Perry Rhodan 3260: Die Wahl der Akonin - Kai Hirdt - E-Book

Perry Rhodan 3260: Die Wahl der Akonin E-Book

Kai Hirdt

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Beschreibung

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Eines dieser Refugien befand sich in der Kondor-Galaxis, wurde offenbar aber bereits geborgen – oder entführt. Die Fährte führt Perry Rhodan in ein fremdes Universum. Atlan begleitet derweil ein anderes Fragment zurück in die Milchstraße. In der Heimatgalaxis der Menschheit bahnt sich unterdessen Unheil an – nach dem unerwarteten Tod der Priorrätin begleitet die USO sicherheitshalber DIE WAHL DER AKONIN ...

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Seitenzahl: 174

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Nr. 3260

Die Wahl der Akonin

Nicht geboren, sondern geschaffen für die Macht – schuldlos im Zentrum der Intrige

Kai Hirdt

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Eines dieser Refugien befand sich in der Kondor-Galaxis, wurde offenbar aber bereits geborgen – oder entführt. Die Fährte führt Perry Rhodan in ein fremdes Universum. Atlan begleitet derweil ein anderes Fragment zurück in die Milchstraße. In der Heimatgalaxis der Menschheit bahnt sich unterdessen Unheil an – nach dem unerwarteten Tod der Priorrätin begleitet die USO sicherheitshalber DIE WAHL DER AKONIN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Ram Wood – Der USO-Detektiv fasst Vertrauen bei permanentem Misstrauen.

Monkey – Der USO-Chef fragt sich nach dem Sinn der Maskerade.

Nemena tan Thanor

1.

Die Geschäftsräume von Akon Konzept & Gestalt lagen im teuersten Viertel Ehembors. Wie schon bei seinem ersten Besuch runzelte Magut Strago die altersgefurchte Stirn, als er den Edelbau betrat.

Die Dienstleistung von AK&G war teuer. Das Unternehmen behauptete, zum Wohl aller Akonen zu handeln, einen gewichtigen Beitrag für eine bessere, stabile Gesellschaft zu leisten. Das wäre glaubwürdiger gewesen, wenn sich mehr Akonen ihren eigenen Klon hätten leisten können, nicht nur die Reichsten der Reichen.

Strago war durch eine Verkettung unwahrscheinlicher und leider nicht reproduzierbarer Zufälle zu Geld gekommen. Er war eigentlich ein einfacher Handwerker, der Wohnraumpositroniken wartete und gegebenenfalls ersetzte. Viel verdiente er dabei nicht, und so hatte er einen kleinen Teil seines wenigen Ersparten nach einem todsicheren Tipp an der Börse mehren wollen. Unerfahren wie er war, waren ihm dabei mehrere Fehler unterlaufen. Er hatte statt in das Unternehmen in ein hochriskantes Zertifikat investiert, das auf winzigste Kursverluste des Grundwerts mit erheblichen eigenen Kurssteigerungen reagierte. Und er hatte beim Eintippen seines Gebots das Komma vor den Nachkommastellen verfehlt und dadurch das Hundertfache der geplanten Summe eingesetzt.

Als Strago den Fehler Sekunden später bemerkt hatte, hatte er alles in schierer Panik wieder verkauft. Doch es war in diesen Sekunden gewesen, dass die Nachrichtendienste des Planeten den Tod der Priorrätin Adorhee tan Thanor bei einem Raumunfall gemeldet hatten. Die Börsen waren auf Talfahrt gegangen, und Magut Strago, Positroniktechniker, fand sich plötzlich als Multimillionär wieder, mit weit mehr Geld, als er je im Leben hätte ausgeben können.

Was er mit dem Geld tun sollte, war ihm nicht recht klar. Familie hatte er nicht, Freunde nur wenige. Und um es selbst durchzubringen, war er wahrscheinlich zu alt, selbst wenn er plötzlich Zugang zu bester medizinischer Versorgung hatte und sich sogar die Aras von Xokolon hätte leisten können. Ihm fiel auch nichts ein, was er damit tun sollte. Geld brauchte man, wenn man jung war und noch Träume hatte.

Also beschloss Magut Strago, sich selbst diese Chance zu geben. Akon Konzept & Gestalt war die beste Klonschmiede auf ganz Galazin. Sie sollte ihm einen jungen Magut schaffen, der das Leben neu beginnen konnte – mit besseren Karten, als das Schicksal einst seinem Klonvater in die Hände gegeben hatte. Die medizinische Untersuchung von Maguts Genmaterial war abgeschlossen, und nun stand das Gespräch an, um das konkrete Klondesign festzulegen. Strago vermochte sich unter Klondesign nichts vorzustellen, aber das Wort klang irgendwie beunruhigend.

