Perry Rhodan Neo 114: Die Geister der CREST  - Kai Hirdt - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 114: Die Geister der CREST E-Book und Hörbuch

Kai Hirdt

5,0

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Beschreibung

Nachdem der Astronaut Perry Rhodan im Jahr 2036 auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff entdeckt hat, beginnt sich die Menschheit zu vereinen. Eine Zeit des Friedens bricht an, die Terranische Union wird gegründet. Doch im Jahr 2049 tauchen beim Jupiter feindliche Raumschiffe auf. Rhodan verfolgt die Angreifer und entdeckt: Die Maahks planen einen Krieg gegen das Imperium der Arkoniden. Rhodan spürt dieser Gefahr nach; in der Folge verschlägt es ihn mit seinem Raumschiff CREST in den Leerraum außerhalb der Milchstraße. Dort begegnet er einer aggressiven Roboterzivilisation - den Posbis. Wie sich herausstellt, setzen die Roboter gefangenen Menschen ihre Implantate ein - und verändern ihr Wesen dadurch schrecklich. Als Rhodan erfährt, dass sein alter Freund Crest im Sterben liegt, sieht er nur einen Weg: Er muss dem Arkoniden mit der Implantat-Technologie der Posbis helfen. Es ist seine einzige Chance, Crest zu retten - doch die damit verbundenen Gefahren sind riesengroß ...

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Zeit:5 Std. 40 min

Sprecher:Axel Gottschick
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Man kann sich nicht von der Lektüre losreißen

Tolle Geschichte aus dem Blickwinkel eines Jungen!
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Band 114

Die Geister der CREST

Kai Hirdt

Nachdem der Astronaut Perry Rhodan im Jahr 2036 auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff entdeckt hat, beginnt sich die Menschheit zu vereinen. Eine Zeit des Friedens bricht an, die Terranische Union wird gegründet.

Doch im Jahr 2049 tauchen beim Jupiter feindliche Raumschiffe auf. Rhodan verfolgt die Angreifer und entdeckt: Die Maahks planen einen Krieg gegen das Imperium der Arkoniden.

Rhodan spürt dieser Gefahr nach; in der Folge verschlägt es ihn mit seinem Raumschiff CREST in den Leerraum außerhalb der Milchstraße. Dort begegnet er einer aggressiven Roboterzivilisation – den Posbis.

Wie sich herausstellt, setzen die Roboter gefangenen Menschen ihre Implantate ein – und verändern ihr Wesen dadurch schrecklich. Als Rhodan erfährt, dass sein alter Freund Crest im Sterben liegt, sieht er nur einen Weg: Er muss dem Arkoniden mit der Implantat-Technologie der Posbis helfen. Es ist seine einzige Chance, Crest zu retten – doch die damit verbundenen Gefahren sind riesengroß ...

1.

Tom Rhodan

Tom Rhodan litt Höllenqualen.

Agaior Thoton hatte ihn entführt und gefangen gehalten. Ganz lange. Danach war Tom dabei gewesen, als Mom und Dad Toms Großvater aus einer unterirdischen Mondstation befreit hatten. Opa Crest hatte ausgesehen wie eine lebende Leiche und Tom gehörig Angst gemacht. Bei der Raumschlacht danach waren die sechs alten Freunde von Mom und Dad gestorben, und auch das hatte Tom mit ansehen müssen. Er hatte ständig Albträume gehabt. Manchmal schreckte er noch immer nachts schreiend hoch. Einmal hatte er geschrien, bis Mom kam und ihn in den Arm nahm.

Aber nichts davon war so schlimm wie Chemieunterricht bei Doktor Kespczak.

Es war nicht so sehr das Fach. Tom mochte Chemie, er war darin viel besser als die meisten seiner Klassenkameraden. Sein Lehrer in Terrania war richtig gut gewesen, und er hatte in die letzte Leistungsbewertung geschrieben, dass »Tom in diesem Fach fast das Niveau eines Zehnjährigen« hatte. Darauf war Tom mit seinen acht Jahren mächtig stolz gewesen.

Doktor Kespczak aber war leider überhaupt kein guter Lehrer. Er war einfach nur der Bordchemiker der CREST. Er versuchte, lustig zu sein, aber er war einer dieser Erwachsenen, die wie Kinder sprechen wollten und dabei total peinlich waren.

