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Jägerin der Nacht - VampirblutEin Patricia Vanhelsing Romanvon Alfred BekkerDer Umfang dieses Buchs entspricht 112 Taschenbuchseiten.Vampire im schottischen Hochland. Aus einer zunächst unglaublichen Meldung wird für Patricia Vanhelsing rasch Gewissheit. Ausgerechnet ihre Tante hat sich auf den Weg dorthin aufgemacht, um einem alten Freund zur Seite zu stehen. Patti und Tom Hamilton machen sich ebenfalls auf den Weg, doch schon auf der Anreise wird der Zug von den Vampiren überfallen. Nur mit Hilfe einer alten Beschwörung entgehen sie einem grausigen Schicksal. Aber wo ist Tante Lizzy, und weshalb benehmen sich die Leute hier so seltsam? Als Patricia gebissen wird, erkennt sie die Hintergründe, doch sie verwandelt sich gerade selbst in einen Vampir, ohne Hoffnung auf Erlösung.
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Seitenzahl: 165
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Patricia Vanhelsing: Sidney Gardner - Vampirblut
Patricia Vanhelsing, Volume 12
Alfred Bekker
Published by Alfred Bekker, 2018.
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Jägerin der Nacht – Vampirblut
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Ein Patricia Vanhelsing Roman
von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 112 Taschenbuchseiten.
Vampire im schottischen Hochland. Aus einer zunächst unglaublichen Meldung wird für Patricia Vanhelsing rasch Gewissheit. Ausgerechnet ihre Tante hat sich auf den Weg dorthin aufgemacht, um einem alten Freund zur Seite zu stehen. Patti und Tom Hamilton machen sich ebenfalls auf den Weg, doch schon auf der Anreise wird der Zug von den Vampiren überfallen. Nur mit Hilfe einer alten Beschwörung entgehen sie einem grausigen Schicksal. Aber wo ist Tante Lizzy, und weshalb benehmen sich die Leute hier so seltsam? Als Patricia gebissen wird, erkennt sie die Hintergründe, doch sie verwandelt sich gerade selbst in einen Vampir, ohne Hoffnung auf Erlösung.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
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© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Alle Rechte vorbehalten.
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Es waren Tausende ...
Der Flügelschlag schwarzer Schwingen verdichtete sich zu einem Rascheln, dessen Klang einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte.
Einer dunklen Wolke gleich erhob sich der Schwarm der Fledermäuse aus den grauen Nebelbänken heraus, die aus den Wiesen emporkrochen. Ihre Körper hoben sich als dunkle Schatten gegen das Fahle des Vollmonds ab, der als runde Scheibe am dunklen Nachthimmel stand.
Der Schwarm wirkte wie ein einziger Organismus.
Er bewegte sich erst nordwärts, über die bewaldeten Anhöhen hinweg, dann ging es weiter über nebelverhangene Wiesen.
Und wie auf ein geheimes Zeichen hin stürzten sie hinab in die Schicht aus dichtem Bodennebel hinein. Ohrenbetäubende, schrille Kreischlaute stießen sie dabei hervor.
Es war ein Angriff.
Und während sie im Sturzflug auf den Boden zuschossen, setzte eine gespenstische Verwandlung ein. Ihre zierlichen Körper wuchsen ins Monströse und bildeten menschenähnliche Formen. Zusätzlich zu den Flügeln wuchsen ihnen Arme, die mit messerscharfen Krallen bewehrt waren.
Ihre Köpfe erinnerten jetzt an Affenschädel. Die Mäuler waren weit aufgerissen, so dass die überlangen Eckzähne zum Vorschein kamen. In den dunklen Augen dieser Kreaturen der Nacht spiegelte sich das Mondlicht. Ein unheimlicher, schier unersättlicher Hunger sprach aus ihnen.
Die ersten dieser Monstren verschwanden in der grauen Nebelschicht ...
Schreie gellten.
Furchtbare Todesschreie, die so verzerrt waren, dass kaum zu bestimmen war, ob sie menschlichen oder tierischen Ursprungs waren ...
„Hast du das gehört?‟
„Was denn?‟
„Diesen ... Schrei!‟
„Ein Tier!‟
„Ich weiß nicht ...‟
„Irgend etwas ist da draußen in der Dunkelheit‟, meinte Pat McRory. „Etwas Grauenhaftes!‟ Er schluckte. Ein unangenehmer Druck machte sich in seiner Magengegend breit.
