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Der Vater kommt nach Notabitur, Reichsarbeitsdienst und vier Jahren Krieg Ende Mai 1945 heil von der russischen Front nach Hause zurück. Die britische Militärverwaltung bescheinigt ihm "Fit for Labour". Da der vorgesehene Hoferbe sowie der nächst ältere Bruder gefallen sind, tritt er in die Erbfolge ein. Er heiratet eine Bäuerin. Zusammen bauen sie den "PEETERSHOF" in Aldekerk wieder auf, der einige Jahrzehnte "geruht" hatte. Fünf Kinder, vier Söhne und eine Tochter, werden dort groß. Die Tage sind lang. Drei Söhne studieren, einer wird Meisterlandwirt, die Tochter Meisterfloristin. Doch 1981 verlässt der vorgesehene Hoferbe "den PEETERSHOF für immer. Was soll nun geschehen? Bei der Beerdigung der Mutter 2015 spricht die Nachbarin den vierten Sohn an, Joachim, und bekundet ihr Interesse an Kauf und Sanierung des PEETERSHOFs. In einer dramatischen Abfolge von Gesprächen und Ereignissen gelingt der Verkauf, die Sanierung beginnt. Joachim hatte Volkswirtschaftslehre in Bonn studiert, 1981 folgt das Diplom. Er arbeitet in mehreren Firmen und macht mit 61 Jahren den "Master of Arts" als Sinologe. Er verfolgt seine politische Linie des konkreten Handelns für das Volk. Eine Autobiographie vom Niederrhein. Joachim Vockel, Diplom-Volkswirt 1981. 2018 Master of Arts (M.A.) der Asienwissenschaften mit den Schwerpunkten asiatische Kunst und Chinesisch.
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Seitenzahl: 350
Veröffentlichungsjahr: 2024
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0. Heimatepos »Den Draak van Pont
1. Aldekerk am Niederrhein
1.1 Die geografische Lage Aldekerks
1.2 Unsere Lebensmittel
1.3 Das Martinslied
1.4 Unsere Schrift und Sprache
1.5 Die Kirche
2. Der Peetershof und seine Bewohner
2.1 Der Peetershof
2.2 Der Peetershof und seine Bewohner
2.3 Die Produktion auf dem Peetershof
3. Kurze Geschichten
3.1 Der Eyller See
3.2 Das Gymnasium in Geldern
3.3 Bundeswehr in Lingen/Ems
Bildergalerie
3.4 Meine politische Einstellung
3.5 Das erste Studium: Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn
3.6 Familie und Beruf
3.7 Der Kampf um den Garten
3.8 Die Lösung der Erbschaftsfrage
3.9 Das zweite Studium der »Asienwissenschaften« in Bonn
3.10 Eine Literaturübersicht
Anhang 1: Das Drachenepos
(Übersetzung ins Hochdeutsche)
A
Vor düsend Johr, du hätten Pont
’ne lelken Draak gewohnt.
Dat wor en Bees, so lelk on quod,
wat Dier on Mense froot.
De Schäper on de Mühleknech
on de Buure van de Kluus,
de froot hen van de Landstroot wech
wie Worsch on Kappesmus.
On hen spoit, soob on froot,
’t wor en rein Schandal.
De Meid met de Geit,
de Fäß von den Deß,
dat wor öm ganz egal.
B
De Graaf van Pont, den hai twee Söhn’,
die fanden dat niet schön.
Se seije: »Vader, lot ons gohn,
den Draak es ons en Dohrn«.
On op de Schlippsteen kohm de greeb,
denn sterve soll de Molch,
den andre sine Säbel schleep
on nohm sin Vaters Dolch.
Doch den Draak, den hanaak,
froot en’t Buuren Hüß,
et Schmalt on et Salt, de Schnuk on de Kuuk.
He miek niet lang Gedrüß.
C
Die Twee, die hade gau gesiehn,
wor’t Bees den Uhren hiel.
Se haje Muth on Pett för tien
on Geff wie Donnerkiel.
Se laje Salt op sine Stert,
on bohrden dann de Greeb
van achtern in sin Draakenhert,
dat hen die Ooge kneep.
On dat Dier wie `ne Pier
krümmde sich van Pinn.
Miet ruk met den Buk
on pierrt met de Stert,
on speide Flammeschinn.
D
Den Draak, den ant kapott gohn wor,
wörgde sich wie enen Ool,
riep: »Gelre, Gelre, Gelre!« driemol
hell on kloor.
Dann war gedon sin Quol.
Die Twee, die dachten dröwer nor,
wat hen met Gelre hat.
Du seit den eene, dat es klor,
wie baue hie en Stadt.
On de Plaats wor so staats,
Gelre wurd’ gebaut.
Met de Fleß in de Feß wurd gebaut on gejaut,
wor de Draak dood es gehaut.
(Übersetzung von mir ins Hochdeutsche: Siehe Anhang.)
Das ist das Heimatepos der Stadt Geldern, der ehemaligen Kreisstadt am unteren Niederrhein. Das Plattdeutsch ist das Platt von Geldern, Nieukerk, Aldekerk und einigen kleineren Orten in der Nähe. Den Text dieses Epos hat mein dritter Bruder Norbert so um 1971 von den Notgeldscheinen aus der Inflation 1922/23 abgeschrieben, als sein Zimmer nach dem Auszug der Mutter meines Vaters im ersten Obergeschoß renoviert wurde und die Geldscheine hinter alten Zeitungen als weitere »Tapete« zum Vorschein kamen. Seit 1990 steht am Marktplatz in der Mitte von Geldern ein Denkmal mit den beiden Drachentötern. Ob das Denkmal auch durch meinen ehemaligen Latein- und Geschichtslehrer am Gymnasium, später Bürgermeister von Geldern, veranlasst worden ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Die erste Abbildung zeigt die im Dezember 2023 fertig renovierte Fassade meines Elternhauses, des PEETERSHOFs, Hochstraße 73 in 47647 Aldekerk am Niederrhein.
Besucher mit dem Zug erreichen Aldekerk von Süden kommend über Krefeld und Kempen, dann Aldekerk. Danach fährt der Zug weiter nach Nieukerk, Geldern, wo ich zum Gymnasium ging, Kevelaer, dem Marienwallfahrtsort, und so weiter bis zur Kreisstadt Kleve. Dort endet die Bahnlinie, die ursprünglich nach Nijmegen/Niederlande, im Deutschen Nimwegen, führte. Dem Vernehmen nach wurde im Zuge der Reparationszahlungen und Demontagen 1946 von der britischen Besatzungsmacht aus der 2-gleisigen Bahnstrecke ab Geldern bis Kleve eine 1-gleisige Strecke gemacht, also ein Gleis von Geldern bis Kleve demontiert.
Heute haben wir die EU, Europäische Union, – doch bis heute ist das zweite Gleis nicht wieder aufgebaut und in Betrieb genommen worden. Mit Nijmegen hat Kleve zwar eine gemeinsame Universität gebildet, doch der Zug endet immer noch in Kleve. Dabei liegt der Bahnhof in Nijmegen direkt neben der Universität!
Mit dem Auto kann Aldekerk von Duisburg aus erreicht werden, indem – in Richtung Venlo/Niederlande auf der A40/E34 fahrend – die entsprechende Autobahnabfahrt beim Ortsteil Kerken-Stenden gewählt wird. Diese Autobahn ist nach meiner Erinnerung in den 70er Jahren gebaut worden.