Und er folgte stumpf dem Unterrichtsplan für die dritte Klasse, obwohl Tom ihm gesagt hatte, dass er das alles schon konnte. Der Plan war in der Positronik hinterlegt, sodass Tom genau wusste, womit er sich die nächsten Wochen langweilen würde. Im Programmieren war Tom auch gut – er hatte deshalb schon überlegt, ob er nicht den Unterrichtsplan zu etwas Spannenderem ändern konnte. Aber dafür musste er sich erst einmal überlegen, was er stattdessen lernen wollte. Und das war schwer, weil er ja nicht wusste, was er über Chemie noch nicht wusste und was als Nächstes dran gewesen wäre. Man hätte so viele spannende Sachen machen können. Er wollte zum Beispiel wissen, wofür dieses chromatografische Spektralbarometer eigentlich gut war. Aber das wäre aufgefallen, wenn er diese Frage in den Plan programmiert hätte.

Also langweilte er sich nach Plan.

Wenn Tom in Terrania keine Lust auf Unterricht gehabt hatte, hatte er sich leise mit Ben Taylor unterhalten können. Sein Lehrer hatte ihn deshalb neben Susie de Jong gesetzt, aber das hatte ihm nicht geholfen. Für ein Mädchen war Susie nämlich echt nett und witzig.

Auf der CREST war Tom jedoch das einzige Kind. Niemand, mit dem er sich von dem langweiligen Zeug ablenken konnte. Jeden Dienstag und Donnerstag musste er zwei Stunden bei Doktor Kespczak Sachen pauken, die er schon kannte. Jedenfalls, wenn Tom nichts einfiel, wie er die Stunde abkürzen konnte.

Nach Plan kam an diesem Tag dran, wie man so etwas wie Limonade herstellte. Man rührte Soda, Zitronensäure und Zucker zusammen, kippte Wasser dazu. Dann zischte und schäumte es, während die starke Zitronensäure die schwache Kohlensäure verdrängte. Die Kohlensäure zerfiel in Wasser und Sprudelbläschen, und der Zucker machte das saure Zeug trinkbar.

Langweilig.

Man konnte ein bisschen Aroma dazukippen, dann schmeckte das Ganze wenigstens etwas besser. Das würde Kespczak ganz sicher machen, und deshalb war Tom zehn Minuten zu früh im Chemielabor. Tatsächlich fand er schnell die Zutaten: Die drei Pulverdöschen mit Zucker, Soda und Zitronensäure standen schon bereit, und außerdem zwei Spritzflaschen mit Orangen- und Himbeer-Aroma.

Doktor Kespczak aß gerne Orangen. Er tat das in jeder ihrer Unterrichtsstunden.

Tom zog einen Zettel aus der Hosentasche und las das Wort, das er daraufgeschrieben hatte: Magnesiumsulfat. Er suchte in den Laborschränken, bis er die Flasche mit dieser Aufschrift fand, rührte ziemlich viel davon in das Orangenaroma, stellte alles zurück und wartete auf Doktor Kespczak.

»Und was, glaubst du, passiert, wenn wir gleich Wasser zu der Pulvermischung geben?« Kespczak klang begeistert. Seine grauen Locken wippten ihm um den Kopf, als er sich Tom entgegenbeugte.

Tom hielt die Luft an, um nicht zu viel von Kespczaks Mundgeruch abzukommen. »Es blubbert«, sagte er.

Kespczak sah enttäuscht aus. »Ja, es blubbert«, bestätigte er. »Und weißt du auch, warum?«

»Ja«, sagte Tom.

Kespczak sagte nichts.

Auch Tom schwieg eisern.

Nach einer Weile gab der Doktor auf. »Dann erklär es mir doch bitte.«

»Zitronensäure ist stärker als Kohlensäure. Sie ersetzt die gebundene Kohlensäure in dem Natriumsalz. Die frei werdende Kohlensäure zerfällt im Wasser. Und das blubbert dann.«

»Okay, dann können wir diesen Teil der Unterrichtsstunde wohl abkürzen ...«, sagte der Doktor. Er wirkte ein bisschen beleidigt. Tom verstand das nicht. Wenn sie beide früher freihatten, war das doch gut. Aber genauso wusste er, dass der Plan noch zwei andere langweilige Experimente vorsah. So schnell war das Leiden also nicht vorbei.

»Weißt du auch, dass man das hier trinken kann?«

Tom sah den Doktor mit großen Augen an. »Nein. Wirklich?«

»Aber ja«, sagte Kespczak. »Probier mal!«

»Du zuerst!«, verlangte Tom. Er wusste, dass der Doktor es nicht mochte, wenn Tom ihn duzte. Aber er traute sich auch nicht, Tom zurechtzuweisen. Manchmal war es ganz gut, der Sohn von Perry Rhodan zu sein.

