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Grace ist eine scheue Wölfin. Da beginnt ihr der Mann den Hof zu machen, von dem sie nie geglaubt hätte, dass sie seine Seelengefährtin sein könnte, denn der Leutnant der SnowDancer ist berüchtigt, ein gefährlicher Draufgänger zu sein. Die Novelle erscheint außerdem in der Anthologie "Geheime Versuchung".
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Seitenzahl: 152
NALINI SINGH
Ins Deutsche übertragen von
Nora Lachmann
Über dieses Buch
Grace ist eine scheue Wölfin. Da beginnt ihr der Mann den Hof zu machen, von dem sie nie geglaubt hätte, dass sie seine Seelengefährtin sein könnte, denn der Leutnant der SnowDancer ist berüchtigt, ein gefährlicher Draufgänger zu sein.
Cooper hatte sich gut benommen.
Sehr gut sogar.
Besser als jemals zuvor in seinem Leben.
Über sechs Monate hatte er sich von der neuen, unglaublich erotischen Ingenieurin ferngehalten. Sechs Monate! Ihm war es wie ein Jahrzehnt vorgekommen. Ein dominanter Raubtiergestaltwandler war nicht gerade geduldig, wenn er sich einmal für eine Frau entschieden hatte, doch die Umstände erforderten Geduld, und das lange Warten hatte den Wolf in ihm ganz wild gemacht.
Instinktiv sprang er auf ihre weiblichen Formen und das ebenholzfarbene Haar an; nur zu gerne hätte er die Hände in ihrem Haar vergraben und mit den Zähnen ein Zeichen auf der weißen, vollkommenen Haut hinterlassen. Sein Wolf war völlig einer Meinung mit ihm. Beide Hälften wollten die Frau in Besitz nehmen, wollten jeden Zweifel ausräumen, dass sie ihm gehörte.
Doch Cooper biss die Zähne zusammen und unterdrückte den Impuls. Als Offizier trug er die Verantwortung für das kleine Rudel SnowDancer-Wölfe im Norden der San-Gabriel-Berge, und Grace stand unter seinem Schutz. Wäre sie eine der dominanten Wölfinnen gewesen, hätte sein Rang ihn nicht aufgehalten, doch sie gehörte zu den unterwürfigen Gefährten im Rudel. Cooper wusste natürlich, dass auch diese nicht automatisch den Befehlen der dominanten folgten, doch waren Urinstinkte im Spiel.
Außerdem war Grace noch sehr verletzlich, weil sie gerade erst zur Höhle gestoßen war. Er musste warten, bis sie Freunde gefunden und genügend Unterstützung hatte, um ihn abweisen zu können, falls seine Werbung ihr nicht willkommen war.
Bei diesem Gedanken spürte er die Krallen innen an den Fingerspitzen, obwohl Mann und Wolf sich natürlich zurückziehen mussten, falls sie ihn zurückwies. Und zwar augenblicklich. Eine dominante Frau rannte zwar manchmal davon, weil es der wilden Wölfin in ihr Spaß machte, gejagt zu werden, doch wenn eine unterwürfige Wölfin weglief, wollte sie einfach nur dem Mann entkommen.
Lauf bloß nicht weg, Liebes, dachte Cooper. Ich beiße nur ein bisschen. Was nicht ganz stimmte, doch er war fest entschlossen, sich weiterhin gut zu benehmen, bis sie genug Vertrauen gefasst hatte, um mit seinen aggressiven Impulsen umzugehen. »Hallo Grace«, sagte er und trat auf sie zu.
Graces Herz schlug sofort schneller, als sie die tiefe Stimme hörte, die ihre Sinne gleichermaßen beglückend und erschreckend reizte.
Nimm dich zusammen, Grace. Das ist doch lächerlich.
Schon seit dem ersten Tag in der Höhle, als Cooper sie hier willkommen geheißen hatte, sagte sie sich das immer wieder. Kein Wunder, dass ihr schon beim ersten Anblick des großen Wolfs der Atem gestockt hatte. Der Kerl war ein Aphrodisiakum auf zwei Beinen. Zum Glück waren sie nicht allein gewesen, sonst hätte sie wahrscheinlich schon damals etwas sehr Dummes getan.
Hätte sich ihm vielleicht an den Hals geworfen, obwohl sicherlich niemand ohne die ausdrückliche Erlaubnis zu Körperprivilegien es überhaupt wagen würde, ihn anzufassen.
Doch so gebannt sie auch war, es war ihr nicht entgangen, dass so etwas unmöglich war. Eine Paarung von dominanten und unterwürfigen Wölfen war zwar nicht unüblich, doch der Graben zwischen Cooper und ihr war zu tief. Sie befanden sich buchstäblich an den entgegengesetzten Enden ihrer Hierarchie — ihre Wölfin wusste genau, dass Cooper sie mit Leichtigkeit fressen und wieder ausspucken konnte.
