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Percy Stuart, ein millionenschwerer Gentleman aus Amerika, möchte in den angesehenen Excentric Club aufgenommen werden. Dafür muss er ungewöhnliche Aufgaben lösen. Mit Humor und innovativem Improvisationstalent geht er stilvoll und zielstrebig ans Werk.Dieses Buch enthält die folgenden Aufgaben:9. Aufgabe: Eine Wettfahrt mit dem Nizza-Express10. Aufgabe: Die Bank gesprengt11. Aufgabe: Der Stierkämpfer von Sevilla12. Aufgabe: Der Schreckenstag der Viktoria-Grube
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Seitenzahl: 156
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Martin Winfried u. a.PERCY STUART 3
In dieser Reihe bisher erschienen:
1001 Edgar Rice Burroughs Caprona - das vergessene Land
1002 Ernst Konstantin Sten Nord - der Abenteurer im Weltraum
1003 Unbekannter Autor Jack Franklin, der Weltdetektiv
1004 Robert E. Howard Die Geier von Wahpeton
1005 Robert E. Howard Abrechnung in den Los Diablos
1006 Robert E. Howard Steve Costigan – Seemann und Boxer
1007 Murray Leinster Der tollwütige Planet
1008 Robert E. Howard Grabratten
1009 Martin Winfried u. a. Percy Stuart
1010 Egon Schott Zurück vom Amazonas
1011 Gerd Frank (Übersetzer) Das Spukschloss
1012 Martin Winfried u. a. Percy Stuart 2
1013 Martin Winfried u. a. Percy Stuart 3
Martin Winfried u. a.
PERCY STUART 3
Die Abenteuer eines Multimillionärs
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Bezeichnungen wie Neger, Zigeuner, Irre usw. Bestandteil der allgemeinen Umgangssprache – heute gelten diese Begriffe als diskriminierend. Trotzdem wurde in der vorliegenden Erzählung hierzu keine Überarbeitung vorgenommen, um den Zeitgeist der 1920er Jahre zu erhalten.
Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckErstmals erschienen 1921 im Mignon-Verlag, DresdenRedaktion: Gerd Lange
Scan- und Textbearbeitung: Peter Emmerich Titelbild: Mignon-Verlag, DresdenLogo und Umschlaggestaltung: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-784-9
Percy Stuart, jung, sehr reich, unabhängig, liebenswürdig, ein Meister aller sportlichen Künste, hat es sich in den Kopf gesetzt, Mitglied des berühmten Excentric Clubs zu werden.
In diesen Klub werden nur Männer der vornehmsten Gesellschaft aufgenommen, die durch die tollsten Streiche, die man sich denken kann, den Beweis geliefert haben, dass sie keine Dutzendmenschen, sondern ungewöhnliche und merkwürdige Naturen sind. Aber Percy Stuart kann lange Zeit das heißersehnte Ziel nicht erreichen. Denn die Statuten des Klubs bestimmen ausdrücklich, dass niemals mehr als 197 Mitglieder aufgenommen werden können. Überdies hat Percy Stuart in dem Baronet Mac Hollister einen Todfeind, der unerbittlich mit allen Mitteln die Aufnahme des jungen Mannes hintertreibt. Aber Percy dringt mit Gewalt in den Sitzungssaal des Clubs ein und erreicht durch sein mehr als exzentrisches Auftreten, dass man um seinetwillen eine Ausnahme von den Statuten machen will. Es wird jedoch die Bedingung gestellt, dass er, Percy Stuart, ebenso viele, ihm durch die Klubleitung zu stellenden Aufgaben löst, als Mitglieder vorhanden sind, nämlich – 197.
