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Erfolg braucht Optimismus. Aber nicht jeden! Für sie ist das Glas halb voll, nicht halb leer. Sie sehen die Chancen, ohne die Risiken zu ignorieren. Sie wägen innerlich ab, treffen Entscheidungen und ziehen sie durch - selbst unter Druck und gegen Widerstände. Ist dieser intelligente Optimismus angeboren oder kann man ihn lernen? Jens Weidner, Bestsellerautor und Erfinder der "Peperoni-Strategie", identifiziert in seinem Buch fünf zentrale Optimismus-Typen. Überraschenderweise schaden vier davon der Karriere. Nur der "Best-of-Optimismus" ist der unverzichtbare Motor für den persönlichen Erfolg. Was ihn auszeichnet, warum er erfolgreicher ist als die anderen und wie Sie ein "Best-of-Optimist" werden, zeigt Weidner in seinem Buch. Nachahmen ist ausdrücklich erwünscht.
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Seitenzahl: 300
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Jens Weidner
OPTIMISMUS
Warum manche weiter kommenals andere
Campus Verlag
Frankfurt/New York
Über das Buch
Für sie ist das Glas halb voll, nicht halb leer. Sie sehen die Chancen, ohne die Risiken zu ignorieren. Sie wägen innerlich ab, treffen Entscheidungen und ziehen sie durch – selbst unter Druck und gegen Widerstände. Ist dieser intelligente Optimismus angeboren oder kann man ihn lernen? Jens Weidner, Bestsellerautor und Erfinder der »Peperoni-Strategie«, identifiziert in seinem Buch fünf zentrale Optimismus-Typen. Überraschenderweise schaden vier davon der Karriere. Nur der „Best-of-Optimismus“ ist der unverzichtbare Motor für den persönlichen Erfolg. Was ihn auszeichnet, warum er erfolgreicher ist als die anderen und wie Sie ein »Best-of-Optimist« werden, zeigt Weidner in seinem Buch. Nachahmen ist ausdrücklich erwünscht.
Vita
Jens Weidner ist Optimist. Das zeigt sich auch darin, dass der Professor für Erziehungswissenschaften und Kriminologie ein Anti-Aggressivitäts-Training (ATT®) entwickelt hat, mit dem pro Jahr über 2 000 aggressive Menschen behandelt werden. Als Vorstand des Hamburger Clubs der Optimisten ist er angetreten, den latent pessimistischen Deutschen mehr Optimismus beizubringen. Natürlich auch den Österreichern und den Schweizern. Und sowieso allen, die erfolgreich sein wollen, in dem, was sie tun.
Warum die rosarote Brille schwarze Zahlen produziert
Die Datenbasis der Optimismus-Studie
Wissenswertes über Optimismus und Pessimismus
Warum Optimismus einst ein Schimpfwort war – ein historischer Exkurs
Warum Sie Pessimisten schätzen sollten – ohne selbst einer zu werden
Warum manche weiter kommen als andere – der Sekundäre Optimismus
Argwohn vor dem Neuen ist klug
Positive Fokussierung hilft
Besitzstandwahrung tut gut
Ein Hoch auf die positive Verzerrung
Optimismus als versteckter Champion
Warum der Glaube an die Überdurchschnittlichkeit größenwahnsinnig ist – und hilfreich
Erfolg ist mein Verdienst – immer!
Pflegen Sie Ihren Above-Average-Effekt
Die Schönheit der positiven Illusion
Welcher Optimismustyp sind Sie?
Der Test
Die Auswertung
Optimist ist nicht gleich Optimist
Warum der Zweckoptimist die Realität verbiegt
Warum der naive Optimist eine Präventionsallergie hat
Warum der heimliche Optimist auf sein kleines Glück setzt
Warum der altruistische Optimist glaubt, dass alles gut wird
Warum der Best-of-Optimist am weitesten kommt
Warum die Gore-Tex-Mentalität glücklich macht
Warum das Zusammenspiel von Introvertierten und Extrovertierten für den Erfolg unverzichtbar ist
Welchen Einflüssen wir auf dem Weg zum Optimisten ausgesetzt sind
Die primäre Sozialisation zum Optimisten
Die sekundäre Sozialisation zum Optimisten
Die tertiäre Sozialisation zum Optimisten
Warum lebenslanges Lernen den Optimismus fördert
Optimismus statt erlernter Hilflosigkeit
Krähenfüße statt falschem Lächeln
Instrumentelles Lernen durch Zuckerbrot und Peitsche
Lernen durch Vorbilder und Mentoren
Nutzen Sie die Ähnlichkeitshypothese
Lernen durch Managementtrainings
Welche Einstellungen Optimismus und Erfolg pushen
Abschied vom Vorurteil
Checkliste für Entscheider
Warum Optimisten egozentrisch und moralisch sein sollten
Einstellungen, die den Optimismus fördern
Warum Optimisten die Operation zweiter Ordnung brauchen
Zwangsvorstellungen, die Fußfessel des Optimismus
Moralische Standards für Optimisten
Warum Optimisten Interaktionen sorgfältig antizipieren
Stigmatisieren fördert Pessimismus
Delegieren fördert Optimismus
Ohne Identitätsbalance kein Optimismus
Ohne Handlungskompetenz kein Optimismus
Optimisten durchschauen gefährliche Interaktionen
Wie Sie Betrüger erkennen, die Optimismus nur vortäuschen
Der Fehleinschätzer
Der Bemühte
Der Blender
Der Dummdreiste
Der irrationale Konsument
Zu guter Letzt: 25 Praxistipps für mehr Optimismus
Anmerkungen
Literatur
Register
Danksagung
Veranstaltungshinweis
Optimisten geht es im Leben besser. Die Optimisten unter den Leserinnen und Lesern wissen das, fühlen das und genießen es. Und sie werden durch eine Vielzahl von Forschungsergebnissen bestätigt.
Optimisten sind zufriedener, glücklicher, hoffnungsvoller, erfolgreicher und sind den Pessimisten damit haushoch überlegen. Mit einer optimistischen Lebenseinstellung lassen sich hohe Ziele mit höherer Wahrscheinlichkeit erreichen, denn der Glaube ans Gelingen kann Berge versetzen.
