Percy Stuart - Die Abenteuer eines Multimillionärs No.02 - Martin Winfried - E-Book

Percy Stuart - Die Abenteuer eines Multimillionärs No.02 E-Book

Martin Winfried

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Beschreibung

Percy Stuart, ein millionenschwerer Gentleman aus Amerika, möchte in den angesehenen Excentric Club aufgenommen werden. Dafür muss er ungewöhnliche Aufgaben lösen. Mit Humor und innovativem Improvisationstalent geht er stilvoll und zielstrebig ans Werk.Dieses Buch enthält die folgenden Aufgaben:5. Aufgabe: Auf dem Drahtseil über den Niagara6. Aufgabe: Das Geheimnis der Lüfte7. Aufgabe: Ein Abenteuer im Chinesenviertel8. Aufgabe: Eine gewagte Entführung

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Martin Winfried u. a.PERCY STUART 2

In dieser Reihe bisher erschienen:

1001 Edgar Rice Burroughs Caprona - das vergessene Land

1002 Ernst Konstantin Sten Nord - der Abenteurer im Weltraum

1003 Unbekannter Autor Jack Franklin, der Weltdetektiv

1004 Robert E. Howard Die Geier von Wahpeton

1005 Robert E. Howard Abrechnung in den Los Diablos

1006 Robert E. Howard Steve Costigan – Seemann und Boxer

1007 Murray Leinster Der tollwütige Planet

1008 Robert E. Howard Grabratten

1009 Martin Winfried u. a. Percy Stuart

1010 Egon Schott Zurück vom Amazonas

1011 Gerd Frank (Übersetzer) Das Spukschloss

1012 Martin Winfried u. a. Percy Stuart 2

1013 Martin Winfried u. a. Percy Stuart 3

Martin Winfried u. a.

PERCY STUART 2

Die Abenteuer eines Multimillionärs

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Bezeichnungen wie Neger, Zigeuner, Irre usw. Bestandteil der allgemeinen Umgangssprache – heute gelten diese Begriffe als diskriminierend. Trotzdem wurde in der vorliegenden Erzählung hierzu keine Überarbeitung vorgenommen, um den Zeitgeist der 1920er Jahre zu erhalten.

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckErstmals erschienen 1920 im Mignon-Verlag, DresdenRedaktion: Gerd Lange

Scan- und Textbearbeitung: Peter Emmerich Titelbild: Mignon Verlag, Dresden (1920)Logo und Umschlaggestaltung: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-783-2

Einleitung

Percy Stuart, jung, sehr reich, unabhängig, liebens­würdig, ein Meister aller sportlichen Künste, hat es sich in den Kopf gesetzt, Mitglied des berühmten Excentric Clubs zu werden.

In diesen Club werden nur Männer der vornehmsten Gesellschaft aufgenommen, die durch die tollsten Streiche, die man sich denken kann, den Beweis geliefert haben, dass sie keine Dutzendmenschen, sondern ungewöhnliche und merkwürdige Naturen sind.

Aber Percy Stuart kann lange Zeit das heiß ersehnte Ziel nicht erreichen.

Denn die Statuten des Klubs bestimmen ausdrücklich, dass niemals mehr als 197 Mitglieder aufgenommen werden können. Überdies hat Percy Stuart in dem Baronet Mac Hollister einen Todfeind, der unerbittlich mit allen Mitteln die Aufnahme des jungen Mannes hintertreibt.

Aber Percy dringt mit Gewalt in den Sitzungssaal des Clubs ein und erreicht durch sein mehr als exzentrisches Auftreten, dass man um seinetwillen eine Ausnahme von den Statuten machen will.

Es wird jedoch die Bedingung gestellt, dass er, Percy Stuart, ebenso viele, ihm durch die Clubleitung zu stellenden Aufgaben löst, wie Mitglieder vorhanden sind, nämlich 197.

Jede dieser Aufgaben bringt ihn in Lebensgefahr, jede dieser Aufgaben stellt an Percys Kraft, körperliche und geistige Gewandtheit, an seine Energie und seinen Ehrgeiz die größten Ansprüche. Es sind Aufgaben, die irgendein Alltagsmensch gewiss nicht versuchen würde zu lösen.