Jede dieser Aufgaben bringt ihn in Lebensgefahr, jede dieser Aufgaben stellt an Percys Kraft, körperliche und geistige Gewandtheit, an seine Energie und seinen Ehrgeiz die größten Ansprüche. Es sind Aufgaben, die irgendein Alltagsmensch gewiss nicht versuchen würde zu lösen. Percy Stuart unterschreibt jedoch sofort freudig die Bedingung und erhält durch den Präsidenten des Excentric Clubs, Mr William Spencer, einen versiegelten Brief, der die erste Aufgabe enthält. Diese Aufgabe löst Percy Stuart. Er besiegt drei Weltmeister, die bis dahin unüberwindlich galten, in drei Tagen. Kaum ist die erste Prüfung bestanden, so wird ihm ein zweiter Brief mit der zweiten Aufgabe zugestellt. Auch diese löst Percy Stuart. Nun folgt eine unlösbar erscheinende Aufgabe der anderen.
Die neunte Aufgabe lautet:
Percy Stuart hat am 13. des Monats in einem Automobil eine Wettfahrt mit dem Nizza-Express (Schnellzug Paris-Nizza) zu unternehmen und in dieser Wettfahrt den Sieg davonzutragen.
Der Excentric Club
von Joe Weyermoor
Am dreizehnten August gegen vier Uhr nachmittags war die Vorhalle des Bahnhofs von Paris, von dem die Züge in der Richtung nach dem Süden auslaufen, von einer dichtgedrängten Menschenmenge umlagert. Eine gewaltige Erregung war in den Tausenden, die da warteten.
Wieder und wieder richteten sich ihre Blicke nach der breiten Zufahrtsstraße, die geradlinig auf den Bahnhof zulief.
Einer flüsterte es dem andern zu mit einem ungeduldigen Blick auf die Uhr: „Jetzt muss er bald kommen! Vier Uhr sieben Minuten geht ja der Nizza-Express!“
Einer, der offenbar zeigen wollte, dass er sehr genau Bescheid wusste, antwortete seinem Nachbar: „Es fehlen nur noch acht Minuten an vier Uhr. Der Fremde hat nur noch eine Viertelstunde Zeit, wenn er pünktlich am Start erscheinen will.“
Eine elegant gekleidete Dame verbarg ihre Spannung hinter einer blasierten Miene. Sie zuckte geringschätzig die Schultern und meinte zu ihrem Begleiter: „Eine verrückte Idee, mit dem Nizza-Express um die Wette fahren zu wollen! In einem Flugzeug ließe ich mir’s noch gefallen, aber in einem Automobil!“
Neben ihr stand ein junger Stutzer. Er machte sich sehr wichtig, gab sich den Anschein eines Mannes, der solche Dinge ganz genau kennt und beurteilen kann, und erklärte, indem er sich mit seinem zierlichen Spazierstöckchen gegen das Knie klopfte: „Dazu gehört doch wahrhaftig nicht allzu viel. Der Nizza-Express braucht neunzehn und eine halbe Stunde von Paris bis Nizza. Ich sehe nicht ein, warum ein Automobil in derselben Zeit nicht dieselbe Strecke zurücklegen soll!“
Da aber kam er bei seinem Nebenmanne, einem behäbigen, beleibten Herrn, übel an.
„Sie reden, wie Sie’s verstehen!“, brummte der Dicke. „Ein Automobil bleibt ein Automobil und ein Eisenbahnzug ein Eisenbahnzug. Ein Schnellzug läuft auf festen, geraden Schienen. Er hat überall freie Bahn, und man sorgt dafür, dass er ohne unnötigen Aufenthalt vorwärtskommt. Nun bedenken Sie, wie leicht einem Automobil etwas geschehen kann! Außerdem wird der Fremde einige mal frisches Benzin nehmen müssen. Ich wette jede Summe, dass es ihm unmöglich ist, den Nizza-Express zu schlagen.“
Da ging plötzlich eine Bewegung wie eine Welle durch die Menschenmenge.
Man hob sich auf den Zehen. Man reckte die Hälse.
