Paris - mon amour - Kai Steiner - E-Book

Paris - mon amour E-Book

Kai Steiner

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Beschreibung

In der Oberprima des strengen privaten katholischen St. Benedict - Gymnasiums treffen junge Menschen mit ungewöhnlichen Eigenschaften, Verhaltensweisen und Empfindungen aufeinander. Im Mittelpunkt des Romans steht Matthias, Sohn einer neurotischen Mutter, die seinen Neigungen mit einer Teufelsaustreibung zu Leibe rücken will. Was misslingt. Matthias macht seine ersten sexuellen Erfahrungen vor den großen Ferien mit einem jungen Mann, den er beim Joggen kennenlernt. Nach den Sommerferien stellt sich heraus, dass dies sein zukünftiger Klassenlehrer sein wird. Der bisherige Kollege war von der Direktion kurzfristig suspendiert worden. Die für den September geplante Klassenreise nach Paris steht unter Leitung des Neuen, der selbst in Paris studierte, daher kennt er Stadt und Gepflogenheiten der Menschen. Davon profitieren alle. Eine Nachtbesichtigung des Gebäudes Grande Arche endet im nahegelegenen Metro-Bahnhof. Auf dem überfüllten Bahnsteig kommt es zu einer Massenhysterie, als ein Mann überfahren wird, der neben Matthias auf den Zug gewartet hat. Spekulationen um seinen Tod machen die Runde, überraschende Entscheidungen des Klassenchefs werfen Fragen auf.Matthias verliebt sich in seinen Mitschüler Frederic und umgekehrt. Beide wollen sich in einer einschlägigen Sauna umsehen. Sie nennen das, was sie zunächst sehen, ätzend und cool. Als sie in den Keller absteigen und das Geschehen bei Rockmusik in schlecht beleuchteten Räumen sehen, wird ihnen angst und bange. Sie haben in ein Wespennest gestochen. Das Leben der beiden jungen Männer gerät in größte Gefahr.Wird man ihr entkommen?Spannung von Anfang des Romans bis zum Ende um die junge Liebe eines Siebzehnjährigen, der durch schöne und erschütternde Erfahrungen reifer geworden ist.

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Seitenzahl: 394

Veröffentlichungsjahr: 2010

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Kai Steiner

Paris - mon amour

Roman

 

Himmelstürmer Verlag

 

eBookMedia.biz

   

978-3-940818-62-1 PDF

978-3-940818-63-8 PRC

978-3-940818-61-4 ePub

   

Copyright © by Himmelstürmer Verlag

Originalausgabe, Herbst 2010

Coverfoto: (c)  C.Schmidt / www.CSArtPhoto.de

Umschlaggestaltung: Olaf Welling, Grafik-Designer AGD, Hamburg. www.olafwelling.de

Hergestellt mit IGP:FLIP von Infogrid Pacific Pte. Ltd.

   

   

   

   

Paris, was ist das?

In jedem Fall eine Stadt an der Seine.

„Paris liegt nicht allein auf dem Montmatre und an der Place Pigalle, es liegt zwischen Emile Zola und Marcel Proust, zwischen Renoir und Picasso. Paris ist wie ein Mosaik, von dem niemand weiß, wer es zusammengestellt und zu dem Bild gemacht hat, das Paris heißt.“ *

   

* Heinrich Böll - aus: Wo liegt denn Paris, 1959

Für junge Leute,

  für Parisgenießer,

  für Parisfreaks

   

Es ist wirklich wahr: Paris ist mehr als eine Reise wert.

   

Wer Paris einmal besucht hat, wird wieder kommen. Er muss nicht erst jenen kleinen Hügel berühren, der auf einer liegenden Skulptur über dem Grab eines Journalisten auf dem Friedhof Père Lachaise ins Auge sticht und von dem die Legende ausgeht, dass seine Berührung eine Rückkehr nach Paris garantiert. Die glänzende Messingstelle am Unterleib offenbart, dass viele Leute täglich dem Mythos nachkommen.

   

Er wird sich an der Kultur berauschen.

Kirchen, Schlösser, Gebäude, Brücken, Straßen, Plätze, Ehrenmale, Parks, Kaufhäuser, Universitäten und Wahrzeichen lassen die Augen überquellen. Notre Dame, Sacre Coeur, Musée de Louvre, Bibliothèque Nationale, Grand Arche, Pont Alexandre III, Champs Elysées, Avenue Foch, Boulevard Saint Michel, Bastille, Rue de Seine, Hotel des Invalides, Bois de Boulogne, Bois de Vincennes, Lafayette, Tour Eiffel - ein paar Beispiele.

   

Überall Faszination pur.

Theater, Oper, Ballett, Veranstaltungen en masse, Pop, Rock, Chansons, klassische Musik angepriesen in der Metro, auf den Bahnhöfen, in den Straßen, in Zeitschriften und Zeitungen, Künstler jeder Fasson. Für alle ist etwas dabei. Niemand kommt zu kurz, wenn es um Malerei, um Fotografie, um Literatur und um Mode geht, keiner braucht auf irgendeine Sportart zu verzichten, bei der er dabei sein möchte. Nicht zu vergessen die Cafés, die das Straßenbild prägen und die Gesichter unterschiedlichster Kontinente.

Herausragend die Unbeschwertheit der Menschen, die sich lieben, ob junge Pärchen, ob Frauen und Männer, Männer untereinander oder Frauen, ob zwei Jungen, zwei Mädchen - nicht nur geduldet, sondern toleriert. Die Szene ist beeindruckend.

   

Wer Paris kennenlernen möchte, sollte ein kleines Hotel wählen, irgendwo versteckt zwischen Wohnhäusern und oft genug in Hinterhöfen, eingebettet in Bistros und Cafés und ausgestattet mit herrlich hohen Räumen, in denen die französischen Betten jedem Liebespaar nur gut tun.

   

Mein Rat: Lesen Sie diese Seiten vor Ihrer Reise.

Paris wird schon zu Hause zum Vergnügen.

Begleiten Sie Matthias und Frederic, Eva-Maria, Martha, Knut, Raphael und Fjodor auf Spaziergängen durch Paris und staunen Sie über das, was das Buch bietet: Paris aus unglaublichen Perspektiven und mit wunderbaren Erlebnissen, aber auch schockierenden Eindrücken.

   

Paris ist seit Jahrhunderten eine Weltstadt, unzerstört im letzten Weltkrieg, restauriert, saniert und um Attraktionen erweitert. Es lohnt sich, sofort aufzubrechen!

   

Für meine Freunde, mit denen ich Paris besuchte ...

Wolf-Dietrich

Susith

Wolfgang

Christian

Libby

und die noch in Paris leben

Anura

Dammi

Kumarasinghe

Christian

 

1

Nach dem Theater

 

Der Vorhang schloss sich.

Applaus.

Stehende Ovationen.

Die Verwirrungen des Zöglings Törless’ in der Werkstatt am Schauspielhaus war beendet.

Es wird Spuren hinterlassen. Auch bei mir. Mich widerte Gewalt gegen Minderheiten an.

„Ewig diese Homoscheiße!“, sagte Martin Wenger - genannt Martha - und zog seinen Mund nach unten. Bekenntnis seiner Haltung.

Er galt als Macho. Mit athletischem Körper, er war das Sportass der Schule. Irgendjemand hatte ihn vor Jahren Martha gerufen, nicht Martin, und er behielt den Namen bei. Ihn störte die Anrede nicht.

Ich hatte lange darüber gegrübelt, warum er sich mit Martha anreden ließ. Er hätte das leicht verhindern können. Wer mit ihm stritt, war Selbstmörder. Beinahe jedenfalls. Ich kannte niemand, der nicht seinen Schwanz eingezogen hätte. Daher vermied ich möglichst näheren Kontakt mit ihm.