Kespczak lächelte kurz, dann nahm er einen Schluck aus dem Experimentierglas. »Hmmm«, machte er, als wäre das Zeug wirklich lecker.

Tom probierte nun auch. Die Brause war etwas säuerlich. Sie hätten mehr Zucker nehmen müssen. Mehr Zucker war sowieso nie verkehrt.

»Das ist aber ziemlich sauer«, nörgelte er. »Richtige Limonade schmeckt besser.«

»Das ist, weil da Aroma drin ist«, sagte der Doktor. »Und schau mal, was ich hier habe!« Er zog das Himbeer- und das Orangenaroma hervor.

»Wow!«, rief Tom. »Das ist ja super!«

»Nicht wahr?« Kespczak schien sich zu freuen, dass seine Stunde auf einmal richtig gut ankam.

»Kann ich Himbeere haben?«, fragte Tom.

Kespczak nickte. »Natürlich. Und ich nehme Orange.« Er grinste dumm, goss die Flüssigkeit aus dem Experimentierglas in zwei Trinkgläser und gab in eines die rote, in das andere die dunkelgelbe Flüssigkeit dazu. Er rührte in beiden Gläsern, dann nahm er die Orangenlimonade und trank.

Tom griff sich die Himbeerlimonade. Sie schmeckte toll. So machte Chemie tatsächlich wieder Spaß.

Und gleich würde es noch lustiger werden.

Doktor Kespczak stellte sein Glas weg, wischte sich einmal mit der Hand über den Mund und grinste noch einmal, blöder als davor. »Ich sag dir was, wir machen jetzt noch zwei andere Experimente, und danach machen wir uns noch ein Glas. Wie findest du das?«

»Das ist toll!«, sagte Tom. Er musste die Vorfreude nicht spielen. Sie war echt, auch wenn sie sich nicht auf ein zweites Glas Himbeerlimo bezog.

Ein grollendes Geräusch ertönte.

Doktor Kespczak sah plötzlich gar nicht mehr begeistert aus. Er drückte die rechte Hand gegen seinen Bauch. »Bitte entschuldige mich kurz«, sagte er und ging seltsam staksig zum Eingang der Toilette.

Tom wartete, bis er die Spülung hörte.

Er wartete weiter, bis das Wasser ein zweites Mal rauschte. Und dann ein drittes Mal.

Tom grinste, und er war sich sicher, dass er nicht halb so blöd dabei aussah wie Doktor Kespczak.

Kespczak steckte den Kopf durch die Tür heraus. »Tom, mir ist leider nicht gut. Ich habe plötzlich Bauchweh«, sagte er. »Das tut mir furchtbar leid, aber können wir übermorgen weitermachen?«

»Das ist aber schade, Doktor Kespczak!«, erwiderte Tom.

»Ja«, sagte der Doktor, »finde ich auch, aber es geht leider nicht ...« Er brachte seinen Satz nicht zu Ende. Sein Kopf verschwand plötzlich aus dem Türspalt.

Kurz danach hörte Tom das Wasser zum vierten Mal laufen.

Tom sah seinem Lehrer hinterher, als dieser hastig und ein bisschen vorgebeugt aus dem Labor lief. Danach schlenderte er zu einem der Laborschränke, die auf Kopfhöhe der Erwachsenen hingen. Er stellte sich auf Zehenspitzen und öffnete die Tür. Ein rotgoldenes Leuchten drang aus dem Spalt hervor.

»Mach weiter auf!«, ertönte eine Frauenstimme aus dem Schrank. Sie klang ganz ruhig.

Tom machte die Tür noch weiter auf, und Bastet, seine holografische Katze, sprang aus dem Schrank hervor. Lautlos landete sie auf einem Tisch.

»Warum gehst du nicht durch die Tür?«, fragte Tom. »Du kannst das doch.«

»Natürlich kann ich das«, sagte Bastet. »Aber ich will nicht.«

Sie stolzierte vor Tom entlang, den Schwanz in die Höhe gestreckt. Ihr gold-rot gestreiftes Fell leuchtete. »Das war nicht sehr nett von dir«, sagte sie.

»Es ist aber auch nicht nett, mich Sachen lernen zu lassen, die ich schon weiß«, erwiderte Tom mit einem Schulterzucken.

