Hart, aber unfair - Jens Weidner - E-Book

Hart, aber unfair E-Book

Jens Weidner

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Beschreibung

Im Kopf sind Sie der Killertyp, den Finger am Abzug, aber vor dem Schreibtisch des Chefs oder im Konflikt mit den Kollegen geht Ihnen jedes Mal die Munition aus? Beim nächsten Mal wird alles anders! Ganz im Ernst: Es darf etwas mehr "aggro" sein, sagt der renommierte Aggressionsexperte und Managementtrainer Jens Weidner und räumt endlich mit dem Mythos auf, dass Aggression in der Arbeitswelt nichts zu suchen hat. Zubeißen statt durchbeißen, lautet die Devise im Umgang mit machthungrigen Kollegen, nervigen Kunden oder übergriffigen Chefs. Sie wollen sich durchsetzen? Dann werden Sie unbequem, steigen Sie aus dem Schafspelz und zeigen Sie Zähne.

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Jens Weidner

Hart, aber unfair

Ein gemeiner Ratgeber für ArbeitnehmerDie Lektüre dieses Buches führt zu erhöhter Schlagfertigkeit

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Dieses Buch lässt Ihnen ein dickes Fell wachsen. Und es verschafft Ihnen die nötige Härte im Job.

Fiese Kollegen, bissige Vorgesetzte oder einfach nur elende Wichtigtuer – sie alle ticken nach denselben Regeln. Und wenn Sie dieses Muster durchschaut haben, können Sie es strategisch nutzen. Für die eigene Karriere und einen deutlich niedrigeren Blutdruck.

Machen Sie es ruhig mal wie Irene Herz, Erfinderin der Kalenderwurf-Therapie, die ihren scharfzüngigen Kollegen schwungvoll schocktherapierte. Oder wie Hans Papen, der lieber Kleinholz hackt statt Süßholz zu raspeln – auch wenn der Lieblingsbaum seiner ärgsten Mobberin darunter leiden muss.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Sie sollen nicht kriminell werden. Sie sollen nur die Attacken der anderen lustvoll ins Leere laufen lassen …

Über den Autor

Prof. Dr. phil. Jens Weidner, Professor für Erziehungswissenschaften und Kriminologie an der Fakultät Wirtschaft und Soziales der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg, entwickelte ein Anti-Aggressivitäts-Training (AAT®), mit dem in über 100 Projekten mehr als 2000 aggressive Menschen pro Jahr in Deutschland und in der Schweiz behandelt werden.

Seit 1994 bietet er dieses Training auch in umgekehrter Sichtweise an: für Führungskräfte, die ihre Durchsetzungsfähigkeit und ihren Biss verstärken wollen. Jens Weidner ist Mitgesellschafter des Deutschen Instituts für Konfrontative Pädagogik (IKD) und Eigentümer der Firma »Aggressions-Seminar-Service & Management-Training (ASS)«.

Informationen zu seinen Vorträgen und Seminaren für mehr Biss erhalten Sie unter unter www.prof-jens-weidner.de.

Kontakt unter: [email protected].

Inhalt

Sind Sie schon aggro oder kuschen Sie noch?

Abschied vom Duckmäusertum: Halten Sie den Kopf aus dem Fenster und genießen Sie den Gegenwind!

1Wehren Sie sich angemessen: Werfen Sie den Froschkönig ruhig gegen die Wand– nicht weil Sie auf den Prinzen hoffen, sondern weil Ihnen das Geräusch des Aufklatschens gefällt!

Über Kakerlaken, Menschen vom Stamme Nimm und die Kalenderwurf-Therapie

Was Sie sich unbedingt merken sollten: Anker los! Ihr Abschied als Anlaufstelle für unbeliebte Aufgaben

Was Sie jetzt zu tun haben: Nein, nein und nochmals nein!

2Das richtige Aggro-Maß: One evil action a day keeps the psychiatrist away?

Über Zu-lieb-böse-Sein, den Umgang mit Intriganten und die Magie der Volition

Was Sie sich unbedingt merken sollten: Aggro macht Sie nicht zum Aussätzigen!

Was Sie jetzt zu tun haben: Merken Sie sich Ihre Feinde und pimpen Sie Ihr Auftreten

3»Sie schaffen es, dass man die Stille zu schätzen weiß!«– Seien Sie bissig, wenn es nötig ist

Über präventives Erschrecken, Aggressionsphobie und das Lob-Kritik-Lob-Feedback

Was Sie sich unbedingt merken sollten: Win-win-Glaube und Aggressionsphobie– alles überflüssiger Kram

Was Sie jetzt zu tun haben: Erregungsanalyse, bissige Taten und LKL-Feedback

4Libido und Thanatos: Warum Sie Ihren positivaggressiven Potenzen nicht entfliehen können

Über Löschen durch Ignorieren, das Schrotgewehr-Prinzip und das Aggressionsparadoxon

Was Sie sich unbedingt merken sollten: standhaft bleiben, durchsetzen, weiterentwickeln

Was Sie jetzt zu tun haben: innerer Monolog

5Seien Sie nicht die Katze im Sack, sondern zeigen Sie, was Sie haben: Positionieren Sie sich durch das Chef-Briefing!

Über stromlinienförmige Ja-Sager, den Pudding an der Wand und die Authentizitätsfalle

Was Sie sich unbedingt merken sollten: Positionierung, Positionierung, Positionierung!

Was Sie jetzt zu tun haben: Big Points und Mausefallenanalyse

6Kleine Fehler– böse Folgen: Wie schnell Sie im Job stolpern können

Über Klugscheißer, die Gefahr schwammiger Aufgaben und den Leitfaden für hinterhältiges Delegieren

Was Sie sich unbedingt merken sollten: Harmonieduselei ist out!

Was Sie jetzt zu tun haben: Reizbarkeitsanalyse, Ärgerantizipation und Fettnäpfchenanalyse

7Seien Sie schlauer als Ihr Chef: Wie Sie mit der Diamantenanalyse zum Hierarchie-Checker werden

Über Höflichkeitslügen, Ruhigstellen durch Überflüssigkeit und Chef-Empathie

Was Sie sich unbedingt merken sollten: Behalten Sie den Durchblick– und Ihre Feinde im Auge!