Eine junge Frau, einen Kopf größer als Strago und mit kerzengerader Haltung, empfing ihn und stellte sich vor: Evris Thanuba. Bildschön, aber eisig, so Stragos Eindruck. Dennoch versuchte er unwillkürlich, seinen gebeugten Rücken etwas zu strecken, und musste über sich selbst lächeln. Der junge Magut würde lernen, erhobenen Hauptes durch die Welt zu gehen.

Er wurde in ein so makel- wie charakterloses Sprechzimmer geführt. Auf dem weißen Tisch lag bereits ein Glasrahmen, der Stragos Testergebnisse zeigte.

»Das sind hervorragende Voraussetzungen«, sagte Thanuba nach einigen auswendig gelernten Höflichkeiten. »Es gibt keinerlei genetische Kontraindikation gegen eine Replikation. Eine so geringe Mutationsrate in deinem Alter ist ungewöhnlich. Sie ermöglicht, die ganze Palette unserer Dienstleistungen zu nutzen statt nur die Basisreplikation.«

Thanuba schob Strago den Rahmen zu – Kolonnen voller Zahlen, die ihm nichts sagten. »Was also möchtest du haben? Eine Eins-zu-eins-Kopie – oder die optimierte Version gegen Aufpreis?«

Strago spürte ein unangenehmes Prickeln im Nacken. »Was soll das heißen: optimiert?«

»Es ist möglich, durch leichte Manipulationen das Genmaterial nebenwirkungsfrei zu verbessern. Eine Veranlagung zur Fehlsichtigkeit muss nicht sein. Oder ...« Thanuba taxierte ihn nicht so unauffällig, wie sie meinte. »... zur Rückgratverkrümmung. Man kann den Intelligenzgrad erhöhen.«

»Und du meinst, das wäre in meinem Fall sinnvoll?« Strago konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen. Die herablassende Art der Medikerin, sofern sie überhaupt eine war, ärgerte ihn zunehmend.

Thanuba ging gar nicht darauf ein. »Man sollte es damit bloß nicht übertreiben, weil es sonst zu Inkompatibilitäten bei der Gedächtnisübertragung kommt.«

»Was heißt das?«

Ein Lächeln unter eiskalten Augen. »Hast du in deinem Leben schon einmal etwas wirklich Dummes getan? Etwas, das du später bereut hast?«

Wer hatte das nicht? Erinnerungen an Stragos Lehrjahre blitzten auf. Seine kurze Zeit an der Flottenakademie. Wie er einem Ausbilder die Meinung gesagt hatte und sich keinen Tag später unehrenhaft entlassen auf der Straße wiedergefunden hatte.

»Nein, nie«, log er.

»Gut«, sagte Thanuba, »dann bist du aber ein seltener Fall.« Strago war sicher, dass sie ihm kein Wort glaubte. »Es gibt oft Schwierigkeiten, wenn ein Klon Erinnerungen an Dinge eingepflanzt bekommt, die er selbst nicht getan hätte, weil er dafür nicht blöd genug ist. Das kann zu erheblichen kognitiven Dissonanzen ...«

Plötzlicher Lärm draußen im Gang ließ sie innehalten. »Was ist da los?«

Sie stand auf und ging zur Tür, doch die flog auf, traf sie im Gesicht und ließ Thanuba zurücktaumeln. Strago sprang auf, um sie zu stützen.

»Hier sind welche!«, schrie jemand. Fünf Männer mit Waffen stürmten ins Zimmer, ein sechster blieb bei der Tür.

»So, du hältst dich für was Besseres?« Der erste Eindringling, ein breitschultriger Mann mit schiefer Nase und breiten Schultern, richtete den Lauf seines Strahlers auf Strago. »Bist so gut, dass die Welt nicht ohne dich kann?«

»Nein.« Strago sprach gefasst trotz klopfenden Herzens. Der Vorwurf ausgerechnet an ihn war unfassbar absurd. »Ganz sicher nicht. Ich bin nur hier, um ...«

Ein anderer Mann schnappte sich den Glasrahmen vom Tisch. »Tut er wirklich nicht.« Er lachte gehässig. »Er will bei seiner Kopie die Intelligenz hochziehen lassen.«

Ähnliches schäbiges Gelächter war die Antwort.