Ich erinnere mich noch allzu deutlich, dass die Kartoffelernte im Sommer wiederholt massiv behindert wurde, da mein Vater mit dem Traktor und Anhänger voller Kartoffeln nicht vom Saalhuysener Feld zum Güterbahnhof in Nieukerk fahren konnte, um dort die Kartoffeln in den Zug zu verladen. Denn auf der Straße aus Richtung Moers bildeten sich immer wieder kilometerlange Autostaus, insbesondere an Samstagen, wenn »halb Duisburg« in Venlo/ Niederlande preiswert einkaufen fahren wollte.
Die Autobahn A40 hatte auf die lange Dauer gesehen massive Auswirkungen. Entlang der Dorfstraße in Stenden, die zugleich die Zufahrtsstraße zur Autobahn ist, bauten immer mehr Familien ihr Eigenheim. So entstand mit Stenden das vermutlich längste Straßendorf von ganz Nordrhein-Westfalen.
Die »Individualität« der Eigenheime ist frappierend: Fast alle Eigenheime mit einer Haustür an der linken Seite, einige vorne. Es sind fast immer zwei Autogaragen links und rechts des Hauses errichtet worden. Hinter vielen Häusern befindet sich ein kleiner Garten mit Teich und Partydauerzelt, wobei das Gelände dann zumeist an die Bodenkante der Aldekerker Platte (siehe unten) stößt. Was als individuell im Bewußtsein der Bauherren, weniger der Baudamen, gemeint ist, stellt sich als ein krasses Massen-Stereotyp heraus. Ist dann zusätzlich die Ehefrau nicht berufstätig, haben wir ein ähnliches Psychosozialmuster wie in den Middle-class-Vorortsiedlungen der USA … ganze Berge an Frauenromanen erzählen von diesem Schicksal der »Wohlstandsverelendung«.
Insofern ist es günstig, dass die Gemeinde Kerken vor wenigen Jahren Bauvorschriften erlassen hat, nach denen bei Neu- und Umbauten der rheinische Klinkerfassadenstil mit der entsprechenden Bedachung gewählt werden muss. Wie sehr ein Ort dann an Schönheit gewinnt, kann im Nachbarort Wachtendonk, oder, seit dem Bau der Umgehungsstraßen, auch in Nieukerk und Geldern eindrucksvoll bewundert werden.
Andererseits war es vor Existenz der Autobahn Duisburg – Venlo, der A 40/ E34, die weitgehend über die Endmoränen-Hügelkette führt, möglich, an der ehemaligen B60, der heutigen L140, Kartoffeln an die Autofahrer zu verkaufen. Das ging auch nach dem Autobahnbau, jedoch hielten dann weniger Autofahrer an. Meine Eltern besaßen nämlich ein ganz kleines Grundstück, eine Wiese, unmittelbar an der Alt-B60/Neu-L140 in der Nähe des Eyller Sees, auf der die vorbeifahrenden Autofahrer schnell parken konnten, um dann einen Sack Kartoffeln einzukaufen.
Ich mußte des Öfteren meiner Mutter beim Verkauf der Kartoffeln helfen. Dies war wirtschaftlich sehr wichtig, denn die Kartoffelpreise schwankten von Jahr zu Jahr erheblich. In einem Jahr bekam ein Bauer 50 Deutsche Mark pro Zentner Kartoffeln, dann wieder nur 50 Pfennige. Dies war nie im Voraus zu erkennen. Der Anbau der Kartoffeln hängt von mehreren, voneinander unabhängigen Faktoren ab: Anbaufläche, Witterungsbedingungen, Früh- oder Normal-Kartoffeln. In Jahren mit niedrigen Kartoffelpreisen konnten jedoch beim Verkauf an der ehemaligen B60 drei oder fünf Mark anstatt der 50 Pfennige pro Zentner erzielt werden, je nachdem, welchen Preis wir von den Kunden aus Duisburg oder Krefeld und Umgehung erfuhren, den wir dann ein Stück weit unterboten.
Wird die A61 als Strecke nach Aldekerk gewählt, z.B. bei einer Anfahrt von Koblenz oder Neuwied aus, um den Kölner Autobahnring großräumig zu vermeiden, muß diese kurz vor Venlo in Kaldenkirchen verlassen werden. Wenn ich mich recht erinnere bei der Abfahrt Nummer 2. Danach geht es über Herongen und Wachtendonk entlang der ehemaligen B60/L140 bis zur Umgehungsstraße von Aldekerk. Dann biegt der Besucher an der Kreuzung mit der Tankstelle rechts in die Rheinstraße ab, mit Blick auf die Kirche von Aldekerk, und erreicht nach rund 300 Metern die Hochstraße.
Die Umgehungsstraße rund um Aldekerk schließt Aldekerk im Osten zur Aldekerker Platte hin ab. Auf diesem Straßenabschnitt sind die viel befahrene B9, eine von Deutschlands längsten Straßen, und die ehemalige B60 eine einzige Straße. Insofern kommt es hier desöfteren zu hohem Verkehrsaufkommen. Um so unverständlicher ist es, dass die Gemeinde Aldekerk nach dem II. Weltkrieg die Bebauung außerhalb der Umgehungsstraße zuließ. Es ist wohl weitgehend Land der Kirche.
Aldekerk liegt auf der »Aldekerker Platte«. Dies ist eine rund 2,50 bis 2,80 Meter dicke, feine Lössschicht, die sich seit der letzten Eiszeit gebildet hat, als der vorherrschende Westwind mit dem feinen Lehmstaub vor dem Endmoränen-Hügelzug südlich und östlich von Aldekerk erlahmte und niederrieselte. In südlicher, westlicher und nördlicher Richtung hin gesehen fällt die »Aldekerker Platte« mit einer rund 2 bis 4 Meter tiefen Bodenkante rund 250 bis 500 Meter ausserhalb des Ortes ab. Im Westen beginnt dann das Wald-, Acker- und Wiesen-Mischgebiet, auch Bruch genannt.
Die Qualität des Bodens wird bekanntlich mit der Bodenzahl angegeben. Die Aldekerker Platte liegt fast beim Höchstwert von 100, ähnlich der Köln-Bonner-Bucht oder der Magdeburger Börde. Im Bruch jedoch wird die Bodenzahl von 60 bis 70 erreicht, der Boden ist ein wenig tonig, weniger lehmig.
Einige Kilometer weiter, z.B. in Kaldenkirchen oder in Walbeck, zwischen Geldern und den Niederlanden, kann auf sandigem Boden wunderbarer Spargel angebaut werden. Der Reichtum der Landschaft hat so unter Anderem dazu geführt, dass in Straelen eine der größten Versteigerungen für Nahrungsmittel existiert. Die heute sehr große Firma Bofrost, gegründet 1966 in Issum, heute mit Hauptsitz in Straelen, hat seit den 70er Jahren hier ihren europaweiten Erfolgszug gestartet und steht heute in Konkurrenz zu den Firmen Eismann und Amazon.