Deswegen möchte dieses Buch möglichst viele Menschen für den Optimismus im Berufs- und Privatleben gewinnen. Weil Optimismus ein tolles Lebensgefühl ist, weil er auch den Mitmenschen und Kollegen das Leben verschönert, weil er die Gesundheit fördert und weil er im Beruf ein echter Erfolgsfaktor ist. Optimismus kann Karrieren fördern und Erfolge zementieren. Optimismus ist nämlich der Motor des Kapitalismus, so Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman, und er ist damit ein extrem wichtiger Rohstoff für jedes Unternehmen, wie einmal das Handelsblatt titelte.
Optimismus macht Sie zufrieden, weil er Ihnen hilft, das Leben positiv zu sehen, selbst wenn gerade einmal nicht alles optimal verläuft, denn Optimisten verschwenden kaum Gedanken an Realitäten, die sich derzeit nicht verändern lassen. Sie konzentrieren sich auf das, was machbar ist und Erfolg verspricht, auch wenn das viele kleine Schritte bedeutet. Sie werden aktiv, wenn sie eine mindestens 51-prozentige Erfolgschance haben, ihre Projekte oder Innovationen umzusetzen. Optimisten sind also alles andere als naiv und rosarot. Mit diesem Vorurteil wird in diesem Buch gründlich aufgeräumt werden. Optimisten sind extrem wichtig für die Gesellschaft, weil sie die Zukunft erfolgreich und positiv denken können, lange bevor sie begonnen hat.
Das vorliegende Buch ermutigt zu einer erfolgsorientierten, optimistischen Lebenseinstellung, die Menschen voranbringt und die Basis dafür bildet, warum manche weiter kommen als andere. Dieses Buch ist kein klassischer Ratgeber, der Ihnen sagt, tue dies oder lasse jenes, aber es liefert Ihnen alle Zutaten, die Sie brauchen, um ein Optimist zu werden oder zu bleiben. Denn Optimismus kommt nicht von allein, man muss schon das Richtige dafür tun!
Dieses Buch beschreibt und begründet eine optimistische Berufs- und Lebenseinstellung, die unserer Wirtschaft und Gesellschaft gut tun dürfte, weil sie voller Hoffnung ist, weil sie betont, was alles gelingen könnte. Optimisten sind nämlich verliebt ins Gelingen und nehmen die eine oder andere Niederlage auf diesem Weg gelassen in Kauf. Unsere Gesellschaft – so mein ganz persönlicher Eindruck – kann eine ordentliche Portion zusätzlichen Optimismus gut vertragen. Gerade in einer Zeit, wo Mahner, Bremser, Grenzenzieher und Mauerbauer Apokalyptisches prophezeien.
Als Vorstandsmitglied im Wirtschaftsclub der Optimisten sind mir viele hoffnungsvolle Zeitgenossen bekannt. Allen gemeinsam ist eine positive Sicht auf die Dinge, gerade auch in schwierigen Situationen. Die Haltung »das packen wir« verbindet sie. Und doch sind sie in ihrem Optimismus unterschiedlich. Diese Beobachtung hat unsere Clubmitglieder und mich neugierig gemacht, denn sie impliziert nicht nur, dass es eine Menge Optimisten im deutschsprachigen Raum gibt, sondern dass es auch sehr differente Optimismustypen mit sehr unterschiedlichen Stärken und Schwächen gibt. Diesem Gedanken wollten wir auf den Zahn fühlen und haben 2016 beim Rheingold-Marktforschungsinstitut eine Studie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse uns 2017 vorgelegt wurden und die in dieses Buch einfließen, weil sie einen sehr spezifischen, spannenden Blick auf das Thema bieten. Im Club war uns dabei klar, dass die Studie sicher keinen amerikanischen Hurra-Optimismus nach dem Motto »You name it, we have it« feststellen wird. Diese US-Mentalität spiegelt die Haltung hierzulande einfach nicht wider.
Stattdessen wurde aber ein Optimismus eigener Prägung entdeckt. Wir nennen ihn den »Sekundären Optimismus«. Über ihn werden Sie in diesem Buch alles erfahren, denn er spielt vor allem beim wirtschaftlichen Erfolg eine nicht zu unterschätzende Rolle. Und er scheint aus meiner Sicht für den deutschsprachigen Raum charakteristisch zu sein. Meine These ist, je mehr wir den Sekundären Optimismus fördern, desto besser und auch erfolgreicher wird unser aller Leben und auch die Gesellschaft.
Fragen Sie sich doch einmal selbst: Würden Sie lieber mit einem mürrischen Realisten zusammenarbeiten oder mit einem Optimisten, der Farbe in Ihren Alltag bringt, der Chancen erkennt und alles dafür tut, sie zu realisieren? Bei gleicher Qualifikation wird der Optimist fast immer bevorzugt, wusste schon Niccolo Machiavelli, der ihn einen modernen Condottiere, einen lächelnden Siegertyp nannte. Denn er ist nicht nur erfolgsorientiert, sondern es macht zudem einfach Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten. Denn Hand aufs Herz: Der Arbeitsalltag ist doch hart genug, und die Geschäfte laufen oftmals alles andere als perfekt. Da tut optimistische Ermutigung schlichtweg gut.
Optimismus ist die Verheißung, dass alles gelingen könnte, im Beruflichen ebenso wie im Privaten und schon dafür sollten wir ihn lieben. Optimisten fühlen sich demnach auf der Gewinnerseite des Lebens – unabhängig davon, ob sie es objektiv gerade sind, denn es könnte ja noch werden. Sie können an das Gute denken und es genießen, noch bevor es Realität geworden ist. Dieses Phänomen kennen Sie alle.
Übung
Denken Sie nur an die Vorfreude auf Ihre nächste Urlaubsreise. Das ist Genuss pur, obwohl faktisch noch gar nichts passiert ist, denn Sie sitzen ja noch zu Hause und gehen nur ihren Urlaubsfantasien nach. Das führt auch schon zur ersten Empfehlung: Überraschen Sie Ihren Partner lieber nicht mit einer ganz kurzfristigen Urlaubsreise, denn damit bringen Sie ihn um das emotionale Vorspiel der Vorfreude, und das wäre ja schade.