»Was wollt ihr von uns?«, fragte Strago. Der ach so überlegenen Ärztin hatte es im Moment der Gefahr anscheinend komplett die Sprache verschlagen.

Ein hässliches Grinsen erschien unter der schiefen Nase. »Ich erklär es dir für Blöde. Wir lassen nicht zu, dass ihr Geldsäcke mit euren überflüssigen Kopien uns normale Akonen verdrängt. Keine. Klone. Mehr. Kapierste?«

Er hob seinen Strahler. Strago hatte keine Ahnung, ob es ein Paralysator war oder irgendetwas Tödliches. »Und keine Geldsäcke mehr, die sich klonen lassen.«

»Fallen lassen«, erklang eine kühle Frauenstimme.

Die Angreifer wandten sich zur Tür. Eine junge Frau in der Uniform eines Sicherheitsdienstes, augenscheinlich unbewaffnet, war im Korridor erschienen.

»Letzte Chance zu gehen«, sagte der Rädelsführer. »Wer mit Feinden der natürlichen Akonen kollaboriert, wird als Feind behandelt.«

»Letzte Chance, die Waffen abzulegen«, sagte die Wächterin völlig ungerührt. »Wenn ihr kooperiert, werdet ihr unverletzt den Behörden übergeben.«

»Macht sie kalt!«, sagte der Anführer, seine Waffe immer noch auf Strago gerichtet – drei andere Strahler ruckten nun in Richtung der Wächterin.

Was folgte, hatte Strago noch nie in der Wirklichkeit gesehen, höchstens in irgendwelchen Trivids, die er für spannend, aber höchst unrealistisch gehalten hatte. Die Wächterin sackte in die Knie. Ein Strahlschuss fauchte über ihren Kopf hinweg in die Wand. Sie ließ sich zur Seite kippen und trat mit gestrecktem Bein nach dem Eindringling, der in der Tür stehen geblieben war. Mit lautem Krachen bog sich dessen Knie in die falsche Richtung durch. Brüllend ging er zu Boden.

Die Wächterin nutzte das Momentum ihres Falls, fing sich mit den Händen ab, streckte sich und schlug ein Rad. Sie lenkte die Bewegung Richtung Wand, lief mit ihrem Restschwung drei Schritte daran empor und stieß sich ab, Gesicht Richtung Decke durch die offene Tür. Flach flog sie in den Raum, zwei weitere Strahlschüsse verfehlten sie. Einer traf dafür einen der Eindringlinge, der brüllend zu Boden ging.

Zwei von sechs waren ausgeschaltet. Die Naturgewalt in Gestalt einer jungen Frau prallte gegen einer dritten. Der taumelte, kam wieder in senkrechte Position, während die Wächterin bereits einmal kurz vom Boden absprang und auf Gesichtshöhe Nummer vier und fünf im Spagat in die Gesichter trat. Sie torkelten schreiend zurück und pressten die Hände an ihre Köpfe. Blut quoll zwischen den Fingern hervor.

Nummer drei, derjenige, der nur getaumelt war, hob die Hände und ließ seinen Strahler fallen. Es blieb der Sechste – der, der die großen Reden geschwungen hatte. Mittlerweile zielte er nicht mehr auf den unbewaffneten Strago, sondern auf die junge Frau, die in nicht einmal zehn Sekunden seine gesamte Bande ausgeschaltet hatte.

Strago nahm ihn von hinten in den Schwitzkasten und gönnte ihm eine Kopfnuss. Der Körper in seinen Armen erschlaffte.

»Danke«, sagte Thanuba wieder ganz gefasst im Geschäftston, als wäre gar nichts Ungewöhnliches geschehen. »Eine Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Reflexe ist natürlich ebenfalls möglich, wie wir gerade bei unserem Sicherheitspersonal beobachten durften.«

Völlig ungerührt zog die Wächterin die Toten, Bewusstlosen und Verletzten auf den Gang. Der einzig unverletzte Angreifer rannte davon, anscheinend ohne dass jemand Interesse an ihm zeigte.

Illustration: Swen Papenbrock

»Was war das?«, schrie Strago die Ärztin an. »Was wollten die?«

»Unruhe stiften«, sagte Thanuba pikiert. »Elsangoya tan Ippetar hetzt seit Tagen gegen Klone, und die Medien spielen sein Spiel mit, obwohl das ein reines Wahlkampfmanöver ist. Früher oder später musste so etwas passieren, deshalb sind wir vorbereitet. Aber das ändert nichts dran, dass Klone und die Verewigung unserer Besten Akons Zukunft ist. Also!«

Sie nahm den Glasrahmen auf, der das ganze Chaos wie durch ein Wunder unbeschädigt überstanden hatte. »Bist du an einem Upgrade interessiert?«

Strago sah der jungen Frau nach, die gerade den letzten Angreifer in einer Spur seines eigenen Blutes aus dem Raum zog. »Ich will genau das können, was sie kann.«

»Unterzeichne bitte hier.«

2.