„Weicheier können mir gestohlen bleiben!“

„Du hast keine Ahnung“, gab ihm Marlies Kattun, „das ist ein sozialkritisches Drama über Selbstjustiz!“

„Papperlapapp.“

„Banause!“, gab Sophia von sich.

„Was sagt unser Theaterfreak und Schauspieler?“, wendete sich Martha spöttisch an mich.

„Es geht um Ohnmacht, um Wehrlosigkeit, um körperliche Schwäche und um Pubertät!“, entgegnete ich höflich. Bloß keinen Streit vom Zaun brechen!

„Unsinn, es geht um diese feige schwule Sau, die sich zusammenschlagen lässt!“

„Frau Simrock hat das Stück für eine Schulaufführung angesetzt!“, sagte ich und ergänzte: „nach den Sommerferien!“ Da mir niemand antwortete, ich Martha aber eins auswischen wollte, fuhr ich fort: „Dann solltest du es dir noch mal ansehen, damit du es verstehst!“

„Das meinst nur du, Großmaul! Ich glotze mir so eine Scheiße nicht noch mal an. Allerdings komme ich, wenn du die Rolle des Basini übernimmst!“

„Mache ich!“ 

Wir strömten mit den übrigen Besuchern die Treppen hinauf ins Foyer. Meist Jugendliche, geschlossene Klassen, einige ältere Menschen. Unsere vier Mitschülerinnen rauschten an die Spiegel. Sich pudern und Lippen nachziehen. Meinetwegen. Sie werden dadurch doch nicht hübscher.

Ich beobachtete die Leute. Ihre Mienen reichten von Zuspruch, Verklärung, bis hin zur Empörung und Wut. Für mich kein Thema.

Ich wusste viel über schwule Leute. Wer kannte denn nicht die Minister, Bürgermeister und Künstler, die andersherum sind? Ich mochte sie alle. Ich gehörte dazu. Nur fehlte mir bisher ein Freund. Nicht weil ich Angst hatte, i wo, nein, die Eltern hätten verrückt gespielt, und in der Schule ist ausgeübte Homosexualität absolut verpönt. In den Hosen der Jungen muss es normal zugehen.

Ohne Freund keine Praxis. Da helfen schwule Filmstars auch nicht.

Wir drängten uns durch die Doppeltüren nach draußen. Vorm Eingang staute sich die Menge. Die Luft des Sommerabends raubte fast allen den Atem. Dann zerstreute man sich, immer noch gestikulierend.

Mir fiel auf, dass heute irgendetwas anders war. Ich glaubte, die Gene spielten verrückt ... bei der Wärme und abends, da will doch jeder irgendwie ... naja, ich auch ... Die Jungen hatten die Hintern ihrer Mädchen fest im Griff. An allen Bäumen Pärchen, die knutschten, und bei einem Paar hatte ich das Gefühl, dass sie in seiner Hosentasche herumfummelte.

„Fahren wir zusammen?“, quatschte mich Martha an. Offensichtlich hatte er meine missbilligenden Blicke gar nicht mitbekommen. Ein absoluter Korinthenkacker.

„Nein, meine Mutter holt mich ab“, log ich.

„Ihr könnt mich mitnehmen, unsere Richtung ist dieselbe.“

„Nee, sie wird den Teufel tun. Wegen der Verantwortung, und so.“

„Sozial, was? Leute, die das größte Maul haben ....“

Ich antwortete nicht darauf, denn Martha hätte recht, wenn ich nicht gelogen hätte! Habe ich aber nun mal. Im Übrigen muss man sich gegen Typen wie ihn wehren.

Kaum war er außer Sichtweite, machte ich mich auf den Weg. Ich wusste, dass an der Alster bei solchem Wetter abends der Bär tanzte, ach was, Männer herumjoggten.

Und tatsächlich.

Fast die ganze Stadt war auf den Beinen. Mich ärgerte die miese Beleuchtung. Schließlich will man doch was von den Gesichtern und Körpern sehen. Nackte Oberkörper von Sportlern, jungen Männern, manchmal Teenagern, machten mich voll an. Sie ähneln Rettungsschwimmern am Travemünder Strand bei gleißender Sonne.

Manche liefen schweißgebadet an mir vorüber, andere verlangsamten ihr Tempo und glotzten. Was will dieses schmächtige Kerlchen denn hier allein, und dann so aufgestylt? Das war ich. Meine Mutter meinte nämlich vor dem Theaterbesuch, ich sollte mich ordentlich anziehen, was ich tat: Rote, enge Jeans, zu denen Paula sagte, dass sie absolut top sind, weil sich dein Ding - ja, genauso redete sie - fett abzeichnete; hammercoole Kapuzen-Lederjacke, darunter nichts.

Ich hatte weder meine Lederjacke geöffnet, noch ausgezogen. Denn leider war ich nicht so einer wie die, die mit Waschbrettbauch Aufsehen erregten. Ich war schmalbrüstig und nicht groß. Klein aber auch nicht. Meine Muskeln hielten sich in Maßen.  

Kaum einhundert Meter stramm marschiert, hörte ich schnelles Atmen. Eher ein Hecheln, jetzt sogar ein Verlangsamen der Schritte.

„So allein?“, wurde ich angesprochen, und neben mir ein junger Mann, größer als ich, eine Mütze über den Kopf gestülpt und bis über die Stirn gezogen, freier Oberkörper und Radfahrerhosen, Sneakers ohne Strümpfe, mit säuerlichem Geruch. Der machte mir nichts aus. Immer wenn ich mir einen bei einem Film runterholte, stank ich auch so, und Wichsen war nun mal meine Leidenschaft.

Total geil.

Leider war seine Hose schwarz, und dunkle Farbe bei Nacht oder schlechter Beleuchtung war nicht das Wahre für einen sauspitzen Knaben, der sich orientieren möchte.

Quatsch, ich machte mir was vor. Ich wollte endlich rummachen, so richtig, wie ich es so oft auf meiner Couch beim schwulen Porno gesehen habe.

Ich starrte seinen Oberkörper an. Keine Haare auf der Brust, das gefiel mir. Nicht tätowiert! Gott sei Dank. Könnte ein Kerl für mich sein. Wohl in den Zwanzigern.

„Verboten?“, fragte ich schnodderig, und war gleich auf mich sauer. Ich fand ihn nämlich nett.

„Na ... na ... nicht gleich losspucken, Kleiner.“ 

Da war sie wieder, die Überheblichkeit, die Männer an den Tag legten, wenn sie mir körperlich überlegen waren ...

„Ich bin kein Arschloch!“, kanzelte er mich ab. Er hatte seine Augen fast zugekleistert und machte eine richtig miese Miene.

„Ich hab’s nicht so gemeint!“, entgegnete ich kleinlaut. In Gedanken bat ich den lieben Gott, dass mir der Mann verzeiht.  

„Wie heißt du?“

Er hatte angebissen ... Mann, ich war erhört worden.

„Matthias Bahre!“, ließ ich ihn wissen und ärgerte mich dennoch. Wieso nannte ich meinen Nachnahmen?

„Und Sie?“

„Du kannst mich duzen ... Raphael“, und er reichte mir die Hand.

Sie war schmal, innen straff, meine Handfläche versank beinahe in seiner. Ich musste lächeln. Meine Vorstellung war, dass er diese für meinen Schwanz gebrauchen wird. Hierin war ich mir sicher. Übrigens zu recht.

„Wieso lächelst du?“

„Nur so!“, dabei zog ich meine Hand aus seiner.