„Da kommt er! Da kommt er!“
Alle drängten durcheinander. Jeder wollte den Mann sehen, der sich anheischig gemacht hatte, mit dem Nizza-Express um die Wette zu fahren. Aus einer Seitenstraße bog in langsamem Tempo ein schlankes Automobil. Es war ein Rennwagen neuester Konstruktion mit einer Torpedo-Karosserie. Der Wagen war in den Farben des Excentric Clubs gehalten. Er war grün, rot und blau angestrichen. Eine bunte, seltsame Farbenmischung. Überdies wehte über dem Kühler ein kleines Fähnchen, das die Farben des Clubs trug. In diesem Automobil, in dem überhaupt nur zwei Menschen Platz hatten, saßen zwei Herren. Die Menge erkannte in dem einen sogleich Monsieur Gramont, den Direktor der Dion-Bouton-Werke, einen der bekanntesten Fachleute im Automobilwesen, nicht nur Frankreichs. Das Werk und sein Direktor waren weit über die Grenzen des Landes in ganz Europa bekannt und berühmt.
„Der andere! Da! Das ist er!“, rief die Dame, die vorhin gesprochen hatte.
Sie zeigte dabei mit ihrem Sonnenschirm auf einen jungen Mann, der am Steuer des Wagens saß. Frisch sah er aus, elegant, und das bartlose Gesicht verriet Energie und Intelligenz. Die hellen Augen blitzten und blinkten. Die ganze Erscheinung ließ den Typus des Sportsmannes erkennen. Dieser junge Mann war Percy Stuart. Die Menge begrüßte ihn mit brausendem Jubel. Er lüftete zum Dank leicht seine Automobilmütze und grüßte nach allen Seiten.
Er lächelte. Er fragte sich im Stillen verwundert, wieso denn die Kunde von der neunten Aufgabe, die ihm der Excentric Club gestellt hatte, so schnell bekannt geworden war. Die Menschen da wussten es offenbar alle, dass er beabsichtigte, in seinem Rennwagen den Nizza-Express zu schlagen. Er wusste es noch nicht, dass an diesem Morgen alle Pariser Zeitungen die überraschende, sensationelle Nachricht gebracht hatten, der bekannte Sportsmann Percy Stuart sei eine Wette um einen ungeheuren Betrag eingegangen, und dass die Zeitungen dann ausführlich berichtet hatten, um was es sich bei dieser Wette handle.
Die Nachricht hatte den Parisern genügt. In Mengen waren sie nach dem Bahnhof, dem Startplatz des Rennens, geströmt. Jeder wollte Percy Stuart und sein Automobil sehen.
Der Direktor der Bouton-Werke sah Percy Stuarts staunendes Lächeln. Er sprach zu ihm von der Zeitungsmeldung.
Percy Stuart horchte auf.
„Wer mag diese Notiz veranlasst haben?“, fragte er. „Die Angelegenheit ist doch zwischen mir und dem Club völlig geheim verhandelt worden.“
Der Direktor zuckte die Achseln.
„Von mir hat niemand etwas erfahren. Ich denke mir, dass einer Ihrer Freunde, einer, der Ihnen von Herzen einen glänzenden Sportserfolg wünscht, geplaudert hat.“
Percy Stuart sah nachdenklich vor sich hin. Dann runzelte er wie missmutig die Stirn.
„Ich fürchte beinahe, dass gerade das Gegenteil der Fall ist. Ich vermute hinter der Bekanntgabe der Wette an die Zeitungen einen Feind, der mir von Herzen eine Niederlage in breitester Öffentlichkeit gönnt.“
Der Direktor schwieg. Und Percy Stuart reckte sich plötzlich trotzig auf.
„Er soll sich geirrt haben, der verehrte Feind“, erklärte er. „Ich werde ganz gewiss zur vorgeschriebenen Zeit am Ziele sein.“
Der andere nickte und hatte eine sachliche Frage: „Haben Sie auch alles genau überlegt und vorbereitet? Was unsere Firma angeht, so haben wir Ihnen auf Ihre Bestellung einen Wagen geliefert, an dessen Zuverlässigkeit nicht zu zweifeln ist. Der Rennwagen hat hundert Pferdekräfte. Er wird alle Schwierigkeiten des Weges leicht und sicher überwinden. Auch die Pneumatiks sind dauerhaft und verlässlich.“
„Ich weiß.“ Percy Stuart nickte. „Dass ich mich auf dieses Automobil verlassen kann. Aber noch mehr werde ich mich auf mich selbst, meine Augen, Ohren, Nerven und auf meine Geistesgegenwart verlassen.“
„Über Ihren Weg sind Sie sich klar?“, fragte der Direktor.