Bastet legte den Kopf schief, sah zu ihm hoch. »Du hast recht. Wenn ich allerdings die Aufzeichnungen über menschliche Kultur und Umgangsformen in der Bordpositronik heranziehe, komme ich zum Ergebnis, dass die meisten Menschen dein Verhalten nicht gutheißen würden.«

»Die meisten Erwachsenen«, verbesserte Tom. »Das ist was ganz anderes.«

Wieder legte Bastet den Kopf zur Seite. »Meinetwegen«, sagte sie nach einer Weile. »Was hast du jetzt vor, da dein Unterricht abgebrochen wurde?«

»Na, der Spaß fängt doch erst an!« Tom lief zu einem Computerterminal und aktivierte es. »Positronik, zeig uns Doktor Kespczak!«

Bastet sprang neben Tom und rollte sich zu einem Kreis zusammen. Ihr Kopf lag auf den Vorderpfoten.

»Die Bildüberwachung von Crewmitgliedern ist ohne Zustimmung der Betroffenen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig«, entgegnete die Stimme der Hauptpositronik.

So leicht ließ Tom sich nicht ausbremsen. »Positronik, zeig mir die Gänge auf dem Weg zum Zentrallift.«

Sechs Hologramme leuchteten auf. Fünf zeigten leere Flure, eines eine graulockige Gestalt, die es sehr eilig hatte. Tom zog Holo vier groß und schaltete die anderen ab.

»Positronik, wenn die Bewegung in dem Holo aufhört, zeig uns den nächsten Abschnitt daneben, in dem es dann neue Bewegungen gibt!«

»Diese Anweisung entspricht de facto der Bildüberwachung eines Crewmitglieds und ist daher ...«

Tom berührte einige Symbole in den Steuerholos. Danach war die Positronik still. Kespczak lief aus dem sichtbaren Abschnitt heraus. Das Holo schaltete sich ab, ein neues baute sich auf, und wieder sah Tom seinen Chemielehrer. Er hatte fast den Zentrallift erreicht, mit dem er ziemlich sicher gleich zur Medostation fahren würde.

Bastet stand auf und schaute sich das Holo aus der Nähe an. »Und dein jetziges Vorgehen ist ebenfalls beanstandenswert.« Sie drehte den Kopf zu Tom und zog die Mundwinkel hoch. Es sah aus, als würde sie grinsen. »Oder ist das wieder zu erwachsen?«

»Ganz im Gegenteil!« Tom gab sich empört, so gut er das konnte. »Das ist ganz verantwortungsvoll von mir! Immerhin sind wir zwei beide die Einzigen, die wissen, was dem armen Mann fehlt. Da müssen wir doch auf ihn aufpassen!«

»Ich bin nicht ganz sicher ... Ach, egal.«

Sie beobachteten Kespczaks Weg weiter, bis er die Medostation erreicht hatte. Dann war Schluss mit der Holoshow.

Tom versuchte es mit einigen anderen Tricks in der Positronikprogrammierung, die er in den vergangenen Wochen gelernt hatte, aber er bekam kein neues Bild.

»Was machst du denn, du blöder Computer?«, rief er wütend.

Bastet schnurrte leise. »Die Medostation ist ein besonders geschützter Bereich. Dort ist die Privatsphäre deutlich besser gesichert als auf den Korridoren.«

Tom war sauer. Nun kam das Beste, das wollte er doch nicht verpassen! Da hatte er eine Idee. »Bastet, du bist doch Teil der Positronik.«

Ein zustimmendes Schnurren.

»Und du hast mir gesagt, dass du ein Spezialprogramm mit vielen Sonderbefugnissen bist.«

Bastet kniff ein Auge zu, sah Tom misstrauisch an. »Worauf willst du hinaus?«

»Wir haben wichtige Informationen über einen medizinischen Notfall!«, rief Tom. »Es wäre aber sehr riskant, diese weiterzugeben!« Wie riskant, das wurde Tom klar, während er sprach. Wenn seine Eltern mitbekamen, dass er seinem Chemielehrer ein Abführmittel gegeben hatte, würde Tom Hausarrest in seiner Kabine bekommen. Dann wäre es vorbei mit seinen spannenden Entdeckungstouren in der CREST. »Ein guter Geheimagent braucht in so einer Lage Informationen, und du kannst uns diese Informationen beschaffen.«

»Du bist kein Geheimagent«, schnurrte Bastet.

»Natürlich bin ich ein Geheimagent«, protestierte Tom, »und du bist auch einer. Du bist sogar richtig toll getarnt!«

»Ist das ein ... Spiel?«, fragte die Katze.