Selbst wenn Optimisten im Schatten stehen, sind sie gut drauf, denn sie ahnen, wo und wie es weitergehen könnte. Sie tun alles dafür, dass sich Verbesserungen einstellen, weil sie den Glauben haben, Dinge positiv beeinflussen zu können.1 Dabei behalten sie das richtige Maß, sie kommen der Sonne nicht zu nah und stürzen nicht ab, wie der übermütige Ikarus in der griechischen Mythologie.
»Optimismus bedeutet, dass man die feste Erwartung hat, dass sich trotz Rückschlägen und Enttäuschungen letztlich alles zum Besten wenden wird. Aus der Sicht der emotionalen Intelligenz ist Optimismus eine Haltung, die die Menschen davor bewahrt, angesichts großer Schwierigkeiten in Apathie, Hoffnungslosigkeit oder Depression zu verfallen. Und Optimismus zahlt sich im Leben aus.«2
Was will man mehr? Das alles sollte bereits Anreiz genug sein, um zum Optimismusfan zu werden, zumal Sie das Zitat von Daniel Goleman wörtlich nehmen können. Dazu kommt, so die Analyse des renommierten US-Wissenschaftler Martin Seligman, dass Optimisten länger leben, im Durchschnitt besser verdienen und erfolgreicher werden. Jede Form des Optimismus und des positiven Denkens erscheint danach erfolgsfördernder als jede Form des Pessimismus mit seinen permanenten Selbst- und Fremdzweifeln. Sollten Sie also wählen können, wählen Sie immer die optimistischere Variante.
Aber aufgepasst, denn ein allzu überbordender Optimismus birgt auch Gefahren. Er kann mitreißend gefährlich sein und in eine falsche, leichtsinnige Richtung verführen, und das leidenschaftlich und überzeugungsstark. Dieses Buch wird Ihnen helfen, diesen naiven Verführungen zu widerstehen, damit es Ihnen nicht so geht, wie manchem insolvenzbedrohten Geschäftsmann, der von seiner Zukunft schwärmt, sich aber jeder seriösen Beratung verweigert. Das ist nicht optimistisch, das ist nur unprofessionell. Diese Personen verwechseln Optimismus mit Naivität und sie erleben mit dieser Fehleinschätzung leider kein Happy End.
Der Sekundäre Optimismus aus der Rheingold-Studie wird dagegen als differenzierter Vierklang beschrieben:
Berufliche Chancen sehen, ohne Risiken zu ignorieren,
Innerlich abwägen, ob das Projekt und seine Ziele den Einsatz lohnen,
Wenn ja, die entsprechenden Entscheidungen treffen und Maßnahmen einleiten und
Die Entscheidungen mit ganz langem Atem, auch gegen Kritik, durchziehen.
Mit dieser Vier-Stufen-Strategie werden Sie sich eine dicke Scheibe vom unterschätzten Rohstoff Optimismus abschneiden können, wie das Handelsblatt formuliert. Ich serviere Ihnen dazu das passende Menü, denn mit dem Optimismus ist es wie mit einem guten Rotwein:
»Ein Glas am Tag ist gesund, aber eine Flasche am Tag kann fatal sein. Extremer Optimismus kann wie übermäßiges Trinken nicht nur die Gesundheit, sondern auch fürs Portemonnaie gefährlich sein.«3
Der Optimist ist also weder ein Gute-Laune-Bär (das kann er aber auch sein) noch ein selbstüberzeugter Triumphator (die Rolle beherrscht er in Euphoriephasen aber auch), sondern er ist der, der Kritikwürdiges besser machen will. Es juckt ihn in den Fingern. Optimisten starten langsam, abwägend und entwickeln dann einen unerschütterlichen Glauben an das Gelingen. Der Turbo wird gezündet und das Ziel mit maximaler Leistung angesteuert. Prüfen, entscheiden, durchziehen, gewinnen – das ist die Quintessenz dieser Strategie.
Diesen Rohstoff müssen wir erschließen, denn »er verbirgt sich in unseren Köpfen und wartet, geweckt zu werden […] Diese Geschichte über die Macht eines unerschlossenen Rohstoffs könnte […] im Silicon Valley beginnen, wo sie seit jeher glauben, die Welt mit ihren Ideen zu verändern […] Denn dies soll eine Geschichte über einen Rohstoff sein, den wir in Deutschland gar nicht als solchen erkennen«4.
Man mag zu Recht betonen, dass der hiesige Optimismus auf den ersten Blick kaum erkennbar ist. Würden wir irgendwo auf der Welt Menschen fragen, wo ihrer Meinung nach das optimistischste Land der Erde liegt, würde die Antwort sicher nicht Schweiz, Deutschland oder Österreich heißen. Kein Wunder, denn im deutschsprachigen Raum haben wir es mit dem Phänomen des »Hidden Optimism« zu tun, der eben nicht mit einem Lächeln beginnt, auch nicht mit Lässigkeit, sondern mit einer ernsthaften Prüfung der Realität, völlig humorfrei. Das einzig Optimistische daran ist die Hoffnung auf Erfolg, denn ohne diese Hoffnung würde man hierzulande keine Ideen prüfen, das wäre Zeitverschwendung. Die Schönheit dieser Hoffnung zeigt sich daher erst, wenn der Realitätscheck positiv verlaufen ist. Wenn das Projekt vermutlich funktionieren wird, erwacht der Glaube an das Gelingen, an dem sich selbst nüchterne Macher berauschen können. Der Sekundäre Optimismus im deutschsprachigen Raum kennt kein »Take it easy«, wie der Optimismus der Amerikaner. Er ist auch kein Don’t-worry-Optimismus, wie der der Iren, die sagen, dass man bitteschön bester Dinge sein sollte, solange die Gesundheit mitspielt, und dass selbst der Tod einen nicht sorgen braucht, weil man in der Hölle vermutlich verdammt viele Kumpels wiedertreffen dürfte, mit denen man eine gute Zeit haben wird. Das liest sich dann so:
There are only two things to worry about. Either you are well or you are sick.If you are well then there is nothing to worry about.But if you are sick then there are two things to worry about.For either you will get well or you will die. If you get well there is nothing to worry about.But if you die there are two things to worry about.Either you will go to heaven or you will go to hell!If you go to heaven there is nothing to worry about.But if you go to hell you’ll be so darnn busy shaking hands with your friends that you won’t have time to worry! So why worry?5
Das passt zum Befund des Chefs des Bundesinstituts für Risikoforschung Andreas Hensel. Seine lebensfrohe und irgendwie doch zweifelhafte Botschaft toppt sogar die der Iren: »Wir werden nicht nur immer älter, wir sterben auch gesünder.«6 Soll man sich darüber freuen? Das irische »Don’t worry« will auf jeden Fall zur Zuversicht motivieren, »die Zukunft als Verheißung zu sehen, nicht als Zumutung. Nur wer glaubt, dass die Zukunft schon gut wird, sieht Anreize, für das Vorankommen auch zu arbeiten. Die rosarote Brille produziert am Ende schwarze Zahlen«7. Denn der Glaube an die rosige Zukunft motiviert, sich ins Zeug zu legen, sogar für die nächste Generation, damit es unsere Kinder einmal besser haben – so die dahinterstehende Logik. Das maßvolle Rosarot beschreibt bei Optimisten den Erstimpuls, der ihnen hilft, volles Engagement zu zeigen. Dabei begreifen Sie das Geschäftsleben als Soziale Marktwirtschaft und als Haifischbecken zugleich, und sie sorgen dafür, dass sie und die ihnen Nahestehenden nicht ins Haifischbecken fallen. Das tue ich übrigens auch.