Was Sie jetzt zu tun haben: Analyse hoch drei

8Drum prüfe, wer sich ewig bindet: vom Einzelspieler zum Beziehungsmanager

Über Hierarchie-Ignoranten, Utilitarismus und den Preis des Dazugehörens

Was Sie sich unbedingt merken sollten: Ohne Verbündete sind Sie verloren!

Was Sie jetzt zu tun haben: Beziehungen pflegen und Kontakte knüpfen

9Es wird nur der ein Superheld, der sich selbst für super hält!

Über elitäre Narzissten, die Checkliste des Lobes und das Spiel gegen den Kadaver

Was Sie sich unbedingt merken sollten: Wenn Sie ins Fadenkreuz geraten– nur keine Panik!

Was Sie jetzt zu tun haben: Machen Sie sich unantastbar!

10Ein Strauß dorniger Rosen für Ihre Gegenspieler: Die neun Grundregeln

Über Kaschmirpullis, die Torwartkonzentration, präventive Zeitlügen und subtile Gemeinsamkeiten

Ein hoffnungsvoller Exkurs: Wer aggro kann, kann auch Zivilcourage!

Aggro-Test für Arbeitnehmer

Literatur

Anmerkungen

Register

Sind Sie schon aggro oder kuschen Sie noch?

Über den Weg zu einer neuen Lebenseinstellung

Bei einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde ich gefragt, wofür Arbeitnehmer ein Buch wie Hart, aber unfair überhaupt bräuchten. Die Antwort ist simpel: Damit sie sich nicht mehr ins Bockshorn jagen lassen. Und wie gelingt das? Ganz einfach: Sie müssen die Spielregeln im Job durchschauen. Das ist gar nicht so schwer, wie man vielleicht denkt, und hat einen tollen Nebeneffekt für Sie als Arbeitnehmer: Wenn Sie unfaires Verhalten schnell durchschauen, macht es für die Unfairen wenig Sinn, weiterzumachen– und sie werden daher zukünftig zurückhaltender agieren. Noch besser: Wenn Sie solches Verhalten sogar antizipieren, also vorhersehen können, findet es erst gar nicht statt! Weil Sie vorbeugend agieren. Das ist wunderbar, denn jetzt können Sie sich in Ruhe auf Ihre eigentliche Arbeit konzentrieren. Endlich!

Gewinnertypen, die ohnehin schon durchsetzungsstark sind, dominieren häufig das berufliche Spielfeld. Hart, aber unfair trainiert neue Spielerinnen und Spieler: So feine Menschen wie Sie! Dieses Buch gibt aufstrebenden, innovativen, fachlich versierten Arbeitnehmern endlich den Segen, sich in ihrem Arbeitsumfeld auch mal bissig positionieren zu dürfen– für eine gute Sache. Also: Seien Sie ruhig mal »aggro« im Job! Im neuen Wörterbuch der Szenesprachen ist »aggro« die Abkürzung für »aggressiv«. Man kann danach entweder körperlich aggressiv sein und prügeln (was Sie natürlich nicht tun sollten) oder mit Worten »dissen«, wieder so ein neudeutsches Wort, das so viel bedeutet wie »Schlagfertigkeit demonstrieren« (was definitiv nicht schaden kann). Der Aggro-Begriff soll in diesem Buch erweitert werden, er soll eine Lebenseinstellung beschreiben: »Ein Ja-Sager und Schäfchen-Typ, mit dem man im Beruf alles machen kann?– Das bin ich garantiert nicht!« Das sollen Sie spätestens nach der Lektüre überzeugt von sich sagen.

Doch leider fällt vielen Berufstätigen diese innere Haltung schwer. Sie arbeiten klag- und manchmal auch lustlos, lassen sich unterbuttern und übervorteilen, werden bei Beförderungen übergangen oder ihre Leistungen werden nicht anerkannt. Sie bilden– leider– eine schweigende Mehrheit.

Ihnen ist dieses Buch gewidmet, Menschen wie Linda Rohner, Thomas Fuchs und Trudy Herden, deren Aussagen stellvertretend für viele andere stehen:

Linda Rohner ist im Einzelhandel in Hannover tätig: »Es liegt mir überhaupt nicht, egoistisch zu agieren, was allerdings dazu führt, dass ich mich ständig zurücknehme und meine guten Ideen nicht nach vorne bringe: Das wäre ja irgendwie egoistisch– hier brauche ich den Segen, dass auch meine Ideen etwas wert sind.«

Thomas Fuchs arbeitet bei einem Berliner Telefonanbieter: »Mir wird im Meeting von einem Kollegen öffentlich die Kompetenz abgesprochen– und ich wehre mich nicht sofort, sondern traue mich kaum, den hinterher unter vier Augen anzusprechen. Dabei müsste ich das sofort im Meeting oder wenigstens beim nächsten Treffen öffentlich tun!«

Trudy Herden ist Mitarbeiterin in einem Regensburger Maschinenbauunternehmen: »Offensichtlich habe ich mir über die Strukturen in unserem Laden viel zu wenige Gedanken gemacht, sodass ich oft Hilflosigkeit demonstriere, weil ich gar nicht verstehe, was da gerade läuft und was das Ganze soll.«

Womöglich haben Sie sich schon einmal über ähnliche Dinge Gedanken gemacht. Sie sehen also: Sie sind nicht allein. Die obigen Antworten stammen aus meinem Aggro-Faktor-Fragebogen, dessen Motto lautet: Wer sich die Schattenseiten beruflicher Kommunikation vor Augen hält, kann nur noch positiv überrascht werden! 427 Frauen und Männer aus Deutschland, der Schweiz und Österreich haben den Bogen ausgefüllt. Sie sind in den verschiedensten Branchen aktiv: im Bau, im Handel, in der Metallindustrie, der Chemie, in sozialen Einrichtungen, in der Autobranche, in Behörden, in Architektur- und Steuerbüros, in den Medien oder der Werbung. Diese fünf Fragen haben sie alle beantwortet:

Welchen Erwartungen und Wünsche haben Sie an den Aggro-Faktor?