Der barnitische Freihandelsraumer FÜRST ALONCHES ruhte majestätisch auf dem Raumhafen Akktut im Norden der galazischen Hauptstadt Ehembor. Das Landefeld war zu zwei Dritteln geleert. Ein ungewohnter Anblick, nachdem es während der fünftägigen Staatstrauer nach dem Tod der Priorrätin Adorhee tan Thanor aus allen Nähten geplatzt war. Die meisten Trauergäste waren jedoch inzwischen aufgebrochen, und der normale Frachtbetrieb war noch nicht wieder auf Normalniveau angekommen.

Auch die FÜRST ALONCHES löschte weder Ladung, noch nahm sie neue Waren auf. Vorgeblich war ihr Eigner, der Barniter Tastur-A3, für Verhandlungen auf Galazin. Das stimmte in gewisser Weise sogar, denn unter Tasturs Maske steckte Monkey, der Lordadmiral der United Stars Organization. Er war getarnt auf Galazin zurückgeblieben, um den Mord an der Priorrätin aufzuklären und das Komplott dahinter platzen zu lassen.

Die FÜRST ALONCHES war natürlich ebenso Fassade wie Monkeys voluminös-schwabbelige Biomolplast-Ganzkörpermaske. Künstliche Fettwülste und eine Sonnenbrille verdeckten die charakteristischen Kameraaugen des Oxtorners. Unnötige Aufbauten und ein künstlich gealterter Namenszug tarnten die wahre Identität des Schiffs: Es handelte sich um die RATBER TOSTAN, ein Beiboot des USO-Flaggschiffs NIKE QUINTO, welches traditionell die erste Wahl für verdeckte Einsätze mit wendigen, kleinen Einheiten war.

So feist Monkey unter seiner Maske aussah, so ausgemergelt erschien Ram Wood ohne. Mit dem Handrücken wischte er sich Tomatensoße vom Kinn. Schön sah das bestimmt nicht aus, aber die Zufuhr hoch dosierter Kohlenhydrate – vulgo: Nudeln, Nudeln und Nudeln – war bei ihm Grundvoraussetzung für effizientes Arbeiten. Aß er nicht, stürzten erst seine intellektuellen Kapazitäten auf das Niveau des Pöbels, und kurz darauf bekam er schwere gesundheitliche Probleme.

Wobei er mit Hungerattacken gut umgehen konnte. Wenn ihn aber sein Hirn im Stich ließ, nahm er das persönlich. Er hatte schließlich einen Ruf zu verteidigen.

Monkey sah ihn missbilligend an. »Sind Sie wieder aufnahmefähig?«

Wood verkniff sich den Hinweis, dass er nie aufgehört hatte, etwas aufzunehmen. Erst Nährstoffe, dann Informationen. Alles zu rechten Zeit. »Natürlich«, sagte er deshalb schlicht.

Der Chef der USO wandte sich wieder dem großen Halbreliefholo an der Rückwand des Besprechungsraums nahe der Zentrale zu. Wood und vier weitere Ermittler lauschten, wobei für Wood nicht viel Neues dabei war. Er war maßgeblich daran beteiligt gewesen, die Daten zusammenzutragen, die Monkey nun vermittelte.

Sieben Gesichter leuchteten an der Wand und bildeten einen sechszackigen Stern. In seinem Zentrum stand das Antlitz einer sehr jungen Frau mit hellbrauner Haut und leuchtend roten Locken: Adorhee tan Thanor-Mukiko, genannt »Sekunda«, weil sie ein Klon war und die Nachfolge ihrer Kopiervorlage antreten sollte – in keiner geringeren Funktion als Priorrätin, der akonischen Regierungschefin. Für die meisten Beobachter des politischen Akons schien es ausgemachte Sache.

Adorhee die Zweite selbst aber sah sich wohl nicht als austauschbares Versatzstück, sonst hätte sie ihren Namen wohl kaum abgelegt und durch das klangvolle, individuelle »Nemena« ersetzt. Unter diesem Namen hatte Wood sie kennen gelernt, und so dachte er von ihr. Allein schon, weil es doch merklich kürzer war als die offizielle Version.

