Perry Rhodan Neo 143: Herr der YATANA - Kai Hirdt - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 143: Herr der YATANA E-Book und Hörbuch

Kai Hirdt

4,0

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Beschreibung

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. In der Folge beginnt für die Erde ein neues Zeitalter – zuletzt allerdings unterbrochen von der Invasion geheimnisvoller Fremdwesen. Ende Juni 2051 beginnt der Wiederaufbau der verwüsteten Erde. In dieser Situation werden Perry Rhodan, Atlan und Tuire Sitareh von einer unbekannten Macht entführt. Vor den Augen ihrer Freunde verschwinden sie im Nichts. Rhodan und Sitareh finden sich getrennt auf fremden Planeten wieder; sie erfahren beide, dass sie das Geisteswesen ES entführt hat. ES beauftragt sie, in der Zwerggalaxis Sagittarius nach METEORA zu suchen. Atlan wird ebenfalls an einen fernen Ort versetzt – an Bord eines Raumschiffes. Dort läuft ein fataler Countdown, an dessen Ende die Zerstörung steht. Helfen kann wohl nur der HERR DER YATANA ...

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Zeit:5 Std. 56 min

Sprecher:Hanno Dinger
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Band 143

Herr der YATANA

Kai Hirdt

Cover

Vorspann

1.

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7.

8.

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10.

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14.

15.

16.

17.

Impressum

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. In der Folge beginnt für die Erde ein neues Zeitalter – zuletzt allerdings unterbrochen von der Invasion geheimnisvoller Fremdwesen.

Ende Juni 2051 beginnt der Wiederaufbau der verwüsteten Erde. In dieser Situation werden Perry Rhodan, Atlan und Tuire Sitareh von einer unbekannten Macht entführt. Vor den Augen ihrer Freunde verschwinden sie im Nichts.

Rhodan und Sitareh finden sich getrennt auf fremden Planeten wieder; sie erfahren beide, dass sie das Geisteswesen ES entführt hat. ES beauftragt sie, in der Zwerggalaxis Sagittarius nach METEORA zu suchen.

Atlan wird ebenfalls an einen fernen Ort versetzt – an Bord eines Raumschiffes. Dort läuft ein fataler Countdown, an dessen Ende die Zerstörung steht. Helfen kann wohl nur der HERR DER YATANA ...

1.

Ich war Schmerz gewohnt. Schmerzen, manchmal Qualen, hatte ich in meinem langen Leben oft aushalten müssen.

Aber das hier war etwas anderes.

Das hier war die Hölle.

Ich wusste nicht, was mich geweckt hatte. Ein Geräusch. Eine Stimme vielleicht? Meine Sinne waren noch nicht so weit, Informationen aus der Außenwelt aufzunehmen. Sie waren viel zu beschäftigt damit, mir mitzuteilen, wie übel es um meinen Körper stand.

Meine Glieder fühlten sich an, als wäre jedes einzelne mit einem dieser irdischen Baseballschläger behandelt worden – mehrfach. Von den Knochenplatten meines Brustkorbs konnten allenfalls feine Splitter übrig sein, von denen einige mit Sicherheit früher oder später in die Lunge eindringen würden. Meine Hände zitterten – nicht nur sie. Nein, mein ganzer Körper zuckte, als stünde er unter Strom. Jede Bewegung ging mir durch Mark und Bein, vervielfachte die Qualen. Ich spürte den Drang, mich zu übergeben; doch instinktiv wusste ich, dass ich die Anstrengung, mich auf die Seite zu drehen, nicht überlebt hätte.

Meine Augen hielt ich fest zusammengepresst. Ein einzelner Lichtstrahl, der meine Netzhaut berührte, hätte meinen Kopf zum Bersten bringen können. Ich wollte nichts sehen. Ich wollte nichts fühlen. Ich wollte nichts hören. Ich wollte nur, dass dieser Schmerz aufhörte.

Erneut eine Stimme. Ein Wort in einer fremden Sprache, leise nur, gedämpft. Es fühlte sich dennoch an, als hätte man neben meinem Kopf einen Gong geschlagen.

Reiß dich zusammen, Narr!