Der Puls schlug ihm bis zum Hals. Sein Gesicht wirkte angestrengt. Furcht stand in seinen Zügen. Und nach den Vorkommnissen der letzten Zeit, war die auch angebracht.
Der breitschultrige Mann schob sich die Schiebermütze aus Tweed in den Nacken. Er umfasste das doppelläufige Jagdgewehr fester.
Ein Pferd wieherte.
Der andere Mann war etwas jünger.
Auch er trug ein Gewehr. Sein Blick suchte angestrengt den dunklen Horizont ab. Graue Nebelschwaden erhoben sich aus den Wiesen und krochen wie vielarmige Wesen über den feuchten Boden. Der Himmel war sternenklar. Nur der Vollmond tauchte alles in sein fahles Licht.
„Gary!‟, zischte Pat McRory seinem Gefährten zu. Pats Gesicht war aschfahl geworden. Sein Mund war vor Schrecken geöffnet.
Gary hob das Gewehr.
Am Horizont erhob sich mit einem unheimlichen, raschelnden Geräusch etwas Dunkles.
„Was ist das?‟, flüsterte Pat.
„Es sieht aus wie ein Vogelschwarm ...‟
„Nein, Gary, das sind keine Vögel.‟
„Aber was dann?‟
„Fledermäuse!‟
„So viele? Mein Gott ...‟
Die dunkle Wolke bestand aus vielen kleineren, schwarzen Flecken. Der Schwarm bewegte sich wie auf geheime Zeichen hin. Misstrauisch beobachteten die beiden Männer die Fledermäuse. Hin und wieder drangen schrille Piepslaute an ihre Ohren, die auf das Trommelfell wie Nadelstiche wirkten.
Nächtelang hatten Gary und Pat auf der Lauer gelegen, denjenigen – oder besser: dasjenige – zu stellen, das es in letzter Zeit auf Pferde und Rinder abgesehen hatte. Furchtbar zugerichtete Tiere waren von den Farmern der Umgebung in letzter Zeit immer wieder aufgefunden worden. Spekulationen hatten die Runde gemacht. In ihnen wurde von Krähenschwärmen gemunkelt, die seit Schließung einer nahen Müllhalde keine Nahrungsgrundlage mehr hatten. Aber Krähen waren – selbst wenn es sich um Dutzende von Vögeln handelte – nur in der Lage, kleinere Tiere zu erlegen. Kaninchen, vielleicht Ziegen oder Lämmer. Aber kein ausgewachsenes Kaltblutpferd, dessen Stockmaß den Scheitel der meisten Männer der Gegend überstieg! Und auch keines der wilden, robusten Hochlandrinder mit ihren zotteligen braun-schwarzen Fellen.
Jemand hatte die Theorie aufgestellt, dass ein Perverser unterwegs war, der des Nachts Tiere auf bestialische Weise abschlachtete. Die Polizei war der Sache nachgegangen, aber sie tappte bis heute im Dunkeln.
Und so hatten Gary O′Bolan und sein Schwager Pat McRory zur Selbsthilfe gegriffen. Mit ihren Jagdgewehren lagen sie nun auf der Lauer.
Und sie blickten dem Unfassbaren entgegen.
Die Pferde trabten unruhig auf der Weide umher. Sie wieherten aufgeregt. Die Tiere spürten die Gefahr, die förmlich in der Luft lag.
Dann erfolgte der Angriff.
Als ob ein gemeinsamer Wille die vielen Fledermäuse leitete, stürzten sie sich hinab. Die Pferde stoben auseinander. Ihr Wiehern glich einem furchtbaren Schrei der Verzweiflung. Die schwarze Wolke aus kleinen, dunklen, geflügelten Leibern senkte sich nieder. Eines der Pferde versuchte, über einen der Zäune zu springen, blieb mit der Hinterhand hängen und riss den Zaun mit sich. Das Tier strauchelte. Die geflügelten Jäger der Nacht waren über ihm.
Gary hob das Gewehr, legte an und schoss zweimal kurz hintereinander.
Pat tat dasselbe.
Die Männer schossen, so schnell sie konnten, obgleich die Chance, auch einen der kleinen dunklen Leiber zu treffen, nicht gerade groß war. Kalte Wut hatte die beiden Männer gepackt. Die Pferde stellten den Großteil ihres Vermögens dar. Und das würden sie sich nicht tatenlos wegnehmen lassen. Mit zitternden Fingern luden die Männer nach.
