir und flüstert: »Er sieht aus, als wäre er gerade erst aus dem Bett gekrochen. Und zwar nicht allein.«
»Ich hoffe, du hast in Desinfektionsmittel gebadet, nachdem du von seinem Motorrad gestiegen bist«, fügt Kate hinzu. »Nate ist die totale männliche Schlampe.«
Ich sehe sie stirnrunzelnd an. »Dir ist schon klar, dass das sexistisch ist, oder? Wenn du schon unbedingt irgendeinen abfälligen Begriff benutzen musst, solltest du wenigstens geschlechtsneutral bleiben.«
»Meinetwegen«, winkt Kate ab. »Der Punkt ist, dass der Typ garantiert eine wandelnde Geschlechtskrankheit ist.«
Ich erwidere nichts. Dass über Nate so einiges geredet wird, ist klar, aber im Grunde wissen wir absolut nichts über ihn. Ich bin kurz davor, ihr zu sagen, wie vorsichtig er mich gestern nach Hause gefahren hat, lasse es dann aber, weil ich selbst nicht weiß, was genau ich damit zum Ausdruck bringen wollen würde.
Nach der Englischstunde mache ich mich auf den Weg zu Mr O’Farrells Büro, der mich hereinwinkt, als ich an die offen stehende Tür klopfe. »Setzen Sie sich, Bronwyn. Dr. Resnick verspätet sich etwas, muss aber jeden Moment hier sein.« Ich setze mich ihm gegenüber und mein Blick fällt auf den Kartonhefter mit meinem Namen, den er vor sich liegen hat. Ohne zu überlegen, strecke ich die Hand danach aus, zögere dann aber, weil ich nicht weiß, ob der Inhalt vielleicht vertraulich ist, doch er schiebt ihn mir lächelnd hin. »Die Empfehlung Ihres Gruppenleiters bei den Model United Nations. Mit genügend Vorlauf, um sich um eine Frühzulassung in Yale zu bewerben.«
Ich seufze erleichtert auf. »Super, vielen Dank!«, sage ich und verstaue die Empfehlung in meinem Rucksack. Es ist die letzte, auf die ich gewartet habe. Yale ist sozusagen eine Familientradition – mein Großvater war dort Gastprofessor und ist mit seiner kompletten Familie von Kolumbien nach New Haven gezogen, als er an die Uni berufen wurde. Alle seine Kinder, einschließlich meines Dads, haben dort studiert, und meine Eltern haben sich auch dort kennengelernt. Die beiden sagen immer, dass es unsere Familie ohne Yale gar nicht geben würde.
»War mir eine Freude, Bronwyn.« Mr O’Farrell lehnt sich in seinem Drehsessel nach hinten und rückt seine Brille zurecht. »Falls Ihnen irgendwann heute die Ohren geklingelt haben, liegt das daran, dass Mr Camino bei mir war und gefragt hat, ob Sie Lust hätten, dieses Semester in Chemie Nachhilfeunterricht zu geben. Er hat ein paar vielversprechende Elftklässler im Kurs, die genauso mit dem Stoff kämpfen wie Sie letztes Jahr und es toll fänden, wenn jemand, der den Kurs am Ende dann sogar mit Bestnote abgeschlossen hat, seine Strategie an sie weitergeben würde.«
Ich muss ein paarmal schlucken, bevor ich antworten kann. »Das würde ich gern«, sage ich so begeistert wie möglich, »es könnte nur sein, dass ich mich damit ein bisschen übernehmen würde.« Meine Lippen spannen sich beim Lächeln viel zu fest über meine Zähne.
»Kein Problem, das verstehe ich. Sie haben tatsächlich einen ziemlich vollen Stundenplan.«
Chemie ist das einzige Unterrichtsfach, in dem ich je Schwierigkeiten hatte, und zwar so große, dass in meinem Zwischenzeugnis ein D stand. Mit jedem Test, den ich in den Sand setzte, spürte ich, wie Yale Stück für Stück außer Reichweite rückte. Selbst Mr O’Farrell deutete irgendwann behutsam an, dass es doch auch jede andere Top-Universität tun würde.