Diese Stimme hörte ich klar und deutlich. Sie drang nicht durch die Gehörgänge zu mir, sondern ertönte direkt in meinem Kopf. Der separate Logiksektor meines Gehirns meldete sich – jenes Segment, das wie ein kleiner Computer Situationen analysieren und Handlungsvorschläge entwickeln konnte. Unbeeinflusst von Emotionen. Oder eben von Schmerz.

Augen auf, Narr!

Die Ratschläge des Logiksektors oder Extrasinns waren normalerweise sinnvoll. Selten allerdings waren sie darauf angelegt, mir ein möglichst angenehmes Leben zu verschaffen. Das Logiksegment meines Gehirns war nicht mit dem somatosensorischen Kortex vernetzt, der unter anderem für die Schmerzempfindung zuständig war. Mit anderen Worten: Selbst wenn man mich auf glühenden Kohlen geröstet hätte, dem Logiksektor hätte das nichts ausgemacht. Er würde mich in harschem Ton schelten, wenn ich Energie aufs Schreien verschwendete, statt etwas Sinnvolles für unsere Flucht zu tun.

Unwillig und aufs Schlimmste vorbereitet, folgte ich der Empfehlung meines Extrasinns. Das Licht ließ meinen Kopf wider Erwarten nicht explodieren. Einige Male schloss ich die Augen wieder, bis ich mich an die Helligkeit gewöhnt hatte. Dann hatte ich mich so weit unter Kontrolle, dass ich mich umsehen konnte. Die äußeren Reize lenkten mich vom Zustand meines Körpers ab.

Ich lag auf einem Boden aus grauem, mattem Metall. Die Wände bestanden aus demselben Material. Das Zimmer, in dem ich mich befand, mochte vier mal fünf Meter messen. Eine Zelle? Dafür wirkte das Ganze zu geräumig.

Neben mir ragte etwas wie ein schlichtes Bett oder eine luxuriöse Pritsche auf. Mit Mühe griff ich den Rand des Betts, zog mich daran auf die Beine, drehte mich und lehnte mich mit den Waden dagegen.

Ich war allein in einer Art Krankenzimmer. Die Einrichtung war mir nicht vertraut – zwei der Geräte wirkten wie ein Medoscanner und eine Analysestation. Ich konnte die Bauart keinem mir bekannten Volk zuordnen, aber die Grundbestandteile solcher Maschinen ähnelten sich bei allen raumfahrenden Spezies, sobald sie ein gewisses technisches Niveau erreicht hatten. Das restliche Inventar erinnerte an Behandlungszimmer, wie sie bis vor wenigen Jahren auf der Erde üblich gewesen waren. Ich sah einen Glasschrank voll mit Flaschen und Tablettendosen.

Daneben ein schmaler, hoher Ständer, an dem ein fertig vorbereiteter Infusionsbeutel hing. Das Gestell ruhte klassisch auf Rollen, war aber erkennbar mit einem Mikrogravitator ausgerüstet. Besonders leistungsstark war er wahrscheinlich nicht, dafür war die Energiezelle zu klein. Das Gerät diente wohl nur dazu, den Tropf beim Transport schweben zu lassen – oder bei einem Schwerkraftausfall dafür zu sorgen, dass die Infusionsflüssigkeit nach wie vor den richtigen Weg nahm, nämlich abwärts durch den Schlauch und in die Venen des Patienten. War das ein Hinweis auf meinen Aufenthaltsort? Hatte es mich auf ein Raumschiff verschlagen? Oder eine Raumstation? Auf einem Planeten wären solche Antigravitationsmechanismen nicht notwendig gewesen.

Mir wurde schwindlig. Anscheinend war ich zu früh aufgestanden. Mein Kreislauf hatte sich noch nicht ausreichend regeneriert. Um nicht wieder zu Boden zu stürzen, ließ ich mich schräg nach hinten auf die Liege fallen.

Die Unterlage war angenehm weich und kühl. Die Temperatur linderte die Schmerzen. Ich spürte, wie meine Muskeln sich entspannten. Die Augen fielen mir zu. Auch mein Geist wollte sich fallen lassen, sich zurückziehen an einen glücklichen Ort, meinen Körper sich selbst überlassen. Eine Erinnerung drängte sich in den Vordergrund meines Bewusstseins: Sinneseindrücke aus einer längst vergangenen Zeit. Während der Jahrtausende, die ich auf der Erde zugebracht hatte, hatte ich meine Schutzkuppel sporadisch verlassen, um aufstrebenden Zivilisationen auf einen viel versprechenden Weg zu verhelfen. Vor rund eintausendfünfhundert Jahren hatte es mich mit einer solchen Aufgabe auf die britischen Inseln verschlagen.