Pat hielt mitten in der Bewegung inne.
Ihm stockte der Atem.
„Nein!‟, flüsterte er, als er sah, was im fahlen Schein des Mondes geschah.
Unmöglich!
Kurz bevor die kleinen, geflügelten Angreifer den Boden berührten, ging eine gespenstische Verwandlung mit ihnen vor sich. Sie wurden größer. Die ovalen Körper streckten sich, Arme wuchsen aus ihnen heraus.
Sie erinnerten an affenartige Wesen oder ...
Menschen.
Einen durchdringenden, grollenden Laut stieß eines dieser Ungeheuer aus, wandte den Kopf so ins Mondlicht, dass die überlangen Eckzähne sichtbar wurden.
Das Zerrbild eines Menschen!
Eines der Wesen stürzte sich mit aufgerissenem Maul auf das gestürzte Pferd, dessen verzweifeltes Wiehern die Nacht durchdrang.
Mit entschlossenen Handbewegungen spannte Gary die beiden Hähne der doppelläufigen Jagdflinte. Er zielte genau, obwohl er dabei ein Zittern in seinen Händen mit aller Macht unterdrücken musste.
Die erste Kugel ging daneben, aber das zweite Projektil erwischte eine der Nachtkreaturen mitten im Oberkörper. Das Wesen taumelte, hielt sich dann aber doch auf den Beinen.
Die Kugel hatte ein Loch in die Brust gerissen. Eine furchtbare Wunde, etwas oberhalb des gut erkennbaren linken Rippenbogens.
Also ungefähr dort, wo sich bei allen Säugetierspezies das Herz befand!
Aber die Wunde blutete nicht.
Ein halbes Dutzend dieser unheimlichen Bestien stürzten sich indessen auf das am Boden liegende Pferd. Hin und wieder, wenn sich eines der Wesen erhob, war zu erkennen, wie das Blut von den Eckzähnen troff.
Weitere Fledermäuse stürzten herab, jagten den davonpreschenden Pferden im Tiefflug nach, um dann auf ihnen zu landen und sie niederzureißen. Auf den letzten Metern vor der Landung verwandelten sie sich und wurden zu gewaltigen, affenartigen Kreaturen. Mit scharfkralligen Pranken rissen sie ihre Beute nieder, bevor sie dann ihre spitzen Eckzähne in sie hinein senkten. Ein Bild des Grauens, untermalt von den Schreckenslauten der Pferde.
Eine der Fledermäuse näherte sich den beiden Männern.
Pat schlug mit dem Gewehrkolben nach ihr und traf sie sogar.
Das Tier war bereits in seiner Verwandlung begriffen, die aber noch nicht abgeschlossen war. Die Fledermaus vollführte eine seitliche Flugbewegung und gewann wieder an Höhe. Die begonnene Verwandlung bildete sich innerhalb von Sekunden zurück. Schneller, als Gary sein Gewehr anlegen und das Wesen treffen konnte. Denn um ein Tier von der Größe einer Fledermaus zu treffen, musste man schon ein sehr guter Schütze sein. Und Gary war eigentlich schon froh, wenn er ein dickes Kaninchen traf.
„Wir müssen hier weg!‟, rief Gary.
„Und die Pferde?‟, schrie Pat. „Verdammt nochmal die Pferde!‟ Und dabei feuerte er mehr oder weniger ziellos in den Pulk der Schattenkreaturen hinein, die sich zu Dutzenden niederließen.
„Für die können wir nichts mehr tun!‟, war Garys düstere Erwiderung.
Er begann zu laufen.
„Los, Pat!‟
Pat stand noch einen Moment lang unentschlossen da, ehe er sich in Bewegung setzte. Gary war ihm einige Meter voraus.
Sie liefen jetzt durch hohes, feuchtes Gras, aus dem der Nebel nur so herausquoll. Es war kühl geworden. Eine feuchte Kühle, die alles durchdrang und von der man glauben konnte, dass sie in Wahrheit von „innen‟ kam.
Immer weitere Fledermäuse setzten zum Landeanflug an und verwandelten sich. Es waren jetzt hunderte.
Eine furchtbare Horde der Dunkelheit, die über alles Lebendige wahllos herfiel.