Dennoch geriet ihr Körper jedes Mal in eine erwartungsvolle Spannung, wenn er sich ihr näherte.
»Hallo«, sagte sie und konzentrierte sich weiterhin auf die Heizung, neben der sie kniete.
Ganz ähnlich wie die Höhle in den San-Rafael-Bergen, in der sie ihre Jugend verbracht hatte, aber nicht so ausschließlich wie die Haupthöhle in der Sierra Nevada, war die Höhle in Fels gehauen und mit Steinmauern abgestützt. Die Tunnel waren breit, die Räume großzügig, doch unter der natürlichen Schönheit des mit glitzernden Mineralfäden durchzogenen Steins lagen hochkomplexe Technologien, für deren Instandhaltung Grace gemeinsam mit einigen anderen die Verantwortung trug.
»Ist ein wichtiges System ausgefallen?«, fragte sie, denn nur das konnte der Grund sein, warum Cooper sie persönlich aufsuchte. Da ihre beiden Vorgesetzten sich gerade auf Konferenzen aufhielten, war Grace allein für diese Arbeit zuständig. »Ich kann es mir sofort ansehen, das hier hat keine Eile.«
»Nein, es ist alles in Ordnung.« Cooper ließ sich neben ihr nieder und nahm sofort allen Raum ein.
Konzentriere dich, befahl sie sich, und versuchte, mit der digitalen Zange eine durchgeschmorte Röhre aus der Verankerung zu lösen ... doch instinktiv übernahm sie seinen Atemrhythmus, stand jeder Muskel unter Spannung.
»Wie läuft es in diesem Bereich?«, fragte er in einer Tonlage, die sie als »vorsichtig« einstufte.
Grace unterdrückte den selbstmörderischen Wunsch, Cooper etwas an den Kopf zu werfen. Ihre Stellung in der Hierarchie bestimmte nicht jede Facette ihrer Persönlichkeit. Wie alle anderen Ränge konnten auch Unterwürfige schüchtern oder extrovertiert, fröhlich oder traurig, sinnlich oder zurückhaltend sein. Grace war zwar im Vergleich zu den meisten ihrer Gefährten eher ruhig und schüchtern, doch laute Stimmen konnte sie gut verkraften — sie hatte sie reichlich bei zwei älteren dominanten Adoptivgeschwistern zu kosten bekommen, die das heftige Temperament ihres Vaters geerbt hatten.
»Mit der Überholung sind wir halb durch«, sagte sie und wünschte, er würde ihre Stellung vergessen und sie einfach als begehrenswerte Frau sehen.
Aber was würde sie dann tun?
Wahrscheinlich so schnell wie möglich davonlaufen.
Sie drückte die Zange zu fest zu und riss die Röhre fast entzwei. »Verdammt.« Mit brennenden Wangen streckte sie die Finger, holte tief Luft und zog sie vorsichtig heraus, während Cooper sie aufmerksam beobachtete. »Das war’s. Jetzt können wir das Zeug recyceln.«
»Ohne einen einzigen Kratzer. Beeindruckend.« Er griff nach der durchgebrannten Röhre. »Hast du die bestellten Sachen bekommen?«
Sie riss den Blick von seinen Händen los, ihre Wangen waren noch eine Spur heißer geworden, weil ungefragt Bilder in ihrem Kopf aufgetaucht waren von ebenjenen großen Händen, die köstlich rau auf ihrer Haut, auf ihren Brüsten lagen. Noch nie hatte sie so auf einen Mann reagiert. Warum nur gerade bei diesem einen, dessen schiere Anwesenheit ihrer Wölfin Unbehagen bereitete? Das Schicksal trieb grausame Scherze mit ihr.
»Ja«, bekam sie gerade noch als Antwort heraus. »Habe ich. Sind genauso gut wie beschrieben.« Ein leises Klicken; Cooper hatte die Röhre auf den Boden gelegt. Auch Grace legte die Zange aus der Hand und wollte —
»Grace.« Starke Finger hielten ihr Handgelenk fest.
Ihr Puls raste, als sie auf die braun gebrannte Hand blickte, die sich so warm anfühlte und deren Schwielen so sinnlich kratzten. Grace wusste nicht, was sie sagen sollte, denn das Blut rauschte ihr so laut in den Ohren, dass alles andere unterging.
»Grace.« Sanfter diesmal. Verführerisch. »Schau mich an.«
Sie schluckte und riskierte einen Blick. Die Wölfin in ihr war in Habtachtstellung. Wenn es ein Befehl gewesen wäre, hätte sie sofort gehorcht, denn Ungehorsam setzte die Wölfin zu sehr unter Stress. Grace war zwar Gestaltwandlerin und konnte sich eher widersetzen als eine wilde Wölfin, doch um sich dazu aufzuraffen, musste ihr das von ihr Verlangte im Innersten widerstreben.