»Erschöpft von Mühen und Kämpfen lag ich abends am Rand eines Waldes, gebettet auf schattigem Moos ...«

Meine Lippen begannen Worte zu formen, mein Körper regenerierte sich und mein Geist weilte in der Vergangenheit. Ich spürte das abendkühle Moosbett unter mir, wenn ich mit den Fingerspitzen über die ähnlich temperierte Matratze strich.

Die Stimme, die mich vor etwa fünf Minuten geweckt hatte, unterbrach mich: »Panchavinshat.«

»Die Sonne stand nur knapp über dem Horizont«, sprach ich weiter. »Ihre Strahlen wärmten nicht mehr, aber blendeten noch. Meine Augen hielt ich zusammengekniffen. Auf einmal schob sich eine weibliche Silhouette zwischen mich und das Leben spendende Gestirn. Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen ...«

Reiß dich zusammen, Narr!

Bei der Ermahnung zuckte ich wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Meine Bauchmuskeln verkrampften, mein Oberkörper ruckte hoch. Sofort war der Schmerz zurück. Ich war wieder in der Gegenwart angekommen.

Träumen kannst du später, rügte mich mein mentaler Begleiter. Finde erst mal heraus, ob du in Gefahr bist!

Stöhnend stand ich vom Krankenbett auf und machte drei unbeholfene Schritte, bis ich mich an einem Schrank abstützen konnte. Der Extrasinn hatte natürlich recht. Ich mochte in hundsmiserabler körperlicher Verfassung sein – dass mein Sprechzwang einsetzte, der oft den Heilungsprozess begleitete und mich Erlebnisse aus meiner Vergangenheit erzählen ließ, war ein untrügliches Indiz. Aber ich sollte besser nicht auf einem Krankenbett liegen und mit glasigen Augen eine Märchenstunde veranstalten, wenn jeden Moment zehn bis an die Zähne bewaffnete Maahks ins Zimmer stürzen und mich abmurksen könnten. Oder ein Fantan mich als Besun verschleppen. Oder was immer das Universum an Unannehmlichkeiten für mich bereithalten mochte.

Diesmal ging ich es langsamer an. Ich wartete, bis das Schwindelgefühl nachließ, dann tastete ich mich vorsichtig weiter in den Raum hinein. Auf einem Tischchen neben dem Infusionsständer lagen einige Tabletten. Daneben stand ein Gefäß mit einer klaren, farblosen Flüssigkeit. Ich roch daran, nahm aber nichts Besonderes wahr – anscheinend war der Inhalt klares Wasser.

Auf einmal merkte ich, wie durstig ich war. Ich spürte einen gewaltigen Drang, das Glas auf einen Zug zu leeren. Mit größter Mühe beherrschte ich mich und träufelte zunächst einige Tropfen auf einen Objektträger an der Analysestation. Ich schob das Plättchen in die dafür vorgesehene Fassung. Noch während ich überlegte, wie ich das Gerät nun wohl anschalten müsste, aktivierte es sich von selbst. Ein holografischer Balken zeigte den Fortschritt an, begleitet von leuchtenden Zeichen in einer mir unbekannten Schrift. Einige Lettern wiederholten sich und wanderten dabei mit dem aktuellen Füllstand des Balkens mit. Ich vermutete, dass sie den Fortschritt in Prozent anzeigten. Sofern die Erbauer auf Basis eines Zehnersystems rechneten.

Zu viele Fragen, zu wenig Gewissheiten. Ich wollte endlich Klarheit darüber, warum ich hier war. Oder für den Anfang wenigstens darüber, wo ich war.