„Mhm! Nichts weiter?“

„Ich finde dich absolut ätzend!“, gab ich ihm zu verstehen.

„Ist das alles?“, wollte er von mir wissen, wartete einen Augenblick und setzte seine Fragerei fort:

„Du gehst noch zur Schule?“ 

War das nur Neugierde?

„Ich hatte eine Frage gestellt, oder?“ 

Hattest du, dachte ich.

„Mein Kleiner ist verdammt cool!“

Schon wieder diese unverschämte Überheblichkeit. Ich wurde beinahe wütend.

„Ich dachte, du bist jünger!“ 

Ich wusste es, mich schätzten alle auf fünfzehn, dabei war ich glatte siebzehn Jahre und ein paar Tage. Mein missratenes Milchgesicht! Ich könnte heulen. Raphael wird sich gleich davonmachen!

„Nach den Ferien in die 13. Klasse!“

„Und du trägst einen Ring?“ Ich war ganz stolz auf mich, den entdeckt zu haben. Nun war er entlarvt, dieser Kotzbrocken.

„Tue ich, verheiratet, wenn der Herr nichts dagegen hat!“ 

Nein, mit dem wird das nichts. Arrogant, eingebildet, dazu auch noch attraktiv.

„Verheiratet, und dann die Anmache?“

„Zum Staunen, was?“ 

Wir gingen eine Weile nebeneinander. Das ist falsch ausgedrückt. Er rückte mir auf den Pelz. Mir gefiel ’s, und außerdem konnte ich ihn so besser anschielen. Ein Gesicht wie Ballack oder so, eine kräftige Nase.

Ich wurde an etwas erinnert ...

Sympathisches Lachen. Wenigstens das gefiel mir. Dann sagte er grinsend:

„Meine Frau hat meine Ausbildung finanziert und mein Büro eingerichtet!“

„Mit oder ohne Sicherheiten? Man hört soviel.“

Er lachte lauthals.

„Ich mag Jungen wie dich! Humorvoll, ehrgeizig, wie es scheint, klug und putzmunter. Außerdem mit schmalem Gestell eines Tänzers.“ 

„Danke!“, antwortete ich säuerlich. Tänzer ... Ich hasste es, mit den Jungen von Neumeiers Company verglichen zu werden.

Er blickte auf die Uhr. Ich sah ihm die innere Unruhe an. Wahrscheinlich ließ sie ihn nicht an der langen Leine.

Er meinte, dass ich ihn am kommenden Mittwoch anrufen sollte und überreichte mir einen Zettel mit seiner Handynummer. Nur zwischen eins und zwei, da wäre seine Sekretärin zur Mittagspause. Donnerstags abends - wie jetzt - habe er immer Zeit!

„Überleg dir, wo wir uns treffen!“

Sekretärin? Kaufmann oder so was, vielleicht auch ein Politiker? Oder Anwalt?

Dann startete er wieder seinen unterbrochenen Lauf, drehte sich ein paar Mal um und winkte. Bald sah ich ihn nicht mehr.

Ich war glücklich. Endlich fuhr jemand auf mich ab. Noch nicht so, wie ich mir das gedacht hatte, aber immerhin.

Ich kehrte zum Bahnhof zurück.

   

Ich war inzwischen zweimal auf die Schnelle mit ihm zusammen.

Neues? Fehlanzeige.

Gegenseitig wichsen. Das war’s.

Ein mäßiges Vergnügen. Noch hatte ich meine Unschuld nicht verloren.

Das war erst der Anfang, hatte er gemeint.

 

2

Vorbereitungen

Mitternacht.

Ein leichter Nieselregen erschwerte die Sicht.

Ich schlich dicht gepresst an der Kirchenmauer entlang. Manchmal berührte ich sie und ein Schurren - als ob man mit einem Schaber über Glas fuhr - durchbrach die Stille. Ich bog links in das Kirchengelände ab, durchschritt den Vorhof, stolperte beinahe auf dem Kopfsteinpflaster, das von der Feuchtigkeit schlüpfrig geworden war, und trabte, kaum dass ich einen Sandweg erreichte, mit weit in die Stirn gezogener Kapuzenmütze in Richtung der gerade ausgehobenen Gräber zu einem Eisentor in einiger Entfernung. Die schwarze Erde wich einem Kieselpfad, dessen weiße Steinchen trotz der Dunkelheit die Richtung vorzeichneten. Ich beschleunigte das Tempo. Meine Hände schoben die Zweige der an den Rändern stehenden Rhododendren zur Seite. Mein kräftiges Luftholen vermischte sich mit dem Geräusch der sich in den Boden drückenden und wieder abhebenden Füße.

Das Gesicht war im Dunkeln.

Ein Mondstrahl.

Die rhythmischen Beinbewegungen ließen für Sekunden die Kopfbedeckung hüpfen. Meine spitze Nase hob sich gegen den Nachthimmel ab, als ich das aus dem Augenwinkel erspähte. Das fahle Licht verlieh den Gesichtszügen bestimmt etwas Gespenstisches, dachte ich. Unter diesen Voraussetzungen würde mich niemand ansprechen.

Schon verdunkelte es sich wieder, bot aber noch Licht genug.

Da, ein Kerl in einer Mönchskutte - ich weiß nicht recht, eine schwarze Robe jedenfalls - zwischen den Gräbern. Ein Pater vielleicht, der den Teufel austreibt? Bei wem? Was hätte er denn sonst so spät hier zu suchen? Ob er dachte, dass ich eine Frau bin? Ich sah sicher so aus, und dazu meine Schlankheit. Eigentlich war ich sogar hager. Meine Mutter umschrieb meine Figur zynisch: Sie sagte, mein Körper wäre knabenhaft.

Der Unbekannte versank in der Dunkelheit. Hoffentlich folgte er mir nicht. Angst hatte ich keine, ich bin Judofreak, mir kann niemand was, aber eine Entdeckung wäre peinlich und unverzeihlich. Aber nur für meine Eltern. Außerdem ein Pater ...

Niemand war sonst unterwegs.

Ich erreichte das Eisentor. Ich presste den Handgriff nach unten, doch die Tür gab nicht nach. Ein zweiter Versuch mit Gewalt blieb ebenso erfolglos. Behände - wie eine Katze - griff ich an die Metallstreben oben, hievte mich mit gebeugten Knien bis zur Mitte, ließ das linke Bein über die Querstange gleiten, trat mit ihrer Fußspitze auf eine eingelassene Verzierung, zog das rechte nach und drückte mich nach unten ab.

Weiter ging’s.

Ich setzte den Lauf mit hohem Tempo fort. Ausholende Schritte, die sich leicht drehende Hüfte und weit in die Höhe schwingende Arme machten die Fortbewegung zu einem eleganten Ablauf. Ab und zu vergegenwärtigte ich mich nach hinten, ob mir der Kirchenmann folgte. Man hat ja schon vieles gehört, und in der Schule sind wir auch bereits gewarnt und aufgefordert worden, jeden zu melden, der sich an uns heranmacht.

Ich hielt einen Augenblick inne. Aus dem Nieseln war Regen geworden.

Ich überquerte die beleuchtete, asphaltierte Straße vor mir, blieb vor einer Garage mit einem Vordach stehen.

Blicke nach links und rechts offenbarten keine Gefahren. Mit einem Kopfruck nach hinten fiel mir die Kapuze in den Nacken. In dieser Dunkelheit konnte niemand erkennen, ob ich ein Junge oder Mädchen war, mein brauner Wuschelkopf würde jedem meine wahre Identität verschweigen.

Der Regen platterte inzwischen aufs Dach. Sein Klang war Musik in meinen Ohren.