Also habe ich dafür gesorgt, dass meine Noten sich verbesserten und ich am Ende des Jahres ein A hatte. Allerdings dank einer Strategie, von der mit Sicherheit niemand wollen wird, dass ich sie an andere Schüler weitergebe.
»Sehen wir uns heute Abend?«
Keely greift nach meiner Hand, als wir nach der Mittagspause zu unseren Schließfächern gehen, und schaut mit ihren großen dunklen Augen zu mir auf. Ihre Mutter stammt aus Schweden und ihr Vater ist Philippiner – eine Kombination, die Keely zu dem mit Abstand schönsten Mädchen der Schule macht. Dadurch, dass ich diese Woche total viel mit Baseball und familiärem Kram um die Ohren hatte, hatten wir nicht viel Gelegenheit, uns zu treffen, und ich spüre, dass sie langsam ungeduldig wird. Keely ist im Grunde keine Klette, aber sie braucht regelmäßige Pärchen-Zeiten.
»Ich weiß nicht, ob ich es schaffe«, sage ich. »Ich hänge ziemlich mit Hausaufgaben hinterher.«
Die Mundwinkel ihrer perfekt geschwungenen Lippen ziehen sich nach unten, und sie will gerade protestieren, als eine Durchsage aus den Lautsprechern kommt. »Cooper Clay, Nate Macauley, Adelaide Prentiss und Bronwyn Rojas. Bitte melden Sie sich im Sekretariat. Cooper Clay, Nate Macauley, Adelaide Prentiss und Bronwyn Rojas werden ins Sekretariat gebeten.«
Keely schaut sich um, als würde sie erwarten, dass ihr irgendjemand eine Erklärung gibt. »Was soll das? Hat es was mit Simon zu tun?«
»Wahrscheinlich«, sage ich achselzuckend. Ich bin schon vor ein paar Tagen bei unserer Schulleiterin Mrs Gupta gewesen und von ihr zu dem befragt worden, was während der Nachsitzstunde passiert ist, aber vielleicht schaltet sie jetzt noch einen Gang höher. Mein Vater sagt, Simons Eltern hätten ziemlich gute Verbindungen im Ort und unsere Schule könnte sich auf eine Klage gefasst machen, falls sich herausstellen sollte, dass ihrerseits irgendwelche Versäumnisse vorliegen. »Besser, ich mache mich sofort auf den Weg. Wir reden später, okay?« Ich küsse Keely flüchtig auf die Wange, hänge mir meinen Rucksack um und jogge den Flur hinunter.
Als ich im Büro der Schulleitung ankomme, winkt mich die Sekretärin in den kleinen Konferenzraum, der bereits voller Leute ist: Mrs Gupta, Addy, Bronwyn, Nate und ein Polizist. Mein Mund wird trocken, als ich auf dem letzten freien Stuhl Platz nehme.
»Ah, Cooper, gut. Wir können anfangen.« Gupta verschränkt die Hände vor sich und blickt in die Runde. »Ich möchte Ihnen Officer Hank Budapest vom Bayview Police Department vorstellen. Er hat ein paar Fragen zu dem schrecklichen Vorfall von Montag.«
Officer Budapest steht auf, beugt sich über den Tisch und schüttelt jedem von uns die Hand. Er wirkt noch relativ jung, aber seine rotblonden Haare über dem sommersprossigen Gesicht werden schon schütter. Keine besonders einschüchternde Autoritätsperson. »Freut mich, Sie alle kennenzulernen. Die Befragung sollte nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, aber nachdem wir mit der Familie Kelleher gesprochen haben, würden wir Simons Tod gern etwas gründlicher untersuchen. Wir haben heute Morgen die Ergebnisse der Autopsie erhalten und …«
»So schnell?«, unterbricht ihn Bronwyn, wofür sie sich einen stirnrunzelnden Blick der Schulleiterin einfängt, was sie allerdings gar nicht mitbekommt. »Dauert das normalerweise nicht länger?«