Welche Durchsetzungsformen brauchen Sie in Ihrem Berufsleben?

Welche Interaktionen demotivieren Sie an Ihrem Arbeitsplatz?

Welche unangenehmen Persönlichkeitszüge haben Sie selbst im Job zu bieten?

Welche bissigen oder bösen Taten haben Sie im Job erlebt oder begangen?

Insgesamt wurden 2135 Antworten gegeben, die als originalgetreue Zitate den roten Faden dieses Buchs bilden. Nur die Namen sind anonymisiert, das musste ich den Befragten hoch und heilig versprechen– und ich halte mich natürlich daran. Herausgekommen sind ehrliche, entwaffnende, nicht immer politisch korrekte Statements, die vor allem deutlich machen: Es gibt noch zu viele Opfer mit zu wenig Biss im Berufsleben. Genau diese noch zahmen und zahnlosen Arbeitnehmer möchte ich daher sozusagen als Advocatus Diaboli an die Hand nehmen.

Meine Aufforderung »Seien Sie ruhig mal aggro im Job!« ist bei einigen Befragten aber schon jetzt überflüssig: »Mal im Ernst«, antwortet mir zum Beispiel Marlies Danthe, die in der Organisation eines Handelsriesen tätig ist, »warum soll ich zu diesen Fragen etwas sagen, das müssen Sie schon selber rausbekommen. Aber Sie sind ja nur so ein Discount-Professor von einer ehemaligen Fachhochschule, nicht mal von einer richtigen Uni, oder?« Was lernen wir daraus? Frau Danthe verfügt bereits über ein mehr als ausreichendes Aggro-Maß. Ehrlich gesagt: Ich bin froh, sie nicht als Kollegin zu haben. Ihre Lust am Schlagabtausch könnte dennoch für uns ansteckend sein, zumal sie den Fragebogen durch ihr Verständnis von beruflicher Intelligenz mit einer Metapher grandios ergänzt: »Teamplaying ist, wenn fünf Füchse und ein Hase über das Abendessen abstimmen. Intelligenz ist, wenn der Hase bei der Abstimmung eine Schrotflinte in der Pfote hält.«

Liebe Leserinnen und Leser, in diesem Sinne werden Sie nach der Lektüre– symbolisch gesprochen– den Finger am Abzug haben! Das Gros der Befragten setzt aber nicht auf Attacke, sondern braucht Ermutigung, um Grenzen zu ziehen und sich klar und positiv zu positionieren. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Dieses Buch empfiehlt Ihnen nicht, hart, aber unfair zu werden, sondern es warnt Sie vor unfairen Kollegen und Chefs und macht deren Verhalten für Sie durchschaubar. Ganz nach dem Motto: »Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!« Um mit solchen Zeitgenossen zurechtzukommen, brauchen Sie eben ab und an eine gewisse Härte und ein dickes Fell im Job. Beides vermittelt Ihnen Hart, aber unfair. Aber versprechen Sie mir eines: Im Privatleben bleiben Sie einfühlsam, verzeihend und verständnisvoll. So kommen Sie im Job voran und bleiben im Privaten ein feiner Mensch. Besser geht’s wohl kaum!

Hart, aber unfair gliedert sich in zehn Kapitel, die Ihnen im Umgang mit fiesen Kollegen, bissigen Vorgesetzten oder elenden Wichtigtuern eine Menge Handwerkszeug reichen.1 Denn diese Leute ticken nach speziellen Regeln und Sie können mit diesen Regeln authentisch bis strategisch umgehen (lernen)– oder weiterhin in jede Falle und jedes Fettnäpfchen treten. Was ist Ihnen lieber? In diesem Buch erfahren Sie, wie weit Sie sich auf schwierige Berufssituationen einlassen sollten und welches Echo Sie mit Ihrem Verhalten zu erwarten haben. Die Sozialisationstheorie2 nennt dieses Phänomen die Invarianz der Sequenz. Das heißt, Sie durchlaufen mit dem Studium dieses Buchs einen Erkenntnisprozess, der unumkehrbar ist. Nicht dass Sie sich an die Empfehlungen dieses Buchs halten müssen– aber Sie werden sie auch nicht mehr ignorieren können. (Oder hätte ich Ihnen das erst am Ende des Buchs verraten sollen? Nein, Sie sollen schon wissen, worauf Sie sich hier mit mir einlassen…) Kognitionspsychologisch spricht man von der hierarchischen Präferenz, nach der wir Menschen immer eine Problem- oder Konfliktlösung auf höchstmöglichem Niveau anstreben.3Hart, aber unfair wird einen Beitrag zu dieser Erhöhung leisten können. Sie werden sehen: Beim Lesen werden Ihnen immer wieder Begegnungen mit Kollegen, Chefs und Wichtigtuern einfallen, die Sie nun in einem anderen, womöglich klareren Licht sehen. Mit dem Aggro-Wissen werden Sie antizipativ reagieren können und sind damit bestens vor bösen Überraschungen gefeit, denn Ihre neuen Kenntnisse machen Ihr Berufsleben in gewisser Weise berechenbar.

Mit Hart, aber unfair haben Sie sich bei einem Crashkurs eingeschrieben, der bisher eher Führungskräften vorbehalten war. Wer mein Buch Peperoni-Strategie kennt, wird einiges wiedererkennen. Jetzt konzentriere ich mich aber auf die Arbeitnehmer, die oft genug mit bissigen Chefs und fiesen Kollegen konfrontiert sind. Ihnen möchte ich das komprimierte Einmaleins der Spielregeln im Berufsleben mit auf den Weg geben. Kennen Sie es in- und auswendig, sind Sie stark! Wenn nicht, sind Sie zu schwach!