Das Gerät hatte seine Analyse abgeschlossen. Ein längerer Text in der fremden Schrift erschien, mit Ziffern an den Zeilenanfängen. Die erste Zeile zeigte die gleiche Form, wie sie zuvor die Zahl auf dem Balken kurz vor Abschluss gehabt hatte – also wohl eine Entsprechung von neunundneunzigkommanochwas Prozent. Ich berührte die Schrift aus Licht mit dem Zeigefinger, und das Bild änderte sich. Es zeigte nun ein vertrautes Muster: große Kugeln, mit jeweils zwei kleineren Kugeln durch kurze, zueinander gewinkelte Linien verbunden. So stellte man Wassermoleküle dar. Ich war mir nun sicher, dass der Inhalt des Glases fast reines Wasser war.

Ich nahm einen ordentlichen Zug und behielt ihn so lange im Mund, bis meine trockenen Schleimhäute sich wieder einigermaßen mit Flüssigkeit gesättigt hatten. Dann erst schluckte ich.

Ein himmlisches Gefühl. Kaum etwas hilft einem geschundenen Körper so sehr wie klares, kühles Wasser. An ein Risiko glaubte ich nicht. Wenn einer der Inhaltsstoffe, die der Analysator zusätzlich festgestellt hatte, schädlich für den Körper eines Arkoniden war, würde mein Zellaktivator ihn neutralisieren.

Ich nahm eine der weißen Tabletten, die neben dem Glas lagen. Mir das Wasser bereitzustellen, war ein durchaus freundlicher Akt gewesen. Wollte mir hier jemand helfen? War auch die Tablette dazu gedacht, mich wieder auf die Beine zu bringen?

Kurz dachte ich darüber nach, sie einfach zu schlucken. Wäre sie giftig, könnte ich mich wahrscheinlich auch hierin auf den Zellaktivator verlassen, der den Wirkstoff unschädlich gemacht hätte. Aber ich wollte mein Glück nicht überstrapazieren. Mit dem Daumennagel kratzte ich ein wenig an der Oberfläche, bis feiner, weißer Staub auf dem Objektträger lag. Ich gab einige Tropfen Wasser dazu, wartete, bis das Pulver sich gelöst hatte, und begann eine neue Analyse.

Diesmal hatte der Analysator mehr zu tun. Der Balken füllte sich langsamer. Ich behielt die Tür im Auge und überlegte, wie ich hierhergekommen war.

Meine letzte Erinnerung vor dem geschundenen Aufwachen stammte aus einem Konferenzraum auf der LESLY POUNDER im Solsystem. »Nach der erfolgreichen Vertreibung der Sitarakh in letzter Minute besprachen wir die notwendigen Arbeiten für den Wiederaufbau«, wisperte ich.

Wenn du wieder anfängst, zu träumen, meldete sich der Extrasinn lakonisch, übernehme ich die Kontrolle über diesen Körper und verpasse dir einen Kinnhaken.

Ich ignorierte den Einwurf, dachte nun jedoch still nach. Die Memeter – jenes Volk, aus dem später die Liduuri hervorgegangen waren – hatten die Besatzer vertrieben. Auf der Erde war es zu erheblichen Schäden gekommen, die alles übertrafen, was fremde Zivilisationen oder die Menschen selbst jemals angerichtet hatten. So gut wie jede Nation war davon betroffen. Ein Machtkampf zwischen den politischen und militärischen Einrichtungen der Terranischen Union hatte sich abgezeichnet.

Die LESLY POUNDER hatte sich gerade auf den Weg in Richtung der Hauptstadt Terrania gemacht, als Perry Rhodan und Tuire Sitareh auf einmal zu leuchten begonnen hatten. Ihre Körper hatten in hellem Licht gestrahlt und waren dabei immer stärker durchsichtig geworden.

Bei mir selbst war ein ähnliches Phänomen aufgetreten. Ich war zwar nicht transparent geworden, aber ich hatte von innen heraus pulsierend geleuchtet. Oder war es doch derselbe Effekt, und man nahm ihn nur anders wahr, wenn der eigene Körper betroffen war?

Ich wusste es nicht, und ich hatte keine Möglichkeit, es herauszufinden. Ich wusste nur: Etwas war mit mir geschehen. Der ganze Prozess hatte nur wenige Sekunden gedauert, dann verlor ich das Bewusstsein – um hier in der Medostation dieses mutmaßlichen Raumschiffs oder dieser Raumstation wieder zu erwachen.

