Perry Rhodan 2758: Der Tamaron - Gisbert Haefs - E-Book

Perry Rhodan 2758: Der Tamaron E-Book

Gisbert Haefs

0,0

Beschreibung

Er will die Macht in seinem Sonnensystem - und sieht sich als neuer Meister der Insel Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Die Terraner - wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen - sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen. Seit 1514 Neuer Galaktischer Zeitrechnung - bereits über zwei Jahre lang - steht die Milchstraße unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals. Dies behauptet, im Rahmen der "Atopischen Ordo" für Frieden und Sicherheit zu sorgen und den Weltenbrand aufzuhalten, der anderenfalls der Galaxis drohe. Nach wie vor gibt es Wesen und ganze Zivilisationen, die dem Tribunal skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen, doch dessen Macht ist groß genug, diese zu disziplinieren. Auf der anderen Seite haben sich etliche andere Völker bereits entschieden, sich auf die Seite der faktischen Machthaber zu stellen. Nicht zuletzt, weil diese offenbar sogar über die Möglichkeit verfügen, treuen Verbündeten Zellschwingungsaktivatoren zu verleihen, die das ewige Leben ermöglichen. Einer der Ersten, die sich dem Atopischen Tribunal als Verbündeter andienten, war der Regierungschef der Tefroder, die vor Jahrhunderten aus Andromeda in die Milchstraße zurückkehrten und dort ein eigenes Reich aufbauten: Vetris-Molaud ist DER TAMARON ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 152

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 2758

Der Tamaron

Er will die Macht in seinem Sonnensystem – und sieht sich als neuer Meister der Insel

Gisbert Haefs

Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Die Terraner – wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen – sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Seit 1514 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – bereits über zwei Jahre lang – steht die Milchstraße unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals. Dies behauptet, im Rahmen der »Atopischen Ordo« für Frieden und Sicherheit zu sorgen und den Weltenbrand aufzuhalten, der anderenfalls der Galaxis drohe.

Nach wie vor gibt es Wesen und ganze Zivilisationen, die dem Tribunal skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen, doch dessen Macht ist groß genug, diese zu disziplinieren. Auf der anderen Seite haben sich etliche andere Völker bereits entschieden, sich auf die Seite der faktischen Machthaber zu stellen. Nicht zuletzt, weil diese offenbar sogar über die Möglichkeit verfügen, treuen Verbündeten Zellschwingungsaktivatoren zu verleihen, die das ewige Leben ermöglichen.

Einer der Ersten, die sich dem Atopischen Tribunal als Verbündeter andienten, war der Regierungschef der Tefroder, die vor Jahrhunderten aus Andromeda in die Milchstraße zurückkehrten und dort ein eigenes Reich aufbauten: Vetris-Molaud ist DER TAMARON ...

Die Hauptpersonen des Romans

Vetris-Molaud – Totgesagte leben länger.

Oc Shozdor – Der Vertraute des Renegaten treibt dessen Pläne voran.

Toio Zindher – Eine Frau, die sich ihre Ziele selbst sucht.

Ashya Thosso – Die Kommandantin ordnet sich Vetris-Molaud willig unter.

Gavac-Semol – Der Tamrat fügt sich den Blues.

Acyer Cyyth

1.

Fenelik betrachtete den 3-D-Würfel, den der andere vor ihm auf den Tisch gelegt hatte. Er blickte ins Gesicht des Mannes, den er nur als Dorobin kannte; es mochte der richtige Name sein oder eine Maske. »Was ist damit?«

Sie saßen vor einer der Fischerkneipen am alten Nordhafen von Apsuma. Der Würfel wirkte irgendwie absurd, zwischen Brotkrümeln und Gräten, neben der leeren Karaffe und den halb vollen Gläsern.

Dorobin hob die Schultern. »Was schon? Ansehen.«

In der milden Brise segelten ein paar Tartuks auf ihren Dreiecksflügeln; hin und wieder landete eines der Tiere, um Krümel oder sonstigen essbaren Abfall vom Boden oder einem nicht mehr besetzten Tisch zu picken.

Fenelik wischte Brotreste zu Boden und nahm den Würfel in die Hand. »Eine Überraschung? Schön, scheußlich, blöd?«

»Eine hübsche Aufgabe.« Dorobin lächelte und entblößte vom Wein verfärbte Zähne.