Der Rhein fließt heute rund 20 bis 30 Kilometer entfernt im Osten. Er soll wohl vor oder nach der Eiszeit auch in dieser Gegend geflossen sein. Dass der Fluß sein Bett erheblich verlegt hat, kann sehr leicht beim nördlichsten römischen Kastell mit großartigem Amphitheater erkannt werden, in Xanten. Das Römerlager wurde damals von Schiffen aus bedient, es gab einen richtigen Hafen unmittelbar vor dem Haupteingang. Heute ist der Rhein vom Römerkastell aus in der Ferne hinter einer Serie Pappeln zu sehen.
Unterhalb der Lössschicht befindet sich meterdick feiner Flußsand. Dieser Sand ist sehr gut für die Herstellung von Beton geeignet, so dass er im Ortsteil Kerken-Stenden massiv abgebaut wurde. Daraus ist dann das heutige »Stendener Meer« entstanden, eine große Seenkette südlich von Aldekerk. Eine für mein Leben wichtige Sandabbaugrube ist der Baggersee Eyller See, der hinter dem Ortsteil Kerken-Eyll im Wald zu finden ist. Dort gingen wir als Kinder sehr gerne schwimmen.
Meine Mutter mußte am Nachmittag zwingend nach Hause fahren, um mit meinem Vater oder zweiten Bruder zusammen die Kühe zu melken und das weitere Vieh zu regeln. Ich hatte dann frei und konnte zum Beispiel nach dem Straßenverkauf der Kartoffeln in knapp 150 Metern Entfernung gleich zum Freibad Eyller See gehen oder mit dem Fahrrad fahren. Aus dem Sand dieser Abbaustelle wurde unter anderem, laut Tante Annas Brief, ab 1937 der, ein informeller Name, »Zugberg« aufgeschüttet, die Überführung der ehemaligen B60 am Ortsrand von Aldekerk Richtung Eyll, letztlich in Richtung Niederlande. Noch heute nutze ich jede Gelegenheit zum Schwimmen im Eyller See, wenn ich im Sommer gelegentlich in Aldekerk bin.
Nach dem Schwimmen hatten wir Kinder immer einen Mordshunger und machten uns heimlich über den Eintopf in der Küche her. Meine Mutter war mehrfach geschockt, wenn sie als Abendessen Eintopf servieren wollte, der dann richtig gut durchgezogen wäre. Doch vier Jungs und eine Tochter hatten zumeist wenig bis nichts übrig gelassen. Dann gab es eben wieder Schwarzbrot mit Butter und Schmalz oder eine Schmalzwurst, hergestellt aus Resten der fein zerkleinerten, gewürzten und gekochten Schweinehaut, die ich nie gegessen habe. Dann lieber die Blutwurst im Naturmantel, wobei mich die Fettklümpchen störten.
Grundnahrungsmittel Nummer Eins waren natürlich die Kartoffeln, sei es gekocht, gebraten oder, häufig abends, mit Zwiebeln angebraten oder seltener als Pellkartoffeln.
Pellkartoffeln ist ein Stichwort, bei dem mir eine Begebenheit einfällt. Ich weiß nicht mehr, in welchem Jahr, vielleicht 1973, als der Sommer besonders regenreich war. Hinzu kam noch, dass die Anbaufläche deutlich zu groß war. Der Preis für einen Zentner Kartoffeln lag vielleicht bei 0,50 DM oder 0,70 DM. Es lohnte sich im Grunde nicht, Kartoffeln über den Kartoffel-Großhandel zu verkaufen. Andererseits waren meine Eltern gezwungen, die Kartoffelernte einzubringen, damit die Kartoffeln im Feld nicht verfaulten. Was war der Ausweg? Im Durchgangsbereich des Hofes befand sich ein großer Einkocher. Dieser wurde mit Kartoffeln gefüllt. Die gekochten Kartoffeln wurden dann an die Schweine verfüttert. Es war ein herrliches Bild die Schweine zu sehen, die sich auf die Kartoffeln stürzten. Für die Schweine war es ein Festessen. Für meine Eltern ein schmaler Ausweg. Schadensbegrenzung heißt dies in der politischen Sprache heute.
Das Bild meiner Mutter und manchmal auch meines Vaters abends, als sie vor einem ganzen Berg von Kartoffeln sitzen und diese schälen, ist mir noch heute vor Augen. Zusammen mit Eiern, gebratenen Hühnern aus unserm Hühnerstall oder Schweinefleisch und Gemüse, Obst und Salat aus dem großen Garten am Doulenweg, der so etwas wie das Lebenselexier meiner Mutter war, hatten wir immer ein sehr gesundes und schmackhaftes Essen. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an die gebratenen Hühner, die es ab und zu sonntags aus der Kasserole gab. Das war ein wirklicher Festtagsschmaus. Da nur wenig Zucker und Essig in Lebensmittelgeschäften eingekauft wurden, waren unsere Zähne gesund. Freitags brachte ein Nieukerker Bäcker dann Brot ins Haus.
Meine Eltern waren in der Lage ein ganzes Schwein fachgerecht zu zerlegen, so dass im Grunde genommen neben den Haarresten und einigen Knochen nichts unverarbeitet blieb. Ich ahnte, wie die Großeltern auf ihrem Hof den II. Weltkrieg überlebt hatten und dabei nur sehr wenige externe Ressourcen, wie z.B. Salz, Öl oder Benzin, benötigten. Es wurde z.B. Blutwurst aus dem gekochten Blut, dem Naturdarm sowie Fett und Gewürzen hergestellt. Der Schinken wurde in einer eigenen, kleinen Räucherkammer in der Küche über Tage geräuchert. Die Glut kam dabei aus dem eigenen Holzofen. Fein geschnitten dann eine tolle Spezialität! An den wenigen Schlachtfesttagen gab es herrlichstes Essen, so dass wir mit den voll geschlagenen Bäuchen fast schon zu Bett kriechen mussten.
Im Sommer halfen wir unserer Mutter im 1050 Quadratmeter großen Obst- und Gemüsegarten am Doulenweg. Einer oder zwei Kinder mußten den Boden spähen, beim Pflücken der Bohnen oder Tomaten mithelfen. Insbesondere war es die Aufgabe von uns Kindern, die Pflaumen, Äpfel, Birnen, Mirabellen, Süß- und Sauerkirschen zu pflücken. Das Obst wurde zum größten Teil in Glasgläsern eingekocht, den WECKgläsern mit dem roten Gummiring, der den Glasdeckel fest mit übrigen Glas verschloss. Ab und zu ging einer in den Keller und hat die 150 bis 300 Gläser, je nach Ernte, getestet, ob das Glas wirklich noch verschlossen war. Beim Mittagessen brach des Öfteren Streit zwischen uns Kindern aus, da jeder genau 24 oder 26 Kirschen essen wollte.
Mir ist noch die Szene im Gedächtnis geblieben, als mein dritter Bruder auch noch die allerletzte leuchtend schwarzroten Kirschen am großen Süßkirschbaum pflücken wollte. Da brach die lange Leiter weg, die wir immer vom Hof auf dem Handwägelchen zum Garten transportierten. Zum Glück wurde die lange Leiter in ihrem Fall dann durch den nächst niedrigeren Ast aufgefangen, so dass mein Bruder nur einen kräftigen Schlag und Schrecken bekam. Seitdem rammten wir die Leitern immer in den Erdboden ein und traten zusätzlich zwei dicke Drahthalbringe über die unterste Sprosse in den Boden ein. Seitdem ist nichts mehr passiert.