Was war seitdem geschehen? Wie viel Zeit war verstrichen? Wo befand ich mich? Wie war ich hierhergekommen? Und warum fühlte ich mich, als hätte man mir jeden Knochen gebrochen?

In diesem Krankenzimmer würde ich kaum Antworten finden. Ich würde mich also mit allem, was ich hier finden konnte, in einen einigermaßen einsatzfähigen Zustand versetzen und dann draußen mein Glück versuchen.

Der Analysator war fertig. Erneut erschien eine Ingredienzienliste in fremder Schrift. Im Vergleich zur ersten Untersuchung war eine neue Zeile hinzugekommen – dies musste der Wirkstoff sein, den ich dem Wasser beigemengt hatte. Ich tippte die Wörter an und wartete, bis die entsprechende Molekularstruktur dargestellt wurde. Dieses Mal waren meine Chemiekenntnisse erheblich stärker herausgefordert als bei der Identifikation der Wassermoleküle. Ich sah einen Benzolring, an dem zwei Strukturen aus Kohlen-, Wasser- und Sauerstoffatomen hingen. Ich hatte dieses Molekül schon mindestens einmal gesehen, wusste es jedoch nicht auf Anhieb einzuordnen.

Acetylsalicylsäure, alter Narr, half mit der Extrasinn auf die Sprünge. Ganz schlichtes Aspirin. Du selbst hast den alten Ägyptern gezeigt, wie man dieses herrliche Medikament aus Weidenrinde herauskocht.

Statt mich auf eine mentale Reise in diese Epoche zu begeben und erneut Mahnungen heraufzubeschwören, nahm ich die Fakten als gegeben hin. Jemand hatte mir Wasser hingestellt und ein Schmerzmittel, das zum Glück für Arkoniden die gleiche Wunderwirkung zeigte wie bei Menschen. Ich nahm zwei der Tabletten und leerte gierig das Glas, um sie herunterzuspülen.

Wasser und Aspirin. Jemand meinte es gut mit mir. Oder war das ein Versorgungsstandard irgendwelcher grauhäutiger Außerirdischer für alle ihre Opfer, die sie aus dem Solsystem entführten, um sinistre Experimente an ihnen vorzunehmen? Mein Blick fiel auf den Infusionsständer. Mit etwas Glück könnte ich ein wenig mehr über meine Lage erfahren, bevor ich mich in den Gang hinauswagen musste.

»Vinshat.«

Die Stimme begann, mich nervös zu machen. Ich nahm mir vor, meine Untersuchung des Raums möglichst schnell abzuschließen. Ich kramte in verschiedenen Schubladen und entdeckte noch jede Menge weitere medizinische Ausrüstung. Im vierten Fach wurde ich fündig: Dort lagen Spritzen und Injektionsnadeln. Ich verband einen Kolben und eine möglichst feine Kanüle, pikste in den Infusionsbeutel und saugte einige Tropfen der Flüssigkeit in die Spritze. Auch dieses Präparat gab ich in die Analyse. Ich vermutete, dass es sich um eine schlichte Kochsalzlösung handelte, wie sie eigentlich alle von den Liduuri abstammenden Völker bei dehydrierten Patienten einsetzen, um die Austrocknung des Körpers zu lindern. Wenn die Lösung zudem mit einem medikamentösen Wirkstoff versetzt war, würde die Analyse es zeigen. Im Wesentlichen interessierte mich jedoch ...

Das Ergebnis lag vor. Wasser, Natrium, Chlor – sonst war nichts in der Flüssigkeit enthalten. Interessant war das Verhältnis der Bestandteile. Mein Logiksektor hatte mittlerweile aus den Analyse-Fortschrittsbalken die Bedeutung der Zahlensymbole und ihre Rechenbasis abgeleitet. Ich wusste zwar nicht, wie die Eigner dieses Schiffs ihre Zahlen nannten, aber ich konnte sie nun zumindest lesen. Und ich erkannte, dass die Lösung 9,2 Anteile – Massenanteile, vermutete ich – Kochsalz pro 1000 Anteile Wasser enthielt. Minimal zu viel für Menschen, etwas zu wenig für Aras. Aber genau das richtige Mischverhältnis für einen Arkoniden.