Ich fummelte in meiner Jeanstasche herum, zog einen länglichen Dietrich heraus - hundertmal probiert - und öffnete das Garagentor einen Spalt, durch den ich hindurchschlüpfte. Drinnen war es dunkel. Ich holte aus meiner Jacke eine schwarze handliche Taschenlampe heraus, die ich vorn am Kopf drehte. Ein feiner Lichtstrahl verriet mir, dass niemand hier war. Ich schlängelte mich am VWPolo vorbei zum gegenüberliegenden Ausgang, nahm vom linken Haken einen rostigen Schlüssel und öffnete die Tür. Da die Taschenlampe ihre Schuldigkeit getan hatte, verschwand sie wieder in meiner Jackentasche. Meine Blicke schweiften über das ausgedehnte Areal hinter der Garage bis hin zum mächtigen Schulgebäude. Es ist das katholische Gymnasium „Mutter Teresa“. Da war ich Schüler.

Nichts deutete auf Leben hin.

Das wird gleich in die Bude kommen, dachte ich und grinste.

3

Gehversuche

Das Garagentor schnarrte. Es wurde bedächtig hochgezogen. Kein außergewöhnlicher Lärm!

Gebückt betrat ein Mann den Raum. Er verschloss es bis auf einen winzigen Spalt am Boden. Seine tief herunter gezogene dunkle Schlägermütze triefte vor Nässe.

Es war Raphael.

Mein Herz raste. Endlich die lang ersehnte Erfüllung. Hier waren wir ungestört.

Raphael schlich wie ein Leopard am PKW vorbei, obwohl er keine Rücksicht zu nehmen brauchte. Auf dem Weg zum gegenüberliegenden Ausgang flogen Mütze und Jeansjacke aufs Dach des Autos. Die Ritze an der Hintertür verlieh dem Raum ein wenig Licht.

Raphaels muskulöser, sommergebräunter Oberkörper hob sich durch das spärliche Licht des hinteren Ausgangs von der Dunkelheit ab.

Er tauchte bei mir auf und zog mich an sich.

Mit der Schnelligkeit einer Katze zerrte er mir meinen Lederblouson über den Kopf und drückte seine nackte Brust an meinen Oberkörper. Seine Lippen schnalzten vor Lust.

Er ging leicht in die Knie. Was nun wohl folgen würde, dachte ich?

Unsere Brustwarzen berührten einander. Wie das kitzelte! Ein bisschen wie, wenn man eine heiße Herdplatte berührte.

Das hatte er mit mir noch nie gemacht. Mir ist wohlig zu Mute. Die Härchen an Armen und Beinen richteten sich auf. Ich merkte es, als ich mit der einen Hand über meine Haut fuhr. Ich wurde scharf wie tausend Russen. Ich hatte von ihm schon gelernt, dass nur glücklich wird, wer sich dem Sex verschreibt. Er wollte ihn mehrere Male am Tag, was nicht immer funktionierte. Egal, er meinte, das müsste ich auch wollen. Man könnte Sex überall praktizieren, ob im Auto, im Fahrstuhl, in der Besenkammer - dabei lachte er, als er dies sagte - sogar auf dem Teppich. Ich war gleich an Boris Becker und Dieter Bohlen erinnert.

Ein leichtes Zittern huschte durch seine Glieder. Er drückte seinen Unterleib gegen meinen. Seine Hose war prall. Vorsichtig zwängte ich meine linke Hand zwischen beide Körper und erreichte seinen Schwanz. Ich zog den Nippel des Reißverschlusses herunter und hatte sein Glied in der Hand. Er war mächtiger als sonst und steinhart. Dieser sollte heute in mir landen? Mein Gott, davor hatte ich Angst.

So ein Ding! 

Währenddessen streckte Raphael sich abwechselnd in die Höhe und fiel in die Kniebeuge. Ich sah auf seiner Stirn kleine Wasserperlen. Er duftete nach Schweiß und Männlichkeit. Wie das ist? Na, ein bisschen erdig, ein bisschen feucht, dazwischen cognacherb.

Sein Schwanz glitt in meiner Hand wie von selbst auf und ab, was mich noch geiler machte. Er war feucht geworden, oder hatte Raphael ihn eingecremt?

Wie er das hinbekam, dass sich die Brustwarzen gegenseitig anstupsten! Für mich ein neues unbekanntes Gefühl, als ob der Samen langsamen aus den Eiern die Stange hochkriecht.

Und für ihn? Ein Kick für Wildheit.

Sein lautes, tiefes Stöhnen nahm zu - ich mag’ s - vermischte sich mit einem leichten Röcheln. Gleich war er soweit, dachte ich. Schon spritzte er in meine Hände, sein Atem wurde ruhiger und lang gezogen, genüsslich streichelte er meinen Kopf.

„Mann, ein ganzer See!“

Ich wischte meine Finger sofort am Lack ab. Dann roch ich an ihnen.

„Gut so ... Sperma ist wie ein Urknall, es lechzt nach mehr“, ließ er ab.

Versiffter Hengst, dachte ich. So möchte ich auch mal übers Poppen denken, es ist das Wunderbarste auf der Welt, jedes vergangene Mal reizt zur Wiederholung, und die Gefühle lassen nicht nach. Hoffentlich ... Man weiß ja nie. Außerdem spricht niemand darüber, und Alte hüllen sich in Schweigen, wie mein Vater.

„Je mehr du den Geruch in der Nase hast, desto heißer wirst du.“

Wie unkompliziert er war, als ob alles ganz normal wäre. War es auch, sagte ich mir. Und eines Tages werden das meine Eltern einsehen.

Ich hoffte für die Zukunft auf viel mehr. Dies konnte nur der Anfang sein.

„Kannst du noch mal?“

„Na hör mal, Kleiner, ich bin ständig in Übung!“

Das stimmte mich froh. Niemand würde mir glauben, aber ich will’s auch oft.

Wo? , fragte ich mich, stellte aber keine Frage, erst wollte ich’s wissen!

Bis eben wusste ich wenig über Empfindungen, die die Haut an manchen Stellen initiiert. Ich kannte noch nicht alle Stellen, die meinen Schwanz mobilisierten, wenn man über sie strich. Jetzt war mir klar, dass die Brustwarzen dazugehörten.

Ich musste noch viel lernen. Aber ich war jung. Raphael wird mein Guru. Bisher war der Sex mit ihm gehetzt. Heute schon viel aufregender. Aber er hatte versprochen, dass wir in diesem Jahr gemeinsam Urlaub machen werden. Mir war nicht klar, wie er das anstellen wollte, aber egal, er wird mein Boss.

„Jungen mit so einem Körper, mit deiner Schlagfertigkeit und Neugier halten mich munter. Du musst süchtig nach mir werden! Süchtigkeit macht abhängig.“

„Süchtigkeit bei einmal die Woche und in der Schnelle? “

Darauf antwortete er nicht.

Dann fiel mir das Wort abhängig wieder ein. Abhängigkeit von ihm? Kommt nicht in Frage. Bumsen ja, Blasen auch, und sonst was, auch ins Theatergehen, Kunstausstellungen besuchen, Urlaub machen, mehr aber nicht.

„Mit wem wichst du denn noch?“

„Na, hör mal!“

„Und?“

„Mit Leuten in der Sauna. Meine Trophäen. Ohne Gefühl, ohne Bindung. Dich will ich viele Jahre besitzen.“

Er lehnte sich jetzt nach hinten, stützte sich mit den Ellbogen auf der Wagenhaube ab und ließ seine Schulterblätter auf ’s Blech fallen. Er lag wie ein Flitzbogen halb auf dem Kotflügel des Autos. Aus seiner geöffneten Hose sprang sein Glied heraus, dessen mächtiger Kopf nach Luft zu gieren schien. Alles an ihm war elektrisiert. Lust total.

