1,99 €
"Pandora", ein dramatisches Festspiel von Johann Wolfgang von Goethe, blieb Fragment. Auf Bitten von Goethes Freunden Leo von Seckendorff und Joseph Ludwig Stoll (Schriftsteller, 1777–1815) zwischen November 1807 und Juni 1808 geschrieben, erschien das Stück in den ersten beiden Heften des Journals Prometheus 1807/1808. Pandora lag dann 1810 im Druck vor. Goethe hat die Fortsetzung des klassizistischen Stücks zugunsten der Wahlverwandtschaften ganz aufgegeben. Hephaistos, der Handwerker auf dem Olymp, formte die verführerische Frau Pandora (griechisch: die mit allen Gaben) auf Befehl des wütenden Zeus aus Ton. Epimetheus, der Sohn des Titanen Iapetos, musste die bild-schöne Frau heiraten – zur Strafe, weil sein Bruder Prometheus dem Zeus das Feuer gestohlen und den Menschen gebracht hatte. In Pandoras Käst-chen befand sich neben allen möglichen Schlechtigkeiten übrigens auch die Hoffnung.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 36
Johann Wolfgang von Goethe
Prometheus,
Epimetheus, Japetiden
Phileros, Prometheus’ Sohn
Elpore,
Epimeleia, Epimetheus’ Töchter
Eos
Pandora, Epimetheus’ Gattin
Dämonen
Helios
Schmiede
Hirten
Feldbauende
Krieger
Gewerbsleute
Winzer
Fischer
Der Schauplatz wird im großen Stil nach Poussinischer Weise gedacht.
Seite des Prometheus
Zu der Linken des Zuschauers Fels und Gebirg, aus dessen mächtigen Bänken und Massen natürliche und künstliche Höhlen neben- und übereinander gebildet sind, mit mannigfaltigen Pfaden und Steigen, welche sie verbinden. Einige dieser Höhlen sind wieder mit Felsstücken zugesetzt, andre mit Toren und Gattern verschlossen, alles roh und derb. Hier und da sieht man etwas regelmäßig Gemauertes, vorzüglich Unterstützung und künstliche Verbindung der Massen bezweckend, auch schon bequemere Wohnungen andeutend, doch ohne alle Symmetrie. Rankengewächse hangen herab; einzelne Büsche zeigen sich auf den Absätzen; höher hinauf verdichtet sich das Gesträuch, bis sich das Ganze in einen waldigen Gipfel endigt.
Seite des Epimetheus
Gegenüber zur Rechten ein ernstes Holzgebäude nach ältester Art und Konstruktion, mit Säulen von Baumstämmen und kaum gekanteten Gebälken und Gesimsen. In der Vorhalle sieht man eine Ruhestätte mit Fellen und Teppichen. Neben dem Hauptgebäude, gegen den Hintergrund, kleinere ähnliche Wohnungen mit vielfachen Anstalten von trockenen Mauern, Planken und Hecken, welche auf Befriedigung verschiedener Besitztümer deuten; dahinter die Gipfel von Fruchtbäumen,Anzeigen wohlbestellter Gärten. Weiterhin mehrere Gebäude im gleichen Sinne.
Im Hintergrunde mannigfaltige Flächen, Hügel, Büsche und Haine; ein Fluß, der mit Fällen und Krümmungen nach einer Seebucht fließt, die zunächst von steilen Felsen begrenzt wird. Der Meereshorizont, über den sich Inseln erheben, schließt das Ganze.
Nacht.
Epimetheus aus der Mitte der Landschaft hervortretend.
Kindheit und Jugend, allzuglücklich preis’ ich sie,
Daß, nach durchstürmter durchgenoßner Tageslust,
Behender Schlummer allgewaltig sie ergreift
Und, jede Spur vertilgend kräft’ger Gegenwart,
Vergangnes, Träume bildend, mischt Zukünftigem.