Fenelik aktivierte das Gerät. Im Sichtkubus erschien eine schlanke Frau. Sie kam an einem Strand auf den Betrachter zu, bewegte sich mit der unbewussten Anmut eines kraftvollen Raubtiers und trug nur ein beinahe transparentes Badetuch, auf dem sich wie dunkle Schlangen in einem Nest ihre nassen Haare wanden. Je näher sie kam, desto deutlicher wurden ihre Gesichtszüge: samtbraune Haut, üppige Lippen, die sich ironisch verzogen, als sie demjenigen, der das Aufnahmegerät hielt, etwas sagte.

»Sehr schön – soll man sagen: vollkommen?« Dann war sie nah genug, und Fenelik sah die klugen, grauen, kalten Augen, die nicht an dem Lächeln beteiligt waren. »Und wahrscheinlich hart«, setzte er hinzu.

»Hart und zäh. Wenn du einen Fehler machst, wird sie dich, ohne zu zögern, umbringen«, sagte Dorobin.

»Was soll ich tun?«

»Sie wird auf dich angesetzt. Du bist ein verkappter Anhänger von Vetris-Molaud, sie soll dich für die Insel umdrehen. Klar? Einer meiner Chefs zeigt ihr wahrscheinlich gerade jetzt einen Würfel mit deinen Reizen. Ihrer erotischen Geschichte zufolge müsstest du genau ihr Typ sein. Wie sie deiner. Ihr solltet eigentlich mühelos aufeinander fliegen.«

Fenelik grinste. »Wird mir ein Vergnügen sein. Also – umdrehen?«

»Sie hat gewisse Neigungen zu alten Mythen. Und gewisse Abneigungen gegen die Accayü.«

»Wie weit kann ich mit ihr gehen?« Fenelik wusste, dass im Nachrichtendienst, der Gläsernen Insel, auch halbwegs kritische Meinungen gegenüber dem System geduldet wurden – solange Effektivität und Loyalität nicht litten.

»Von mir aus kannst du sie sogar in die Höhle des Tüftlers mitnehmen. Wenn sie danach nicht zu uns überläuft ...« Dorobin hob die Brauen.

»Wäre ein Jammer. Aber wenn es sein muss ...«

»Denk dran, sie ist hart. Notfalls bringt sie dich um. Ich hoffe, das gilt auch umgekehrt.«

»Du weißt, ich kann mich wehren.«

»Das genügt vielleicht nicht«, sagte Dorobin halblaut.

Fenelik runzelte die Stirn. »Kaltblütiger Mord? Nicht meine Sache.«

»Wir können uns keine Sentimentalitäten leisten, Junge! Also, ihr werdet euch morgen zufällig beim alten Tostanag treffen.«

»Dem Bootsausrüster?«

Dorobin bleckte wieder die Zähne. »Du bist leidenschaftlicher Segler. Sie schwimmt gern. Alles klar?«

*

Sechs Tage und vier heiße Nächte. Gute Erinnerungen, die sie auf dem kurzen Flug an die Bucht begleiteten. Sie ließen den Gleiter in einer Senke zwischen den Hügeln. Die Ortungsgeräte waren ausgeschaltet, und die Äste des Nhivath mit ihrem dichten Laub und den gelben Giftfrüchten würden eine Entdeckung aus der Luft zumindest erschweren.

Falls jemand sich die Mühe machte, diesen Küstenabschnitt zu überwachen.

Der schmale Pfad führte zu einem Einschnitt zwischen zwei Hügeln und dann hinab zum unbefestigten Strandweg. Weiter nach Süden gab es nur Gestrüpp, die Hügel und den Strand, nach Norden verwilderte Gärten und ärmliche Holzhütten, viele davon verfallen.

Der ganz in Schwarz gekleidete Mann ging zur Bruchsteinmauer des letzten Grundstücks und blieb vor einer hölzernen Gartentür stehen, die einmal rot gewesen war. Seine Begleiterin bückte sich, um die hochhackigen Schuhe wieder anzuziehen, die sie seit dem Verlassen des Gleiters in der Hand getragen hatte. Dann sah sich um und rümpfte die Nase.