Beispiel
Vor einem Jahr akquirierte ich einen Auftrag für mein Deutsches Institut für Konfrontative Pädagogik. Kurz vor Abschluss torpedierte ein Mitbewerber das Ganze. Er versuchte, über die Graue Eminenz des Auftraggebers, einen Berater, Einfluss zu nehmen, um so den Zuschlag zu erhalten. Dieses Manöver kam für mich nicht überraschend, ich hatte so etwas schon geahnt und mich daher im Vorfeld mit dem Berater und dem Auftraggeber abgestimmt. So lief der Angriff meines Konkurrenten ins Leere. Dank meiner Antizipationsfähigkeit, die es ermöglicht, zukünftig drohenden Ärger vorherzusehen und entsprechende Schutzmaßnahmen einzuleiten. (Sie sehen an dieser Stelle, dass ich – ganz Optimist – bemüht bin, von meinen Erfolgen zu berichten und meine Misserfolge, die ich natürlich auch zu bieten habe, erst einmal links liegen lasse.)
Meinen Mitbewerber wies ich auch noch darauf hin, dass ich über seine Strategie bereits ein Buch mit dem vielsagenden Titel Hart, aber unfair geschrieben hätte, und schickte ihm die entsprechenden Passagen zu. Seine Antwort zeigte Größe: »Das hätte ich vorher wissen sollen, dann hätte ich’s gelassen.«
Recht hat er, das ergab keinen Sinn. Wer Machtspiele durchschaut, macht sie überflüssig oder beugt ihnen wenigstens vor. Optimisten haben dieses seismografische Gespür für drohenden Ärger, und sie haben – wenn sie es für angemessen halten – den richtigen Biss im Business. Sie können auf beiden Feldern agieren. Wie gesagt, sie sind keine Gute-Laune-Bären. Sie können auch anders, und sie genießen das.
Es ist also kein Wunder, dass Daniel Kahneman vom Optimismus in höchsten Tönen schwärmt, ihn für zukunftsweisend hält und für seine Verbreitung wirbt – genau wie dieses Buch. Wenn Sie einen einzigen Wunsch für Ihre Kinder frei hätten, so Kahneman – sollten Sie ernsthaft Optimismus in Betracht ziehen. Mit diesem Statement hängt er die Latte hoch, genauso wie der langjährige CEO der Beiersdorf AG, Thomas B. Quaas: »Optimismus ist für sich alleine schon gut. Gepaart mit tiefen Einsichten schon fast unschlagbar. Und wenn man bei Rückschlägen sofort wieder zum Optimisten wird, gepaart mit noch besseren Einsichten, kann was daraus werden.«8 Für Thomas Grüter von der Deutschen Vermögensberatung ist Optimismus im Bereich der Finanzdienstleistungen sogar das wichtigste »Grundnahrungsmittel«, wie er mir im Gespräch versicherte, denn Optimismus helfe, den Graben zwischen Misserfolg und Erfolg zu überwinden, indem er einem die Zuversicht gebe, das Richtige zu tun. Ohne Optimismus würde kein gesundes Selbstvertrauen existieren – und das braucht man in jeder Branche, gerade auch im Vertrieb, wo die Akquise kein Zuckerschlecken ist. Grundsätzlich gilt die Binsenweisheit: Für Optimisten ist das Glas halb voll, für Pessimisten halb leer, der Realist prüft das Ganze noch und der Flugzeugingenieur ergänzt: »Dieses Glas ist doppelt so groß, wie es sein müsste. Hier könnten wir Gewicht sparen!« Dieses Bonmot wirft nicht nur einen Blick auf das Denken der Optimisten, sondern betont die Wichtigkeit des Zusammenspiels unterschiedlicher, auch skeptischer Perspektiven. Der optimistische Einstieg ins Projekt, die kritische Reflexion über die Machbarkeit, die dann folgende durchsetzungsstarke Umsetzung und die Abwehr von unberechtigter Kritik beschreiben den dynamischen Vierklang im Berufsleben, der viel zu den Erfolgsgeschichten von Deutschland, Österreich und der Schweiz beigetragen hat.
Optimismus, Skepsis und sogar die gern zitierte »German Angst« gehören zusammen, denn gemeinsam entwickeln sie eine Kraft, von der wir alle profitieren. Das ist eine zentrale Erkenntnis der Optimismus-Studie. Ihre empirische Basis sowie die fachlichen Grundlagen möchte ich Ihnen kurz erläutern, denn sie bilden das Fundament für dieses Buch. So können Sie besser nachvollziehen, was Ihnen hier zur Nachahmung empfohlen wird.