Ein solch Behagen, ferne bleibt’s dem Alten, mir.
Nicht sondert mir entschieden Tag und Nacht sich ab,
Und meines Namens altes Unheil trag’ ich fort:
Denn Epimetheus nannten mich die Zeugenden,
Vergangnem nachzusinnen, Raschgeschehenes
Zurückzuführen, mühsamen Gedankenspiels,
Zum trüben Reich gestaltenmischender Möglichkeit.
So bittre Mühe war dem Jüngling auferlegt,
Daß, ungeduldig in das Leben hingewandt,
Ich unbedachtsam Gegenwärtiges ergriff
Und neuer Sorge neubelastende Qual erwarb.
So flohst du, kräft’ge Zeit der Jugend, mir dahin,
Abwechselnd immer, immer wechselnd mir zum Trost,
Von Fülle zum Entbehren, von Entzücken zu Verdruß.
Verzweiflung floh vor wonniglichem Gaukelwahn,
Ein tiefer Schlaf erquickte mich von Glück und Not;
Nun aber, nächtig immer schleichend wach umher,
Bedaur’ ich meiner Schlafenden zu kurzes Glück,
Des Hahnes Krähen fürchtend, wie des Morgensterns
Voreilig Blinken. Besser blieb’ es immer Nacht!
Gewaltsam schüttle Helios die Lockenglut;
Doch Menschenpfade, zu erhellen sind sie nicht.
Was aber hör’ ich? knarrend öffnen sich so früh
Des Bruders Tore. Wacht er schon, der Tätige?
Voll Ungeduld, zu wirken, zündet er schon die Glut
Auf hohlem Herdraum werkaufregend wieder an
Und ruft zu mächt’ger Arbeitslust die rußige,
Mit Guß und Schlag Erz auszubilden kräft’ge Schar?
Nicht so! Ein eilend leiser Tritt bewegt sich her,
Mit frohem Tonmaß herzerhebenden Gesangs.
phileros von der Seite des Prometheus her.
Zu freieren Lüften hinaus, nur hinaus!
Wie drängen mich Mauern! wie ängstet das Haus!
Wie sollen mir Felle des Lagers genügen?
Geläng’ es, ein Feuer in Träume zu wiegen?
Nicht Ruhe, nicht Rast
Den Liebenden faßt.
Was hilft es, und neiget das Haupt auch sich nieder
Und sinken ohnmächtig ermüdete Glieder;
Das Herz, es ist munter, es regt sich, es wacht,
Es lebt den lebendigsten Tag in der Nacht!
Alle blinken die Sterne mit zitterndem Schein,
Alle laden zu Freuden der Liebe mich ein,
Zu suchen, zu wandeln den duftigen Gang,
Wo gestern die Liebste mir wandelt’ und sang,
Wo sie stand, wo sie saß, wo mit blühenden Bogen
Beblümete Himmel sich über uns zogen,
Und um uns und an uns so drängend und voll
Die Erde von nickenden Blumen erquoll.
O dort nur, o dort
Ist zum Ruhen der Ort!
epimetheus .
Wie tönet mir ein mächt’ger Hymnus durch die Nacht!
phileros .
Wen treff’ ich schon, wen treff’ ich noch den Wachenden?
epimetheus .
Phileros, bist du es? Deine Stimme scheint es mir.
phileros .
Ich bin es, Oheim! aber halte mich nicht auf.
epimetheus .
Wo eilst du hin, du morgendlicher Jüngling du?
phileros .
Wohin mich nicht dem Alten zu begleiten ziemt.
epimetheus .
Des Jünglings Pfade, zu erraten sind sie leicht.
phileros .
So laß mich los und frage mir nicht weiter nach.
epimetheus .
Vertraue mir! Der Liebende bedarf des Rats.
phileros .
Zum Rate bleibt nicht, zum Vertrauen bleibt nicht Raum.
epimetheus .
So nenne mir den Namen deines holden Glücks.