Percy Stuart unterschreibt jedoch sofort freudig die Bedingung und erhält durch den Präsidenten des ­Excentric Clubs, Mr William Spencer, einen versiegelten Brief, der die erste Aufgabe enthält. Diese Aufgabe löst Percy Stuart. Er besiegt drei Weltmeister, die bis dahin unüberwindlich galten, in drei Tagen.

Kaum ist die erste Prüfung bestanden, so wird ihm ein zweiter Brief mit der zweiten Aufgabe zugestellt. Auch diese löst Percy Stuart. Nun folgt eine unlösbar erscheinende Aufgabe der anderen.

Die fünfte Aufgabe lautet:

Mister Percy Stuart möge unverzüglich nach Amerika zurückkehren. Der berühmte Seiltänzer Blondin hat angekündigt, dass er am 21. August auf einem Drahtseil die Stromschnellen des Niagara überschreiten und dabei einen Mann auf seinen Schultern tragen will. Bis jetzt hat sich noch kein Waghalsiger gefunden, der einem grauenhaften Tode auf den Schultern Blondins ins Auge blicken wollte!

Mister Percy Stuart möge derjenige sein, der das Wagnis unternimmt.

Der Excentric Club

Auf dem Drahtseil über den Niagara 

von Walter Gernsheim

1. Ein ausverkauftes Schiff

Percy Stuart stand am Fenster seines eleganten Londoner Hotelzimmers und starrte wie fassungslos auf ein Kabeltelegramm aus New York, das er soeben erhalten hatte. Immer wieder las er den Text.

Telegramm erhalten. Seiltänzer Blondin beabsichtigt, am 27. August mittags 12 Uhr mit einem Manne auf dem Rücken die Niagara-Fälle auf einem Seile zu überschreiten.

Es hat sich noch niemand dazu gemeldet, da Gefahr zu groß.

Konsul Thorrensen.

„Am 27. August!‟, murmelte Percy Stuart und richtete seinen Blick unwillkürlich auf einen großen Kalender, der auf seinem Schreibtisch stand. „Heute ist schon der 20. August. Ich muss mich so schnell als möglich auf den Weg machen.‟

Nur sieben Tage noch. Es war kaum möglich, noch zur rechten Zeit einzutreffen.

Kaum möglich? Es musste möglich sein! Percy Stuart wusste, dass der Excentric Club ihm keine Verlängerung der Frist gewähren würde. Erreichte er die Niagara-Fälle nicht bis zum 27. August, so würde sein alter Gegner, Baronet Mac Hollister, gewiss darauf dringen, dass die Ausgabe für ungelöst erklärt werden würde.

Der junge Amerikaner stutzte. War denn das rechtzeitige Eintreffen die große Schwierigkeit der Aufgabe? Zunächst wohl, aber lohnte es sich denn überhaupt, sich um die schnelle Überfahrt zu bemühen? Durfte er denn wagen, die Lösung dieser Ausgabe zu versuchen? Auf den Schultern eines Seiltänzers über den Niagara!

Percy Stuart war nicht furchtsam. Aber bei dem Gedanken an die Gefahr fröstelte ihn doch. Es war grausam, ihm eine solche Ausgabe zu stellen. Und doch, hatte er nicht mit so Außergewöhnlichem, mit so Grausamem rechnen müssen, er, der wusste, dass sein erbitterter Feind Mac Hollister den Excentric Club bei der Auswahl der Aufgaben beraten würde?

Nein, er durfte sich nicht entmutigen lassen. Er musste seinem Glück vertrauen!

Stuart schritt zum Schreibtisch und griff nach dem Kursbuch und den Fahrplänen der Schifffahrtslinien.

Er fand bald, dass ihm nur ein Dampfer der Cunard-Line Aussicht auf rechtzeitige Ankunft in den Staaten bieten würde. Er musste in weniger als einer halben Stunde das Hotel verlassen, um den Zug nach Liverpool zu erreichen. Dann konnte er mit dem morgen, wie an jedem Sonnabend, Liverpool verlassenden Dampfer die Seereise antreten. Unter sehr günstigen Umständen, bei schnellster Fahrt des Schiffes, würde er am 26. August mittags in New York und etwa zwölf Stunden später in Niagara City eintreffen können. Rechtzeitige Ankunft war also möglich.