Pat schlug um sich, als eine der Fledermäuse sich ihm näherte. Das Tier wich aus, verwandelte sich, und Pats zweiter Schlag ging ins Leere. Sekunden später stürzte sich die verwandelte Nachtkreatur auf ihn und warf den Mann nieder.
Pat fiel rücklings zu Boden, während ihn mit messerscharfen Krallen bewehrte Pranken an den Schultern hielten. Die Krallen durchdrangen mit Leichtigkeit den dicken Tweed-Stoff seiner Jacke. So leicht, als wäre es nichts. Pat blickte in das verzerrte, gleichermaßen aus tierischen und menschlichen Anteilen bestehende Gesicht seines unheimlichen Gegners. Das weit aufgerissene Maul mit den langen Eckzähnen öffnete sich weit, und der Atem des Todes hauchte ihn an. Ein Geruch, der an Fäulnis und Verwesung erinnerte, an halb vermoderte Särge und zu Staub zerfallene Gebeine. Mit der Kraft der Verzweiflung wehrte sich Pat gegen den unheimlichen Feind. Die spitzen Eckzähne näherten sich. Pat schrie wie von Sinnen. Seine Hand krallte sich am Körper des Monstrums fest.
Er war ein kräftiger Mann, aber der übermenschlichen Energie dieser Nachtkreatur hatte er nicht das Geringste entgegenzusetzen.
Die Zähne senkten sich nieder, auf seinen Hals zu.
Pats Augen quollen vor Angst aus ihren Höhlen hervor.
Ein Schuss donnerte.
Das war Gary.
Die Kugel traf das Wesen mitten zwischen die dämonisch leuchtenden Augen.
Im Mondlicht war das Einschussloch zu sehen.
Aber der Treffer machte dem Wesen nichts aus. Die Kreatur der Nacht schlug ihre furchtbaren Eckzähne in den Hals des Mannes.
Pat drehte den Kopf, wand sich verzweifelt, schrie wie von Sinnen. Das Letzte, was er dann aus den Augenwinkeln heraus sah, war Gary.
Er lief taumelnd davon, schlug mit dem Gewehrkolben auf die landenden Fledermäuse ein, deren gespenstische Verwandlung sie zu grauenhaften Monstren machte. Garys Schreie gingen im Tumult unter, als ein halbes Dutzend der Nachtkreaturen sich auf ihn stürzte, und er unter ihren Leibern förmlich begraben wurde.
„... und ich möchte im Namen der gesamten Redaktion der LONDON EXPRESS NEWS sagen, dass wir alle unseren Kollegen Jim Field nicht vergessen werden. Ganz gleich, in welcher – vielleicht besseren – Welt er sich nun befinden mag ...‟
Die bewegenden Worte, die unser Chefredakteur Michael T. Swann an die versammelte NEWS-Mannschaft richtete, ließen eine tiefe Traurigkeit in mir aufsteigen.
Ich gebe gerne zu, in diesen Momenten den Tränen sehr nahe gewesen zu sein.
Tom Hamilton, der Mann, den ich liebte und der wie ich Teil der NEWS-Redaktion war, spürte das.
Er nahm meine Hand.
Und ich fühlte mich ein wenig geborgener.
„Miss Vanhelsings Recherchen legen nahe, dass unser Starfotograf Jim Field am Oberlauf des Stoeng Sen-Flusses im nördlichen Kambodscha durch Machenschaften ums Leben kam, in die wohl auch der ORDEN DER MASKE verwickelt ist, jene sektenähnliche Geheimorganisation, die in letzter Zeit immer wieder versucht hat, durch Druck auf unsere Inserenten unsere Berichterstattung über sie und ihre Verbrechen zu beeinflussen. Dank der mutigen Haltung unseres Verlegers Arnold Reed ist das bislang fehlgeschlagen, aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann man es wieder versuchen wird. Von einem Reporter erwarte ich Mut – Mut, wie Jim Field ihn zweifellos hatte. Ganz gleich, wie nun die wahren Hintergründe seines Todes sein mögen – er starb zweifellos im Dienst des Journalismus, der immer auch ein Dienst an der Wahrheit sein muss.‟
Michael T. Swann, unser manchmal etwas bärbeißiger Chefredakteur machte eine Pause. Die Hände waren in den Hosentaschen verschwunden. Der Schlips hing ihm wie ein Strick um den Hals, und die Hemdsärmel waren bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt.