Um eine höhere Geschwindigkeit zu erreichen, pflückte ein zweiter kletternd im Baum die Kirschen und Äpfel, weniger die Birnen. Das war zumeist mein Job. Ich weiß noch genau, wie ich bei der Ernte war, als 1974 dann das Endspiel in der Fußball-Weltmeisterschaft lief. Der deutsche Sieg wurde mir laut in den Baum zugerufen. Ich musste mich etwas beeilen, da ein Gewitter im Anzug war. Dann besteht nämlich die Gefahr, dass die Kirschen platzen, schnell faulen und vom Baum fallen. Diese Arbeit hat mir stets sehr gut gefallen. Im Baum stundenlang zu klettern, dann die schwärzesten Kirschen direkt zu essen und mit großen Eimern voller Kirschen nach Hause zu kommen, war schon ein Erfolg. Wir hatten in der Regel zwischen 100 und 150 Gläser Kirschen, die eingemacht wurden, wie gesagt in den WECKgläsern, die danach im Keller lagerten.
Sint Märte es al wär op Rett,
Oh, waten Freud’!
Hä brengt ok geän de Wechter wat met,
Oh, waten Freud’!
Riik on ärm, gruet on kleen
alles löpt beejeien,
jeder hät draan gedoch
on sin Löch metgebroch
Oh, waten Freud’!
Wään Appele Nüet af Peere hät,
Oh, waten Freud’!
da gövt ok geän de Wechter wat met,
Oh, waten Freud’!
Riik on ärm, gruet on kleen,
alles löpt beejeien,
jeder hät draan gedoch
on sin Löch met gebroch.
Oh, waten Freud’!
Sint Märte es al wär gedoan,
Oh waten Freud’!
Noo mode wee wär op Huus aan goan,
Oh, waten Freud’!
Riik on ärm, gruet on kleen,
Alles löpt beejein,
jeder hät draan gedoch
on sin Löch metgebroch.
Oh, waten Freud’!
Diesmal das Lied ohne Übersetzung von mir, da keine Worte im Text, die nicht auch im Hochdeutschen ähnlich vorhanden sind, also nur Laut-Differenz, nicht Lexik-Differenz wie oben beim »Den Draak van Pont«.
Mein dritter Bruder Norbert gab mir eine Kopie der Antwort von Herrn Wilhelm Sommer, Aldekerk, Kerken, den 18. November 1994, als mein Bruder um die Noten zu diesem Lied nachfragte. Er erhielt zumindest diese drei Strophen. Der Leser hat jetzt, zusammen mit dem Heimatepos »Den Draak van Pont«, zwei schöne Kostproben meiner Muttersprache. Dass ich mit einer »5« mit Tendenz zur »6« im Gymnasium in Deutsch startete, ist schon wegen der Lautdifferenz zwischen dem Vogteier Plattdeutsch und dem Hochdeutschen offensichtlich.
Da meine Frau nur lupenreines Hochdeutsch spricht, denn ihre Mutter kam aus Hildesheim, mußte ich bei mehreren Gesprächen leicht simultandolmetschen. Es war erst am Gymnasium, dass ich richtig Hochdeutsch gelernt habe. Deutsch ist meine erste Fremdsprache. Wer meine Bücher liest, erkennt immer wieder, auch nach Jahrzehnten, den plattdeutschen Hintergrund in meinen hochdeutschen Sätzen. Ab und zu taucht dann eine grammatikalische Konstruktion aus dem Plattdeutschen im hochdeutschen Text auf, die es im Hochdeutschen nicht gibt oder ein im Hochdeutschen unbekanntes Wort. Das finde ich dann in meinem Niederländisch-Wörterbuch. Also, jetzt zum Plattdeutschen.
Kerken ist der politisch staatliche Name für die Sammelgemeinde, die 1969 im Zuge der kommunalen Gebietsreform aus den Ortschaften Aldekerk, Nieukerk, Winternam, Eyll, Rahm und Stenden geschaffen wurde. Die damalige Vorgabe des Landes Nordrhein-Westfalen lautete, dass die Orte mindestens 10.000 Einwohner umfassen müssen. Nach Abschluß dieser Ortszusammenfassungen wurden dann mit Wirkung ab 1975 die Kreise zusammengefasst, so dass noch während meiner Gymnasialzeit der Alt-Kreis Geldern zum südlichen Teil des neuen Landkreises Kleve wurde.
Ein einführendes Wort zur Schrift und zur Sprache in Aldekerk ist unbedingt zu sagen. Wieso Schrift, wir sind doch in Deutschland. Ja, aber! Neukerk schreibt sich mit i, also Nieukerk. Es ist das rheinische Dehnungs-i, das hier eingefügt wird. Bekannter ist es z.B. von der Stadt Troosdorf, richtig geschrieben Troisdorf. Auch gibt es ein rheinisches Dehnungs-e. Der Wallfahrtsort Kevelaar, ein Marien-Verehrungsort, den schon Heinrich Heine ausführlich erwähnt, wird Kevelaer geschrieben. Der Ort Straelen wird Straalen gesprochen, aber nicht Strählen, wie so mancher Sprecher im Radio sagt. Grevenbrooch wird Grevenbroich geschrieben. Hier kommt der Aussprachehit: Poelyck. Wird wie ausgesprochen? Pullk ist eine kleine Siedlung einige hundert Meter östlich von Nieukerk. Jetzt ist für mich immer noch ungeklärt, ob neben dem Dehnungs- und Lautumwandlungs-e auch noch ein Beschleunigungs-y existiert. In Schaephuysen, Dehnungs-e, führt das y jedoch zur Wandlung von u nach ü. Zumindest Pont, heute zu Geldern gehörend, wird Pont geschrieben und gesprochen, bekannt heute für die Landes-Justiz-Vollzugsanstalt, im Umgangsdeutsch Knast.
Exkurs zur Rechtschreibung: Bei der letzten Rechtschreibreform der deutschen Rechtschreibung, wenn ich es recht im Radio gehört und behalten habe, waren das rheinische Dehnungs-i und –e Thema. Doch die Reformkommission konnte sich nicht zur Lösung durchringen, die in den Niederlanden umgesetzt wurde: Cadeau ist ein Geschenk, jetzt im Niederländischen abweichend vom französischen Ursprung heute KADO geschrieben. Die Niederung mit der berühmten Abtei und dem Vulkankratersee heißt Maria Laach, wobei Laach im Plattdeutschen und Niederländischen Niederung heißt. Verdopplung der langgezogenen Vokale ist mithin keine Neuigkeit im Deutschen. Eine wirkliche Reform der deutschen Rechtschreibung wäre angebracht. Exkurs Ende.
Doch Mut, beharrliches Durchsetzen von Logik in gesellschaftlichen Zusammenhängen ist nicht die vorherrschende Verhaltensweise, weder am Niederrhein noch sonstwo in Germany. Mut im gesellschaftlichen Handeln wird allgemein mit äußerster Skepsis als eine Form des rituellen Selbstmordes angesehen und ist es dann auch oft. Deshalb pflege ich stets zu schauen, ob es für ein Vorhaben auch mutige Personen gibt, die gemeinsam handeln können. Wenn nicht, abwarten und Kaffee trinken.