»Was habe ich dir getan? Dass du mich in so eine Gegend schleppst ...« Ihre Stimme klang jedoch weniger klagend als spöttisch.

In der Bucht südlich von Apsuma schwappten Wellen an den von faulig riechendem Ockertang übersäten Strand; an einem Steg schaukelte ein kleiner Segler, dessen Kabinendach offenbar morsch war und im Abendlicht grünlich schimmerte.

Der Mann lachte leise. »Da du mir bis hierhin gefolgt bist, Schönste, wage ich es, dich auch die letzten Schritte zu schleppen. Komm!« Er schob das Gartentor auf, wartete, bis die Frau an ihm vorbei war, und schloss es.

Das Haus sah nicht besser aus als die anderen an der Bucht. Die vordere Veranda war an zwei Stellen eingebrochen, der Dachfirst verlief in Kurven, und die Rückseite des Gebäudes, von Tarasqa und anderen Schlingpflanzen überwuchert, hätte ebenso gut ein Teil des Hügels sein können. Auf einem Busch oberhalb des Hauses schaukelte ein Tartuk; die kleine Flugechse schien sie missbilligend zu beobachten, öffnete den Sägeschnabel und stieß ein halblautes Heulen aus.

Der Mann, der ihnen öffnete, bevor sie hätten anklopfen können, passte zum Haus. Die Kleider, mindestens zwei Nummern zu groß, hingen in Falten an ihm herab, waren da und dort verfärbt und an mehreren Stellen eingerissen, die Haare ein Gestrüpp, das Gesicht voller Runzeln – aber die Augen blickten wach und scharf.

»Der edle Neshan Fenelik beehrt mich mit seinem Besuch«, sagte er. »Schön, dich zu sehen, alter Freund. Und wer ist die Prächtige, die dich überstrahlt?«

»Darf ich vorstellen? Tugnal-Orton – Tahira Ndangi.« Fenelik beobachtete die Frau, während er die Namen nannte, und sah, wie sie kaum merklich zusammenzuckte.

»Man begegnet selten einer lebenden Legende«, sagte sie heiser. Sie räusperte sich und drückte Tugnal-Ortons Hand.

Das Innere des Hauses war ein Chaos aus Möbeln von zweifelhafter Standfestigkeit, echten Büchern, Speicherwürfeln, Rechnern, Lesegeräten, schmutzigem Geschirr, halb aufgerollten Teppichen und unebenen Bohlen. Fenelik betrachtete Tugnal-Orton, der Tahira betrachtete und dabei einen Punkt an seinem Gürtel berührte; sie schaute sich um und schien das leise Klicken von der Tür her nicht zu registrieren.

»Wenn ich von dem Besuch gewusst hätte«, sagte Tugnal-Orton, »hätte ich mich entschließen müssen, nicht aufzuräumen. Da ich nichts wusste, war kein Entschluss nötig.«

Tahira Ndangi wandte sich zu ihm um. »Bezaubernd.« Ihre Stimme klang kalt. »Ich nehme an, du hast hier Ortungsgeräte und wusstest, dass ein Gleiter draußen gelandet ist, deshalb konntest du uns einlassen, ehe wir uns bemerkbar gemacht haben. Und jetzt ist die Tür versperrt.«

Tugnal-Orton warf einen Blick auf eine Scheibe an seinem Handgelenk. Sie war mit einer Metallspange befestigt und kaum größer als ein Daumennagel. »Das stimmt. Und ich sehe, dass du einen Peilsender trägst; er ist aber nicht aktiviert. Ich werte das als Zeichen des Vertrauens.«

Fenelik folgte dem Austausch nur mit halbem Ohr. Er erinnerte sich an seinen ersten Besuch in diesem Chaos – vor Monaten, als er einen, dessen Namen er damals noch nicht gekannt hatte, an diesen Ort begleitete oder geleitete und an der Tür wachte. Hin und wieder, wenn die beiden drinnen lauter sprachen, hatte er Fetzen der Unterhaltung hören können, aber nicht verstehen. Inzwischen wusste er, was seltsame Wörter wie Ragnarök oder Exeget zu bedeuten hatten; andere Gesprächsfetzen waren ihm bislang rätselhaft geblieben.