Tiefe Furchen durchzogen im Augenblick seine Stirn. Es war ihm deutlich anzusehen, wie sehr ihn Jims Tod mitgenommen hatte.
„Was ich jetzt sage, fällt mir nicht leicht‟, murmelte er dann. Sein Tonfall war etwas gedämpfter, sein Blick nach innen gekehrt. Er sah förmlich durch die im Großraumbüro der NEWS-Redaktion versammelten Reporter-Mannschaft hindurch.
Er schluckte zweimal, bevor er in der Lage war, fortzufahren. „Wie keinem von Ihnen entgangen sein dürfte, gab es in letzter Zeit des öfteren Meinungsverschiedenheiten zwischen Mr. Field und mir. Differenzen, die so schwerwiegend waren, dass Mr. Field mit dem Gedanken spielte, unsere Redaktion zu verlassen. Ich wollte es nicht dazu kommen lassen, denn ungeachtet allen Streits war ich entschlossen, alles zu tun, um ihn bei uns zu halten. Auch das war für mich ein Grund, ihm den Auftrag mit der Kambodscha-Story zu geben. Können Sie sich vorstellen, was ich jetzt empfinde, da er nicht von dort zurückkehrt?‟ Er schüttelte den Kopf. „Ich werde mir ewig Vorwürfe machen und nichts und niemand wird mich davon befreien können.‟ Er hob den Kopf. Sein Blick wurde etwas heller. „Ich glaube, niemand von uns wird Jim Field je vergessen.‟
Nein, dachte ich. Ich bestimmt nicht.
Eine Flut von Bildern ging mir in diesem Moment durch den Kopf. Erinnerungen an die Abenteuer, die wir gemeinsam bestanden hatten. Eine Zeitlang hatten Jim und ich sehr eng zusammengearbeitet. Und für eine gewisse Weile war der unkonventionelle Starfotograf, mit seiner geflickten Jeans und dem ausgebeulten Jackett sogar insgeheim in mich verliebt gewesen, auch wenn ich diese Gefühle nie erwidert hatte.
Tom Hamilton und ich waren Jim nach Kambodscha nachgereist.
Der ORDEN DER MASKE hatte dort versucht, furchtbare Monstren zu beschwören, die dem altindischen Gott Ganandravan glichen – einer Gottheit der Zerstörung. Wir hatten die Pläne des Ordens durchkreuzen können. Aber um Jim zu retten, waren wir zu spät gekommen. Möglicherweise existierte er in einer anderen Wirklichkeit, zusammen mit den Mönchen des rätselhaften Klosters von Pa Tam Ran, das eigenartigerweise wie vom Erdboden verschwunden war, als wir zusammen mit kambodschanischem Militär an den Ort des Geschehens zurückkehrten.
Die Reporter der NEWS gingen auseinander. Jeder zurück an seinen Schreibtisch, ins Archiv oder an irgendeinen Ort in London und Umgebung, wo etwas Sensationelles geschehen war, das auf die Seiten dieses Boulevardblattes gebracht werden musste.
Ich sah nachdenkliche Gesichter.
Mir war kalt. Ich fühlte eine Gänsehaut meine Unterarme überziehen.
Tom legte mir den Arm um die Schulter. Ich blickte in seine meergrünen Augen, die mich stets an das Meer und den Geruch von Seetang erinnerten.
„Du machst dir auch Vorwürfe, nicht wahr, Patti?‟, fragte er.
„Verwundert dich das?‟
„Was hätten wir tun können?‟
Ich zuckte die Schultern. „Was glaubst du, wie oft ich mir seit unserer Rückkehr aus Asien schon den Kopf darüber zerbrochen habe ...‟
„Und? Bist du zu irgendeinem Schluss gekommen?‟
„Nein.‟ Ich atmete tief durch. „Ich glaube, dass wir Jim Field irgendwann wiedersehen werden‟, meinte ich dann.
Tom nickte.
Ich brauchte ihm nichts zu erklären. Er wusste von meiner leichten übersinnlichen Begabung, die sich vornehmlich in Ahnungen, Träumen und Visionen offenbarte.
„Irgendwann ...‟, flüsterte ich.
„Sicher.‟
Ich versuchte ein Lächeln.
„Wie auch immer. Für Selbstmitleid ist keine Zeit, Tom.‟
Für uns galt das in besonderer Weise.