Die einheimische Bevölkerung spricht ursprünglich weitgehend Plattdeutsch. Doch wie überall in Deutschland befindet sich die Volkssprache deutlich auf dem Rückzug. Als Schüler hatte ich in der Schule erhebliche Probleme, da es für mich selbstverständlich war, WATT und DATT zu schreiben und zu sprechen, nicht was und dass.
Ich hatte mir mal vor einiger Zeit ein altes Diktat angesehen. Es ist Ausdruck des Zusammentreffens von Volkssprache und offizieller Rechtschreibung, also in Schulnoten eine 5 mit der Tendenz zur 6. Einer meiner Deutschlehrer am Gymnasium hat einmal wörtlich gesagt: »Hier wird kein Niersdeutsch gesprochen.« Die Niers ist ein kleiner Fluß, der irgendwo bei Viersen entspringt, an Wachtendonk und Geldern vorbeifließt und dann in die Maas in den Niederlanden mündet. Heute fahren viele gerne am Wochenende mal mit einem Boot über diesen Fluß.
Mein erster Deutschlehrer am Gymnasium hat die Problemlage genau realisiert. Da meine zwei Brüder Karl und Norbert auch zum Friedrich-Spee-Gymnasium gingen, war ich halt der dritte im Bunde. Er sagte zu meiner Mutter: »Wir kommen hier schon klar mit ihren Söhnen. Haben Sie noch mehr, dann her damit.« Auch solche Lehrer hatten wir, die die soziale Frage in ihr pädagogisches Handeln aufgenommen hatten.
Niederfränkischer Dialekt, heißt es in der Linguistik, ist meine Muttersprache. Doch dieser Begriff ist wenig tragfähig. Von Aldekerk bis Geldern-Veert, aus dem mein Vater stammt, wird Vogteier Platt gesprochen. Markant ist ein weiches »g«, wie z.B. in »Guten Tag«. Danach nördlich wechselt das »g« in ein fast niederländisch klingendes »ch«, das dann für das Hochholländisch charakteristisch ist. Südlich von Aldekerk verläuft wieder eine krasse Sprachgrenze, die Uerdinger Linie, auch ek-ech-Grenze genannt. In Aldekerk heißt es: Ek häbb gegeten. 3 Kilometer südlich: Ech hebb jejeten. Aus dem satten »g« im Vogteier Plattdeutsch wird wenige Kilometer südlich, ich glaube so bei Tönisvorst, Richtung Krefeld ein »j«. Vermutlich konnte noch vor 100 Jahren diese Sprachgrenze auf den Bauernhof genau fixiert werden.
Die Sprachwissenschaftler teilen südlich von Aldekerk das Niederfränkische in das Süd- und das Nord-Niederfränkische. Also spreche ich eigentlich Nord-Niederfränkisch. Doch, wie gesagt, auch dieser Begriff taugt nicht wirklich, denn unsere Sprache ist der Vogteier Dialekt für das Gebiet Aldekerk, Nieukerk, Geldern einschließlich Veert. Nördlich, südlich, östlich, westlich, überall gibt es krasse Änderungen in der Lexik, der Lautung und Grammatik der plattdeutschen Sprache.
Die Sprachwissenschaftler im Rheinischen Landesmuseum in Bonn haben dies und vieles andere mehr gründlich untersucht. Es ist fast wie ein Zebrastreifenfell oder ein Patchworktuch, dass sich immer mehr Laute vom »mitteldeutschen« Hochdeutsch über die »Isch/Ik«, »Han/Heb/Hebbe/Häbben«, Das/Dat-Linie, der Benrather Linie, bei Düsseldorf-Benrath Richtung Hochholländisch in Amsterdam im Dialekt ändern. Vielleicht ist es auch ein bunter Flickenteppich, als Ergebnis der mittelalterlichen Herrschafts- und Kirchenstrukturen. Denn die Sprachen, so sagte mir mein Vater, vereinheitlichten sich im Gebiet derselben Kirche. Dort trafen sich die wenigen Menschen der kleinen Bauernsiedlungen regelmässig über viele Jahrhunderte des Mittelalters.
In Amsterdam fragte mich mal ein Mann an der Hotelrezeption: »Koomt Ü van Limbürch af?« »Waan willt Ü arrivieren?« Er hat also an meinem Niederländisch sofort erkannt, dass ich aus der niederländischen Grenzprovinz Limburg komme. »Ek koom van de Grenz af, maar van de deutze Kant.« (Ich stamme aus der Grenzregion, allerdings von der deutschen Seite. – d.V.) Die Grenze zwischen Preußen und den freien Niederlanden wurde auf dem Wiener Kongreß 1815 einen Kanonenschuß östlich der Maas gezogen.
Während meiner Gymnasial-Schulzeit hat ein Sport- und Geschichtslehrer das Buch »Der zweite Weltkrieg zwischen Rhein und Maas« erstellt. Das kleine Büro des Sportlehrers mit Sportgeräten und Unterlagen trug bei einigen meiner Mitschüler den Spitznamen »Führerhauptquartier«. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie der Bedeutung ihrer Worte Herr waren.
Ein anderer Sportlehrer war eigentlich Besitzer eines kleinen Lebensmittelgeschäfts, nur wegen Lehrermangel wohl zeitweise Sportlehrer. Wenn er kam, warf er den Fußball auf den Platz und setzte sich unter den Baum. Eigentlich war nur das alljährliche Sportfest etwas stressig für ihn. Seine politischen Ansichten, sein Auftreten entsprachen ganz ungemein der Ekel-Alfred-Hauptfigur einer Fernsehfilmserie aus den 70er Jahren. Jedenfalls vertraten einige meiner Mitschüler diese Ansicht, was ich nicht beurteilen konnte, da wir bis 1984 oder 1985 kein Fernsehen hatten.
Vor Jahren habe ich dann Niederländisch an der Volkshochschule gelernt, um mein heimatliches Plattdeutsch nicht ganz zu vergessen. Was ist das katastrophale Ergebnis? Jetzt werfe ich alles durcheinander: Hochniederländisch, Plattdeutsch mit Limburger Akzent, Aldekerker Platt, grammatikalische Regeln im Hochdeutschen, die es nur im Plattdeutschen gibt. Meine Töchter folgen der Sprache meiner Frau: Hochdeutsch nach Aussprache der Mutter meiner Frau: Hildesheimer Hochdeutsch, lupenrein, bis manchmal auf ein kleines scharfes norddeutsches Hannoveraner »s«. Der kleine spitze Stein des Nordens ist nicht zu 100 Prozent weggeschliffen, insbesondere bei emotional belasteten Situationen.
Die Dialektunterschiede sind in Nord-Süd-Richtung sehr deutlich ausgeprägt, in West-Ost-Richtung nicht ganz so krass. Doch die STEINE im Hochdeutschen sind die STEEN in Aldekerk, die STIEN jedoch in Moers, mit den Rolling STONES sind wir schon in England! Wie ich schon in meiner Theorie über die Entstehung des abendländischen Alphabets behaupte (siehe mein Buch »Mit Chinas Kunst Chinesisch lernen«, dort das Diagramm auf Seite →), sind die 2er oder 3er Konsonaten-Bündel stabil, ein markantes Zeichen der semitischen Sprachfamilie, bei Sprachwandlungen werden vorrangig Vokale verändert, Schriftsymbole weisen die geringste Änderungsgeschwindigkeit auf.