Tom seufzte. Bastet war ein toller Kamerad, und sie war sein Geheimnis, und das machte sie direkt noch mal toller. Aber wenn es um Dinge wie Spielen ging, hatte sie manchmal eine wirklich lange Leitung. Irgendwie war sie halt doch nur ein Computerprogramm.

»Ja und nein«, sagte Tom. »Wir sind Agenten, das ist ein Spiel. Aber ich will wirklich wissen, wie es Doktor Kespczak geht.«

Allmählich regte sich bei ihm tatsächlich so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Er hatte dem Doktor schon einige böse Streiche gespielt. Aber dieses Mal ... Tom stellte sich vor, er hätte das aufgelöste Magnesiumsulfat selbst getrunken. Das hätte er nicht lustig gefunden. Auf einmal tat der Doktor ihm wirklich leid.

»Bitte, Bastet. Zeig mir die Medostation!«

Die Katze sah ihn noch einmal misstrauisch an, dann nickte sie. Sie schloss kurz die Augen. Das Holo leuchtete wieder auf.

Tom riss die Augen auf. Mom und Dad waren zu sehen. Daneben stand Threepo, der seltsame Engländer, den Dad bei seinem jüngsten Abenteuer aus der Hand der bösen Roboter befreit hatte. Mit seinen ganzen vielen Leuten, die alle diese komischen Impalantate von den Robotern bekommen hatten, die nun in ihren Körpern steckten und deren Metallknubbelenden aus ihrer Haut rausguckten.

Was war da los?

»Bastet, mach Ton!«

Die Katze sträubte kurz ihr Fell und schüttelte den Kopf. Dann hörten sie die Gespräche und Geräusche aus der Krankenstation.

Die Tür öffnete sich zischend, und Doktor Kespczak kam herein. Er winkte einen Pfleger zu sich heran. »Durchfall«, sagte er hastig. »Ganz plötzlich!«

Die Chefin des Pflegers kam. »Sie schon wieder?«, herrschte sie Kespczak an. »Was ist es denn heute? Wieder Juckreiz oder roter Urin? Schwarze Hände?«

»Ich ...«

Die Oberpflegerin ließ Kespczak nicht zu Wort kommen. »Da drinnen läuft gerade eine unglaublich komplizierte und wichtige Operation. Wenn Sie schon wieder irgendeine Chemikalie gegessen oder auf die Haut bekommen haben ...«

Kespczak antwortete nicht. Er lief erst mal zur Toilette.

Dad trat zu der Oberpflegerin. »Bleiben Sie ruhig«, sagte er. »Wir stehen alle unter Stress. Aber ich bin sicher, Doktor Manz und Kaveri werden Crest retten.«

»Sie verstehen nicht«, entgegnete die Frau. »Dieser Kespczak kommt jeden Dienstag und Donnerstag und ...«

Tom griff in das Holo und machte den Ton aus.

»Wichtige Operation? Und Crest?« Er wollte Bastet zu sich heranziehen, doch seine Hände glitten durch das holografische Fell hindurch. Er hockte sich vor der Katze auf den Boden und sah ihr in die Augen. »Was ist mit Opacra?«

Bastet gab wieder dieses Geräusch von sich, das halb Schnurren, halb Seufzen war. »Dein Großvater ist sehr alt und sehr krank. Er hat einfach schon zu lange gelebt. Sein Körper funktioniert nicht mehr. Sie setzen ihm jetzt Geräte ein, damit er weiterleben kann.«

Tom wusste nicht, was er sagen sollte. »Opacra darf nicht sterben!«, war alles, das ihm einfiel. Einen Augenblick später hatte er doch eine Idee. »Wir müssen auf die Medostation!«

Bastet schüttelte den Kopf. »Wie gesagt, das ist ein gesicherter Bereich. Im Moment noch mehr als sonst. Unbefugte haben ...«

»Du hast doch vorhin in diese Datenbanken geguckt, mit menschlicher Kultur und so. Guck mal, was da drinsteht, wenn ein Opacra krank ist!«

Bastet seufzte. »In der Tat. Es gibt Hinweise, dass Menschen ein hohes Interesse haben, kranken Verwandten nahe zu sein, auch wenn sie überhaupt nicht helfen können.« Die Katze erhob sich und lief auf die Laborwand zu. »Wenn wir einfach durch die Tür reinspazieren, werfen sie dich raus. Darf ich vorschlagen, dass wir die Medostation durch die Wartungsschächte besuchen?«

In der völlig glatten Wand entstand plötzlich eine Öffnung vom Boden bis Toms Bauchnabelhöhe. Bastet lief voraus und füllte den niedrigen Gang mit goldrotem Leuchten.