Rasch untersuchte ich Armbeugen und Kniekehlen. Keine Einstiche. Man hatte mir also kein Blut abgenommen, um die richtige Konzentration zu ermitteln. Das hieß: Wer immer die Medikamente vorbereitet hatte, wusste erstens, dass ich Arkonide war, und zweitens, wie man Arkoniden medizinisch behandelt. Ich war kein zufälliges Opfer. Jemand hatte etwas mit mir vor.

Erneut erklang die Computerstimme. »Navadassa.«

Der Abstand zur vorangehenden Durchsage war kürzer als bisher, fiel mir auf. Deutlich kürzer.

Korrekt, bestätigte der Logiksektor. Seit der vorigen Meldung ist fast präzise eine Minute verstrichen. Davor lagen jeweils fünf Minuten zwischen den Durchsagen.

Ich dachte nach. Das erste Wort hatte mich aus der Betäubung gerissen, ich hatte es nicht bewusst gehört.

Henkachat, half der Extrasinn aus, und direkt danach Trinshat.

So lästig es manchmal war, den besserwisserischen Plagegeist im Kopf herumzutragen – zuweilen war er überaus hilfreich.

Kurz nachdem ich mental ins alte Britannien abgedriftet war, hatte die Stimme Panchavinshat gesagt, anschließend Vinshat und nun Navadassa. Konnte man damit etwas anfangen?

Die Ausdrücke klangen vage vertraut. Sie wirkten ...

Indisch, erklärte der Extrasinn. Frühes Sanskrit. Du hast die Sprache gehört, als du vor tausendzweihundert Jahren in Asien unterwegs warst. Die Betonung ist anders, und die Wortstämme sind abgeschliffen. Aber grundsätzlich sind das bis auf Henkachat alles altindische Zahlwörter.

Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Mit dieser kleinen Gedächtnisstütze verstand ich, was hier ablief: Das waren keine beliebigen Zahlen gewesen, sondern die Dreißig, die Fünfundzwanzig und die Zwanzig in jeweils ziemlich genau fünf irdischen Minuten Abstand. Eine Minute später folgte die Neunzehn.

Hier lief ein Countdown, der in achtzehn Minuten und dreißig Sekunden sein Ende erreichen würde. Ich hatte keine Ahnung, auf welches Ziel hingezählt wurde. Aber jahrtausendelange Erfahrung hatte mich gelehrt, mit dem Schlimmsten zu rechnen.

2.

Die Tür hatte sich problemlos vor mir geöffnet. Gut. Ein Gefangener war ich also nicht. Das half mir zwar nicht weiter bei anderen Fragen, beispielsweise, wie ich hierhergekommen war oder was ich an diesem Ort sollte. Aber die offene Tür ebenso wie die genau auf meinen Bedarf ausgerichtete Medikation bestärkten mich in der Vermutung, dass man mir im Grunde wohlwollend gegenüberstand.

Nur: Wer war das man in diesem Satz?

Auf dem Gang vor dem Zimmer war niemand zu sehen. Ich stand in einem breiten Korridor mit schmucklosen, grauen Wänden. In regelmäßigen Abständen gab es Türen in der Wand, die identisch aussahen wie jene, durch die ich soeben herausgetreten war.

»Ashtadassa.«

Ich suchte nach einem Anhaltspunkt für die Orientierung. Aber nichts verriet mir, ob der Gang zu einem Schiff oder einer festen Station gehörte, und nichts gab einen Hinweis darauf, in welcher Richtung ich etwas finden mochte, das mich weiterbrachte. Aufs Geratewohl bog ich nach links und lief los.

Schon nach der ersten Biegung des Korridors wurde mir klar, dass meine unbekannten Gastgeber wohl in Schwierigkeiten steckten. Die schwarzen Verfärbungen an Decke, Boden und Wänden sprachen eine deutliche Sprache: Hier hatte ein Feuergefecht stattgefunden.

Im Laufen versuchte ich, meinen Schutzschirm zu aktivieren. Doch die schimmernde Energieblase baute sich nicht auf. Diese Funktion meines leichten Einsatzanzugs schien den mysteriösen Transfer nicht überlebt zu haben. Entsprechend vorsichtig näherte ich mich der nächsten Ecke. Wer immer hier geschossen hatte, ich wollte ihm nicht direkt vor die Mündung laufen.