Er riss sich zusammen und hörte Tahira sagen: »Für Vertrauen ist es noch zu früh – nennen wir es vertrauensbildende Maßnahme. Vorläufig.«

»Einverstanden. Kommt mit – vorläufig.« Tugnal-Orton ging zu einem übervollen Bücherregal und verschwand darin.

»Besteht viel von dem Kram hier aus Holos?«

Neshan gluckste leise. »Keine Ahnung. Komm schon.«

Sie hielt ihn am Arm fest. »Hättest du mir nicht sagen können, dass ... ah nein, hättest du nicht.«

Neshan hob die Schultern und ging voran, durch das Holo. Natürlich wusste er, was Tahira meinte: Tugnal-Orton war eine Legende, umso mehr, als er sich seit Jahrzehnten den Medien entzog. Seine Familiengeschichte mochte man anzweifeln, nicht jedoch seine Leistungen: größter Forscher auf dem Gebiet lemurischer und alttefrodischer Technik, bester Kenner aller Ereignisse, Erzeugnisse und Hinterlassenschaften der Meister der Insel. Und Tahira Ndangi, Offizier des Tefrodischen Nachrichtendienstes, durfte von der Verbindung des Wissenschaftlers zum Widerstand erst dann erfahren, wenn man sicher sein konnte, dass sie schweigen würde. So oder so.

Jenseits des »Regals« öffnete sich eine weite Halle mit niedrigen Tischen, bequemen Sesseln und Bänken, Bildschirmen, allerlei Komplexen aus technischen Geräten und Zubehör. Mechanische Diener – Robotkellner – glitten hin und her, verteilten Getränke und Teller mit Naschwerk und nahmen von den etwa drei Dutzend Anwesenden Bestellungen entgegen. Neshan wollte die Frau mit einigen der Leute bekannt machen, aber er sah, dass Tahira wie magisch angezogen zu einer der holografischen Statuen ging, die asymmetrisch verteilt im Raum standen und sich langsam drehten.

Er folgte ihr und berührte ihre Hand. »Fragen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Das ist ja ...« Aber sie sprach nicht weiter, blickte an der lebensgroßen Figur empor, die sich auf einem bläulich flimmernden Sockel drehte: eine große, schlanke Frau mit samtbrauner Haut und tiefschwarzem, langen Haar.

»Es gibt eine gewisse Ähnlichkeit zwischen euch«, sagte Neshan.

»Sei nicht albern.«

Sie ging zur nächsten, dann langsam zu den anderen Statuen. Vor der siebten und letzten, der holografischen Wiedergabe eines sehr schlanken, sehr großen Mannes mit der feinen Nase und dem schmalen Mund eines Asketen, blieb sie länger stehen.

Schließlich schüttelte sie den Kopf, stemmte die Hände in die Hüften und sagte, fast knurrend: »Faktor Sieben, Regnal-Orton ... Und er glaubt wirklich, mit dem da verwandt zu sein?«

»Er kann es sogar beweisen. Sagt er.«

»Wie lange haben die Meister der Insel gelebt? An die zwanzigtausend Jahre, oder? Na ja.« Sie ließ die Arme baumeln und lachte plötzlich. »Vielleicht war er nicht so enthaltsam, wie er aussieht; dann wird er in dieser langen Zeit wohl reichlich Nachkommen gezeugt haben. Am Ende sind wir ja alle mit einem von denen verwandt.«

Eine große Antigrav-Hand mit einem Tablett schwebte vorüber; Neshan nahm zwei Kelche mit schwarzem Sekt aus Muqalla-Beeren und reichte Tahira einen. »Komm!«, sagte er. »Setzen wir uns. Ich werde dich aber nicht all den anderen hier vorstellen; sind ja vielleicht lauter Verwandte, wenn du so willst.«

Sie hob die Schultern. »Von mir aus. Was ist eigentlich vorgesehen?«

»Wirst du gleich hören.«

Sie hatten sich eben auf einem zweisitzigen Sofa niedergelassen, als Tugnal-Orton zur Kopfseite des Raums ging und in die Hände klatschte. Er wartete, bis das allgemeine Reden und Lachen geendet hatte. Dann wies er mit der Linken hinter sich und schnippte zugleich mit den Fingern der Rechten.