„Selbstverständlich! Sobald ich Paris verlassen habe, halte ich mich immer am Ufer der Seine, bis ich den Kanal von Burgund erreicht habe.“
„Verzeihen Sie!“, sprach der Direktor dagegen. „Dazwischen liegt die Yonne.“
„Das weiß ich sehr wohl. Ich denke nur, die Yonne soll mich nicht allzu lange aufhalten.“
Der Direktor brummte etwas Unverständliches. Dann brachte er einen neuen Ratschlag vor.
„In Dijon würde ich Benzin einnehmen.“
„Ganz recht. Und von da aus wende ich mich dann hart nach Süden. Weiter soll die Fahrt die Rhone entlang gehen über Chalon und Lyon, wo ich meinen Benzinvorrat voraussichtlich nochmals ergänzen muss, und dann geradeswegs nach Avignon.“
„Wollen Sie von da über Marseille fahren?“
„O nein! Gerade nach Osten zu soll’s gehen. Ich fahre die kürzere Strecke über Cannes nach Nizza. Rechnen Sie bitte im Geiste einmal nach. Der Nizza-Express verlässt Paris fahrplanmäßig um vier Uhr sieben Minuten. Morgen Mittag ein Uhr neununddreißig soll er in Nizza eintreffen. Ich hoffe, mindestens eine volle Stunde früher dort zu sein als der Express.“
Das Automobil war inzwischen vor der Bahnhofshalle angekommen. Aus dem weiten Portal traten sechs elegant gekleidete Herren. Sie schritten auf das Automobil zu, das stampfend und stoßend vor der Rampe hielt, und lüfteten die Hüte. Percy Stuart erwiderte den Gruß ebenso höflich. Einer der Herren wandte sich an Percy Stuart und nannte seinen und seiner Begleiter Namen. „Wir sind Mitglieder des Excentric Club“, erklärte er. „Wir werden die Ehre haben, Ihren Start zu konstatieren. Vorläufig gestatten Sie uns, Ihnen unsere besten Wünsche für Ihr Unternehmen auszusprechen.“
Percy Stuart lächelte. „Ich weiß die Ehre Ihrer Gegenwart und Ihrer Wünsche wohl zu schätzen. Und ich verspreche Ihnen, meine Herren, ich werde diese Aufgabe lösen, wie alle weiteren, die Sie zu stellen die Güte haben werden.“
Bei sich dachte er: Ihr wünscht mir ja im Herzen nichts anderes, als dass ich mir bei meiner tollen Fahrt den Hals breche, zumindest aber, dass ich eine Panne habe, die es mir gründlich unmöglich macht, den Nizza-Express zu schlagen. Denn das 198. Mitglied im Excentric Club ist euch nun einmal zuwider.
Die Herren verneigten sich stumm und traten von dem Wagen zurück. Inzwischen war es vier Uhr geworden. Percy Stuart und der Direktor der Bouton-Werke stiegen aus und untersuchten gemeinsam noch einmal das Automobil.
Der Direktor richtete sich auf und nickte. „Alles in Ordnung!“
Percy Stuart zog seinen Gummimantel an.
„Ich will mich fertig machen. Es wird gleich beginnen.“
Dabei griff er in die Taschen des Mantels und überzeugte sich, dass er darin einen sechsschüssigen Revolver, einen Kompass, eine kleine Flasche Wein und sein Verbandzeug hatte. Endlich stieg er wieder in den Wagen. Er sah nach der Uhr.
Direktor Gramont kam ihm höflich zuvor. „Drei Minuten fehlen noch!“
„Danke!“
Percy Stuart legte die Hand ans Steuerrad. Im selben Augenblick ertönte in der Bahnhofshalle ein gellender Pfiff. Das war das Bereitschaftszeichen der Lokomotive. Der Führer der Deputation des Excentric Clubs trat nochmals vor. „Nur noch eine Minute!“
Und wie auf ein gemeinsames Zeichen hoben die sechs Herren ihre Uhren empor.