Wie meine Stange juckte ...

Seine Position zwang mich geradezu, etwas zu tun.

Mir seinen Schwanz beinahe ins Gesicht zu halten! 

Und ich begann. Meine Augen glänzten, meine Begierde war wie ein wassergefüllter Ballon vorm Platzen.

Ich zog die Haut über die Eichel, soweit wie ich konnte. Sein Ende strahlte mich angefeuchtet und oben am Harnausgang rötlich an. Naja, wenn man ewig drangsaliert wird! Da das Bändchen bei Raphael fehlte, war es ein Leichtes und schmerzlos, den Ständer von störender Haut fast gänzlich zu befreien. So wünschte ich mir auch meinen eigenen Schwanz. Benutzer würden den dann auch so geil finden wie ich seinen. Meine Vorhaut war jetzt noch schwer über den Kopf zu streifen, die Öffnung war nicht groß genug.

„Mehr wichsen!“, meinte Raphael, diese Sau.

Wenn ich mir einen runterholte, dann tat das meistens weh. Nur zum Schluss, da übertraf das Kribbeln und Kitzeln den verfluchten Schmerz, den ich vergaß. Aber hinterher. Manche wunde Stelle. Und die brannte, wenn Pisse darüber floss.

Noch hatte ich nicht den Mut gefunden, einen Arzt aufzusuchen, der bei mir den kleinen operativen Eingriff wagen würde. Ich werde es tun! Bald sogar.

Zärtlich strich ich mit den Fingerkuppen über Raphaels harten Schaft.

Er hatte schon neulich mitbekommen, wie sensibel meine Finger waren. Ich fühlte seine mit Blut gefüllten Adern, auf denen ich entlang strich, und das versetzte ihn selbst in Ekstase. Mir war, als führe ich mit den Fingerkuppen über Kieferwurzeln, die in unserem Garten aus der Erde herauslugten.

Er schrie seine Lust heraus.

„Ja, Kleiner ... schneller ... langsamer ... anhalten ... weiter, mehr ... toller, fass’ zu ... lass’ kurz los! “

Dabei stand mein Pimmel wie eine deutsche Eiche. Meine verdickte Eichel hatte die Vorhaut beiseite geschoben - soweit dies bei mir ging - und rieb sich an der Innenseite der Jeans. Genau am Reißverschluss. Tat weh! 

Er stöhnte leise.

Das war etwas anderes als die Pranken der Fischerjungen von Sizilien oder der Bauarbeiter von Nikiti, wie er erzählte.

„Ich war meist verletzt!“

„Und bei mir?“, flüsterte ich ihm ins Ohr.

„Ein Mozartkonzert, leicht und beschwingt. Noch ... Man muss variieren. Das lernst du alles! Mit Richard Wagner endet der Lernprozess, dazwischen Dvorak, Beethoven, einmal im Monat Hindemith und Henze.“

Davon verstand ich noch gar nichts. Wagner, mein Gott, die Pauken! Und Hindemith? Alles durcheinander ohne Harmonien? Ich beschloss, mir die Musik demnächst reinzuziehen. Vorbereitung ist alles.

Beim ersten Treff hatte Raphael meine arbeitslose Hand zwischen seine Poritze geführt und die Eier von hinten in der faltigen Lederhaut abtasten, zerren und reiben lassen. Darunter wand er sich manchmal wie ein Aal, ich musste lachen. Sein Seufzen und Wimmern machte mich richtig spitz.

Jetzt war er wieder so weit. Ich hatte beide Eier ergriffen, sie wollten sich gerade zurückziehen, ich hielt sie aber fest. Dass machte ihn voll verrückt.

Er krümmte sich.

War das etwa Chopin?

   

Als die Eichel in meinem Mund verschwand, musste ich leicht husten.

Ich hatte noch nie eine im Rachen. Schon gar nicht so ein Monstrum. Ein Riesenapparat.

Das hatte einen Vorteil, wie ich hinterher überlegte. Er stieß an meinen Gaumen, und das beschenkte mich mit einem gigantischen Prickeln. Ich dachte nach, woran mich diese Empfindungen erinnerten. Dann fiel es mir ein: Wenn ich bei uns in der Muckibude an der Unterwasserdüse den Strahl auf meinen Sack richtete, dann kribbelte das, man glaubte es nicht. So war das Gefühl mit seinem Schwanz im Maul.

Meine Zunge spielte wie mit einem Punchingball. Und da sie von Tausenden von Geschmacksnerven umgeben ist, schmeckte ich, was Raphael mir bot. Er musste seinen Penis mit Rum getränkt haben. Ich war schon ganz benuschelt.

Ich glitt mit den Lippen auf und ab. Ich würde gern sein Sperma schlucken, aber das ist mir streng untersagt. Jedes Mal, wenn sein Samen im Schwanz hochstieg, zog er die pralle Latte aus meinem Schlund raus und spritzte in ein Taschentuch.

Wie auch jetzt.

Ob Tropfen dennoch im Mund zurückblieben? Es fließt doch vor dem großen Schuss immer Schleim raus.

Durch den Körper ging das Zucken eines von einem Pfeil getroffenen Tieres. Ein-, zwei-, dreimal, begleitet von einem lustvollen leisen Grunzen. Kaum haben sich die Glieder beruhigt und kaum hat sich die Haut geglättet, verließ Raphael seine Position, zog mich eng an sich, öffnete meinen Hosenbund, zerrte die Jeans herunter, drehte meinen Hintern an seinen Schwanz, drückte meine Brust auf die Motorhaube und schob sein Glied, das noch kein bisschen schlapper geworden war, dichter an meinen Arsch heran.

Heute wollte er mich das erste Mal Mores lehren.

Bei diesem Gedanken lächelte ich.

Jetzt streifte er ein Kondom über sein Glied.

„Verdammt! Fast zu eng!“, schimpfte er.

„Angeber!“

„Wahrscheinlich habe ich ein falsches gegriffen.“

Ein Falsches?, dachte ich. Wem zieht er diese Gummis denn noch über?

„Jetzt bist du dran!“, zischte er mir grienend zu. „Sonst bekommst du noch einen Samenkoller!“

Mein Schwanz war nicht so groß wie seiner. Aber mindestens so dick.

„Frauen lieben dicke!“, gab er mir zu verstehen, was mich tröstete, aber schließlich bot ich dennoch achtzehn Zentimeter an. War das wenig? Ich hatte im letzten Monat versucht, ihn mit Creme zu vergrößern.

Einschmieren.

Einmassieren.

Mann, was für ein Aufwand! Morgens und abends. Aber statt wirken zu lassen, habe ich mir’s besorgt. Wie sollte er da größer werden? Wachstum braucht Ruhe, sagte mein Vater, und außerdem wächst man nur nachts. Also habe ich’s um 24 Uhr versucht. Half auch nicht.

„Mögen Frauen auch von hinten?“, fragte ich ihn.

„Das kommt drauf an!“

Und er wienerte bei mir, ich wollte es schneller, er aber wartete, wichste, wartete, strich über die Eichel.

„Das sind mehr als achtzehn Zentimeter, mindestens zwanzig. Vielleicht noch mehr!“

Ich jubelte, wenn man das unter meiner Geilheit noch sagen kann. Die Creme hatte gewirkt. Hoffentlich fällt nicht alles wieder zusammen, dachte ich.

Rasant fuhr Raphael über meinen Ständer.

„Schön gerade gewachsen, nicht solche Gurke, wie es viele haben!“

Ich merkte, wie ich schärfer wurde, wie es prickelte, wie mein Körper zu zittern begann und meine Wimpern zu zucken.