Im Niederländischen wird das Wort KAIE verwandt, das im Hochdeutschen noch bei der KAImauer im Duisburger Hafen auftaucht. Im Niederländischen ist jedoch STEINHART KAIHARD. Für mich »leggen Kaie on Steen op de stroot«, zwei Worte für dieselben Steine. Ich habe aus diesem ganzen Durcheinander der Sprachen, Dialekte und Aussprachen eine Schlußfolgerung gezogen: Genau hinhören. So erfahre ich über einen Sprecher sehr viel mehr als der Sprecher glaubt, was er so gesprochen oder gesproken oder gar, ab Rees, chepratet heeft. Am Rhein haben viele niederländische Frauen deutsche Männer angetroffen und umgekehrt. In meinem nächsten Leben werde ich mich damit intensiver befassen oder müßte mich mal in Bonn beim Rheinischen Landesmuseum für einige Jahre in die Forschungsergebnisse vertiefen. Doch gesünder ist es, an die frische Luft zu gehen, im Eyller zu schwimmen und mit dem Fahrrad durch’s Bruch zu fahren.
Meine Mutter stammt von einem Bauernhof nahe Dülken, also südlich der Uerdinger Linie. Sie mußte sich bei ihrer Einheirat in Aldekerk auch sprachlich deutlich umstellen. Nur manchmal sprach sie von VERTELLEN, wenn sie von SPRÄKEN, also sprechen, erzählen, vertellen, KALLEN berichten wollte. Schon taucht das nächste »englische Wort« auf: To call.
Die Nähe zum Englischen ist immer wieder überdeutlich: Tell me, call me, Stoneham, heißt es im Englischen. Haus, Huise, Home, House, Huus, alles geht irgendwie im Norden Deutschlands und bei den Angelsachsen im Alt-Englischen durcheinander. Mein Vater aus Geldern-Veert dagegen war im heimatlichen Dialekt zuhause, hat jedoch am Krefelder Gymnasium Hochdeutsch gelernt. Insofern passte es dann, wenn er die »offiziellen Außenkontakte« der Familie, zum Beispiel als Mitglied des Gemeinderats, auch sprachlich wahrnahm.
Ich konnte in den Anfangsklassen am Gymnasium den Herkunftsort meiner Mitschüler ortsgenau bestimmen, manchmal sogar auf wenige Kilometer, mit der Vermutung, welche Bauernsiedlung der Herkunftsort war. Einige Mitschüler, am Gymnasium bestand noch keine Koeduktion, also eine reine Jungensschule, sprachen jedoch sehr gestochenes Hochdeutsch. Die soziale Differenzierung war somit in den Anfangsjahren des Gymnasiums deutlich herauszuhören.
Was sagte meine Mutter vor einiger Zeit mal: »Spräk niet wie ’n Advokat«. Was findet sich jetzt in diesem Satz? Die 20-jährige Besatzungszeit durch die Franzosen, 1794 bis 1814, bis zum Wiener Kongreß über die Neuordnung der europäischen Landkarte nach Napoleon. In unserm Wohnzimmer hing immer eine Karte der »mairie d’Aldekerk«. Mithin sind im Plattdeutschen manchmal via Französisch lateinische Worte vorhanden anstelle hochdeutscher: Paaplü von Parapluie, dem Regenschirm, arrivieren für im Hotel ankommen oder Trottoir für Bürgersteig. Wir sagen »Prumme« im Platt, nicht hochdeutsch Pflaumen, Prummetaat, nicht Pflaumenkuchen. Das ist Hochdeutsch, dann schmeckt uns der Kuchen nicht mehr ganz so gut.
Ein Stück weit ist uns das Hochdeutsche zuwider, zu trocken, zu abstrakt, fremd geblieben. Die »Hamburger« Sprache im Fernsehen ist nicht unsere Sprache. Es fehlt der weiche, menschliche, verbindliche und vertraute Ton des sanften Platt. Englisch ist eine Variante des Aldekerk Platts, sagte mein Vater. »Mit Platt kommst Du durch die ganze Welt.« Die Sprache der Musikschlager von ABBA bis zu den Beatles ist Englisch, nicht Deutsch, wenn Deutsch, dann eher rockiges Deutsch, besser jedoch dann wieder Kölsch mit der Gruppe BAP. Wie heißt es in Köln? Kölsch, die einzige Sprache, die man auch trinken kann.
Die deutlich vorherrschende Kirche am Niederrhein ist die römisch-katholische Kirche. Die wenigen Protestanten führe ich mehr auf Nachkommen preußischer Verwaltungsbeamter seit 1815 zurück, als die Gelderner Vogtei zu Jülich-Berg kam, also zu Preußen letztlich, später dann Teil der Rheinprovinz. Als Messdiener musste ich mit circa 8 oder 9 Jahren das Glaubensbekenntnis auf Latein auswendig lernen und auswendig vortragen können, als ich noch kein Latein am Gymnasium gelernt hatte: »Credo in unum deum …«.
Mein Vater wollte wohl ursprünglich katholischer Priester werden. Doch der Tod seiner Brüder im II. Weltkrieg machte ihn zum Erben des Hofes in Aldekerk. Als er mal nach dem II. Weltkrieg in Dülken und Umgebung unterwegs war, half er einer jungen Frau beim Verladen eines Schweins auf den Anhänger. Das ist nicht so einfach, denn Schweine sind sehr bewegliche und intelligente Tiere. Diese junge Frau ist meine Mutter. Mehr hat sie nicht von ihrer großen Liebe erzählt. Tabuthema.
Das zentrale Gebäude im Dorf ist die Kirche St. Peter und Paul, auf einer leichten Anhöhe stehend. Der spätgotische Bau entspricht dabei allen Anforderungen, Vorgaben, die im Zuge der Gegenreformation durch den Mailänder Kardinal Erzbischof Karl Borromäus (1538 – 1584) 1577 herausgegeben worden waren: »Instructiones fabricae et supellectilis ecclesiasticae«. Das Katholische im Sinne der Gegenreformation wird so in Stein und Form ausgedrückt.
Exkurs zum Grundriß einer katholischen Kirche: Die Grundform einer katholischen Kirche ist hiernach das lateinische Kreuz, die »Crux oblonga«. Sie ist die Normalform, nicht das griechische Kreuz, nicht runde Formen. Die zentrale Festlegung deutet auf die Hierarchie hin: Im Mittelpunkt steht das Mysterium, der Hochaltar. Dort dienen die Priester auf erhöhtem Presbyterium. Die »capella maior« ist das nach Osten gewandte, erhobene Presbyterium. Darüber befindet sich der Hochaltar und das Chor. Im Zentrum steht das Sakramentstabernakel, das Allerheiligste. Gleich nebenan befindet sich die Sakristei des Priesters.
Die Gemeinde schaut nach vorne und nach oben, sie hat der Ordnung der Lithurgie zu folgen, die Lieder zu singen, die Gebete zu sprechen, die vorgegeben werden. Das Hochamt wird in Latein gefeiert, auch wenn das Volk fast kein Latein versteht. Der Glaube wird nicht weiter in der Versammlung der Gläubigen begründet oder diskutiert. Die Gemeinde unten erhält von der hoch über sie befindlichen Kanzel die Predigt. Widerspruch ist nicht vorgesehen.