Wenn der Seiltänzer Blondin nun aber bereits jemand gefunden hätte, der sich zu dem Wagnis bereitgefunden hätte? Nein, damit war nicht zu rechnen. Die Gefahr war zu groß, als dass er mit dieser Möglichkeit hätte rechnen müssen.

„Johnny, Johnny!‟, rief Percy Stuart seinen alten Kammerdiener.

Der alte Mann erschien sofort.

„Sind meine Koffer bereit, mein Freund?‟

„Seht wohl, Sir, Sie wissen ja, dass Ihre Koffer immer gepackt sind. Wenn es sein muss, können Sie jederzeit in fünf Minuten abreisen, wohin es Ihnen beliebt!‟

„So lass sofort den Wagen vorfahren, Johnny, und sage dem Chauffeur, er möge mich zum Bahnhof bringen!‟

„Haben Sie noch irgendwelche Befehle für die Zeit Ihrer Abwesenheit?‟

„Keine … doch, halt, Johnny, du weißt doch, dass mein Testament bei dem Notar Clifton liegt, es wäre leicht möglich, oder nein, gar nichts ist möglich! Bringe mir sofort Hut und Stock und lasse die Koffer sogleich in das Automobil bringen!‟

Als Percy Stuart das vor dem Hotel harrende Auto­mobil bestieg, hielt der alte, getreue Johnny ehrerbietig den Schlag. Percy Stuart legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte lächelnd zu ihm: „Du kommst also sofort mit dem nächsten Schiff nach, Johnny! Erledige hier alles, was noch zu erledigen ist, aber versäume dich nicht. Leb’ wohl!‟

Herr und Diener tauschten noch einen freundlichen Händedruck, dann fuhr das Automobil davon.

*

Wenige Minuten nach seinem Eintreffen im Bahnhofsgebäude saß Percy Stuart bereits in einem Abteil erster Klasse, rauchte eine Zigarette und betrachtete die im saftigen Grün prangende Landschaft, welche der Zug durcheilte.

Am Nachmittag noch traf er in Liverpool ein. Er bestieg sofort einen Kraftwagen und begab sich mit seinem Koffer in die General-Office der, Cunard-Line.

„Geht morgen, Sonnabend, ein Schiff nach New York?‟, fragte er den diensthabenden Beamten, der hinter einem großen Glasschalter erschien.

„Jawohl, mein Herr, die Mauretania fährt morgen um neun Uhr früh von hier ab!‟

„Ah, die Mauretania, ein sehr schneller und schöner Dampfer. Die Mauretania wird vermutlich den Rekord erreichen?‟

„Ja, sie wird sogar versuchen, ihn zu brechen!‟

„Umso besser. So werde ich hoffentlich dreißig oder vierzig Minuten früher in New York eintreffen. Ich bitte, mir für diese Fahrt eine Kabine erster Klasse zu reservieren!‟

„Unmöglich, mein Herr‟, antwortete der Beamte, „alle Kabinen erster Klasse sind bereits vergeben!‟

„Das ist doch wirklich merkwürdig! Jetzt im August pflegen sonst zwar die Dampfer, die von New York nach Europa kommen, voll besetzt zu sein, aber nicht die nach den Vereinigten Staaten abgehenden Schiffe. Ist es denn wirklich unmöglich, mir eine Kabine zu geben? Es kommt mir auf den Preis durchaus nicht an. Ich zahle auch das Zehnfache, wenn Sie es wünschen!‟

„Ich bedaure, Ihnen leider nicht entgegenkommen zu können, mein Herr. Sogar sämtliche Offizierszimmer sind vermietet.‟

„Gut denn, so werde ich mich entschließen, zweiter Klasse zu reisen!‟

„Aber nicht an Bord der Mauretania! Sämtliche Kabinen zweiter Klasse sind gleichfalls vergriffen.‟

Percy Stuart stutzte und fragte nach einer Minute: „Ich will nicht hoffen, dass Sie mit mir scherzen, mein Herr?‟

„Ein Beamter der Cunard-Line scherzt nicht, solange er sich im Dienst befindet!‟

„Aber ich muss unbedingt die Mauretania benutzen. Hören Sie, mein Herr, ich muss reisen, und sollte ich im Zwischendeck fahren. Also gut, verschaffen Sie mir einen Platz im Zwischendeck, wenn es schon nicht anders sein kann!‟

„Wir haben auch für das Zwischendeck nichts mehr zu verkaufen. Jeder Platz ist belegt und bezahlt.‟

„Melden Sie mich sofort dem Direktor!‟

Wenige Minuten später stand Percy Stuart vor dem Direktor, einem eleganten, graubärtigen Herrn, der ihn höchst zuvorkommend empfing und mit der größten Bereitwilligkeit die Beschwerde anhörte.