In einer Redaktion laufen täglich unzählige Nachrichten ein. Katastrophen, Kriege, Wahnsinnstaten. In letzter Zeit waren es vor allem die schrecklichen Ereignisse im Kosovo, die unsere Ticker nicht zur Ruhe kommen ließen. Und so schlimm es manchmal sein konnte, immer mit den Horrormeldungen aus aller Welt direkt konfrontiert zu sein, von denen schließlich nur ein Bruchteil in unserer Zeitung Platz haben würden – es hatte auch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil.
Das eigene Unglück erschien einem plötzlich nicht mehr so bedeutend, wenn man es im Verhältnis zu dem betrachtete, was sich anderswo tagtäglich abspielte.
Es war ein regnerischer Tag.
London lag unter einer Dunstglocke, aus der es immer wieder nieselte. Jeder Blick aus den Fenstern des Verlagsgebäudes an der Lupus Street konnte einen nur depressiv machen.
Der Regen wurde in mehr oder minder gleichmäßigen Intervallen heftiger oder ließ nach. Aber der Wind trieb immer neue graue Wolken heran, die dafür sorgten, dass die Feuchtigkeit nicht versiegte.
Es war kurz nach der Mittagspause, als eine Meldung auf meinen Schreibtisch flatterte, die mich etwas meiner Agonie herausriss.
Ich überflog sie schnell.
Es ging um eine Reihe seltsamer Vorfälle in Schottland.
Rinder und Pferde waren durch eine bislang unbekannte Ursache ums Leben gekommen.
In der vergangenen Nacht waren nun zwei Farmer hinzugekommen, die ihre Tiere mit der Waffe in der Hand gegen das Unbekannte verteidigen wollten. Die Fotos, die man uns zugefaxt hatte, waren ziemlich grobkörnig und außerdem an manchen Stellen etwas verschwommen. Aber es war genug zu erkennen, um erahnen zu können, wie schrecklich die Männer zugerichtet worden waren.
Ein besonderer Umstand ließ mich aufmerken.
Die Leichen hatten keinen einzigen Tropfen Blut enthalten!
An diesem Tag hatte ich Glück und kam recht früh nach Hause.
Tante Lizzys Villa, wo ich noch immer wohnte, war ein verwinkelter viktorianischer Bau, umgeben von einem etwas verwilderten Garten. Es dämmerte bereits – aber an diesem verregneten Tag fiel das kaum auf. Man hatte den Eindruck, dass bereits seit den Morgenstunden ein Zustand ständiger Dämmerung geherrscht hatte.
Ich fuhr meinen kirschroten Mercedes 190 in die Einfahrt und stieg aus.
Ganz kurz nur – es mochte der Bruchteil einer Sekunde gewesen sein – hatte ich ein Bild vor meinem inneren Auge, das mich aus irgendeinem Grund zutiefst erschreckte. Ich sah eine Art Herrenhaus oder Schloss, das auf einem Hügel errichtet worden war. Der graue Stein war moosbewachsen und wirkte abweisend. Die Aura unvorstellbar hohen Alters haftete diesem Gebäude an – und der Geruch, den ich in der Nase zu fühlen glaubte, kündete von Verwesung, Tod und Verfall. Das Schloss hatte zahllose Erker und einige kleinere und größere Türme. Eine eigenartige, sehr verschnörkelte Architektur, die sich mit keinem Stil in Verbindung bringen ließ, den ich kannte, während mich die Landschaft an die schottischen Highlands erinnerte. Nebel umwaberten das eigenartige Schloss.
Etwas Dunkles, sehr Kleines flog aus einem der Turmfenster heraus und erhob sich in den grauen Himmel.
Das Bild war verschwunden, und ich versuchte verzweifelt, mich an Einzelheiten zu erinnern.
Eine Vision, dachte ich. Das stand für mich fest. In dieser Hinsicht war ich inzwischen ziemlich sicher. Träume und Visionen, die in Wahrheit übersinnliche Wahrnehmungen darstellten, konnte ich relativ sicher von gewöhnlichen Traumbildern unterscheiden, auch wenn es lange gedauert hatte, bis ich meine Gabe gut genug unter Kontrolle gehabt hatte.
Meine Gabe.
Das war immer Tante Lizzys Ausdruck für meine übersinnliche Begabung gewesen, die ich von meiner viel zu früh verstorbenen Mutter geerbt hatte.