Unter »Optimismus« wird im Alltag wie in der Forschung eine positive Erwartung im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen verstanden. Optimismus ist damit auch immer eine Frage der Fantasie und des Zukunftsglaubens. Deswegen mögen viele Optimisten gute Science-Fiction-Filme, die ihre Fantasie zusätzlich beflügeln und die Dinge denken, die sie noch nicht bedacht haben. Für optimistische Kriminologen ist Steven Spielbergs Minority Report ein gutes Beispiel, weil dort eine Technik präsentiert wird, die Verbrechen erkennt, kurz bevor sie begangen werden. Opfer werden vermieden, Täter von den Taten abgehalten. Klingt gut, endet aber natürlich dramatisch. Sonst wäre der Film ja kein Thriller. Einer, der zwischen der Hoffnung auf eine kriminalitätsfreie Welt und der Angst vor falschen Unterstellungen viel Ambivalenz auslöst.
Die Optimismusforschung beschäftigt sich primär mit zwei Ansätzen: Die erste Forschungsrichtung beschreibt typische Fehler in der menschlichen Urteilsbildung, etwa wenn Menschen sich durch eine positiv verzerrte Zukunftssicht auszeichnen und dann die Hände in den Schoss legen, weil sie glauben, das Glück käme von alleine.
Beispiel
Diese verzerrte Zukunftssicht bot mir im Beratungsgespräch ein junger Mann, dem die Eltern liebend gern sein internationales Wirtschaftsstudium an einer Privatuni bezahlen würden. Er will aber nicht. Davon allein ginge für die Eltern die Welt noch nicht unter, wenn seine Pläne nicht davon geprägt wären, anstrengungslos erfolgreich werden zu wollen.
Auf meine Frage »Warum machen Sie nichts? Keine Uni, keine Ausbildung, kein duales Studium, gar nichts?«, antwortet er wie aus der Pistole geschossen: »Weil ich Superstar werde oder Lottogewinner. Schnell reich eben.« Auch erben komme für ihn in Frage. Dieser 20-jährige Sprössling einer Unternehmerfamilie braucht dringend ein Umfeld, das ihm die Grenzen seines völlig naiven Denkens aufzeigt – und eine Beratung, die ihm vermittelt, dass vor dem Erfolg der Schweiß kommt, selbst wenn man in einem privilegierten Umfeld aufwächst. Nichts tun, Hände in den Schoß legen und auf eine strahlende Zukunft hoffen, das ist das »Erfolgsrezept« von Verlierern.
Die zweite Forschungsrichtung versteht Optimismus als Persönlichkeitsmerkmal. Sie untersucht die Folgen unterschiedlicher Ausprägungen des Optimismus.9 Mit der Frage, wie diese entstehen, befasst sich dieses Buch umfassend aus sozialisationstheoretischer Perspektive, denn die Sozialisation beleuchtet die Entwicklung des Menschen und erklärt wie der Weg zum Optimisten gelingen kann, und welche Stolpersteine uns daran hindern, zu einer optimistischen Lebenshaltung zu gelangen.
Diese Ausführungen werden durch die Analyse von morphologischen Tiefeninterviews zum Thema Optimismus unterfüttert, die vom Rheingold-Institut durchgeführt wurden. Die Grundfrage lautete: »Wieviel Optimismus kann Deutschland?« Erhebungsorte waren unter anderem Hamburg, Köln, Dresden, Erfurt, Mannheim und München. Alle Befragten hatten ein gutes Bildungsniveau und ein umfassendes sprachliches Ausdrucksvermögen, um dem recht abstrakten Thema »Optimismus« gerecht werden zu können. Ihre Antworten spiegelten die Inhalte einer Vielzahl von Gesprächen wider, die ich über Jahre mit Schweizern und Österreichern am Gottlieb Duttweiler Wirtschaftsinstitut und Schranner Negotiation Institute in Zürich geführt habe. Aus dieser Parallelität der Antworten erlaube ich mir den Transfer der Erkenntnisse der Rheingold-Studie auf die Schweiz und Österreich. Rheingold verfolgt bei seinen Interviews einen tiefenpsychologisch morphologischen Forschungsansatz, der eine Erkenntnistiefe anstrebt, indem er versucht, das Gesagte auf das eigentlich Gemeinte hin zu übersetzen. Eine spannende Sache! Die Interviewergebnisse finden sich im Buch unter anderem
in der Optimismustypologie wieder,
bei den Erklärungen zum Sekundären Optimismus und
zum Above-Average-Effekt, also dem Effekt, sich in seinem beruflichen und privaten Handeln für überdurchschnittlich großartig zu halten. Das klingt auf den ersten Blick zwar recht narzisstisch, hat aber immense Vorteile, sodass ich Sie bitten möchte, sich beim Lesen ruhig auf den Above-Average-Effekt einzulassen.
Die Tatsache, dass es im deutschsprachigen Raum Optimismus gibt, wurde übrigens von keinem der Gesprächspartner infrage gestellt. Zweifel äußern hieran nur Hardcore-Pessimisten, die sich in düsteren Internetzirkeln gegenseitig bestärken und durch das Gate-Keeping und die Algorithmen, also die Schleusenwärterfunktionen im Netz, nur noch Negativnachrichten in ihrer Filterblase selektiert bekommen. Darüber könnte der Optimist schon wieder lachen – wenn es nicht so traurig wäre. Denn diese Miesepeter verstreuen ihre miese Laune gerne auch am Arbeitsplatz. Wie stark der Optimismus allerdings verbreitet ist, überrascht aber dann doch. Zumal der deutschsprachige Raum, global gesehen, nicht als Hochburg des Optimismus betrachtet wird. Dafür kommt der landestypische Sekundäre Optimismus einfach zu verhalten und zu versteckt daher.
Wer in Deutschland, der Schweiz oder Österreich lebt, weiß aber, dass viele Menschen in seinem Umfeld gut drauf sind, sehr gut gelaunt sogar und vor allem extrem feierfreudig, besonders in bestimmten Phasen des Jahres: egal ob Züri-Fäscht in der Schweiz, Österreicher Volksfest in St. Pölten oder Krems, das Oktoberfest in München, das Schützenfest in Hannover oder die diversen Formen des Karnevals. Sie haben viel zu lachen, nehmen sich in diesen Zeiten auf die Schippe und schauen positiv in die Zukunft – unabhängig von nationalen oder globalen Bedrohungslagen. Darauf lässt sich aufbauen, vor allem im Berufsleben. Die morphologische Wirkungsforschung versucht genau diese Stimmungen aufzugreifen und die psychische Wirklichkeit und den Alltag greifbar zu machen:
Wie denken die Befragten?
