Perry Rhodan Neo 92: Auroras Vermächtnis  - Kai Hirdt - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 92: Auroras Vermächtnis E-Book und Hörbuch

Kai Hirdt

4,0

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Beschreibung

Im Juni 2036 stößt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond auf ein havariertes Raumschiff der Arkoniden. Damit verändert er die Weltgeschichte. Die Terranische Union wird gegründet, sie beendet die Spaltung in Nationen. Ferne Welten rücken in greifbare Nähe. Eine Ära des Friedens und Wohlstands scheint bevorzustehen. Doch dann bringt das Große Imperium das irdische Sonnensystem unter seine Kontrolle. Die Erde wird zu einem Protektorat Arkons. Die Terranische Union beugt sich zum Schein den neuen Herrschern, während der Widerstand wächst. Unaufhörlich verschärfen sich die Spannungen zwischen Menschen und Arkoniden - und als ein Arkonide eine junge Amerikanerin ermordet, scheint der Moment gekommen, an dem das Pulverfass Erde explodiert ...

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Zeit:6 Std. 16 min

Sprecher:Axel Gottschick
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Band 92

Auroras Vermächtnis

von Kai Hirdt

Cover

Vorspann

1.

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Impressum

Im Juni 2036 stößt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond auf ein havariertes Raumschiff der Arkoniden. Damit verändert er die Weltgeschichte. Die Terranische Union wird gegründet, sie beendet die Spaltung in Nationen. Ferne Welten rücken in greifbare Nähe. Eine Ära des Friedens und Wohlstands scheint bevorzustehen.

Doch dann bringt das Große Imperium das irdische Sonnensystem unter seine Kontrolle. Die Erde wird zu einem Protektorat Arkons. Die Terranische Union beugt sich zum Schein den neuen Herrschern, während der Widerstand wächst.

Unaufhörlich verschärfen sich die Spannungen zwischen Menschen und Arkoniden – und als ein Arkonide eine junge Amerikanerin ermordet, scheint der Moment gekommen, an dem das Pulverfass Erde explodiert ...

1.

Washington Harlequin Cast, veröffentlicht 10. Januar 2038

Ein schwarzer Bildschirm, Stille. Eine Blaskapelle setzt ein – sie spielt die amerikanische Nationalhymne. Langsam erscheint auf dem Schirm das Stadtwappen von Washington, D. C. Nur eine Kleinigkeit stimmt nicht ... Man sieht es erst auf den zweiten Blick: Der Adler trägt eine Narrenkappe.

Dann bricht die Musik ab, mitten im Stück. Stattdessen erklingt eine Stimme, die Stimme eines jungen Mannes: »Hallo, Leute! Willkommen beim Washington Harlequin!«

Satellitenaufnahme von Washingtons Südwesten.

Von links schlendert jemand ins Bild, groß und schlaksig. Er trägt knallbunte Kleider, eine Narrenkappe und eine weiße Maske aus Plastik. Die Nase ragt weit vor. Der Mund zeigt ein groteskes knallrotes Grinsen.

Der Mann winkt mit beiden Armen. Die Hände stecken in weißen Handschuhen. »Hand aufs Herz!«, ruft er und nimmt Haltung an wie beim Schulgebet oder beim Fahneneid. »Wir sprechen heute darüber, was man in unserer schönen Stadt angucken sollte. Geht ihr mit offenen Augen durchs Leben? Hey, du da!«

Sein Finger sticht Richtung Display wie der von Uncle Sam auf dem berühmten Plakat aus dem letzten Jahrhundert. »Du warst letztes Jahr nicht mal im Museum! Ich hab deine Mutter gefragt!«

Der Harlekin springt nach rechts: aus dem Bild hinaus. Das Satellitenfoto verschwindet. Stattdessen eine gepflegte Grasfläche – Video statt Standbild. Der Wind streicht durchs Gras und die fast kahlen Bäume. Wahrscheinlich die berühmteste Gegend Washingtons: der lang gestreckte, baumumsäumte Park, der sich vom Kapitol zum Lincoln Memorial erstreckt.