Irgendwo musste es doch ein Computerzugangspult geben! So gut wie jede raumfahrende Spezies, die ich kannte, baute auf größeren Schiffen und Stationen solche Infostationen in regelmäßigen Abständen ein, egal ob Arkoniden, Menschen, Liduuri, Mehandor oder sonst wer. Hier musste es auch so etwas geben – das wäre meine Chance, endlich mehr darüber zu erfahren, wo ich war!

Ich schob den Kopf an der Ecke vorbei und blickte in den Korridor. Nichts bewegte sich, aber leer war der Gang auch nicht: Ziemlich genau in der Mitte lag jemand am Boden.

Ich lief zu dem reglosen Körper. Der Mann war tot, das war auf den ersten Blick zu erkennen. Ein Thermostrahl hatte die rechte Brustseite getroffen und Fleisch, Knochen, Muskeln und Lungen verbrannt, bis er hinten wieder ausgetreten war. Der Tote sah aus wie ein Mensch oder ein Liduuri. Vom Äußeren her hätte es auch ein Kolonialarkonide sein können, mit leicht gebräunter Haut und pechschwarzem Haar. Aber an der Brustwunde sah ich klar, dass er separate Rippen hatte, nicht die typisch arkonidischen Knochenplatten.

Der Tote trug eine Uniform: einen dunkelblauen Overall mit schwarzen Schulterstücken und Rangabzeichen darauf. Auf der linken Brusthälfte waren zahlreiche bunte Fähnchen auf den Stoff genäht. Wahrscheinlich Auszeichnungen für erfolgreiche Einsätze oder so etwas.

»Saptadassa.«

Für eine eingehende Untersuchung fehlte mir die Zeit. Alles, was mich im Augenblick interessierte, war der Gürtel des Toten: ein armbreites, goldfarbenes Metallband mit diversen technischen Bedienelementen, einem Funkgerät und anderen Ausrüstungsteilen. Vielleicht konnte mir eine seiner Funktionen nützen, da mein eigener Anzug anscheinend in Mitleidenschaft gezogen worden war. Ich öffnete den Verschluss und zerrte den Gürtel mit einem Ruck unter seinem Besitzer hervor.

Ein unerwarteter Widerstand ließ mich beinahe nach vorn fallen, dann löste sich der Metallstreifen – ich blickte auf einen Handstrahler, der unter dem Toten gelegen hatte. Wie Weihnachten, hätten meine irdischen Freunde wohl gesagt. Die Bauart des Strahlers war mir fremd. Aber ich erkannte, wo die Energiezellen eingelegt werden mussten – und ich sah diverse passende Ersatzmagazine an dem Gürtel, den ich mir nun um die Hüften legte.

Ich probierte einige Tasten und konnte tatsächlich problemlos einen Schutzschirm aufbauen. Ein Testschuss ließ einen Thermostrahl aus der Abstrahlmündung fauchen. Da ich nicht wusste, wie weit das Magazin bereits geleert war, setzte ich sicherheitshalber ein neues ein.

Mit dieser Ausrüstung lief ich weiter. Ich fühlte mich ein wenig sicherer als zuvor.

Weil du den Schirm und die Waffe eines Toten stiehlst, dem beides offensichtlich nichts genützt hat?

Auf den spöttischen Ton hätte ich gut verzichten können, aber inhaltlich hatte der Einwand des Extrasinns Hand und Fuß. Der Energieschirm mochte mich vor Streifschüssen oder einzelnen direkten Treffern bewahren. In einem echten Gefecht war er jedoch keine Überlebensgarantie. Ich musste vorsichtig bleiben.

Zwei Abzweigungen weiter fand ich endlich das Computerpult, nach dem ich gesucht hatte. In einer Gangnische schwebte ein Hologramm, das nach der optischen Ausgabe eines Bordrechners aussah. Es bestand aus Zeichen in derselben Schrift, die mir auch der Medoscanner gezeigt hatte. Mit anderen Worten: Ich hatte keine Ahnung, was der Text bedeutete und wie ich das Gerät hätte bedienen sollen.

Mir wurde schwindlig, und mein Magen rebellierte. Anscheinend hatte ich mir mit dem Spurt bereits zu viel zugemutet, so kurz nach dem Aufwachen. Aber es half nichts. Ich hatte keine Zeit, meiner Schwäche nachzugeben. Nicht solange ich nicht wusste, was es mit dem Countdown auf sich hatte.