Was sind ihre Motivationen?
Was beeinflusst ihre Entscheidungsprozesse?
Wie beeinflusst dabei ihre optimistische Sichtweise?
Um diese Fragen beantworten zu können, bat Stefan Grünewald als Mitbegründer des Rheingold-Instituts und Forscher der Optimismus-Studie Deutschland auf die Couch. Seit Jahren tut er das mit großer Akribie und dem Anspruch, dass sämtliche relevanten Bedeutungsinhalte und Einflussfaktoren des jeweiligen Forschungsthemas nuanciert erfragt werden. Ziel der Analysen sind repräsentative Aussagen zum Untersuchungsgegenstand, wie in diesem Fall zum Optimismus. So wurden für die hier genutzte Studie insgesamt 236 Tiefeninterviews ausgewertet, davon 32 exklusiv zum Thema Optimismus. Ergänzt wurden sie durch 204 Interviews mit Aussagekraft zum Thema Optimismus aus drei weiteren Studien des Marktforschungsinstituts, die 1. zur Identität der Deutschen, 2. zum Ost/West-Thema und 3. zur politischen Meinungsbildung geforscht haben und bei denen immer wieder Aussagen zum Zukunftsglauben und Optimismus getätigt wurden. Diese Aussagen wurden für die hier vorliegende Studie herausgefiltert.
In zweistündigen Einzel- oder Gruppenexplorationen bestimmen die Rheingold-Psychologen die seelischen Einflussfaktoren, die eine optimistische Grundhaltung prägen. Der Interviewte wird dabei ermuntert, mit eigenen Worten alles zu beschreiben, was ihm zu dem Thema einfällt, nach dem Prinzip der freien Assoziation. Das Interview wird so zu einer kleinen gemeinsamen Forschungsreise ins Land des Optimismus. Bei diesen Reiseerzählungen wird versucht, nicht bewusst wahrgenommene Bedeutungszusammenhänge freizulegen, um das »typisch Optimistische« herauszuarbeiten. »Geführt werden so viele psychologische Tiefeninterviews, bis die wirksamen Motivkomplexe und Einflussfaktoren vollständig repräsentiert sind.«10
Neben dieser Optimismus-Studie fließen die Erkenntnisse von sieben Wissenschaftlern und Managementtrainern in meine Ausführungen ein. Diese Experten haben sich aus unterschiedlichen Perspektiven facettenreich dem Thema Optimismus genähert:
Die Erkenntnisse der deutschen Literaturwissenschaftlerin und Mitglied im Wissenschaftsrat der Bundesregierung Sandra Richters mit ihrem Lob des Optimismus, einem historisch und philosophisch beeindruckenden Buch.
Gleiches gilt für die israelische Neurowissenschaftlerin Tali Sharot, die das Optimistische Gehirn ins Zentrum ihrer Untersuchungen am University College London gestellt hat.
Wer leidenschaftlich vorausdenkt, kann den Zukunftsoptimismus des Trendforschers Matthias Horx genießen und – in seinen Worten – den Kampf gegen Apokalypse-Spießer, Untergangsideologen und Panik-Publizisten führen.
Der Führungskräfte- und Persönlichkeitstrainer Nikolaus Enkelmann erklärt aus der beruflichen Perspektive Optimismus ist Pflicht, zumindest für alle, die im Business vorankommen wollen. Da liege ich mit ihm völlig auf einer Linie.
Der US-amerikanische Psychologe Martin Seligman hat erforscht, Warum Optimisten länger leben, was natürlich auch ein Grund für ihren länger anhaltenden Erfolg sein könnte. Er folgt dabei dem lerntheoretisch-kognitiven Paradigma und ermutigt damit zu der Erkenntnis, dass Optimismus auch gelernt werden kann.
Hans-Uwe Köhler, Experte für emotionale Kommunikation und Mitglied der German Speakers Association, will vor lauter Optimismus gleich omnipotent Eine Delle ins Universum hauen, um so zu innovativem Handeln zu ermutigen. Ohne Optimismus keine Innovation, lautet sein Credo.
Zu guter Letzt hat der US-amerikanische Psychologe und Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman den Optimismus als positiven Motor des Kapitalismus herausgearbeitet. Sein optimistisches Temperament steht in Schnelles Denken, langsames Denken für eine Beharrlichkeit, die allen möglichen Hindernissen im Berufsleben trotzt.
Diese sieben Autoren sowie die Rheingold-Studie des Clubs der Optimisten bilden das Fundament für die Antwort auf die Frage, warum Optimisten weiter kommen als andere. Optimismus ist bis dato eine unterschätzte Kraft, die in diesem Buch ihre innovative Wirkung entfalten soll, um Ihnen, den Leserinnen und Lesern, das entscheidende Körnchen mehr Power und Mut zu geben, das Sie brauchen, um Ihre Ideen mit Begeisterung erfolgreich durchsetzen zu können.
Aber lassen Sie uns mit dem Optimismus von vorn beginnen, denn dieser Begriff hat überraschenderweise eine historisch finstere Vorgeschichte. Er stand in seinem Ursprung nicht für etwas Positives und Erstrebenswertes, sondern wurde als weltfremder Negativbegriff ins Kreuzfeuer der Kritik genommen. Wie genau das vonstatten ging, möchte ich Ihnen nun erläutern.
Wer den Optimismus verstehen will, muss seine Beziehung zum Pessimismus verstehen. Es sind die ungleichen Seiten derselben Medaille, sie sind ein Geschwisterpaar, die in einer Art Hassliebe miteinander verbunden sind. Optimisten wissen, dass sie ohne pessimistische Korrektur schnell über das Ziel hinausschießen. Pessimisten sind in der Tiefe ihrer Seele für die Hoffnung dankbar, dass es vielleicht doch nicht so schlimm kommen wird, wie sie befürchten. Sie ahnen aber nichts Gutes und fühlen sich mit ihrer schweren, kritischen, nachdenklichen Haltung den Optimisten überlegen. Und dieses, für Optimisten ärgerliche, Überlegenheitsgefühl der Schwarzseher hat substanzielle historische Wurzeln, von denen ich Ihnen berichten möchte. Liebe optimistische Leserinnen und Leser: Seien Sie jetzt tapfer!