Die Stimme von außerhalb des Bildschirms: »Hast du wenigstens mal frische Luft geschnuppert und dir unser Kulturerbe angeschaut?«

Das Kameraauge dreht sich. Das Bild wackelt – dann zeigt es den Harlekin, dahinter die Kuppel des Kapitols. Er winkt. Für das dusselige Grinsen, das Millionen von Touristen alljährlich auf dem gleichen Bild zeigen, sorgt bei ihm die Maske. »Wenn nein: gute Nachrichten! Unsere weisen Stadtväter machen dir das in Zukunft viel einfacher!«

Schnitt. Eine ältere Dame in Winterjacke neben dem Harlekin. Die Kamera zittert, als hinge sie an einer kleinen Drohne. »Das ist ein Witz, oder?«

Schnitt. Ein junger Mann mit langem Haar, Bart und glasigen Augen. »Echt?«, sagte er. »Verrückt ... Ey, ich kenn dich, du bist dieser Harlekin!«

Schnitt. Eine junge Frau mit rot gefrorenen Wangen. »Gibt's nicht. Hat da keiner nachgedacht?«

Schnitt: die Computeranimation einer Narrenkappe. Ihre Glocken klingeln laut, um sie herum poppen Schrifteffekte auf: NEIN! NEIN! NEIN! DAS IST ALLES WAHR!

Schnitt. Eine andere Stelle im Park. Bauarbeiter trotzen dem Januarwind, errichten eine Stahlkonstruktion. Die Kamera dreht sich, zeigt den Harlekin mit bimmelnden Glocken an seiner eigenen Kappe. Schwenk zurück. »Was bauen Sie denn hier?«, kommt seine Stimme von außerhalb des Bildschirms.

Ein junger Mann mit Warnweste, Helm und einem fransigen Schnurrbart blickt in die Kamera. »Das wird 'ne Aussichtsplattform ...«

»Schnauze, Chuck!« Ein anderer Mann drängt sich ins Bild, älter, kleiner. Auch seine Wangen sind rot. Aber die vielen geplatzten Äderchen deuten auf eine andere Ursache hin. »Hauen Sie ab!«, ruft er.

»Oh, ich fürchte, ich bleibe«, sagt der Harlekin. »Freie Meinungsäußerung, Freedom of Information und so. Sie sind hier der Chef? Sagen Sie unseren Zuschauern, was dieses Bauprojekt kostet?«

Der Polier starrt in die Kamera. Ein paar Mal öffnet er den Mund und schließt ihn wieder, dann murmelt er: »Halbe Million.«

»Das haben unsere Zuschauer sicher nicht verstanden. Sagten Sie ›Eine halbe Million Dollar‹?«

Der Mann nickt grimmig.

»Lustig«, sagt der Harlekin, »gar nicht teurer geworden seit der Planung!« Er hält einen Computerausdruck vor die Kamera, ein Dokument mit einer Kalkulation. 479.850 $ steht am Ende. »Aber Sie wissen, dass sich ein paar andere Dinge verändert haben?«

Der Mann bläst die Backen auf. Dann geht er einfach. Die Kamera folgt ihm, zeigt, wie er in einen Pod spricht.

Schnitt. Dunkler Hintergrund. Am oberen Bildrand das Stadtwappen von Washington, D. C. Der Adler trägt eine Narrenkappe. Dramatische Musik. Ein Text wird eingeblendet. Der Harlekin liest vor, salbungsvoll: »Der Stadtrat und der Kongress beschließen die Errichtung einer Aussichtsplattform, die eine direkte Sichtlinie vom Washington Monument bis zum Weißen Haus ermöglicht. Für das Projekt wird ein Budget von 500.000 Dollar bereitgestellt. Washington, 17. März 2036.«

Das »März 2036« vergrößert sich, nimmt den ganzen Bildschirm ein, rückt nach oben wie eine Überschrift.

»März '36. Das war vor Rhodan.« Der Kopf des berühmten Raumfahrers, durchgestrichen im roten Kreis. »Vor den Fantan.« Eines der Tentakelwesen, durchgestrichen. »Vor dem Bürgerkrieg.« Ex-Präsident Drummond, zweimal durchgestrichen. »Und vor den Arkoniden.« Ein stilisiertes Gesicht mit weißen Haaren und roten Augen – durchgestrichen.

»Schön, dass man manche Pläne von früher immer noch durchzieht. Beständigkeit in unserer unruhigen Zeit; ist eine halbe Million wert, oder?« Der Harlekin ist wieder zu sehen, Blick in die Ferne, Hände auf dem Geländer der Aussichtsplattform.