Die Uhren stimmten genau überein. Sie waren im Auftrag des Clubs auf der Sternwarte von Cambridge reguliert worden.
„Nur noch dreißig Sekunden!“, sagte Direktor Gramont und drückte Percy Stuart noch einmal die Hand. „Glückliche Fahrt! Und kommen Sie als Sieger ans Ziel!“
„Noch zwanzig Sekunden!“, rief ein Mitglied der Deputation.
Percy Stuart hatte seine eigene Uhr gezogen. Er lächelte spöttisch.
„Falsch, meine Herren! Es fehlen nur noch zehn Sekunden. Lassen Sie Ihre Uhren neu regulieren. Sie gehen samt und sonders nicht richtig. Ich habe mir erlaubt, Ihnen einen kleinen Beweis dafür zu liefern, dass die Mitglieder des Excentric Clubs auf der Hut sein müssen, solange Sie es versuchen, mir unlösbar scheinende Aufgaben zu stellen. Ihre Uhren sind heute Morgen in Ihrem Hotel auf meinen Befehl von einem geschickten Taschendiebe sämtlich um zehn Sekunden zurückgestellt worden. Ich empfehle mich, meine Herren!“
Percy Stuart schaltete die Kuppelung ein. Der Wagen zog ein.
Drüben pfiff die Lokomotive zum zweiten Mal. Der Zug rollte an.
Percy Stuart flog in seinem Automobil davon. Zehn Minuten später hatte er Paris verlassen und stürmte in seinem Rennwagen am Ufer der Seine dahin. Der Nizza-Express raste indessen mit einer Geschwindigkeit von 87 Kilometern nach Süden. Die Wettfahrt hatte begonnen.
Percy Stuart fühlte ein eigenes Glücksbewusstsein in seinem Wagen, der ihn so federnd durch die Landschaft trug, dass er rein nichts von Erschütterung spürte. Seine Nerven waren gespannt. In ihm lebte nur ein Gedanke: Zum Ziel! Aufmerksam flogen seine Blicke über die Landstraße. Bei der rasenden Fahrt musste er jedes Hindernis rechtzeitig erkennen. Wie ein breites Silberband verfloss die Seine zur Seite seines Weges. Leise Wellen waren auf dem Wasser. Die Ufer waren blumige Wiesen. Der Tag war sonnig und schön. Am Vormittag war es schwül gewesen. Aber die Hitze hatte nachgelassen. Percy Stuart konnte sich kein besseres Wetter für sein Unternehmen wünschen. Der Wagen durchraste kleine Städte und Dörfer. Menschen flohen vor ihm. Gänse, Hühner, Hunde suchten eilig das Weite. Percy Stuart hörte es bisweilen, wie die Bauern auf der Dorfstraße hinter ihm drein schimpften. Aber er kümmerte sich nicht darum. Er jagte ja nicht aus purem Übermut so durch die Welt.
Dabei war er sorgsam darauf bedacht, nirgends ein Unheil anzurichten. Und kaum konnte es einen geschickteren Wagenlenker geben als diesen jungen Sportsmann, kaum ein Fahrzeug, das seinem Führer leichter, spielender gehorchte. Ein leichter Druck am Steuerrad, eine kleine, kaum merkbare Bewegung der Hand, und der Wagen gab dem Willen seines Lenkers sofort nach. Percy Stuart erkannte das im Stillen dankbar an.
Ein wahres Kunstwerk, dieser Wagen!, dachte er.
Und er sah, dass die Dion-Bouton-Werke ihn gut bedient hatten. Gramont war ja auch nicht umsonst ein guter Bekannter von ihm. Er hatte gewusst, dass er sich auf ihn verlassen könnte.
Jetzt kam wieder ein Dorf in Sicht. Percy Stuart merkte zu seinem Ärger, dass ihm hier ein Hindernis in den Weg trat, das erste. Mitten auf der Dorfstraße stand breitbeinig ein Mann, barhaupt, in Lumpen gekleidet. Er rührte sich nicht und schien das Herannahen des Wagens nicht zu merken. Percy Stuart gab laute Warnungssignale. Vergebens.