Schimpfwort? Wen wundert’s! Wer will schon Menschen mit verzerrter Risikoeinschätzung folgen oder einem Überdurchschnittlichkeitssyndrom? Syndrom – das sagt doch schon alles, das ist ein Krankheitsbild! Mehr noch, es ist die Kopplung verschiedener Störungen. Die rosarote positive Illusion kommt noch erschwerend hinzu. Da kann man doch nur rufen: »Kampf den Optimisten!« Zumindest wenn man mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht. Wer von der Pike auf gelernt hat, braucht diesen Schnickschnack nicht, dem ist das zuwider. »Heiße Luft!«, höre ich die Skeptiker rufen. Und sie rufen das seit Jahrhunderten. Die Optimismusdebatte hat nämlich tiefe, zum Teil verblüffende, historische Wurzeln.
Der Optimismus hatte es nie leicht. Er galt und gilt als intellektuell zweifelhaft. Wissenschaftler, Experten, auch Medien neigen eben zur Skepsis, zur kritischen Berichterstattung. Melancholieprojekte gelten bei der Intelligenz als chic, so die Literaturwissenschaftlerin Sandra Richter.11 Positives Denken gilt dagegen als Ausdruck einer naiven Unbekümmertheit, als eine Art unbekümmertes Stimmungsdoping. Wie in dem bereits 1938 gedrehten Film Der Optimist. Darin erwirbt ein naiver Träumer ein unbrauchbares Stück Land, das ihm Schwindler als Ölfeld verkauften. Typisch Träumer, denn er fällt darauf herein. Seine Frau träumt dagegen von einem kleinen Laden, »der 80 Mark die Woche« einbringt. Ihrem Mann hat man die Flausen eines 10-Millionen-Deals in den Kopf gesetzt.
Optimismus als Synonym für Verblendung und Irrglauben – dieses Abstempeln hat seinen Ursprung bereits im Jahr 1646! Es geht auf den deutschen Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz zurück, in der Zeit der frühen Aufklärung. Leibniz meinte es gut mit den Menschen. Er predigte einen universalistischen, großartigen Optimismus:
»Leute, die Humor genug besitzen, Natur und Schicksal zu loben, statt sich darüber zu beklagen, selbst wenn sie nicht besonders gut abgeschnitten haben, sind, so dünkt mich, den anderen vorzuziehen. Man darf sich in dem Staate, in dem man lebt, nicht leichthin zur Zahl der Unzufriedenen gesellen.«12
Meine Rede! Aber davon fühlten sich schon damals all jene provoziert, die die Welt für ein Jammertal hielten. Leibniz hielt dagegen. Er wollte in seinen Versuchen über die Theodizee die Allmacht, Weisheit und Güte Gottes beweisen. Dieser habe die beste aller möglichen Welten geschaffen. Jede Existenz habe daher die berechtigte Hoffnung auf ein harmonisches Miteinander, denn die Grundlagen dafür habe Gott gelegt; ein guter, ein gütiger Gott. Nun brauchte es also nur noch Menschen, die optimistisch genug sind, an das Optimale zu glauben, für das Gott die Voraussetzungen geschaffen hat. Die viel dafür tun, es umzusetzen. Der Vernunftphilosoph Immanuel Kant unterstützte diese Gedanken in seiner Vorlesung über den »Versuch einiger Betrachtungen zum Optimismus« im Jahr 1759.
Das Thema Optimismus beschäftigt die Denker und regt die Fantasie an, bis ins Kuriose. So versuchte Wilhelm Ludwig Weckherlins im 18. Jahrhundert diese beste aller Welten ad absurdum zu führen, denn sie ärgerte ihn. Diese Welt war nicht die Beste, es herrschte staatliche Willkür, es gab Ungerechtigkeiten und Naturkatastrophen. Er brachte seinen Ärger mit dem eigenwilligen »Monolog einer Milbe im siebten Stock eines Edamerkäses« zum Ausdruck. Ja, Sie haben richtig gelesen. Denn auch für die Milbe – so sein Argument – sei der Edamerkäse die beste aller möglichen Welten. Denn ein allmächtiger Gott könne schließlich nur erstklassigen Käse erfinden. Den niederländischen Käsehandel dürfte diese philosophische Erkenntnis erfreuen.
Milbe hin oder her, der Optimismus unterstellt ein Menschenbild, das an das Gute glaubt. Zu Recht, denn es gibt viele berühmte Menschen in Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft, die Wunderbares geleistet haben, und es gibt eine noch viel größere Gruppe von unbekannten Menschen, die durch Zivilcourage und Hilfsbereitschaft dasselbe getan haben. Helden des Alltags eben. Dabei kann sogar schlechtes Benehmen in der optimistischen Logik helfen, das Leben besser zu machen: »Genauso uns das Laster nutzt, wenn das Gesetz es kappt und stutzt«, sagte der niederländische Sozialethiker Bernard Mandeville im Jahr 1705. Schlechtes bis kriminelles Verhalten – so das Mandeville-Paradox – provoziert positive soziale Gegeneffekte, weil die Gesellschaft zusammenrückt und etwas dagegen tut.
Jean-Jacques Rousseau hat in seinem Erziehungsroman Emile diesen von Natur aus guten Menschen schon im Jahr 1762 beschrieben. Dieser ist makellos geboren und mit allem ausgestattet, was ihm ein glückliches Leben ermöglicht. Erst eine missratene Kultur, eine korrupte Gesellschaft oder eine enthemmte Wirtschaft kann ihn degenerieren und zum Übeltäter machen. Es sei demnach die Aufgabe von Erziehung und Bildung, diesen Degenerationsprozess zu verhindern, um eine gute Gesellschaft zu schaffen. Ohne Sozialisation geht also nichts. Ein Grund, warum dem Gedanken zur Sozialisation in diesem Buch ein so hoher Stellenwert eingeräumt wird. Rousseau legte zur selben Zeit auch seinen Entwurf zu einem demokratischen Gesellschaftsvertrag vor: den Contrat Social. Ein ambitioniertes Projekt, die Idee einer besseren Gesellschaftsordnung. Seine verheißungsvolle Darstellung war der Versuch, eine Idee dessen, was möglich ist, in die Welt zu setzen. Das ist sicher zukunftsweisender als der mürrische Monolog über eine Milbe im siebten Stock eines Edamerkäses. Wahre Fortschrittsoptimisten13 prognostizieren deshalb sogar, dass sich das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben auf den Zustand des Perfekten hin entwickelt. Langsam, aber stetig. Wie ein schöner Automatismus.