Die Wand in der Krankenstation öffnete sich lautlos, nur eine Handbreit. Tom schaute durch die Spalte. Mom und Dad standen mit dem Rücken zu ihm, und Threepo stand bei ihnen. Tom konnte das seltsame Technozeug sehen, das den Nacken des Commanders bedeckte. Er wusste, dass Threepo noch mehr davon im Gesicht kleben hatte. Das Ganze sah total gruselig aus.

Vor seinen Eltern schwebte ein Holo in der Luft. Zwischen den drei Erwachsenen war genug Platz, sodass Tom viel davon erkennen konnte. Er sah darin Doktor Manz und Kaveri, den lustigen Roboter, den sie seit zwei Wochen an Bord hatten. Kaveri selbst war eigentlich gar nicht lustig. Aber er sprach ständig mit anderen Stimmen, und das fand Tom witzig. Gerade gab Kaveri Doktor Manz in einer hohen Frauenstimme irgendwelche Anweisungen, und dann war seine Stimme auf einmal tiefer als die von Onkel Lesly.

Tom war kurz traurig, als er an Onkel Lesly dachte und daran, wie er gestorben war. Aber dann war das, was vor ihm passierte, schon wieder viel zu spannend.

»Wir haben die drei Implantate extrahiert, die wir Crest einsetzen wollen«, sagte Doktor Manz gerade.

»Gott sei Dank«, sagte Threepo. Seiner Stimme klang so, als wäre er wütend. Noch nicht richtig wütend, aber so, als könnte er jede Sekunde wütend werden. Tom hatte Angst vor Erwachsenen, wenn sie in dieser Stimmung waren.

»Ich danke Ihnen für den Einsatz, Mister Threep«, sagte Dad. »Nicht nur als Kommandant dieser Mission, sondern auch ganz persönlich.« Er sah auf das Holo. »Und natürlich werde ich Leutnant Di Margolis danken, wenn sie wieder aufwacht.«

»Für uns ist es ein Segen, wenn wir diese Implantate loswerden.« Threeps Stimme machte Tom immer noch Angst. »Di Margolis hat es jetzt wenigstens teilweise hinter sich. Und wenn wir damit noch ein gutes Werk tun können, nur zu. Um ihre restlichen Implantate zu entfernen, finden wir hoffentlich eine Methode, die weniger ...« Er hörte mitten im Satz zu reden auf.

»Ja«, sagte Dad. »Es konnte aber niemand wissen, dass die Ablösung des Implantat-Myzels vom körpereigenen Nervengewebe dermaßen schmerzhaft ist. Zum Glück konnten wir noch rechtzeitig das künstliche Koma einleiten.«

»Wir?«, fragte Doktor Manz. »Ich habe das getan. Und ich möchte um etwas mehr Ruhe bitten. Es verstößt ohnehin schon gegen alle Vorschriften, dass diese Operation zu Ihnen nach außen übertragen wird.«

»Bitte, Doktor«, ergriff Thora das Wort. »Es geht um meinen Vater.«

»Ihren Ziehvater«, sagte Manz knurrig. »Ich weiß. Jetzt möchte ich trotzdem um Ruhe bitten. Wir beginnen mit dem Einsetzen der Implantate.«

»Wir?«, sagte Kaveri mit der Stimme von Doktor Manz, in demselben gereizten Tonfall. »Ich beginne mit dem Einsetzen.«

Tom schlug die Hände vor den Mund, um sich nicht durch ein Lachen zu verraten. Die meisten Erwachsenen hatten oft Mitleid mit dem beschädigten, verwirrten Posbi, dem immer wieder Wörter fehlten und der ständig mit verschiedenen Stimmen sprach. Tom fand das stattdessen lustig.

Wenn Dad Kaveris Antwort auch komisch fand, versteckte er es gut. Ganz ernst sagte er in das Holo: »Wir werden Sie nicht bei der Arbeit stören, Doktor. Halten Sie uns aber bitte über alle Entwicklungen auf dem Laufenden.«

»In Ordnung«, erwiderte Manz. »Wir beginnen.«

Es wurde still. Tom hockte ohne Bewegung in seinem Versteck. Er hatte Angst, sich zu verraten, wenn er hin- und herruckelte. Dann hätte man ihn auf seine Kabine geschickt, und er hätte nicht mitbekommen, wie es mit Opacra weiterging. Sein Großvater, den sie ja gerade erst befreit hatten, war wirklich schwer krank – so viel hatte verstanden.