Sein erster Gedanke war, der Mann müsste taub oder schwachsinnig oder gar einer sein, der sich in selbstmörderischer Absicht dem rasenden Wagen in den Weg stellte. Er mäßigte notgedrungen die Schnelligkeit seines Wagens. In behutsamem Bogen glitt er um den seltsamen Menschen herum. Der aber zuckte plötzlich auf, als der Wagen dicht neben ihm war. Mit einem Sprung brachte er sich in Sicherheit. Zu gleicher Zeit warf er ein zusammengefaltetes Papier in das Automobil hinein. Percy Stuart ließ sich dadurch nicht aufhalten. Er schaltete sofort wieder die höchste Geschwindigkeit ein. Und bald hatte er das kleine Dorf und das seltsame Abenteuer weit hinter sich gelassen. Er überlegte.
Was ihm da begegnet war, gab ihm zu denken. Das war nicht die Tat eines Wahnsinnigen gewesen. Der Zettel würde ihm Aufschluss geben. Er hob ihn auf. Dabei behielt er die rechte Hand stets am Steuer. Nur mit Hilfe der freien Linken entfaltet er den kleinen Bogen.
Und mit Staunen las er:
Sir!
Hüten Sie sich! Nehmen Sie einen gut gemeinten Rat an und fahren Sie schleunigst nach Paris zurück. Sie werden Nizza nicht lebend erreichen.
Es werden sich Hindernisse vor Ihnen auftürmen, die Sie unter keinen Umständen und selbst nicht mit der größten Energie überwinden können. Leicht wäre es möglich, dass Sie bei dem Versuche, diese Hindernisse aus dem Wege zu räumen, den Tod fänden.Das aber würde denjenigen, der Ihnen diese wohlgemeinte Warnung zukommen lässt, sehr schmerzen, denn er wünscht aufrichtig, dass Sie noch recht lange leben, allerdings, nicht als Mitglied des Excentric Clubs.
Percy Stuart las diesen Brief. Dann überlegte er einen Augenblick. Das war der Feind, den er zu fürchten hatte! Zu fürchten? Nein! Er lachte über diesen Feind. Er wusste, es war sein Todfeind, Mac Hollister. Und weit schleuderte er den Warnungsbrief von sich.
Dieser Zettel sollte ihn nicht schrecken. Wenn auch ein Narr ihm den Tod verkündete!
Er dachte: Nein, mein lieber Mac Hollister! Morgen Mittag um ein Uhr neununddreißig bin ich mit meinem Rennwagen schon längst in Nizza. Dann ist meine neunte Aufgabe gelöst.
Dann war ihm, als sollte er seinem Automobil zureden. Als wäre es ein Mensch, als hätte es menschliche Kräfte. Vorwärts, du! Verlass mich nicht! Und wenn jetzt alle Menschen gegen mich sind und mich verlassen, verlass du mich nicht!
Der Wagen stampfte und rollte. Er sprach mit seinem Wagen wie mit einem Menschen.
Er streichelte auch die grün-rot-blaue Gewandung. Das war, als wenn einer seinen edlen Renner streichelt, dass er aushalten soll. Und dann glaubte er sich dem Punkte zu nähern, wo die Yonne in die Seine mündet. Er wollte sich nun getreulich am Ufer der Yonne halten.
Die Yonne aber ging nur eine sehr kurze Zeit neben dem Automobil her, das rasend schnell an ihren Ufern hinflog. Dann tauchte der Kanal von Burgund vor Percy Stuart auf. Dieser Kanal verbindet bekanntlich die Yonne mit der Rhone und somit das Mittelländische Meer mit dem Kanal La Manche. Der Weg für das Automobil wurde schlechter. Aber dem Fahrer tat die abendliche Kühle wohl, die von den Wiesen wie eine Kühlung herkam. Eine Stunde verging.
Nun stiegen vor Percy Stuart die Berge der Cote d’Or auf. Unbedenklich steuerte er seinen herrlichen Kraftwagen in die Felsgegend hinein. Romantische Landschaft tat sich vor ihm auf.