Cooper hatte ihr nichts befohlen. Er hatte sie gebeten ... auf eine Weise, die sie innerlich zittern ließ. Nun sah sie in seine fast schwarzen Augen und blickte schnell wieder weg. Cooper tat nichts, wartete mit einer Geduld, die sie ihm nie zugetraut hätte. Sie hob die Lider wieder, und ihre Blicke trafen sich.
Wie ein Blitz schlug es bei ihrer Wölfin ein. Dem Blick eines Offiziers standzuhalten war für jeden Wolf kühn, doch für eine unterwürfige Wölfin lag es weit jenseits allen auch nur Vorstellbaren. Bei jeder anderen Gelegenheit hätte es sogar gefährlich sein können — dominante Rudelgefährten besaßen ebenso Instinkte. Wurde ein Blick als Herausforderung angesehen, konnte es böse enden. Die Tatsache, dass es meistens nur passierte, wenn beide Beteiligten in Wolfsgestalt waren, machte die Gefahr nicht geringer, unabsichtlich Aggressionen heraufzubeschwören.
Denn der Unterwürfige konnte den Kampf nicht gewinnen.
Coopers Daumen strich über ihren flatternden Puls. »So ist es gut.« Die leise Stimme war so zärtlich, dass sie sich ganz nackt fühlte und ungemein verletzlich.
Zitternd holte sie Luft, senkte den Blick und zog den Arm etwas zurück. Als Cooper fester zugriff, geriet ihr Herz aus dem Takt. Doch er ließ sie los, bevor es seinen Rhythmus wiedergefunden hatte. Unsicher, was das alles zu bedeuten hätte, griff sie nach einem Werkzeug, um ... irgendwas zu tun. Doch ihre Gedanken irrten ab, immer noch spürte sie einen heißen Ring um ihr Handgelenk. Deshalb arbeitete sie an nicht so wichtigen Stellen, wo Fehler später leichter wieder behoben werden konnten.
Cooper bewegte sich neben ihr. Er kam ein paar Zentimeter näher, doch das reichte, um ihre Wölfin in eine Mischung von Verlangen und Panik zu versetzen.
»Du hast nichts von mir zu befürchten, Grace.« Leise, fast zärtlich. »Wenn du willst, dass ich etwas nicht tue, brauchst du nur nein zu sagen. Einverstanden?«
Sie hob und senkte den Kopf, ihre Kehle war so ausgedörrt wie die Mojave-Wüste.
»Aber«, fuhr er fort, »ich gehe erst, wenn du es sagst. Denn ich werde um dich werben.«
Das Werkzeug entglitt den Fingern, als seien sie taub geworden, und fiel scheppernd zu Boden. Cooper hob es auf und legte es in den Werkzeugkasten. »Ich lasse dich jetzt weiterarbeiten ... aber ich komme bald wieder.« Damit erhob er sich und ging. Die kräftige Gestalt entfernte sich kraftvoll und beherrscht durch den engen Versorgungstunnel und verschwand schließlich in einem anderen Gang der Höhle.
Graces Brust schmerzte, so stark schlug ihr Herz, sie schnappte nach Luft und sank an der Mauer zu Boden. »Oh Gott. Ohgottohgott.« Ihre Brust hob und senkte sich schnell, als sie mehrmals tief Luft holte, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Es gelang ihr nicht.
Blind griff sie nach der Wasserflasche, setzte sie an und schluckte.
Doch auch die kühle Flüssigkeit konnte sie nicht beruhigen.
»Ich werde um dich werben.«
Nicht in ihren wildesten Fantasien hätte sie sich träumen lassen, dass Cooper je so etwas zu ihr sagen würde. Das höchste der Gefühle waren unergiebige erotische Tagträume, aus denen sie durchgeschwitzt und unbefriedigt wieder aufgetaucht war. Nackt hatten sie beisammengelegen, ihre Lippen an seiner Kehle, seine Hände auf ihren Hüften, um sie in Besitz zu nehmen. Im wirklichen Leben würde sie wahrscheinlich panisch reagieren, wenn sie unter ihm lag, weil ihre Wölfin sich sofort dem Raubtier in ihrem Bett unterwerfen würde, doch in ihren Fantasien spielte die harte Wirklichkeit der Hierarchie keine Rolle.
Wenn Cooper sie gebeten hätte, das Bett mit ihm zu teilen, hätten ihr die Träume eine Grundlage verschafft, in der sie einen, wenn auch flüchtigen Halt gefunden hätte. Doch ein Gestaltwandler wie Cooper sagte nicht »werben«, wenn er wollte, dass eine Frau mit ihm das Lager teilte, ob nun für eine Nacht oder länger. Nein, Cooper war es vollkommen ernst.
Der große, böse, gut aussehende Wolf wollte sie ganz haben.
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