Traditionellerweise gibt es einen Kircheneingang für Frauen, meist im Süden, einen für Männer im Norden, während der Haupteingang im Westen den Priestern und ggf. Kindern vorbehalten ist. Innerhalb der Kirche befinden sich die Männer links in Blickrichtung des Altars, die Frauen rechts, die Knaben vorne links, die Mädchen vorne rechts. In den Seitenarmen der »Crux oblonga« gibt es Platz für Neben-Altäre, z.B. für die Marien-Verehrung. An den langen Seiten der Kirche sind Seitenkapellen untergebracht, in denen sich die Beichtstühle befinden. Dort nehmen die Priester die Verfehlungen jedes einzelnen zur Kenntnis und geben dem sündigen Menschen die entsprechenden Weisungen, um ihn auf den rechten Weg zu führen. Am Eingang befindet sich das Baptisterium. Über einen Nebenweg wird die Treppe erreicht, die dann zur Orgel, der Choretage und in den Kirchturm führt.
Eine katholische Kirche soll Würde ausstrahlen und reichlich ausgestattet sein. Auch von außen soll die Kirche deutlich zum Vorschein bringen, dass sie ein »höherer« Ort. Deshalb sind die Kirchenfassaden prächtig zu gestalten. Mögliche Kirchtürme oder Kuppeln sollen weithin sichtbar sein. Die Kirchenglocken können gut gehört werden. Sie rufen die Gemeinde herbei, sie machen aufmerksam, sie gestalten den Alltag der Menschen mit. Die letzte Entscheidung obliegt immer dem Bischof, zur Not dann auch Rom, dem Papst. Exkurs Ende.
Um nur einige Punkte zu benennen, die die Gegenreformation kennzeichnen: Protestantische Kirchen sind schmucklos – katholische voller Pracht. Für die evangelischen Kirchen ist das Wort dominant – für katholische Christen steht das Mysterium im Mittelpunkt der Liturgie. Bei den Protestanten gibt es einen Trend zur Demokratie, bei den Katholiken zur Hierarchie. Das waren einige Äußerlichkeiten. Was die Glaubenslehren betrifft, die Gestaltung der religiösen Riten empfehle ich dem Leser weiterführende Literatur. Wer in der einen Welt aufwächst, empfindet die Unterschiede schon als sehr erheblich. Für einen Katholiken ist eine Predigt durch eine Frau im Priesteramt weiterhin ein außerordentliches Ereignis, für einen Protestanten eine Normalität.
Noch heute habe ich desöfteren den Eindruck, dass ich im Verhalten, hinsichtlich der Sprache oder der unausgesprochenen Weltauffassungen katholisch und evangelisch deutlich unterscheiden kann, obwohl diese Prägung der Bevölkerung aufgrund der sinkenden Bedeutung der Religion, der hohen Mobilität und des gewachsenen Bildungsstandards von 1970 bis heute erheblich nachgelassen hat. Kürzlich noch führte der ehemalige bayerische Ministerpräsident das starke Wahlergebnis der Grünen in Bayern darauf zurück, dass »viele Deutsche nach Bayern eingewandert sind«. Diese Aussage war für mich natürlich gut geeignet, sie in der nächsten Karnevalssaison in der Bütt’ in meinen Vortrag einzuflechten. Der Saal bebte vor Lachen.
Exkurs zur Rolle der »Tagesschau«: Die abendliche Nachrichtensendung »Tagesschau« zum Beispiel, diese seit Jahrzehnten quotenstärkste Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen von 20:00 bis 20:15 Uhr, hergestellt in Hamburg, die sich selbst quasi als »staatstragend« gibt, ist für mich jeden Abend konservativer Protestantismus mit leichtem Sozialflair unter einer typisch protestantischen Tarnung des sich »objektiv« Gebens.
Der Aufbau der Nachrichtenabfolge einer TS-Sendung folgt einer Reihenfolge, die sie selbst für die wesentliche des Tages halten. Als erste oder zweite Nachricht wird fast jeden Abend ein Positivmeldung ausgestrahlt, echtes Product-Placement für die SPD, in dieser oder jener »objektiven« Form. Als meistens zweites kommt dann die FEINDBERICHTERSTATTUNG, das Böse des Tages, der Übeltäter heute, sei es Putin, sei es die VR China, sei es Trump oder ähnlich. Gut gegen böse, eine klare Teilung der Welt ist die unausgesprochene Grundlage der Tagesschau. Wie in einem billigen Western, nur ohne Cowboy-Hut und Colt. Jeder Katholik weiß, dass dieses Schwarz-Weiß-Bild der Welt falsch ist. Es ist die typische Haltung der protestantischen Pfarrer auf der Kanzel, wie z.B. in St. Michaelis in Hamburg krass zu sehen, wenn sie die Welt in Gut und Böse aufteilen. Das hat nichts mit den vielen Kriegen auf der Welt zu tun, sondern ist protestantische Grundhaltung. Deshalb auch so die protestantische Grundgestaltung ihrer Kircheninnenräume. Exkurs Ende.
Nur mal am Rande dazu eine ganz andere Szene, die jedoch diesen Unterschied von Protestantisch zu Katholisch von einer ganz anderen Seite aufhellt. Die meisten meinen ja, dass Religion keine Rolle mehr spielt, soziokulturell sowieso nicht. Das ist ein schwerer Irrtum. Es gibt Verhaltensmuster, die die 500jährige Prägung in Reformation und Gegenreformation deutlich aufweisen.
Nehmen wir Maria X, der Nachname tut nichts zur Sache. Die Vorlesung in »Tibetischer Geschichte«, die ich über zwei Semester in meinem zweiten Studium der »Asienwissenschaften« an der Bonner Universität hörte, wurde von Maria X. gehalten. Beim Wort Maria hörte ich schon hin, Kevelaer ist ein Marienwallfahrtsort. »Oh, Maria hilf!« eine Wiederholungszeile aus den alljährlichen Prozessionen nach Kevelaer, die ich als Kind um die sechs oder acht Jahre zu Fuß mitgehen musste. Fast so wie es Heinrich Heine beschrieben hat! Als dann die Schwiegermutter aus Koblenz nach Neuwied kam, um die Erziehung unserer Töchter mit zu übernehmen, für unsere Töchter ist die Oma ein Teammitglied zusätzlich zu Mutter und Vater, Teammitglied, da sang mein Vater am Telefon: »Oh, Maria hilf.« Eben katholisch, Maria, der Vorname der Oma.