»... grundsätzlich in zwei Lager aufzuteilen, nämlich pro und anti Nemena«, dozierte Monkey gerade. »Nominell dreht sich die Debatte um die Frage, ob eine Achtzehnjährige qualifiziert sein kann, selbst wenn ihr die Erinnerungen ihrer Klonmutter übertragen werden – und ob so ein künstlich geschaffenes Wesen mit fremden Erinnerungen überhaupt eine Akonin im eigentlichen Sinne ist, geschweige denn eine qualifizierte Priorrätin. In Wirklichkeit ...«

Yadda, yadda, yadda. In Wirklichkeit war das Ganze natürlich nur ein Vorwand, um der Gegenseite ihre Spitzenkandidatin wegzudiskutieren. Denn schloss man Nemena von der Wahl aus, würde die Opposition haushoch gewinnen. Innerparteiliche Alternativen hatte die Verstorbene stets frühzeitig zur Seite geschoben.

Wood ließ Monkeys Vortrag vorbeiplätschern und konzentrierte sich auf die Gesichter der sechs Männer um Nemena herum. Olman pon Orno, Oppositionsführer, hatte die Positionen der toten Adorhee tan Thanors inhaltlich bekämpft. Vingaan tol Gortol war ein Wendehals, der die Verhältnisse destabilisieren wollte, um bei einer Neuwahl des kompletten Rats mehr Einfluss zu gewinnen. Elsangoya tan Ippetar hatte wohl am ehesten und aufrichtigsten ein Problem damit, eine Dynastie von Klonen als Regierungschefs zu akzeptieren.

Das waren die drei, die Nemena verlieren sehen wollten. Auf der anderen Seite: Shunan ont Viu, Anführer von Waches Akon. WA war keine politische Partei, sondern eine Lobbyorganisation, die für Rechte und Akzeptanz von Klonen stritt.

Ont Viu hatte die Gruppe über Jahrzehnte aufgebaut und erheblichen Einfluss gewonnen. Für ihn wäre es ein gewaltiger Erfolg, Nemena an der Regierungsspitze zu installieren. Die These von Waches Akon, dass das Volk der Akonen sich eine fruchtbringende Aristokratie – im eigentlichen Wortsinn, nämlich als Herrschaft der tatsächlich Besten statt irgendwelcher degenerierter Adelsabkömmlinge – schaffen konnte, hätte ihren praktischen Beweis erfahren.

Nuur tan Harol war Berater von Adorhee gewesen und galt als väterlicher Freund und Mentor Nemenas. Der alte Mann hatte nur knapp ein Attentat überlebt und erholte sich im Hospital.

Die Runde wurde komplettiert durch Rollomon tol Ain, den Chef des Energiekommandos. Der Geheimdienst der Akonen war nominell neutral und nur insofern in die Sache verwickelt, als er den Tod von Nemenas Klonmutter untersuchte. Bislang waren dabei keine belastbaren Ergebnisse herausgekommen, wie Wood dank einer dreisten Infiltrationsoperation wusste. Nur: War das so, weil das Energiekommando nichts finden konnte oder weil es nichts finden wollte?

»... wissen wir lediglich, dass ein bislang unerkannter Akteur mit erheblichen finanziellen Mitteln hinter der Intrige steckt. Ich möchte, dass Sie jeden dieser sechs Männer ... Ja, Spezialist Wood?«

»Wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, dass der Club der Lichtträger hinter dem Anschlag steckt?«

Unter der Tarnung war es nicht zu sehen, aber Wood war sicher, dass Monkeys starre Kameraaugen ihn fixierten. »Ich habe nichts dergleichen geäußert.«

»Korrekt«, bestätigte Wood. »Sie haben gar keine Hypothese geäußert, was untypisch ist. Zugleich haben Sie aber ausdrücklich vermutet, das Ziel der Machenschaften sei eine Destabilisierung der Akonischen Räterepublik, nicht einfach nur ein Machtwechsel. Wer ein Motiv solchen Kalibers unterstellt, hat auch eine Vorstellung zum Täter, und sei sie noch so vage. ›Wir haben keine Ahnung, wer das Attentat angeordnet hat, aber ganz bestimmt geht es nicht um Machthunger, sondern um die Destabilisierung des Staats.‹ Eher nicht.«

Beim Wort Machthunger meldete sich Woods Magen mit einem leisen Knurren.