»Wir setzen drei Posbi-Implantate ein, um die Organfunktionen zu stabilisieren«, sagte Manz. »Eines über dem Herzen, eines ins zentrale Nervensystem. Das dritte stabilisiert die Nierenfunktion. Wenn alles klappt wie vorgesehen, halten wir damit das fortschreitende Organversagen auf.«

Tom sah, wie Mom nach Dads Hand griff. Er bekam Angst.

Eine von Kaveris Stimmen erklang. Es war die hohe Frauenstimme, mit der er häufig sprach. »Ich setze das ... Verbesserungsgerät ... Potenzialheber ... Stabilisator für die Nervenbahnen an.«

Es blieb still. Das Holo zeigte, wie Kaveri einen seiner Greifarme über Opacras Brust streckte. Zwischen zwei der Fingerzangen hielt er einen der Metallknubbel, wie sie in Threepos Nacken und Gesicht klebten.

Kaveris Brust klappte auf. Ein anderes Gerät fuhr hinaus. Es sah aus wie ein Schlauch mit einem großen Auge am Ende. Kaveri schaute damit von ganz nah auf Opacras Brust. Im Holo konnte Tom die schwarze Fläche erkennen, die der Roboter als Gesicht hatte. Gerade zeigte sie wie ein Bildschirm das, was das ausgefahrene Auge gerade sah. Es war aber nicht Opacras Haut, sondern irgendetwas darunter – wie Fäden, die von einem gemeinsamen Anfangspunkt in der Mitte immer weiter nach außen führten und sich in komplizierten Mustern verteilten.

Tom konnte auch den Metallknubbel erkennen. Kaveri ruckte ihn ein paar Mal hin und her, bis er wirklich genau über dem Mittelpunkt zwischen den auseinanderlaufenden Fäden stand. Dann senkte der Roboter das Metallding ab. Es kam auf der Haut zu liegen. Kaveris Gesichtsbildschirm zeigte, wie in Opacras Körper ganz viele, ganz lange und ganz dünne Dinger von dem Knubbel ausgingen. Sie folgten den Mustern, die schon zuvor da gewesen waren, wickelten sich um diese Fäden im Körper.

Niemand sagte etwas.

Kaveris Auge fuhr über Opacras Brust, zeigte, dass im ganzen Oberkörper das Gleiche passierte. Opacra zitterte dabei. Er schüttelte sich richtig.

»Doktor ...?«, fragte Mom.

»Alles in Ordnung«, beruhigte Doktor Manz sie. »Wir stabilisieren zuerst das zentrale Nervensystem. Das dämmt ein weiteres Organversagen durch fehlgeleitete Impulse ein. Die Spasmen sind eine normale Reaktion. Als Nächstes ist das Herz dran. Die Nieren kommen zuletzt. Wenn dabei etwas schiefgeht, können wir das notfalls mit althergebrachten medizinischen Methoden behandeln. Mit all deren Nachteilen.«

»Mir ist nicht wohl dabei«, sagte Threepo ganz leise. »Kaveri sagt zwar, dass er die Implantate neutralisiert hat. Aber was, wenn er sich irrt?«

»Welche andere Möglichkeit haben wir?«, flüsterte Dad. »Tatsächlich würde ich Crest nicht wünschen, dass er das Gleiche wie Sie ...« Er brach ab. »Bitte entschuldigen Sie. Das war gedankenlos.«

Threepo lachte. Es war kaum zu hören, und es klang nicht, als würde er sich über irgendetwas freuen. »Schon in Ordnung. Ich würde das niemandem wünschen. Glauben Sie mir, ich habe keinen Spaß, wenn ich morgens in den Spiegel schaue. Auf meinen übersteigerten Tastsinn verzichte ich liebend gern, wenn ich dafür diese widerlichen Teile loswerde.«

»Haben Sie immer noch diese Anfälle?«, fragte Thora.

»Sie werden sogar häufiger, seit die Posbis nicht mehr ständig nachjustieren«, war die Antwort. »Es ist die Hölle. Die ganze Haut brennt, als hätte ich in Ameisensäure gebadet.« Dann schüttelte Threepo kurz den Kopf. »Bitte verzeihen Sie. Es ist ungehörig, öffentlich zu jammern, insbesondere in einer solchen Situation.«

»Schon in Ordnung«, sagte Dad. »Wir wissen, was Sie durchmachen. Verlangen Sie bloß nicht zu viel von sich. Sie werden ein bisschen brauchen, bis Sie wieder ganz der Alte sind.«

»Danke für Ihr Verständnis, Sir«, sagte der Commander. »Trotzdem werde ich alles dafür geben, bald wieder einem Flottenoffizier angemessen ...«

Kaveris tiefer Bass unterbrach ihn. »Inspektion und Wartung erfolgreich. Die ... Leitungen ... Nerven ... funktionieren.«

»Können wir jetzt bitte wieder Ruhe da draußen haben?« Manz klang wütend, obwohl die Erwachsenen alle ganz leise gesprochen oder geflüstert hatten.