Vor der Wand entstand ein riesiger 3-D-Schirm. Fast überdeutlich und zum Anfassen nah sah man Raumschiffe – Kampfraumer der Tefroder sowie einige Blues-Einheiten, daneben und davor die kleinen ockergelben Kugelschiffe der Medien. Sie alle schienen eine Art Ringtanz um den dumpf glimmenden Ball eines Planeten aufzuführen.

»Meine Freunde«, sagte Tugnal-Orton. »Fünfzehn Jahre ist es her, dass es in unserem System beinahe einen Krieg gegeben hätte. Sagen wir, es hätte beinahe einen großen Krieg gegeben, denn an den kleinen können wir uns nur allzu gut erinnern. Die Auseinandersetzung, die offiziell als Niederschlagung des Terror-Aufstands bezeichnet wird. Wir wissen, was es wirklich war, und unter uns darf ich es auch so nennen: korrupte Accayü-Clans und ihre Handlanger haben die Bewegung eines tefrodischen Freiheitskämpfers in Blut ertränkt.«

Überall war zustimmendes Gemurmel zu hören; ein paar Leute klatschten Beifall. Jemand rief: »Warum nennst du nicht seinen Namen? Nur, weil eine Frau vom Geheimdienst hier ist?«

Tugnal-Orton blickte mit einem boshaften Lächeln zu Tahira Ndangi. »Hat sich das so schnell herumgesprochen? Ah, Freunde, sie ist nicht hier, um uns zu knebeln, wenn einer von uns etwa Vetris-Molaud erwähnt. Nein, sie ist hier, um zu lernen und – wer weiß – vielleicht ... Aber dazu später.

Wie ihr alle wisst, hat Vetris-Molaud uns ein unerhörtes Phänomen hinterlassen. Ein bewegliches Grab. Sein Wandergrab, das angeblich immer wieder an anderen Stellen auftaucht. Immer, wenn unsere Unterdrücker – Accayü und ihre Verbündeten, der tefrodische Machtapparat des Helitas-Systems – der Meinung sind, es wäre an der Zeit für eine Warnung. Eine Machtdemonstration.

Das Wandergrab ist natürlich dort aufgetaucht, wo es für unsere Gegner am besten ist, auf Gloster. Alle drei Jahre können sie die unbewohnte und ohnehin zerstörte Oberfläche des Planeten bombardieren, ohne Schaden anzurichten, und damit wollen sie uns alle abschrecken. Wir sollen sehen, wie es denen ergeht, die Vetris-Molaud nacheifern möchten. Und um die Abschreckung, den Terror, vollkommen zu machen, dürfen wir nicht nur sehen, wie Glosters Oberfläche abermals bombardiert wird; o nein, wir müssen uns dazu auch noch das Geschwätz der Vertreter unserer kontrollierten Medien anhören. Ich weiß nicht, was furchtbarer ist.«

Allgemeines Gelächter. Tahira murmelte: »Ist Geschwätz die Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln? Lieber bluten und sterben als reden? Pah.«

»Aus Rücksicht auf euch, auf uns alle, habe ich beschlossen, dass wir dem warnenden Schauspiel folgen, ohne dem Gerede lauschen zu müssen. Alle Bewohner des Systems sind angehalten, die Übertragung zu betrachten und gute Vorsätze zu fassen. Wir wollen dies gemeinsam tun, aber vielleicht anders, als unsere Herrscher es sich vorstellen.«

Jemand rief: »Hast du uns wirklich eingeladen, damit wir gemeinsam etwas anschauen, was keiner von allein ansehen würde?«

Tugnal-Orton schüttelte den Kopf. Lauter und schärfer als bisher sprach er weiter. »Ich habe euch eingeladen, damit wir uns später alle an diesen geschichtsträchtigen Tag erinnern. Es sind nämlich an Bord der Schiffe einige unserer Freunde. Einige unserer ganz besonderen Freunde. Und sie werden einen ganz besonderen Punkt auf Gloster ganz besonders beschießen. Dabei wird sich etwas ereignen. Wir werden heute noch nichts davon erfahren, aber in einigen Tagen, und dann werden wir sagen können, dass wir dieses Ereignis, den Beginn einer wunderbaren Zukunft, gemeinsam erlebt und gefeiert haben.«

»Woher weiß er das?« Tahira Ndangi knurrte beinahe.