„Jetzt!“

Und die Ladung ging voll an den Kühler.

Hundegekläff!!

Auch das noch! 

Der Hausmeister, Herr Wagner, wie ich durch die Ritze erkennen konnte.

Musste der denn jetzt seinen Rundgang beginnen?

Ich sah meine Felle für den Verlust meiner Unschuld wegschwimmen.

Im Nu hatten wir uns angezogen, ich schloss die Tür zum Hof und hängte den Schlüssel auf den rechten Haken.

Raus!

„Wir telefonieren!“, ließ mich Raphael wissen, gab mir keine Gelegenheit zur Antwort und lief los. Er rannte die Straße entlang, parallel zum Gottesacker, am Tor vorbei, über das ich geklettert war. Dann hörte ich das Aufheulen eines Motors und trotz Einbahnstraße verschwand er gegen die Fahrtrichtung aus meinen Augen.

Herr Wagner war bereits in meiner Nähe, was ich vom Knurren des Hundes ableitete. Es war ein Boxer. Ich hörte, wie er sagte:

„Mann, Kasimir, stell’ dich nicht so an, hier ist keiner!“

Der Hund ließ aber nicht locker, war jetzt schon am Garageneingang und schnüffelte auf dem Boden herum. Ich selbst hatte mich hinter einem Busch schräg gegenüber versteckt, mucksmäuschenstill. Der Hausmeister holte ein Schlüsselbund hervor, fummelte eine Zeitlang, bis er wohl den richtigen Schlüssel fand, steckte ihn ins Schloss, drehte daran und drückte am Griff das Tor hoch. Das Geräusch war mir mehr als bekannt. Stahl rollte in einer Schiene an der Decke des Daches entlang. Der Hund flog förmlich in den Raum.

Bei dieser Gelegenheit sprintete ich zum Friedhofgatter, kletterte hastig über das Tor, ließ mich auf die Kiesel fallen, hier war ich in Sicherheit und machte mich davon, mich noch nach hinten vergewissernd, dass niemand folgte.

Ich hörte:

„Kasimir, hier! Such!“

Kasimir jaulte auf.

Ich schlich los. Nur weg hier ohne Aufhebens.

„Diese Säue!“, schrie unser Hausmeister. Er hatte wohl meine Wichse entdeckt, die den Kotflügel runtergelaufen war und auf den Boden gekleckert sein musste.

Da erschien der Hund vorn an der Straße, bellte, und flog förmlich zum Tor des Kirchen- Geländes, gegen das er sprang. Aber Herr Wagner pfiff ihn zurück.

„Was soll das?“

Der Hund gehorchte sofort.

4

Paterkost

Die Laternen der Friedhofstraßen waren abgeschaltet. In der Kapelle weit vor mir flackerte hinter Glas eine Kerze, die ewige Lampe.

Die Stimmung war unheimlich.

Ich setzte langsam Schritt vor Schritt.

Gibt es auf Friedhöfen Geister? Die Seelen der Altvorderen? Gehört hatte ich genug hierüber und gelesen auch. Dieser Gedanke ließ mich trotz der Ungemütlichkeit und meiner Unsicherheit grinsen. Nichts Schlechtes über sie denken und sagen, man könnte mir sonst böse werden. Was dann?

Es hatte wieder zu nieseln begonnen, Böen fegten über die Gräber, die ich jetzt verfluchte. Raphael hätte mich doch mitnehmen können. Warum hat er’s nicht getan? Saß seine Frau vielleicht im Auto?

Quatsch! 

Der Wind zog die langen bis zur Erde hängenden Äste der Trauerbirken über Kiesel und Boden, die rollenden Steine schepperten geheimnisvoll in der Dunkelheit. Die Büsche wogten wie ein Kornfeld im Wind. Die Feuchtigkeit in der Luft bildete Figuren und Fratzen.

Ihre Geräusche machten mir noch mehr Angst.

Mir war, als huschten Todesengel mit durchsichtigen Flügeln durch die Luft, so wie ich sie von Bildern aus dem Mittelalter her kannte.

Es knackte, ich richtete meine Ohren in die vermutete Richtung. Schurren, jetzt ein Schlürfen. Krochen da nicht auch Gerippe aus der Tiefe?

Über meinen Körper lief eine Gänsehaut.

Ich blieb stehen. War da nicht etwas?

 „Halt“, rief mir eine energische Stimme entgegen.

Ich ging trotzdem ein paar Schritte weiter, um das Gebiet zu orten, aus dem der Ruf kam. Ein Mann trat aus dem Schatten der Kapelle hervor.

Ich musste nicht lange überlegen. Der schwarze Umhang war unverkennbar, zumal er sich gegen das Weiß des kleinen Gotteshauses abhob. Der Mönch von vorhin? Oder Pater? Irrt man sich nicht doch bei Nacht und Regen? Alles ist so diesig ...

Sofort war mein Verstand wieder hellwach.

Was haben fromme Kirchenleute um diese Zeit hier zu suchen? Sagt man nicht, dass man um 24 Uhr mit den Verstorbenen reden könne? War das Lispeln eben ihre Sprache?

Meine Angst kehrte zurück.

Hatte mir vielleicht doch die Seele eines Verstorbenen den Befehl erteilt?

Nein, nein, Mönch oder Pater! 

Nein, Pater, denn es gab rundherum kein Kloster, der Gottesmann wird für morgen Beerdigungen vorbereitet haben? Bei so vielen ausgehobenen Kuhlen? Vielleicht waren ihm zwischen den Grabstellen Ideen für seine Predigten eingefallen?

Ich schaute mich nach allen Seiten um.

Bewegte sich nicht jeder Grabstein?

Brrrr ...

Mich überkam ein Grauen.

Lagen etwa Leichen im Andachtsraum? Ich habe noch nie einen Toten gesehen und noch nie mit Sterbenden zu tun gehabt. Es roch nach Moder und faulen Äpfeln. War das der Geruch von Verstorbenen?

„Was macht ein junger Mann mitten in der Nacht auf dem Friedhof?“, hörte ich eine sehr menschliche Stimme.

Oh Mann, ein Stein fiel mir vom Herzen. Nur Lebende sprechen so ...

Was sollte ich tun? Ich könnte mein Gegenüber über den Haufen laufen, ihn zu Boden werfen und wäre aller Sorgen enthoben. Ich blinzelte kurz aus den Augenwinkeln. Sich bloß nicht noch mehr verraten ... Sein Alter war im Grau der Nacht kaum zu erkennen. Die Haut am Hals leuchtete weiß. Ich sah dunkle Linien links und rechts am Kinn. Falten? Waren daran die Schatten der Bäume schuld? Mein Gott, daneben Warzen?

Er war kleiner als Raphael, aber stämmig, er wird sich wehren können.

„Er nimmt eine Abkürzung von Straße zu Straße!“, sagte ich und gaukelte mir Selbstbewusstsein vor, obwohl ich voll Schiss hatte. Ich hoffte, dass mir weitere Erklärungen erspart blieben. Wenn man mutig auftritt, hat man bereits gewonnenes Spiel, oder?

„Soooo?“ Aus dieser Antwort und dem Tonfall schossen förmlich Skepsis und Missbilligung.

„War das nicht eher eine Flucht aus der Garage über die Friedhofsmauer?“

Verdammt, der Kerl hat spioniert.

„Mm!“

„Wer sündigt, muss Buße tun, mein Sohn, und deine Sünde ist groß!“ Dabei sah er mich stirnrunzelnd an. Diese Miene kannte ich von meiner Mutter, wenn ich sie angelogen hatte oder wenn ich zu spät nach Haus kam. Ich fand immer, dass es eine Mixtur aus Vorwürfen und Enttäuschungen war. Ihr Sohn ...