Die Kamera dreht sich, folgt seinem Blick. Sie zeigt den gebrochenen Obelisken des zerstörten Washington Monument und dahinter die Stelle, an der früher das Weiße Haus stand. Jetzt hebt sich dort der gewaltige Trichterbau der Arkoniden. Das Symbol der fremden Besatzungsmacht.

Leises Glockenbimmeln.

Schwarz.

3412 Views in den ersten zwölf Stunden.

898-mal geteilt.

Washington, D. C.

Dienstag, 12. Januar 2038

Simon Freeman führte seinem Kunden den Baytech-72-Zoll-Mediascreen vor – ein schönes Gerät, wenn man es sich leisten konnte. Er selbst würde es nur im Laden sehen.

»Und natürlich sind die Baytechs absolut zukunftsfähig durch die neue Slot-Exchange-Technologie. Hier können Sie veraltete Anschlüsse entnehmen und durch zeitgemäße ersetzen, wenn sich das übliche Format ändert. Sie können diesen Screen also Jahrzehnte benutzen, wenn Sie möchten!«

»Na, in fünf Jahren haben wir ja hoffentlich Holos und keine Screens mehr«, sagte der schwabbelige Weiße in seinem Dreieinhalbtausend-Dollar-Anzug. »Wenn man das bedenkt, ist das Gerät echt zu teuer.«

Simons gut trainiertes Lächeln wackelte keine Sekunde. »Sir, die Holotechnik ist noch überhaupt nicht ausgereift. Niemand weiß, ob sie sich am Markt durchsetzt, und es gibt bislang keine Inhalte für das Format. Ein Mediascreen hat dagegen ...«

Der Kunde wich ein wenig zurück. Die Bewegung war fast unmerklich, doch Simon wusste sofort, dass er verloren hatte. Er verkaufte diese Screens seit vier Jahren und hatte in der Zeit eine Menge über Körpersprache gelernt.

»Danke sehr. Ich überleg mir das noch mal. Vielleicht warte ich doch auf die neue holofähige Generation.« Der Kunde nickte freundlich und ging.

»Tun Sie das, Sir! Wenn Sie sich entscheiden: Wir freuen uns auf Sie!« Simon verdrehte die Augen.

»Du hast heute einen Lauf, was?«, erklang Jeths Stimme hinter ihm.

Er drehte sich um. Sein Kumpel lehnte mit einem Cheeseburger in der Hand am Regal mit den teuren Kopfhörern. Wahrscheinlich war Jeth der einzige Weiße in Washingtons Nordwesten, der zur Arbeit keinen teuren Anzug trug. Sein schmuddeliger Techniker-Overall signalisierte klar, dass dieser Mann im Verkaufsraum nichts verloren hatte.

»Verschwinde in deine Werkstatt, Alter! Burston dreht durch, wenn er dich hier essen sieht ...«

»Burston ist in seinem Büro und vergießt bittere Tränen über deine Verkaufsbilanz. Bist du heute schon was losgeworden?«

»Nein«, antwortete Simon patzig. Als er vor vier Jahren hier angefangen hatte, war der Job noch ein Spaziergang gewesen. Gebrauchte, gut gewartete Mediascreens verkauften sich fast von selbst. Aber seit diese Arkoniden mit ihrer Hologrammtechnik gelandet waren, wollte sich niemand mehr die großen Displays an die Wand hängen.

Eine Gurkenscheibe fiel aus Jeths Burger, klatschte auf einen Karton und versprühte einen kleinen Ring von Senf- und Ketchuptropfen auf der Verpackung.

»Hau ab damit!«, fuhr Simon ihn an. »Ich will keinen Ärger, nur weil du ...«

Jeth kaute weiter. »Reg dich ab, Mann. Bald klingst du echt wie Burston.«

Simons Blick zuckte unwillkürlich hinüber zum Büro ihres Filialleiters. Seit der Umsatz letztes Jahr eingebrochen war, hatte sich ihr Chef vom väterlichen Freund zum cholerischen Tyrannen gewandelt. Aber die Tür war geschlossen.