Charles Darwins Konzept vom Survival of the Fittest erhob dagegen Einspruch. Bei ihm rückte der Überlebenskampf zwischen den Stärkeren und den Schwächeren in den Mittelpunkt. Jeder kennt die heutigen Ellenbogenkarrieristen, die diesen Kampf weiterkämpfen. Trotz intelligenterer Managementkonzepte, wie sie etwa Reinhard K. Sprenger formuliert hat.14 Doch die Kraft des Negativen und Pessimistischen ist stark. Michel Foucaults Überwachen und Strafen beschreibt, was Menschen bereit sind, anderen Menschen Böses anzutun,15 um sie zu bessern und zu bekehren, auch durch Quälereien. Soll das die beste aller Welten sein? Sicher nicht. Im 18. Jahrhundert las sich das nach Michel Foucault so:
»Schließlich vierteilte man ihn«, erzählt die Gazette d’Amsterdam. »Diese letzte Operation war sehr langwierig, weil die verwendeten Pferde ans Ziehen nicht gewöhnt waren, so dass man an Stelle von vier deren sechs einsetzen musste; und als auch das noch nicht genug war, musste man, um die Schenkel des Unglücklichen abzutrennen, ihm die Sehnen durchschneiden und die Gelenke zerhacken […] Mein Gott, hab Erbarmen mit mir! Jesus hilf mir! Alle Zuschauer waren erbaut von der Fürsorge des Pfarrers von Saint-Paul, der trotz seines hohen Alters keinen Augenblick versäumte, um den armen Sünder zu trösten.«
Wer kann angesichts derartiger staatlicher Gräueltaten optimistisch in die Zukunft blicken? Leibniz’ Gegenspielern, den Französischen Jesuiten, erschien der Glaube an die beste aller Welten deshalb als Irrglaube. Für diesen Irrglauben musste ein neuer Name erfunden werden, so verwerflich fand man diese Philosophie. Man entschied sich für den Kampfbegriff »Optimismus« als Negativbegriff16, der nach ihrer Lesart für ein naiv-zynisches Denken steht, das Erdbeben – wie in Lissabon im Jahr 1755 – Hungersnöte oder Epidemien ignorierte.
An dieser historischen Zuschreibung hat der Begriff noch heute zu tragen, auch wenn Optimismusverweigerer und Alltagsmuffel von diesen historischen Wurzeln kaum etwas wissen. Optimismus galt in seinen philosophischen Anfängen als geistiges Himmelfahrtskommando, das trotz des Grauens von der besten aller möglichen Welten faselte. Der französische Philosoph Voltaire setzte im Jahr 1759 dieser Kritik mit seinem Bestseller Candid oder über den Optimismus die Krone auf. Er lässt darin seinen Protagonisten die schlechteste aller möglichen Welten durchleiden. Seine Geschichte ist voller Pessimismus, voller Elend, voller Ungerechtigkeit, voller Leid, voller Primitivität, Sex und Gewalt. Und sie ist real. Wie das Erdbeben in Lissabon 1755, das Voltaire beschreibt:
»Brausend erhebt sich das Meer im Hafen und zerschellt die dort vor Anker liegenden Schiffe. Flammen und Aschenwirbel hüllen Straßen und Plätze ein, Häuser stürzen zusammen […] Dreißigtausend Einwohner werden unter den Trümmern begraben. Der jüngste Tag ist gekommen, jammerte Candid. Unverzüglich läuft ein Matrose mitten in den Trümmerhaufen hinein, bietet dem Tod die Stirn, nur um Geld zu finden, findet welches, reißt es an sich, besäuft sich und als er voll ist, kauft er sich die Gunst der besten Hure, die er zwischen den Sterbenden und Toten finden kann.«17
Voltaires Candid eignet sich heute noch als Vorbild für jeden düsteren Katastrophenfilm. Die Botschaft ist klar: Das ist nicht die beste aller Welten. Optimismus? Unbegründet! Candid goss Wasser auf die Mühlen der Skeptiker. Für sie war die Anzahl von Gefängnissen allein schon ein Beweis für das Schlechte dieser Welt. Leibniz konterte optimistisch: Es gebe eine Unmenge mehr Wohnhäuser, Schulen und Universitäten als Haftanstalten. So schlimm könne es also nicht sein. Im Übrigen sei es sehr unwahrscheinlich, so Darwins Optimismus, dass sich der Mensch von einer Hochkultur allmählich auf das Niveau von Affen zurück degenerieren würde. »Hiersein ist herrlich«, rief deswegen auch der Lyriker Rilke im Jahr 1912.
Der Optimismusbegriff weist also eine erstaunliche Vielfalt auf. Er hat es über die Jahrhunderte geschafft, die Geister zu spalten: »Die einen halten ihn für naiv oder zynisch, die anderen für den einzig gangbaren Weg in eine erträgliche Zukunft«, resümiert Sandra Richter in ihrem Lob des Optimismus und ergänzt, »Chancen für einen künftigen Optimismus liegen demgegenüber in all den Denkmustern, die Ausgleich, eine optimistische Mitte zwischen Wirklichkeit und Ideal versprechen.«18 Sie spricht vom »Homo Optimisticus«. Er lamentiert nicht. Er engagiert sich und setzt seine Ressourcen verantwortungsvoll ein. Er schätzt den hoffnungsvollen Macherblick in die Zukunft, aber auch die Expertise der Nörgler. Heute nennen wir diese Kritiker Controller, Compliance-Officer oder Leiter der Rechtsabteilung. Und im Gegensatz zu Kassandra, der pessimistischen Prophetin aus der griechischen Mythologie, werden die Warnungen dieses Personenkreises heutzutage sehr ernst genommen.
Das hat gewichtige Gründe, wie Sie im folgenden Abschnitt erfahren werden.