Wieder kam mein Verstand zurück und die Angst machte sich ein zweites Mal auf und davon.

Der Mann sah tatsächlich nicht schlecht aus, sein Gesicht war glatt ... keine Tränensäcke, keine Altersflecken. Es waren Schatten im Raum, die mir zuerst ein ungenaues Bild seines Gesichts vermittelten.

„Wie? Ich meine, was muss ich tun? Fünf Rosenkränze beten?“, raunte ich ihm zu und wollte mich an ihm vorbeischlängeln. Ein überraschender Seitenhieb mit den Beinen wäre hilfreich, dachte ich, aber dann sagte ich mir, Kirchenmänner sind Leute, die irgendwie unberührbar sind. Man darf sich nie an ihnen vergreifen. Das hatten wir außerdem in der Schule gelernt.

„Frech wird der junge Sünder auch noch!“

„Entschuldigung!“

„Das hört sich schon besser an! Weißt du denn nicht, dass man auf einem geheiligten Gelände demütig ist? Gott sieht alles!“

„Interessiert er sich denn für Friedhöfe? Die Seelen gehören ihm doch schon, oder?“

„Da hast du freilich recht.“

Eine Weile Schweigen zwischen uns. Ich hampelte auf der Stelle herum, er fuchtelte mit seinen Armen, als ob er zum Gebet ansetzte.

„Ich muss dich näher betrachten, um den Grad der Buße zu bestimmen. Gehen wir daher in die Kapelle!“

„Rosenkränze ...?“

„Damit ist es nicht getan! Wer in der Nähe Verstorbener frevelt und dann noch lügt, dem ist mehr aufzubürden, so steht es geschrieben!“

Er stieß die alte Holztür mit dem Fuß auf. Sie quietschte himmelschreiend.

„Mann!“, stieß ich aus.

Durfte er den geheiligten Raum so behandeln, und dann mit dem Fuß, ging es mir durch den Kopf, hielt mich aber mit meinem Misstrauen zurück. Keine Widerrede, Matthias, sonst musst du tagelang büßen.

Wir betraten einen Vorraum, der durch eine brennende, helle Kerze gut beleuchtet war. Aha, dachte ich, das Licht, das ich vorhin vom Friedhofstor wahrnahm.

Als ich den Mann bei Licht sah, zuckte ich unwillkürlich. Meine Angst steigerte sich beinahe zur Panik. Er war Mutters Priester und gleichzeitig der Pater in meiner Schule.

Die Kutte war eine Soutane.

Der Andachtsraum davor hatte keine Fenster. Ringsherum Figuren mit Posaunen und Flügeln auf kleinen Sockeln, Engel, wie mir schien. Ihre Schatten von den Kerzen am Altar sahen gespenstisch aus. Er schob mich durch den Andachtssaal nach vorn. Hinter dem Altar ein Christus an der Wand, der mich vorwurfsvoll ansah. Ein bläulicher Schein von einem Deckenstrahler gab ihm obendrein etwas Überirdisches. Als ob er mir aus dem Nichts entgegen flog.

Da bemerkte ich tatsächlich zwei Särge nebeneinander vor ihm. Mit Lilien und Efeu geschmückt. Ein kalter Luftstrom huschte über meinen Körper. Mir wurde unheimlich. Ich fühlte mich klein und ohnmächtig, und wunderte mich, wie zielsicher der Pater einen Wanddurchbruch ansteuerte, rechts von der Kanzel. Er kannte sich aus, wurde mir klar. Er wird morgen die Andacht halten.

Er presste mich in den Gang, der eine unendliche Tiefe zu haben schien. Die mystische Beleuchtung hatten wir hinter uns gelassen. Wohin führte er? Was bezweckt der Pater? Hier Buße tun? Wie?

Dann zog er einen Vorhang beiseite und uns öffnete sich eine spärlich elektrisch beleuchtete Kammer.

„Die Sakristei!“, sagte er, „ein heiliger Raum, in dem einem Büßer die Sünden vergeben werden!“

Wie er sich ausdrückte. War er nicht richtig im Kopf? In der schulischen Andacht montags hatte er nie so herumgequatscht. Komisch ...

In der Dämmerung sah ich eine grob gezimmerte Holzbank, einen schwarzen, bedrohlichen Wandschrank, Garderobenhaken, auf einem klebte sein schwarzer Hut, daneben hing ein rotes Seil. In einer Ecke ein primitiver Stuhl, so einen, wie Griechen vor ihren Restaurants auf den Straßen haben, mit gerader Rückenlehne und geflochtenem Sitz, an der Wand ein goldenes Kreuz, auf dem Boden rote Kacheln. An der gegenüberliegenden stand ein Reisigbesen. Müssen ehrwürdige Kirchenmänner selbst fegen, dachte ich und schüttelte den Kopf.

Ich konnte mir auf alles keinen Reim machen. Was sollte ich hier?

„Hier werde ich für dich Buße tun!“

Für mich?

„Wie alt bist du?“

„Siebzehn Jahre!“

„Gut, denn Gott hat uns aufgetragen, diese Prozedur nur bei Personen über sechzehn Jahren einzuleiten. Jugendliche darunter bleiben verschont!“

Schon hatte er sich seines Ornats entledigt, zog das weiße Unterhemd mit langen Ärmeln über den Kopf und stand halb nackt vor mir. Verständnislos glotzte ich ihn an. Er war schmalbrüstig wie ich, worüber ich froh war. Es gab eben auch solche wie mich und nicht nur Adonisse oder solche wie Martha.

„Damit man da oben“, und er wies mit den Händen an die Decke, „glaubt, dass ich überfallen worden bin ... von dir ... binde meine Hände mit dem roten Seil fest an den Stuhl.“

Während ich zögerte, zog er seine Schuhe aus. Was sollte der Unsinn? Und außerdem: Hatte er nicht geäußert, dass Gott überall alles sieht? Kann man ihn denn überlisten?

Dann ließ er seine Hosen herunter und nur mit Socken bekleidet, warf er sich mit dem Bauch auf die Holzbank, die viel zu kurz war. Sie reichte nur bis zu den Schienbeinen. Von Raphael hatte ich längst gelernt, dass ein schöner Po rund und stramm ist und aufregend. Ich fand, dass der Kirchenmann einen tollen Hintern hatte, schalt mich aber jetzt, dass ich daran dachte, wo ich in einem geheiligten Raum auf Gnade wartete.

Dann sprang er plötzlich in den Stand, und sein Schwanz wedelte hin und her. Ich blieb ernst, obwohl mir zum Lachen war. Dass Pater sich auch die Schamhaare rasierten, war mir neu. Was sollte das, wo niemand an die Eier heran darf? Er hatte so große wie Mandarinen. Meine dagegen ...

„Tue, wie ich sage. Nur wenn ich büße, wirst du deine Sünden los. Und wenn du dich weigerst, dann werde ich in der Schule ...“

„Nein, bitte nicht. Ich mache ja alles!“, jammerte ich.

„So ist es gut, mein Sohn. Gehorsam ist die wichtigste Pflicht eines Gestrauchelten!“

Eines Gestrauchelten? Wieso ich gestrauchelt? Nur weil ich mit Raphael rumgemacht habe? Tun das nicht täglich Millionen? Wie auch immer. Ich werde ihm gehorchen.

„Leg das schwarze Handtuch aufs Holz, das im Schrank auf dem zweiten Bord liegt. Denn ich möchte mir keine Splitter einreißen.“

Danach legte er sich wieder hin. Sein Po strahlte mich an.

Verdammt, dass ich solche Gedanken habe. Ich glaubte, dass Gott mich prüfen wollte.