„Es tut mir wirklich aufrichtig leid, Ihnen nicht dienen zu können, Sir‟, sagte der Direktor, „aber die ­Mauretania, ist vollkommen ausverkauft. Ich will Sie übrigens nicht im Unklaren darüber lassen, wie das alles zugeht, denn ich möchte vermeiden, dass Sie vielleicht den Eindruck gewinnen, dass wir Ihnen keinen Platz überlassen ­wollen. Bis heute Mittag zwölf Uhr war noch die Hälfte aller Plätze, waren auch noch genügend Kabinen zu haben. Da empfingen wir ein Telegramm aus London, in welchem uns das Bankhaus Scott & Co. mitteilte, dass es bei der Generaldirektion sämtliche Plätze auf der Mauretania ausnahmslos belegt und den vollen Preis hierfür bereits bezahlt habe. Ein zweites Telegramm folgte, es war von unserer Generaldirektion, welche die kurze Mitteilung der Firma Scott & Co. bestätigte und hinzufügte, dass die Mauretania pünktlich um neun Uhr in See zu gehen habe, selbst wenn kein einziger der angemeldeten Passagiere an Bord gekommen sei.‟

„Sie gestatten wohl, dass ich mich für einen Augenblick setze!‟, sagte Percy Stuart und nahm sich einen Sessel. „Jetzt verstehe ich alles!‟

Es war kein Zweifel möglich! Baronet Mac Hollister hatte ihm diesen Streich gespielt. Es war zu klar, dass nur dieser es sein konnte. Mac Hollister wusste Percy Stuart noch in London und wusste auch, dass er mit der ­Mauretania England verlassen musste, wollte er rechtzeitig in New York eintreffen.

Ein starker Grimm kam in Percy Stuart hoch. Mac ­Hollister sollte sich verrechnet haben! Er würde ihm beweisen, dass diese Hindernisse für einen entschlossenen Menschen keine Hindernisse waren.

Hastig dankte er dem liebenswürdigen Direktor und stürmte davon

Er lief am Hafen entlang und erkundigte sich, ob irgendein anderes Schiff morgen den Hafen von Liverpool verließ, um nach New York abzugehen. Der Kapitän eines Petroleumdampfers war der Einzige, der seine Frage bejahte.

„Und wie lange sind Sie auf See?‟

„Well, wenn wir Glück haben und alles gut geht, so sind wir in drei Wochen drüben!‟

„Ja, drei Wochen, danke bestens, mein lieber Kapitän, in drei Wochen werde ich vielleicht schon wieder hier oder auf einem anderen Kontinent sein müssen. Wenn ich dann überhaupt noch reisen kann.‟

Percy Stuart befand sich natürlich nicht in der rosigsten Laune, als er nach diesem Bescheid ein kleines, am Hafen gelegenes Restaurant aufsuchte, um einen Bissen zu essen.

Er wollte während der Mahlzeit überlegen, was in dieser Lage zu tun sei, denn er wusste, dass ihm häufig beim Essen die besten Gedanken kamen.

Die Räume des Restaurants waren ziemlich gut besucht. Percy Stuart nahm Platz an einem Tische, der sich nahe am Kamin befand, stellte sich schnell ein kleines Mahl zusammen, und während er die Suppe aß, sah er sich in dem Raume um. Er fand aber keinen der anwesenden Gäste interessant genug, um ihm besondere Beachtung zu schenken.

Da öffnete sich die Tür des Lokals, und ein junger Mann stürmte herein.

Der Zufall wollte es, dass er an Stuarts Tische Platz nahm.

„Bringen Sie mir Portwein!‟, rief er dem Kellner zu. „Bringen Sie aber am besten gleich zwei Flaschen, hier ist Geld!‟

Die wenigen Worte, welche Percy Stuart aus dem Munde des jungen Mannes gehört hatte, genügten, um ihm zu verraten, dass sein Gegenüber kein Engländer, sondern wahrscheinlich ein Deutscher sei.