Nehmen wir zum Beispiel Silvia Steigmann, Teamleiterin im Vertrieb. Sie weiß genau, wie der Hase läuft. Dementsprechend weiß sie auch, was sie nicht will– und das macht sie mit ihrem Kommentar auf meinem Aggro-Fragebogen unmissverständlich klar: »Ich beantworte Ihren Fragebogen nicht, weil ich gemein bin! Ihre hirnlose Fragerei stiehlt mir nur die Zeit. Stecken Sie sich Ihre Aggressionen sonst wohin, wenn Sie nicht wissen, wohin, kann ich Ihnen gerne helfen. Ich bin nämlich hilfsbereit!« An bissigem Humor mangelt es dieser Frau nicht. Ganz im Gegenteil, hier könnte sogar eine geringere Dosierung angesagt sein. Andererseits arbeitet sie im Vertrieb und da gelten eben rauere Sitten und Gesetze. So bat mich zum Beispiel der Veranstalter eines Vertriebsmeetings, der mich zu einem Vortrag zum Thema »Wie viel Biss brauchen wir und wann gehen wir zu weit?« einlud: »Ich habe Ihren Vortrag schon einmal gehört. Deswegen lade ich Sie zu uns ein. Nur eine Bitte: Lassen Sie die Ethikcharts in Ihrer Präsentation weg. Das bringt die Leute hier nur durcheinander.« Noch Fragen?

Ein ethikfreies Arbeiten propagiert Hart, aber unfair gewiss nicht. Aber es will Sie ermutigen, auch einmal aggro zu agieren oder reagieren, sofern es beruflich angemessen ist. Simone Lerche, Teammitglied einer Elektrofirma bei Würzburg, formuliert das so: »Mein Wunsch ist, meinen Standpunkt länger im Gespräch halten zu können, weniger kompromissbereit zu sein und vor allem keine Abschweifungen auf Nebenschauplätze zuzulassen.« Und Christoph Sellner, stellvertretender Projektleiter eines norddeutschen Autozulieferers, erkennt: »Mir fehlt es schlicht am ›Standing‹, ich knicke einfach zu schnell ein.« Beiden kann geholfen werden. Dabei gilt: Je angenehmer Ihr Arbeitsplatz, je netter und verständnisvoller Ihr berufliches Umfeld ist, desto seltener werden konfliktreiche Auseinandersetzungen für Sie ein Thema sein. Gott sei Dank. Damit es angenehm bleibt, sollte Ihr Umfeld allerdings wissen, dass Sie auch anders können, wenn Sie es wollen beziehungsweise wenn man Sie herausfordert. In dem Fall sind Sie:

nicht nur nett, sondern auch nüchtern

nicht nur liebenswert, sondern auch reserviert

nicht nur hilfsbereit, sondern auch Leistungen einfordernd

nicht nur ja-sagend, sondern auch kritisch rückmeldend

Im Grunde folgt Hart, aber unfair dem pragmatischen Motto: »Realität ist, wo man durch muss.«4 Mitbringen müssen Sie jetzt nur noch Ihre professionelle Qualität, eben Ihr spezifisches berufliches Know-how, und das haben Sie. Ich unterstelle einfach, dass Sie seriös auf Ihrem Gebiet agieren. Sie kennen sich aus. Sie zählen nicht zu den »drei apokalyptischen F: Faulheit, Feigheit und Fantasielosigkeit«5, denn bei fehlender fachlicher Qualität hilft kein Coaching der Welt. Es ist mein Ziel, Ihr kultiviert angemessenes, nicht die Menschenwürde verletzendes Maß an positiver Aggression zu steigern.

Abschied vom Duckmäusertum: Halten Sie den Kopf aus dem Fenster und genießen Sie den Gegenwind!

Über Schäfchen-Typen, das Paradoxon der Macht und aktiven Opferschutz

Sind Sie ein Schäfchen-Typ?

Ein Schäfchen-Typ ist jener Mitarbeiter, der klaglos schuftet und Karriere- oder Gehaltswünsche so zaghaft formuliert, dass man ihn geflissentlich überhört. Er ist ein hervorragender Zuarbeiter, der exzellent in der dritten Reihe postiert ist und gerne mit Arbeit überhäuft wird, weil er eine Eigenschaft hat, die fiese Kollegen und Chefs insgeheim Freudentänze aufführen lässt: Er kann einfach nicht Nein sagen. Perfekt, oder? Bestimmt kennen auch Sie solche netten Kollegen und schätzen ihr Engagement, ihr liebenswertes Auftreten, ihre Unaufdringlichkeit. Womöglich sind Sie selbst so ein übertrieben netter Mensch? Finden Sie es heraus: mit dem Schäfchen-Test!

Hat man Sie schon ungebeten ins kalte Wasser geschmissen?

Lädt man bei Ihnen gerne Zusatzarbeit ab, weil man von Ihnen wenig Widerstand erwartet?

Betrachtet man Ihre Mehrarbeit als selbstverständlich und nicht anerkennenswert?

»Vergisst« man einfach, sich bei Ihnen zu revanchieren und sich für Ihre Hilfe zu bedanken? Sonst würden Sie ja am Ende noch merken, dass Ihre Hilfsbereitschaft nicht selbstverständlich ist.

Übergeht man Sie bei Gehaltsverhandlungen oder interessanten Aufgaben, weil man Klagen oder juristische Prüfungen von Ihnen nie erwarten würde und daher lieber bestimmte Störenfriede mit diesen Bonbons ruhigstellt?

Nutzt man aus, dass Sie einfach ein feiner, verständnisvoller, netter Mensch sind, der das Herz am rechten Fleck hat?

Wie viele Fragen haben Sie mit Ja beantwortet? Mehr als eine? Dann lesen Sie unbedingt weiter, denn etwas mehr aggro im Beruf schadet Ihnen garantiert nicht!