»Wer also könnte Ihrer Vorstellung nach dahinterstecken? Der Geheimdienst eines anderen großen Machtblocks der Milchstraße? Denkbar, aber dafür besteht kein Anlass. Es gibt zurzeit nur eine Partei, die von der Handlungsunfähigkeit großer politischer Gebilde profitiert, und das sind die Lichtträger. Je mehr die Machtblöcke der Lemurischen Allianz mit sich selbst beschäftigt sind, desto weniger Ressourcen können sie aufwenden, um Fragmente von ES zu suchen – was der Club unseres Wissens verhindern will. Ich sage ja gar nicht, dass Ihr Gedanke völlig unmöglich ist. Aber er ist etwas weit hergeholt. Schließlich haben wir ausreichend Verdächtige vor Ort, die alle Kalif werden wollen anstelle des Kalifen. Was?«

Wood spürte nicht nur Monkeys Kamerablick auf sich. Auch die anderen anwesenden USO-Spezialisten starrten ihn verwirrt an. Offenbar mangelte es ihnen an Kenntnis der altterranischen Klassiker.

»Also noch einmal. Wir haben Verdächtige ...« – Wood deutete auf die Holos an der Wand – »... und mit simpler Machtgier sogar ein über Jahrtausende bewährtes, bodenständiges Motiv, ohne dass wir eine die halbe Galaxis umspannende Verschwörung ins Spiel bringen müssen. Wie also kommen Sie darauf, dass die Lichtträger damit zu tun haben?«

»Ich habe immer noch nicht gesagt, dass ich das glaube«, beharrte Monkey.

Wood sah ihn stumm an. Ein Wettstarren mochte der Kameraäugige vor ihm gewinnen, aber nicht so schnell, wie Monkey das vielleicht gewohnt war.

Der Pseudo-Barniter seufzte. »Aber Sie haben recht, Spezialist Wood. Ich halte das zumindest für eine Möglichkeit, und ich habe sie nicht erwähnt, damit Sie und Ihre Kollegen unvoreingenommen an die Untersuchung herangehen. Was Sie soeben verhindert haben, also vielen Dank dafür. Ich kann nur appellieren, sich von meiner Ahnung weder in die eine noch in die andere Richtung beeinflussen zu lassen. Wir wissen, dass der Club der Lichtträger mindestens einen Gestaltwandler in seinen Reihen hat. Er könnte jeden dieser sechs Männer ersetzt haben.«

Wood hob die Brauen. »Sie stellen solche Hypothesen aufgrund einer Ahnung auf? Das ist, mit Verlaub, keine Ermittlungsbasis und nicht Ihr Stil. Sind Sie sicher, dass nicht Sie von einem Gestaltwandler ersetzt wurden?«

Wieder starrte Monkey ihn an, und diesmal verlor Wood. »Verzeihen Sie«, sagte er kleinlaut.

»Also weiter«, sagte Monkey, als wäre nicht das Geringste geschehen. »Ich möchte, dass jeder von Ihnen sich einen dieser sechs Herren vorknöpft und herausfindet, welcher von ihnen ...«

»Nuur tan Harol«, unterbrach Wood seinen obersten Chef aufs Neue.

»Auf diese Deduktion bin gespannt«, erwiderte Monkey.

3.

Regon Sar musste sich daran erinnern, warum er Feindesland betreten hatte. Nicht wegen Elsangoya tan Ippetar. Der widerwärtige Demagoge stand zwar im Zentrum der Aufmerksamkeit, während er auf der Bühne von Ehembors größtem Veranstaltungszentrum seinen Hass in die Welt spie und die Menge ihm zujubelte. Doch tan Ippetar interessierte Sar nicht, sondern die Menge, über die er, und viele andere wie er, Informationen sammelte.

Fünf Tage hatte die Staatstrauer nach dem Unfall – oder Mord – gedauert, der Adorhee tan Thanors Leben gekostet hatte. In diesen fünf Tagen war die ganze Politikerriege gesittet und gemäßigt aufgetreten. Doch sofort danach war das Referendum ausgerufen worden, ob Nemena tan Thanor – ein Klon wie Sar selbst – als Nachfolgerin eingesetzt werden sollte oder ob Neuwahlen nötig waren. Und im selben Moment hatte der Hass begonnen.

Tan Ippetar war es, der ihn schürte. Der Politiker wollte die Neuwahl nicht nur aus machtpolitischen Erwägungen, sondern weil er Klone zutiefst verachtete und ihnen allen den Tod wünschte. Auch wenn er das selbstverständlich leugnete.