Der junge Mann sprach das Englische mit jenem Akzent, der nur den Deutschen eigen ist. Er sprach es übrigens schlecht und gebrochen

Der Portwein wurde gebracht, und der junge Mann wandte sich jetzt an Percy Stuart mit den Worten: „Darf ich Ihnen eingießen? Ein Trunk gefällig? Trinken Sie ein Glas mit mir?‟

„Mit Vergnügen‟, antwortete der junge Amerikaner, „aber ich möchte Ihnen raten, den schweren Wein nicht so hastig hinunterzugießen, denn sonst werden Sie schon nach der ersten Flasche total betrunken sein, und Sie haben sich doch gleich zwei Flaschen Wein bestellt!‟

„Ich will mich ja betrinken‟, antwortete der junge Mann, „ich will meinen großen Ärger hinunterspülen, einen schrecklichen Ärger, der mich quält!‟

„Sie scheinen ein Deutscher zu sein, reden wir also lieber Deutsch miteinander. Ich spreche diese Sprache ziemlich gut, obwohl ich Amerikaner bin.‟

„Sie können mir gar keinen größeren Gefallen tun, denn Englisch fällt mir schwer! Himmelbombendonnerwetter, so ein Pech muss man haben, wie ich, es ist zum Rasend werden!‟

„Hat Sie wirklich ein so großes Unglück betroffen? Kann ich Ihnen vielleicht auf irgendeine Weise helfen?‟

„Hören Sie vor allen Dingen, was mir passiert ist!‟, sagte der junge Mann. „Zuerst gestatten Sie mir aber, dass ich mich Ihnen vorstelle, Fritz Hellriegel aus Köln!‟

„Percy Stuart aus New York!‟

„Ich will mich durchaus nicht besser machen, als ich bin‟, fuhr der junge Deutsche fort, nachdem er das dritte Glas Portwein hastig geleert hatte. „Ich bin das, was

man bei uns einen verlorenen Sohn nennt. Mein Vater hatte ein sehr großes Geschäft in Köln und war ein sehr wohlhabender Mann.

Mich nahm er in sein Geschäft auf, aber die ganze Sache gefiel mir nicht besonders.

Ich hatte schlechte Freunde. Sehen Sie, mein Herr, da fing mein ganzes Unglück an. Nun, eines schönen Tages hatte der Alte endlich die Sache mit mir satt, händigte mir noch dreihundert Mark ein und sagte zu mir: Mein lieber Sohn, jetzt versuche es einmal, auf eigenen Füßen zu stehen. Geh’ ins Ausland, bring’ dich fort, so gut es dir gelingt. Von mir bekommst du während der nächsten zwei Jahre keinen Pfennig!‟

„Sehr praktisch und sehr richtig von Ihrem Herrn Vater‟, sagte Percy Stuart lächelnd. „Na, und wohin gingen Sie?‟

„Nach London. Vier Monate drückte ich mich in London herum. Meine dreihundert Mark waren natürlich bereits in ein paar Tagen den Weg alles Geldes gegangen, und nun führte ich ein wahres Hundeleben. Ich bemühte mich, eine Stellung, Arbeit, einen sicheren Verdienst zu finden, aber da kann man sich ja in London die Stiefelsohlen weglaufen, bis man irgendwo unterkommt, besonders dann, wenn man schlecht Englisch spricht, wie ich, und ein so verwöhntes Muttersöhnchen ist! Dann kam ich hierher nach Liverpool. Seit vier Wochen gehe ich nun schon täglich ins Bureau der Cunard-Line und bitte um eine Stellung, am allerliebsten um die eines Stewards.

Warten Sie, vielleicht wird bald eine Stelle frei! ist der tägliche Bescheid. Nun, ich wartete geduldig, und endlich heute, am dreißigsten Tage, sagte man mir, dass ich als Steward eintreten könnte, und dass ich mich sofort an Bord der Mauretania begeben und mich dort beim Ober-Steward melden sollte.‟

„Aber das ist ja doch ein großes Glück für Sie‟, rief Percy Stuart aus. „Sie ahnen gar nicht, mein Herr, wie sehr ich Sie darum beneide, morgen früh die Reise auf der Mauretania antreten zu können!‟

„Ich war auch überglücklich, unterzeichnete den Kontrakt, den man mir vorlegte, und kehrte wieder in das elende Zimmer zurück, das ich hier meine Wohnung nenne, um meine paar Habseligkeiten ­zusammenzupacken und mich sogleich an Bord der Mauretania zu begeben!