Warum Sie sich von Ihrem Schäfchen-Dasein verabschieden sollten, fragen Sie? Ganz einfach: um sich selbst zu schützen. Klar, nette Mitarbeiter und Kollegen sind im Umgang sehr angenehm– und dennoch empfinde ich persönlich manchem Netten gegenüber eine Art Fürsorgepflicht, weil leicht zu erkennen ist, dass diese Freundlichkeit schnell ausgenutzt werden kann. Manche Schäfchen-Typen sind häufig so selbstlos freundlich, dass sie innerlich ausbrennen. Sie geben viel mehr, als sie zurückbekommen, und dieses Ungleichgewicht führt schneller in den Burn-out, als man denkt. Das hat niemand verdient, schon gar nicht feine, sich nicht in den Vordergrund drängende Menschen wie Sie. Statt Burn-out favorisiert dieses Buch das Burn-on-Prinzip und spricht damit seinem Erfinder Prof. Dr. Georg Schürgers6, Mediziner an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, aus der Seele. Er möchte Eigenverantwortung fördern, auf Stärken hinweisen, Anerkennung ermöglichen und humorvolle Distanzierung als Form der Betrachtung der Berufswelt nutzen. Humorvolle Distanz ist etwas Wunderbares, denn man nimmt sich selbst, aber vor allem die anderen nicht ganz so ernst und relativiert auf diese Weise manches Elend, das einen sonst vor Ärger nächtelang um den Schlaf bringen könnte. In diesem Sinne wird Hart, aber unfair Sie davor schützen, im Berufsleben in die Opferrolle zu rutschen. Für die zu Freundlichen in der Berufswelt ist das vorliegende Buch ein Gesundheits- beziehungsweise Präventionsratgeber, denn es macht unangenehme Gespräche und Verhaltensweisen von Kolleginnen und Vorgesetzten transparent. Kriminologisch gesprochen holt es berufliche Unfairness vom Dunkelfeld ins Hellfeld.

Die deutsche, schweizerische und österreichische Berufswelt hat dafür einen wahren anglo-amerikanischen Satz parat: »They take kindness for weakness.« Zu viel Freundlichkeit und Nettigkeit wird in der westlichen Welt leider häufig als Schwäche interpretiert: Diese sogenannten Nice Guys (= Schäfchen-Typen) haben es laut Nir Halevy, Forscher an der Stanford University, im Job schwerer:7 »Die netten Kerle schaffen es nicht an die Spitze, wenn ihre Gruppe einen dominanten Führer braucht, der sie in Zeiten des Konflikts leiten soll.« Die Ergebnisse der Studie an der Stanford University stützen sich auf spielerische Experimente: Die Teilnehmer bekamen jeweils 10 Chips im Wert von 20 Dollar. Diese konnten sie behalten oder in einen gemeinsamen Topf für die Gruppe einzahlen. Das Teilen kam entweder nur der eigenen Gruppe zugute– oder schadete gleichzeitig allen Teilnehmern einer zweiten Gruppe.

Die Spieler wurden nach dem Experiment befragt und es stellte sich heraus:

Wer seine Chips egoistisch für sich behält oder beim Einzahlen in den Topf die bewusste Schädigung der anderen Gruppe in Kauf nimmt, gilt bei den anderen zwar als unangenehm, wird aber als dominant wahrgenommen.

Wer seine Chips mit der eigenen Gruppe teilt, ohne der anderen Gruppe zu schaden, gewinnt zwar die Herzen und Sympathien der Gruppe, aber auf der Dominanzskala schafft er es nicht weit nach oben.

Wer total uneigennützig und bereitwillig sein Chips-Vermögen mit beiden Gruppen teilt, gilt hingegen in den Augen der Mitspieler weder als besonders angenehm noch als dominant.

Zum Schluss sollten die Teilnehmer noch einen Anführer für einen Wettbewerb mit der Konkurrenzgruppe wählen. Die Dominanten erhielten die meisten Stimmen, nicht etwa die Großzügigen, Sympathischen. Was lernen wir daraus? Wer immer nur nett ist, schafft es selten bis an die Spitze der Hackordnung, setzt sich also nicht durch. In unzähligen Mitarbeiterseminaren, die ich seit 1994 im deutschsprachigen Raum gebe, habe ich ein ähnliches Experiment– das Stanford-Experiment war mir zur damaligen Zeit gar nicht bekannt– immer wieder durchgeführt. Stets mit den von Nir Halevy beschriebenen Ergebnissen. Die Fragestellung in meinen Workshops lautete: »Sie haben ein Berufsproblem, das Ihnen zu kippen droht und das Sie nur noch mit Biss und Durchsetzungsstärke lösen können. Wen aus der Gruppe der Teilnehmer wählen Sie sich zum Verhandlungspartner und Mitspieler und wen möchten Sie auf keinen Fall bei der Problemlösung dabeihaben?« Bei dieser Kraftfeldanalyse (Force-Field-Analysis) wurden durchgängig die Durchsetzungsstarken gewählt, die gleichzeitig den Eindruck vermittelten, ihre Mitspieler nicht überrollen zu wollen. Diejenigen, die bereit waren, ihre Power in den Dienst der Sache zu stellen. Diejenigen, so meine Formulierung, die »solidarische Stärke« ausstrahlen. Die nur netten Teilnehmer wurden dagegen links liegen gelassen.

Die Psychologie spricht vom Paradoxon der Macht. Es beschreibt, wie sich Menschen durch ein Mehr an Einfluss verändern: »Eigentlich wird niemand befördert, weil er besonders unfreundlich, herrschsüchtig und rücksichtslos ist. Doch anstatt integer zu bleiben, werden sie in der neuen Position unzugänglich und entdecken ihre herrische Ader. Hinter sachlicher Kritik wittern sie den Versuch der Demontage. Fähige Mitarbeiter werden als Konkurrenten wahrgenommen. Den Olymp der eigenen Macht sichern wird zum Tagesgeschäft.«8 Einfach formuliert: Chefs jeder Couleur leiden unter der Angst der Machtbeschneidung.