Ich verschnürte seine beiden Hände miteinander und band sie an den Seitenstreben des Stuhls fest. Der Pater zuckte etwas, sagte aber nichts. Hatte ich das Band zu fest gezogen? Wird mein Sündenregister nun noch größer?

„Hol das Ding aus der Ecke und peitsche mich durch. Nach Strich und Faden! Je kräftiger du mich prügelst, desto eher wird dir vergeben.“

„Ich kann keinen Pater versohlen!“

„Du musst! Wenn ich laut jammere, plärre, jaule ... ich bete gleichzeitig für dich. Du wirst merken, wenn du aufhören sollst.“

„Wie denn?“

„Ich drehe mich dann um.“

Nein, ich wollte ihn nicht von vorn sehen.

Kann Gott das denn wollen?

Dann erinnerte ich mich ans Mittelalter. Hatten sich Mönche nicht gegeißelt, um Gott gefällig zu sein? Ja, das musste es sein. Was der Pater jetzt erleiden wird, ist nichts anderes. Und ich werde von meiner Sünde befreit. Ach was, Sünde ... Aber besser ist besser ...

Ich schlug los. Sein Jammern war erbärmlich. Und immer wieder war mir, als ob er stöhnte, das war wohl Beten für mich.

Sein Po schnellte nach oben, wenn ich auf den Rücken schlug, seine Fersen flogen bis ans Hinterteil und zwar so unkontrolliert, wie wenn ein Arzt mit einem Hämmerchen auf die Kniescheibe schlägt. Erreichte ich die Wölbungen unten, dann fuhr sein ganzer Oberkörper hoch und seine Füße drückten sich tiefer in den Raum. Riss ich die Rute mit den Zweigen zurück, fielen seine Füße in die Ausgangsstellung. Manchmal sah er wie ein gekrümmter Wurm aus.

Mein Besen tanzte auf seinem Rücken auf und ab.

Es war ein Vergnügen! Ich hatte das Gefühl, dass meine Augen glänzten.

Nein ... nochmals nein! 

Ich erschrak über mich selbst. Wie war das möglich, dass ich mich am Schmerz eines anderen erfreute? Ich war nicht normal. Versündigte ich mich nicht schon wieder? Dann sagte ich mir, dass er es so haben wollte. Allerdings passte ich auf, dass ich nicht sein Genick traf, hoffte, dass die Zweige nicht zwischen den Beinen stecken blieben und seinen Sack verletzten. Das wäre bestimmt zu schmerzhaft.

„Ja, aua, oh, ah“...

Was für Geräusche ... Nun ein lang gezogenes Wimmern, dann ein Murmeln. Der Po hob und senkte sich, obwohl ich gar nicht mehr zuschlug.

Blut sickerte aus den blau-roten Striemen heraus. Ich bekam Panik.

Mein Gott ich muss aufhören ...

Bei diesen Gedanken drehte er sich unvermittelt um, in seinem Gesicht ein überirdisches Lächeln, ein verklärtes Strahlen.

Gott hatte mir wohl vergeben, die Tortur hatte gewirkt!

Ich schaute weg. Ich wollte ihn nicht mehr ansehen. Aber die Neugierde siegte. Meine Pupillen glitten den Körper von oben entlang nach unten, über Brust, Bauchnabel und Schwanz. Ich traute meinen Augen nicht. Er hatte einen Ständer. Ich dachte, fromme Vertreter des Vatikans haben keine Erektion mehr. Für wen auch? Aber das war ein Irrtum. Ich schob meinen Kopf etwas nach vorn, um ein bisschen mehr zu sehen. Nein, das konnte doch nicht wahr sein: am Schambein war ein feuchter Placken, schleimig ... Sperma ... ich fand keine Worte und verstand ’s auch nicht.

„Du kannst jetzt gehen. Sprich mit niemand darüber. Ich kann in meiner Gemeinde nicht die Buße für jeden Sünder übernehmen. Du warst eine Ausnahme!“

Ich machte mich ohne weitere Worte davon. Bloß weg hier. Ich rannte durch das Friedhofsgelände und war froh, als ich die Straße erreichte.

5

Unsere Schule

Die Schule ist aus roten Klinkersteinen, wie sie typisch für die Stadt sind. Es gibt viele ähnliche Häuser. Das Portal blickt zur Straße hin, die ich gestern Nacht überquert hatte. Davor der ausgedehnte Schulhof, rechts gleich die Fahrradständer, links die Turnhalle, ein alleinstehendes Gebäude. Seit der fünften Klasse war ich täglich, bis aufs Wochenende, zum Unterricht hier. Ich kannte das Gebäude in- und auswendig: die langen Gänge, die Klassenzimmer, den Physikraum, die geografische Sammlung, das Musikstudio, die Lehrerzimmer, die Toiletten. Die besonders. Ich habe sie oft aufsuchen müssen.

Das Gymnasium war fast meine Heimat, und ich hätte sicher nicht gewusst, wie man in die Garage gelangen könnte, wäre ich nicht so lange sein Schüler.

Es ist kurz vor acht Uhr.

Von allen Seiten strömten Jungen und Mädchen dem Eingang zu, sprangen, hopsten, gingen, schritten die ausladende Treppe nach oben, um in den Fluren und Zimmern zu verschwinden. Was für einen Lärm man veranstaltete! Freunde und Freundinnen oder nur Bekannte redeten, gestikulierten und quatschten.

Am Eingang standen der Schulleiter und Herr Wagner, neben ihm der Köter. Erhobenen Hauptes flitzte ich an ihnen vorbei. Herr Wagner nickte mir zu. Wir kannten uns, weil ich ihm manchmal half, für Ordnung auf dem Schulhof zu sorgen, unsere Kleinen zu ermahnen, Papier in die Körbe zu werfen, die Großen aufzufordern, nur hinter der Turnhalle zu qualmen. Was sie nicht immer taten. Manche meiner Kameraden provozierten mich, wenn ich meiner Aufgabe nachging. Mich ließ das kalt, auch wenn es mich ärgerte. Eigentlich müsste die Schulleitung hierfür kräftige und große Jungen aus den beiden letzten Klassen auffordern, die Kontrolle des Hofes zu übernehmen, aber gegen die kam man nicht an, und so blieb es an denjenigen hängen, die in der Lehrerschaft als umsichtig galten, aber, leider wie ich, ein bisschen schwach auf der Brust waren. Aber nur, was meine sichtbare Körperlichkeit anging. Raphael war jedenfalls sehr angetan.

Mein schlechtes Gewissen hatte ich schon gestern Nacht abgelegt. Warum sollte ich es auch haben, wo alle Leute ständig ficken, und ich sollte mich schämen und genieren, wie der Pater meinte? Im Übrigen bin ich sündenfrei, dafür hatte er gesorgt.

Was für eine Unwahrheit, die er zum Schluss von sich gab. Mir war heute Nacht klar geworden, dass er es auf diese Weise des Öfteren treibt. Sein Sex ist allerdings so anders. Im Internet fand ich, dass es Leute gibt, die sich abreagieren, wenn sie versohlt oder angekettet und geschlagen werden und es soll sogar welche geben, die angepisst werden müssen, damit sie spritzen können. Wie doof für die. Was ist, wenn keine Badewanne oder Dusche greifbar ist?

Ich drehte mich auf der Treppe zu unserem Klassenraum noch einmal um. Da sah ich Herrn Wagner mit seinen Händen in der Luft herumstochern. Das galt mir, eindeutig. Er lief mir hinterher. Der Köter an seiner Seite. Du lieber Gott, er wird doch ... aber wie sollte er? Sperma ist nicht zuzuordnen, jedenfalls nicht ohne besondere chemische Überprüfungen.