Wie ich nun hier am Hafen eintreffe, kommt mir ein Telegraphenbote nachgerannt und schreit mich an: Sind Sie Fritz Hellriegel?

Natürlich bin ich es!, antwortete ich sofort.

Dann habe ich für Sie ein Telegramm, kostet zwei Schillinge und sechs Pence!

Ich zahlte, denn man hatte mir glücklicherweise im Bureau der Cunard-Line einen kleinen Vorschuss gegeben. Ich öffne das Telegramm, na, was denken Sie sich, mein Herr, was darinsteht?‟

„Bedaure sehr‟, antwortete Percy Stuart, „aber das kann ich nicht erraten!‟

„Ein alter Onkel von mir ist gestorben, ich bin der Erbe seines sehr bedeutenden Vermögens und werde von einem Notar in Köln aufgefordert, sofort zurückzukehren, um mein großes Erbe anzutreten!‟

„Na, dann kann man Ihnen ja gratulieren!‟

„Eine schöne Gratulation, da ich ja doch jetzt den verwünschten Vertrag erfüllen muss. Denn ich bin ein gewissenhafter Mensch, und wenn ich einmal etwas übernommen habe, so führe ich es auch aus.‟

„Ja, bilden Sie sich denn ein, mein Lieber‟, sagte Percy Stuart, in dessen Augen es eigentümlich aufleuchtete, „dass die Mauretania nicht bis nach New York kommen wird, wenn Sie sich nicht an Bord befinden? Übrigens mache ich Ihnen einen Vorschlag.

Den Passagieren der Mauretania ist es sicher vollkommen gleichgültig, ob der Mann, der sie bedient, ihnen die Schuhe putzt oder bei Mahlzeiten serviert, Fritz ­Hellriegel heißt oder Percy Stuart. Geben Sie mir Ihre Papiere, ich schwöre Ihnen, ich werde mich an Ihrer Stelle an Bord der Mauretania begeben und Ihre sämtlichen Funktionen versehen. Sie aber können noch heute Abend die Rückfahrt nach der deutschen Heimat antreten!‟

„Wie, das wollten Sie?‟, rief Fritz Hellriegel ganz entzückt aus. „Aber das ist ja, als wenn Sie der Himmel zu mir heruntergeschickt hätte! Einen Stellvertreter sollte ich in Ihnen finden? Mensch, Freund, Bruder, hier haben Sie den verwünschten Kontrakt. Hier haben Sie alle diese Papiere auf den Namen Fritz Hellriegel, durch die Sie sich ausgezeichnet legitimieren können. Und nun, hurra, jetzt geht’s nach Hause, nach dem geliebten Köln, ich bin frei, frei, frei!‟

„Jetzt werden Sie vermutlich die zweite Flasche Portwein nicht austrinken wollen!‟, rief Percy Stuart, der seine eigene große Freude kaum zu verbergen vermochte.

„Die zweite Flasche, nein, die trinken wir jetzt zusammen!‟

*

Noch am selben Abend meldete sich Percy Stuart in einem einfachen Anzug beim Ober-Steward der ­Mauretania und wurde unter dem Namen Fritz Hellriegel sofort in die Schar der dienstbaren Geister des Schiffes eingereiht.

Wohlig dehnte und reckte sich Percy Stuart bald darauf in seinem schmalen Bett.

Plötzlich lachte er leise auf.

„Ich habe dir wieder einmal den Wind aus den Segeln genommen, Baronet Mac Hollister! Erst kostet dich dein Trick ein Vermögen, und ich konnte ihn doch noch vereiteln! Und Percy Stuart ist nun doch an Bord der ­Mauretania, der Steward Stuart!‟

Das Wortspiel machte ihm Vergnügen.

Bald schlief der neue Steward der Mauretania so gut, wie der Millionär Stuart in der Kabine der ersten Klasse nicht hätte besser schlafen können.

2. Stuart – Steward!

„Sie scheinen mir ein tüchtiger junger Mensch zu sein‟, sagte der Ober-Steward am nächsten Tage zu Percy ­Stuart, als die Mauretania