Für Berufstätige bedeutet das: Wenn Sie Ihrem Chef oder Ihrer Chefin diese Beschneidungsangst nehmen, liegt er oder sie Ihnen im besten Fall zu Füßen, im schlechtesten Fall werden Ihre Karrierepfade zumindest nicht gestört. Wie das geht? Ganz einfach: Stimmen Sie grundsätzlich all Ihr Handeln, das den Chefradius berühren könnte, vorab informell unter vier Augen mit ihm ab. Holen Sie sich einfach sein Okay– und zwar so lange, bis sie zu hören bekommen: »Sie brauchen nicht immer vorher Bescheid zu sagen, Sie machen das schon!«Erst jetzt steht das Vertrauensverhältnis, die Beschneidungsangst des Chefs schwindet. »Das ist ja anbiedernd«, entgegnet mir Peer Lahr, Berufsanfänger im niedersächsischen Handel, trotzig bei einem meiner Seminare. Seine Meinung ist durchaus nachvollziehbar, ignoriert aber eine wichtige Vorgesetztenregel: Je statushöher und machtvoller der Vorgesetzte ist, desto größer ist seine Beschneidungsangst und desto überempfindlicher seine Reaktion, wenn etwas nicht mit ihm abgestimmt wird. Was passiert in dem Fall? Nun, beim Chef wächst langsam, aber sicher die Befürchtung, die Kontrolle zu verlieren, und dieses Gefühl steigert sich manchmal bis hin zur Panik, den Laden gar nicht mehr im Griff zu haben. Für die Auslösung solcher Panikattacken sind Sie bestenfalls nie verantwortlich! Denn diese Panik kann sich beim Chef bis zur Existenzbedrohung auswachsen: Er befürchtet, seine Führungsposition und damit das respektable Gehalt zu verlieren. Das hat in der Logik der besser verdienenden Vorgesetzten– egal ob männlich oder weiblich– die finale Konsequenz, dass die schöne Immobilie, die tollen Reisen und der komfortable Wagen auf dem Spiel stehen, dass am Ende vielleicht sogar Arbeitslosigkeit droht! Behalten Sie diese Logik der depressiven Kettenreaktion unbedingt im Gedächtnis, denn sie jagt in Sekundenschnelle durch das Chefhirn– und das nur, weil Sie sich nicht ordentlich abstimmen können oder wollen. Wollen Sie das riskieren?

Peer Lahr, der das Abstimmen mit dem Chef– zumindest bisher– für völlig übertrieben und viel zu aufwändig hielt, hat es riskiert, was bittere Konsequenzen für ihn hatte: Eine nicht abgestimmte Kleinigkeit gegenüber einem Kunden brachte ihm riesigen Ärger mit seinem Chef ein, mitsamt dem Hinweis, dass die Verlängerung seines befristeten Vertrags kein Selbstläufer sei. Peer verstand die Welt nicht mehr: »Ich bin doch viel zu unwichtig, als dass mein Chef so reagieren müsste.« Weit gefehlt, lieber Peer, umgekehrt wird in der Cheflogik ein Schuh daraus: »Wenn schon der junge Herr Lahr sich nicht abstimmt, was werden sich dann wohl die anderen, wichtigeren Kollegen in Zukunft herausnehmen?«, denkt der Vorgesetzte und bekommt kurz Schnappatmung. Um solchem Ungehorsam vorzubeugen, gab es für Peer daher vorsorglich die Breitseite.

Naive Nice Guys, die diese Cheflogik ignorieren, lassen sich auch schnell in die Schäfchen-Rolle drängen. Diese Rolle beinhaltet ein berufliches Schuldgefühl, weil Kollegen und Vorgesetzte einem einreden, man sei nicht gut genug, nicht schnell genug, nicht helle genug und nicht gründlich genug. Kurz und gut, es wird einem Schuld suggeriert an vielem, wenn nicht an allem, was in der Abteilung schiefläuft: Waren Sie an einer Fehlentwicklung beteiligt, sind Sie natürlich schuld– und waren Sie nicht beteiligt, haben Sie die Fehlentwicklung nicht verhindern können und sind demnach auch schuld. Wie man’s macht, ist es dann verkehrt. Sie werden Opfer der klassischen Lose-lose-Situation. Solche Schuldzuschreibungen können so subtil von Kollegen und Chefs gefördert werden, dass sich Schäfchen-Mitarbeiter bereits schuldig fühlen, bevor überhaupt jemand Kritik geäußert hat! Diesem vorauseilenden Gehorsam kann und will Hart, aber unfair entgegensteuern. Sie werden gecoacht:

Sie erkennen, wo Sie ins offene Messer rennen. Bisher sehen Sie die Gefahr vielleicht nicht immer rechtzeitig, weil Sie gar nicht so negativ denken mögen.

Sie erkennen, dass Ihre neuen Aufgaben nicht zu bewältigen sind. Bislang bemerken Sie das vielleicht erst sehr spät, weil Sie sich gar nicht vorstellen können, dass jemand absichtlich Arbeiten so ungerecht verteilt.

Sie erkennen, dass man Ihre Schwäche, Nein zu sagen, schamlos ausnutzt. Bisher wollten Sie das womöglich nicht glauben, weil Hilfsbereitschaft für Sie Teamfähigkeit bedeutet und ganz oben auf Ihrer Werteskala steht.

Sie erkennen, dass Ihr Fleiß und Ihr Verantwortungsgefühl Sie langsam, aber sicher in den Burn-out treiben. Vielleicht ahnen Sie es schon, mögen es sich aber noch nicht so recht eingestehen.

Ob Sie dieses Coaching im Beruf einsetzen oder nicht, bleibt natürlich Ihnen überlassen. Hart, aber unfair ermöglicht Ihnen jedenfalls den Abschied vom Duckmäusertum– wenn Sie wollen. Sie haben den Segen, sich durchsetzen zu dürfen. Sie können sich aktiv davor schützen, übervorteilt zu werden, und Sie fördern Ihr seismografisches Gespür für drohenden Ärger!

Sybille Satyr, Abteilungsleiterin im Drogeriebereich, geht dieser Gedanke aber schon zu weit: »Dann bekommt unser Vorgesetzter ja Angst. Das will ich nicht!« Da liegt sie aber falsch: Der Abschied vom vorauseilenden Gehorsam löst keine Angst bei Vorgesetzten aus, sondern fördert– ganz im Gegenteil– deren Respekt Ihnen gegenüber. Probieren Sie es dosiert aus und steigern Sie die Dosis behutsam. Sie werden schnell das richtige Gespür entwickeln. Sybille Satyr möchte dieser Empfehlung dennoch nicht folgen: »Was nutzt es als ein lieber Mensch, solche Empfehlungen zu lesen. Ich sag’ mir ›Ach, egal, lass den Einsatz, das kostet doch nur eine Menge Energie, die ich wegen dieses Idioten aufbringen muss. Soll er doch so sein, wie er ist, wenn er’s nötig hat…‹« Was soll ich sagen: Manche Leute sind eben einfach zu nett für diese (Berufs-)Welt. Sybille Satyr ist in dem Sinne leider ein verlorener Fall und ich muss ihr an diesem Punkt einfach widersprechen. Fakt ist: Ein bisschen mehr aggro bringt jede Menge, vor allem Selbstachtung. Darüber hinaus fördert diese Grundeinstellung die Gesundheit– weil man nicht mehr alles in sich hineinfrisst–, bringt einen Zuwachs an Stärke, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Und das tut einfach gut. Ich kann Sie nur dazu ermutigen: Trauen Sie sich, aggro zu sein!