Weiter hinten sagte eine Frau sehr laut: »Kannst du uns mehr sagen? Das ist alles arg mysteriös, Mann!«

2.

Ashya Thosso überließ den Start ihren Navigationsoffizieren. Während sich die HENCOR FHAN aus der »Senke« hob und sich langsam von der Oberfläche des Mondes Achimat entfernte, tastete die Kommandantin ihre Kombination ab. Aus einer der inneren Brusttaschen holte sie eine übergroße Brille hervor, betrachtete das grellrosa Gestell und rümpfte die Nase. Einer der beiden Accayü, die als »Mentoren« an Bord waren, sagte etwas – es begann im hörbaren Bereich, der Rest war zu hoch für menschliche Ohren.

Die Kommandantin verließ ihren Sessel. Als sie mit den Fingerspitzen einen unsichtbaren Punkt in der Wandverkleidung neben dem Schott berührte, öffnete sich dort eine Art Lade. Sie legte die Brille hinein, nahm eine andere – in dunkel glimmendem Grün – heraus, musterte sie, nickte, setzte sie auf ihren dunklen Schopf und schob die Bügel ins Haar. Auf dem Rückweg zu ihrem Sessel blieb sie hinter dem des Ersten Offiziers stehen.

»Hast du verstanden, was die gesagt haben?« Sie flüsterte die Frage in sein Ohr; außer Dehodhat Theytin konnte niemand etwas hören.

»Irgendwas über scheußliche Farben und mangelhaften Geschmack«, sagte er ebenso leise.

Sie schnaubte. »Alles für die Medien«, sagte sie laut. »Wie weit sind wir inzwischen?«

Theytin berührte ein paar Sensorflächen. Auf den Schirmen wurde die »Senke« mit ihren Gebäudekomplexen, Raumhäfen und Militärstellungen kleiner; Achimat schien vom Himmelskörper zu einem fernen Ball zu schrumpfen, den man vor der wabernden Oberfläche des Gasriesen Laumhu kaum noch wahrnehmen konnte. Neben der HENCOR FHAN waren fünf weitere tefrodische Kampfschiffe gestartet, ferner drei schwere Accayü-Einheiten und das große Flaggschiff der Blues im Helitas-System, die BLYTTRIC. Am Rand des Hauptschirms der optischen Erfassung tauchten die ersten kleinen Raumer der tefrodischen Medien auf, gelbliche Kugeln.

»Wie ein Rudel kleiner Jagdechsen«, sagte eine der Navigatorinnen.

»Bloß nicht so bissig.« Dehodhat Theytin schnalzte leise. »Lasst uns doch mal sehen, was die Vertreter des Kosmischen Auskunfts-Hauses zu berichten haben.«

»Komische Antwort-Händler«, sagte ein Adjutant, der nicht weit von den beiden Accayü stand.

Einer der Blues wackelte mit dem Kopf. »Der Sender heißt KAH, Kritik des Alltags und seiner Hintergründe.«

»Sag ich doch.« Dehodhat grinste. »Kommt Alle Her. Kuriose Ammen für Hirne. Karge After-Helden. Alles eins.«

»Ist das tefrodischer Humor?«

»So ähnlich. Kaum Auffallender Humor.«

»Danke, das reicht jetzt.« Ashya Thosso verzog keine Miene. »Aber ... von mir aus; wir haben ja noch Zeit. Schauen wir mal rein.«

Einer der Ortungsoffiziere beugte sich vor und schaltete. Teils auf Spontanschirmen, teils als Holos fluteten die verschiedenen Kanäle des staatlichen Senders die Zentrale der HENCOR FHAN mit Farben, Bewegungen und Lärm. Der Mann am Schaltpult drosselte die Lautstärke, fuhr einen Kanal hoch, wechselte auf Zuruf zu einem anderen:

Ein großer Saal, in dem an die tausend Personen einer Moderatorin lauschten, die vor einem riesigen Schirm den Kurs der HENCOR FHAN und der anderen Schiffe erläuterte.