Also, die Vorlesung wurde von Maria X. regelmässig mit einer Beschimpfung, ja Beschimpfung bis Beleidigung der Studierenden eröffnet. »Schreiben Sie mit! Das tut man so als Student!« Da war kein Gendern von Maria X. an die Studentinnen. Das machen vorsichtige Protestantinnen am Mikrophon. Nicht Maria X. »Ich darf Sie jetzt mal abfragen: Wann lebte Tsongkhapa?« »Also wenn Sie das nicht wissen, was machen Sie eigentlich hier in meiner Vorlesung?« »Welche drei Schulen des tibetischen Buddhismus hatten wir denn im letzten Semester kennengelernt?« »Ich werde in der nächsten Stunde einen Test durchführen. Wer den nicht besteht, der bleibt bitte zuhause.«
Kennen Sie diesen Tonfall? Nein? Dann sind Sie nicht katholisch erzogen, kommen aus einem liberalen Haushalt oder zu 85% aus Norddeutschland. Dann kommt jetzt ein kleiner Tipp: Polnischer Akzent. Für jeden Katholiken ist jetzt alles klar. Es gibt überhaupt keine Zweifel, was hier »abgeht«. Für mehrere meiner jugendlichen Mitstudent’innen war nichts klar, einige sagten: »Eingangstest? Zulassungsgespräch? Das darf sie nicht machen.« »Das ist ein Rechtsverstoß nach dem anderen.« »Wie im Kindergarten. Noch schlimmer. Das ist ja fast Diktatur, was die macht.« »Ich versteh’ die Welt nicht.«
Ich habe dann in der Sitzreihe geflüstert: »Leute, ich gebe Euch gleich eine getippte Mitschrift zur Vorlesung im letzten Jahr. Wer will, kann mir auch seine E-Mail-Anschrift geben. Dann sende ich das heute Nachmittag. Cool down, Leute. Das ist eine katholische Polin.« »Was heißt hier Polin, katholisch oder evangelisch? Klage sollte man einreichen.« »Katholisch, nicht evangelisch. Cool down. Alles ganz easy. Es wird keine Probleme geben.« Einige Mitstudierende verstanden mich, andere überhaupt nicht.
Ich gab die getippte Mitschrift an einige rund und bekam einige E-Mail-Anschriften. Zu Beginn der nächsten Vorlesung kam der Test, die meisten haben bestanden, einige nicht. Für sie wurde von Maria X. eine Nachprüfung angeordnet. Aufgrund meiner »Nachschulung« kamen davon wieder einige durch. Maria X. war überrascht. »Sie sind der erste Kurs, bei dem die meisten den Test bestanden haben. Sie scheinen ein besonderes Interesse an der Geschichte Tibets zu haben.« »Wer von Ihnen studiert denn Tibetologie, wer Chinesisch, wer Japanisch, wer Koreanisch, wer Vietnamesisch?« Bei »Tibetologie« meldeten sich 2 oder 3 Studierende, die übrigen rund 35 oder 40 Studierenden lernten die anderen Sprachen, die Hälfte davon Chinesisch. Maria X. war überrascht und fuhr fort: »Auf dieser Basis können wir sehr viel besser die moderne Geschichte Tibets in diesem Semester durchgehen.«
Was war passiert? Ich hatte auf eine katholische Dozentin katholisch reagiert. Aus katholischer Sicht sind alle Menschen unverbesserliche Sünder, das wird zu Beginn jeder Messe jedem nochmals verdeutlicht. Er oder sie ist Sünder’in, soll gehorchen, arbeiten und Ruhe geben. Der Mensch ist zuerst einmal mit der Erbsünde belastet. Davon kommt er im Prinzip nicht mehr so richtig los. Das wird ihm jeden Sonntag neu von oben runter eingedonnert. Lebendiger Katholizismus in Polen, bei uns schon deutlich abgeschwächt, seit dem II. Vatikanischen Konzil sehr abgeschwächt – aber immer noch so.
Diesen katholischen Stil hat Maria X. auch in ihren Vorlesungen reproduziert. Also gehen die armen Sünder hin, tricksen, verteilen die Mitschriften und sind bei der nächsten Vorlesung die reinsten Engellein (der Leser erkennt, dass ich ein Kölner Karnevalslied nach dem andern zitieren kann), die die Tests bestehen. So funktioniert der Katholizismus im Rheinland bei einer Vorlesung über »Tsongkhapa« durch eine Polin. Übrigens: Dieser tibetische Mönch ist wirklich wichtig. Mit ihm kam die Verhärtung des Buddhismus, die Begründung der später bis heute in Tibet und China dann vorherrschenden Gelupga-Schule. In meinem Buch »Mit Chinas Kunst Chinesisch lernen« habe ich dann nachgewiesen, dass diese Verhärtung auch in den Buddha-Bildnissen in China deutlich zu sehen ist, sie stellt die dritte und letzte Phase der buddhistischen Kunst in China dar.
Das muss man alles wissen, dann wird auch die Unsinnigkeit der westlichen Tibet-Berichterstattung, z.B. in der »Tagesschau«, deutlich. Schon allein die Tatsache, dass die anderen buddhistischen Schulen in Tibet nicht Gegenstand westlicher Berichterstattung sind, sondern nur die eine, die verhärtete Schule, mit der dann protestantische Kreise im Westen automatisch innerlich sympathisieren. Gleich zu Gleich gesellt sich gern. Wenn diese Hardliner auf einen starken Staat treffen, der schon seit über 2000 Jahren strikt Staat und Religion trennt, dann gestaltet sich die Lage schwierig. Doch auch hier hilft wieder ein katholischer Ausweg: Wohlstand, Überfluss an Gütern, Tourismus, Reisen. Der Mensch ist halt ein Sünder! Als Neuwieder, mit 72 Religionen in der Stadt, würde ich zusätzlich empfehlen: Können sich nicht alle Beteiligten kooperativ miteinander verhalten, die Religion außen vor der Tür lassen. Wir lösen unsere öffentlichen Probleme ruhig und friedlich. Bitte der Nächste: Was ist Ihre Meinung, meine Dame, mein Herr?
Nochmals zur TS, dieser Hardliner-Sendung des Konservativen-NDR-SPDProtestantismus, natürlich aus Hamburg, manchmal Hannover: Das Strickmuster der TS ist fast immer ein dichotomer Aufbau, ein konstantes Strickmuster plus einigen Serviceelementen. Seitdem sich vor rund zwei Jahren herausgestellt hat, dass die meisten Menschen lieber die ZDF- oder RTL-Nachrichten schauen, werden Erklärbilder und Schemata bei der TS eingefügt. Die Abneigung gegenüber der TS wird von den TS-Machern auf die fehlende Verständlichkeit zurückgeführt. Typisch protestantisch! Das Misstrauen wird nicht auf das Durchschauen ihrer Manipulationsstrategie zurückgeführt, gegenüber ihrem dauernden Versuch der Missionierung der Menschen im Sinne eines kleinkarierten, konservativ-protestantischen SPD-Weltbildes.
Auch rein sprachlich sind die Aufbereitungsmuster der »Tagesschau« oder der »Tagesthemen« schnell zu identifizieren. Immer wieder wird eine kleine Bildsequenz gezeigt, der Vorgang tut nichts zur Sache, dazu dann ein Kommentar, der mit den Worten begann: »Beobachter sind der Auffassung …«. Diese scheinbar »neutralen« Beobachter tauchen mehrmals pro Woche auf: Es sind fast immer nur die Hamburger NDR-Redakteure selbst, nicht wirklich neutrale Beobachter, die hinter dieser scheinbar anonymen Formulierung ihre rein private, oftmals unzutreffende Kommentierung des Geschehens vertreten. Diese Beobachter werden in aller Regel nicht mit Namen genannt. Manchmal heißt es gar, das sei zu gefährlich. Dabei ist, wie wiederholt an der Sprechweise zu erkennen war, der Kommentar eingeübt, vermutlich im Detail mit »Hamburg« abgesprochen, der vor der Skyline von Shanghai oder einer andern »Stadt des Bösen oder des Guten« scheinbar in freier Rede vorgetragen wird.