Sie sind skeptisch? Sie glauben, Sie haben das nicht drauf, Sie können nicht aggro sein, nicht lernen, sich besser durchzusetzen? Aus meiner zehnjährigen sozialpädagogisch-kriminologischen Arbeit mit Gewalttätern in Deutschland und den USA weiß ich, wie viel Veränderung zum Guten im Menschen möglich ist: Bei Körperverletzern, also Menschen, die viel zu viel destruktive Aggression ausleben, kann das brutale Verhalten signifikant heruntergefahren werden.9 Die Voraussetzungen für solche Persönlichkeitsentwicklungen, also die Aggressionssteigerung bei den zu Netten sowie die Aggressionssenkung bei den zu Destruktiven, sind dabei identisch. Beide Gruppen brauchen intrinsische Motivation, den inneren Wunsch, sich im guten Sinne verändern zu wollen. Diese Änderung soll mit Neugier und Freude geschehen. Sie soll weder unter- noch überfordern.10 Die Entwicklungspsychologie formuliert dazu passend: Sozialisation ist ein lebenslanger Prozess, das heißt, wir hören nie auf zu wachsen– wir müssen es nur zulassen. Das kann Hoffnungen wecken, selbst bei extrem aggressiven Menschen11, deren Einstellungen einen zunächst fassungslos machen.

Umkrempeln ist möglich– bei jedem!

Als ich in der niedersächsischen Justiz mit dem Anti-Aggressivitäts-Training Gewalttäter behandelte, begegnete ich dem 22-jährigen Michael Haller. Sein damaliger Berufswunsch: Söldner. Sein Inhaftierungsgrund: versuchter Totschlag mit einem Baseballschläger, den sein Opfer nur knapp überlebte. Die Schlagwirkung des Baseballschlägers hatte Michael Haller zuvor an Tieren erprobt, »um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen. Ich will ja niemanden versehentlich töten«, so seine perfide Logik des Bösen. Und nun wäre es bei seinem Opfer doch um ein Haar schiefgegangen. Ist Haller wegen seiner extremen Aggressivität ein hoffnungsloser Fall? Nein. Seine tatkonfrontative Behandlung führte über eine sechs Monate andauernde Einmassierung des Opferleids in seine verrohte Seele.12 Michael Haller kam dadurch irgendwann ins Grübeln. »Wenn ich mir das Leid meiner Opfer heute anschaue, verliere ich den Spaß an der Gewalt«, so seine Selbsterkenntnis. Er schwor der Gewalt ab und veränderte sich zum Guten.

Diese Einstellungs- und Verhaltensänderung gelang ihm, weil er sich intrinsisch motiviert dafür entschied, zukünftig ein gesellschaftskonformes Leben zu führen. Fast 20 Jahre nach seiner Behandlung schickte er mir folgende Mail: »Hallo Jens, ich habe ein Bild von dir im Netz gesehen. Hoffe, du weißt noch, wer ich bin. Ex-Schläger mit guter Behandlungsbeurteilung. Das letzte Mal, dass wir telefoniert haben, ist ewig her. Ich bin übrigens seit 5 Monaten in Südamerika. Wir bauen hier ein Stahlwerk auf einer der größten Baustellen der Welt. Mein Job hier ist Stahlbauinspektor. Ich beaufsichtige die Arbeiten in der Nachtschicht. Mein Leben hat sich radikal geändert. Ich habe eine Familie, ein altes Haus mit Ostseeblick. Hat es bei dir in Hamburg eigentlich zum Elb-Blick gereicht? (Nein, Anm. d. Verfassers) Ich hoffe, es geht dir gut.« Vom Schläger zur Bauaufsicht– eine hoffnungsvolle Entwicklung. Michael Haller münzte seine ehemals kriminelle Energie ins Nachtschicht-Controlling um. Nachtaktiv war er ja schon immer. Ihm gelang damit die Umsetzung aggressiver Energie in kulturell-wirtschaftliche Leistung.

Warum erzähle ich Ihnen das? Nun, weil Michael Hallers Neupositionierung uns allen Hoffnung machen kann: Wenn ihm der Wandel zum Guten gelingen konnte, dann sollte Ihre umgekehrte Neupositionierung vom zu hilfsbereiten hin zum liebenswert-bissigen Kollegen ein Kinderspiel sein, oder? Hart, aber unfair greift Ihnen dabei gerne unter die Arme. Dabei geht es aber nicht um die Veränderung Ihres Wesens, keine Sorge. Nein, Sie sollen auf jeden Fall so bleiben, wie Sie sind, nämlich ein feiner Mensch! Nur punktuell, wenn es beruflich nötig ist, sollen Sie in Zukunft gezielt Gas geben, Gegenwehr leisten und kluge Schachzüge initiieren. Lernen Sie,

wie Sie beruflichen Ärger antizipieren und rechtzeitig darauf reagieren,

wie Sie wichtige Verbündete finden und Gegenspieler auf Distanz halten,

welche Strategien im Umgang mit Nervensägen, Blendern, Verrücktmachern, Intriganten und Flip-Floppern, also Kollegen und Chefs, die ihr Fähnlein ständig nach dem Wind hängen, helfen,

was Sie tun müssen, um in der Firma gehört und ernst genommen zu werden und damit niemand Ihre guten Ideen klaut,

wie Sie ein starkes Beziehungsnetzwerk aufbauen, das Ihnen in schlechten Zeiten zur Seite stehen wird,

wie Sie dafür sorgen, dass die wichtigen Leute in Ihrem Umfeld Ihre Stärken erkennen und zu schätzen wissen.