Tom fragte sich, warum Manz in dem Operationssaal nicht einfach den Ton ausmachte, wenn ihn die Gespräche störten. Aber wahrscheinlich wollte der Arzt auch nichts verpassen. Tom selbst jedenfalls wäre neugierig gewesen, was Mom und Dad und dieser Threep zu reden hatten.

»Wir beginnen jetzt mit dem zweiten Implantat. Dieses soll die Herzfunktion stabilisieren«, teilte Manz mit.

Niemand antwortete, alle nickten nur stumm. Tom nickte auch, obwohl ihn niemand sah.

Kaveri nahm wieder eines der Impalantate in seinen Zangenarm und suchte Opacras Brust mit seinem Auge ab. Dann fand er die richtige Stelle und setzte die Metallkugel ab.

Wieder konnte man sehen, wie sich diese merkwürdigen dünnen Fädchen in den Körper bohrten. Diesmal wickelten sie sich um das zuckende Ding, das wohl Opacras Herz sein musste.

Auf einmal hörte das Zucken auf.

Die Beleuchtung in der Medostation wechselte, und ein lauter, hoher Ton erklang. »Herzstillstand!«, rief Doktor Manz. »Leite Reanimation ein ...«

»Doktor, können wir ...«, rief Mom.

»Seien Sie still, oder ich werfe Sie alle raus!«, unterbrach sie der Arzt.

Tom richtete sich empört auf, als seine Mutter so angefahren wurde. Er stieß sich den Kopf an der Decke vom Wartungsschacht.

Threepo horchte auf. »Da ist jemand«, sagte er.

»Was?«, fragte Dad.

»Jemand ist im Schacht. Ich habe eine Bewegung gespürt.« Threepo ging zu Toms Versteck, schob mit verblüffender Kraft das Schott ganz auf und zog Tom hervor. »Was machst du hier, Junge?«, fragte er. Tom konnte nicht antworten. Er sah nur die Impalantate in Threepos Gesicht aus nächster Nähe und hatte Angst, dass eines davon auf ihn herüberspringen würde.

»Tom!«, rief Dad. »Was hast du hier zu suchen?«

»Nichts«, erwiderte Tom und riss sich los. »Ich wollte nur ...«

»Das reicht!«, rief Manz. »Alle außer dem medizinischen Personal raus aus der Krankenstation! Ich informiere Sie, wie es ausgegangen ist.«

Das Letzte, was Tom sah, war Manz mit zwei Metallplatten in der Hand, kurz über Opacras Brust. Dann ging das Holo aus.

2.

Luan Perparim

Luan lehnte an der Wand ihrer Zelle. Der Stein in ihrem Rücken war angenehm kühl. Das lenkte von der heißen, stickigen, stinkenden Luft ab.

Sie sah Eric Leyden zu. Er schritt an den Wänden entlang, immer noch. Im schwachen Licht des Energiefelds vor dem Ausgang zuckte sein Schatten wild über die Steinwände. Er schaute jede Fuge zwischen den metergroßen Steinblöcken genau an, tastete sie ab. Insbesondere in der Nähe des Ausgangs, den die Leerfischer mit der Energiewand verschlossen hatten.

Die beiden Wächter vor der Tür ignorierten seine Suche nach einem Fluchtweg vollkommen. Seit Stunden. Luan fragte sich, ob sie überhaupt etwas von dem mitbekamen, was in der Zelle geschah. Vielleicht unterdrückte das Feld ja alle Geräusche, sodass die Mehandor draußen die Gespräche und Streitereien überhaupt nicht hörten.

Am Anfang hatten alle aus Erics Team nach einem Ausweg gesucht. Aber es war sinnlos. Eine Wand blieb eine Wand blieb eine Wand. Als Erste hatte Belle McGraw erklärt, dass es ihr zu heiß war zum Weitermachen. Sie wollte die Schussverbrennung an ihrem Rücken kühlen. Seitdem lehnte sie an der Wand, blass und unruhig.