Was schon?, meldete sich der Logiksektor. Es wurde gekämpft, und ein Countdown läuft. Geh sicherheitshalber vom übelsten Fall aus: Die unterlegenen Verteidiger wollen unter allen Umständen verhindern, dass ihr Schiff in Feindeshand fällt. Notfalls per Selbstzerstörung.

Das war genau die Sorge, die ich gern verdrängt hätte. Vielleicht wurde auch nur bis zum allabendlichen Schichtwechsel heruntergezählt. Aber mein Leben wollte ich nicht darauf setzen. Die Interpretation des Extrasinns erschien mir leider deutlich wahrscheinlicher.

»Shodassa.« Noch immer kamen die Zahlen exakt im Minutenabstand, und Shodassa hieß sechzehn, wenn ich mich nicht schwer irrte. Ich hatte also noch gut eine Viertelstunde, um herauszufinden, was hier geschah, und es zu beenden. Jedenfalls wenn ich überleben wollte.

»Computer, zeig mir einen Schiffsplan! Wo ist die Mannschaft?« Ich versuchte es auf Arkonidisch, Interkosmo, Terranisch und Liduurisch, soweit meine Sprachkenntnisse es zuließen. Keine Reaktion. Stattdessen begann ich, mit den Händen ins Holo zu greifen. Die Schriftausgabe änderte sich – ich hatte jedoch keine Ahnung, welches Kommando ich ausgelöst hatte und welches Ergebnis mir nun angezeigt wurde.

Frustriert trat ich einen Schritt zurück und massierte meine Schläfen. Zu der Übelkeit hatten sich böse Kopfschmerzen gesellt. Und ich brauchte einen Einfall, wie ich weiterkommen konnte!

Völlig unverhofft kam mir das Glück zur Hilfe. Ohne dass ich ein neues Kommando gegeben oder etwas berührt hätte, veränderte sich das Holo auf einmal vollständig: Statt fremder Schrift sah ich nun einen dreidimensionalen Bauplan aus hellblau leuchtenden Linien. Offenkundig befand ich mich tatsächlich an Bord eines Raumschiffs – einer Walze oder Spindel, aber nicht in der Bauart, wie sie die Mehandor gern verwendeten. Der Rumpf des Schiffs war zylinderförmig und anscheinend völlig glatt. Nur kurz hinter dem Bug gab es eine Ausbuchtung, die komplett um das Schiff herumlief – als habe man den Zylinder durch eine riesige, passende Metallscheibe hindurchgesteckt. Größenangaben fehlten. Ich hatte also keine Ahnung, ob ich mich an Bord eines Kleinschiffs oder eines Raumriesen befand.

Zwei rote Punkte erschienen in der schematischen Darstellung, beide nicht weit unterhalb der Bugscheibe. Ich berührte einen von ihnen. Ein zweites Hologramm baute sich auf. Es zeigte mich selbst beim Berühren des ersten Hologramms – offensichtlich eine Liveübertragung, denn das Hologramm folgte all meinen Bewegungen.

Ich zog meine Hand zurück. Das Zweitholo erlosch. Dieser Punkt markierte anscheinend meinen eigenen Standort. Was hatte es mit dem anderen auf sich?

Ich berührte ihn, und wieder erschien ein Abbild – diesmal jedoch von einem anderen Ort. Der Computer zeigte mir eine Kampfszene: Knapp zwanzig Soldaten in den gleichen Uniformen wie jener, dessen Leiche ich entdeckt hatte, lieferten sich einen Schusswechsel mit fast hundert kupferfarbenen Robotern. Maschinen dieser Art hatte ich noch nie gesehen: Sie bestanden fast nur aus einer kopfgroßen Kugel, die auf einer zweiten, kleineren Kugel aufsaß. Nach unten ragte ein knapp ein Meter langer Metallstab heraus, und aus den Seiten der kleineren Kugel wanden sich zwei metallene, höchst flexible Tentakel. Sie mochten vielleicht zwei Meter messen, doppelt so viel wie der eigentliche Roboterkorpus. Aus ihren Enden schossen schlecht gezielte Energieblitze in Richtung der Soldaten.