Bei alldem kann eine Portion Humor nicht schaden, denn das Thema ist zu ernst, um es staubtrocken abzuhandeln. Es geht darum, lächelnd die Wahrheit zu sagen: Ridendo dicere verum, sagt der Lateiner. Sie treten damit in Goethes Fußstapfen, dessen Mephisto– im Zwiegespräch mit Gott– feinsinnig über die menschlichen Schattenseiten philosophiert:

»Ein wenig besser würd’ er leben

Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;

Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein,

nur tierischer als jedes Tier zu sein.«

Mephistos Fokus beleuchtet die Schattenseiten der menschlichen Existenz, so wie Hart, aber unfair die Schattenseiten des Berufslebens ausleuchtet. Auf das, was Sie dann sehen, können Sie mithilfe dieses Buches pfiffig reagieren. Die dunkleren Seiten würde es nicht geben, wären alle immer teamfähig, nachhaltig, win-win-orientiert und von Kants Kategorischem Imperativ geprägt: »Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.«13 Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem andern zu, sagt der Volksmund zu dem Thema. Aber es verhalten sich nicht alle immer politisch korrekt, denn die »political correctness erschwert und belastet das Alltagsleben, weil ihre Gebote nicht wirklich expliziert werden (…) Keiner weiß genau, was politisch korrekt ist, aber jeder fühlt sich verpflichtet, dementsprechend zu handeln.«14 Oder besser gesagt: fast jeder!

Würden sich alle im Berufsleben an ein faires Miteinander halten, wäre dieses Buch total überflüssig. Tun sie aber nicht! Dies belegen zum einen die beantworteten Aggro-Fragebögen sowie die unzähligen Gespräche, die ich mit Berufstätigen aus unterschiedlichen Positionen, Firmen und Institutionen zu diesem Thema führen konnte: am Gottlieb Duttweiler Institut für Wirtschaft und Gesellschaft in Zürich, bei Daimler in Stuttgart, am Forum Institut in Heidelberg, am Schranner Negotiation Institute in Zürich, beim Unternehmen Erfolg in München, beim London Speaker Bureau Germany sowie einer Vielzahl von firmeninternen Veranstaltungen. Zum anderen wissen wir das alle aus leidlicher alltäglicher Erfahrung mit unfairen Kollegen, bissigen Vorgesetzten und anderen Wichtigtuern.

Hart, aber unfair setzt auf aktiven Opferschutz: Das Buch erfüllt sozialethische Maßstäbe, weil es Machtinteraktionen und Herrschaftswissen transparent und damit letztlich überflüssig macht. Machtspiele machen wenig Sinn, wenn Sie die Spielregeln durchschauen. Arne Storn, Wirtschaftsredakteur bei der Zeit, bringt es in seinem Artikel auf den Punkt: Der Einzelne verliert im Strudel der Machtspiele »den Anstand, die Gesellschaft die Moral– und die Wirtschaft an Wohlstand«.15 Wer den kooperativen und fairen Entwürfen des Managementdenkers Reinhard Sprenger16 von einer entbürokratisierten und qualitätsorientierten Berufswelt folgen möchte– und ich hoffe, das sind die allermeisten Leser–, sollte gleichzeitig die hier beschriebenen Schattenseiten des Arbeitslebens im Hinterkopf behalten. Er wird dann nicht über das Unangenehme– oder mit Nietzsche gesprochen »Allzumenschliche«– überrascht sein!

Was Sie lernen sollen

Sie sollen, bayerisch formuliert, mit den Hinterfotzigkeiten des Berufslebens vertraut werden. Nicht um sie zu praktizieren, sondern um sie frühzeitig zu durchschauen. Beate Lippert, Versicherungsangestellte, wurde zu diesen Überlegungen sogar von ihrer Chefin angestoßen, die sie in eines meiner Seminare schickte: »Ich weiß gar nicht, welche Aggressionsformen ich brauche. Mir gibt es nur zu denken, dass mich meine Chefin gebeten hat, mich dem Thema stärker zu widmen, da sie möchte, dass ich ihr auch bei unangenehmen Aufgaben zukünftig stärker zur Seite stehe.« Diese Initiative zeigt: Die Chefin glaubt an die Ausbaufähigkeit von Beate Lipperts Potenzial! Auch weil Lipperts Potenzial sie zukünftig entlasten soll, indem sie Schwieriges und Nervenaufreibendes an sie delegiert. Potenzialförderung bei Beate Lippert führt so zur Entlastung der Chefin und zu ihrer eigenen Aufstiegsförderung.

Sie sollen nie wieder auf die beliebtesten Gemeinheiten hereinfallen. Wenn man Ihnen zum Beispiel die hoffnungslosesten Projekte als »innovative Chance« verkaufen will, obwohl jedem im Vorfeld klar ist, dass man daran nur scheitern kann. Oder man Ihnen ausgerechnet den Kunden zur Betreuung nahelegt, von dem alle anderen– nur Sie nicht– wissen, dass der nicht zu betreuen ist, weil er zu den psychischen Grenzfällen zählt.

Sie sollen sich zukünftig mit einem Grundmisstrauen (die Wissenschaft spricht von pessimistischer Anthropologie) durch die Arbeitswelt bewegen. Bleiben Sie dabei aber stets offen, sich vom positiven Gegenteil überzeugen zu lassen. Sie sollen also in Zukunft Ihre Kolleginnen und Vorgesetzten nach ihrem Handeln und nicht nach ihrem Gerede beurteilen, auch wenn sie Ihnen noch so viel Honig um den Bart schmieren.

Sind Sie bereit für ein bisschen mehr aggro? Alles klar, legen wir los! Ob Sie nach der Lektüre und den Übungen schon über einen ausreichenden Aggro-Faktor verfügen, erfahren Sie mit dem Aggro-Test am Ende des Buchs. Diesen können Sie natürlich immer mal wieder durchführen, um zu sehen, was sich in puncto Aggro-Faktor bei Ihnen getan hat.