Er entspannte sich etwas. »Was machst du hier vorn? Hast du nichts zu tun?«

»Ist doch egal, ob die Kisten heut oder morgen wieder laufen. Kauft ja eh keiner.« Jeth steckte die Gurke zurück ins Brötchen. »Ich wollte dir nur sagen, dass der Cast mit dem Aussichtsturm echt klasse ist. Wenn du das endlich mal professionell aufziehst, kommst du groß raus.«

»Ja, klar, und Schweine können fliegen.«

»Nein, wirklich.« Jeth deutete auf ein Vorführgerät. Dort lief ASMBC mit einer dieser Sendungen, in denen erfolgreiche Vidcaster wöchentlich eine Stunde nach Lust und Laune gestalten konnten. »Ich wette, wenn du die Maske weglässt und zeigst, wer du bist, hast du in zwei Monaten deine eigene Show.«

Simon grinste. In den Kommentaren zum Cast fragten sich die Follower regelmäßig, ob der Harlekin unter Maske und Handschuhen weiß, schwarz, hispanisch oder sonst etwas war. Er selbst war ganz glücklich damit, dass man sein Gesicht nicht kannte. »Wenn ich zeige, dass ich ein Schwarzer bin, verliere ich über Nacht hundert Follower. Ich hab ein paar Rednecks dabei, die bei jedem neuen Cast auf die Nigger fluchen, die sich den Quatsch ausgedacht haben müssen ...«

»Dafür gewinnst du zweihundert neue, die nicht so bekloppt sind. Und bis du so weit bist, hab ich schon Ideen, wie wir deinen Cast noch bekannter machen ...«

Simon schüttelte den Kopf. »Jeth, bitte nicht. Ich mache das als Hobby, und ich möchte auf keinen Fall ...«

»... den Rest meines Lebens Mediascreens an reiche weiße Schnösel verkaufen?« Jeth feixte. »Ich sage dir: deine Show bei ASMBC, und du hängst dir diese Dinger in jedes Zimmer, statt sie zu verscheuern.«

»Klar, und dann setzen sie mich wieder raus, weil die Quote nicht stimmt. Dann bin ich meinen Job hier los, und Aurora ihren gleich auch noch.«

Jeth äffte ihn nach. »Aurora, Aurora ... Ich kann's echt nicht mehr hören. Seit vier Jahren machst du nichts aus deinem Talent, weil du das Geld für ihr Studium zusammenkratzt. Deine Schwester ist jetzt raus aus dem College, Mann! Sie ist erwachsen!«

»Du begreifst es echt nicht, oder? Ich mach mich über Verwaltungspatzer lustig, und sie ist jetzt bei der Baudirektion! Wenn die rauskriegen, dass ausgerechnet ihr Bruder der Washington Harlequin ist, ist sie den Job schneller los, als du ...«

Eine raue Stimme unterbrach ihn. »Wird hier auch gearbeitet?«

Verdammt.

Burston hatte es fertiggebracht, sich anzuschleichen. Trotz Altersflecken auf der dunklen Haut, trotz grauer Haare, trotz zittriger Hände – der Mann bewegte sich mit seinen gut sechzig Jahren so lautlos durch den Laden, als wäre er zwanzig und Ninja.

Bevor Simon sich versah, hatte Jeth sich Richtung Werkstatt verzogen. Er selbst ließ die Standpauke über sich ergehen.

Simon verließ den Techstore gegen halb acht abends. Jeth hatte ihn noch in eine Bar und später einen Club mitschleppen wollen. »Alter, ich hab gehört, da kommt Freem Albus – der heißeste Vidproduzent an der Ostküste. Dem musst du deine Sachen zeigen!« Mit Mühe hatte Simon ihm klargemacht, dass er diesen Menschen keineswegs treffen musste. Nicht an einem Montagabend nach einer Neun-Stunden-Schicht und wenn seine Schwester Essen kochte.

Er ging die Straße mit den schmalen, bunten Häusern entlang, vorbei an den vielen Läden. Zwei Blocks voraus sah er schon den Metroeingang vor der Skymall mit ihren Hologrammen über dem Dach. Die Werbung des Einkaufszentrums war weithin sichtbar. Ganz nebenbei hebelte es damit dreist die Höhenbeschränkung für Neubauten aus. Das war ein schönes Thema für das Washington Harlequin gewesen.

Vor dem Metroeingang an der U Street Station stand eine Menschentraube. Die Terra Police machte wieder Personenkontrolle, die dritte in fünf Tagen. Eine halbe Stunde würde das mindestens dauern; das ging nicht. Sein Schwesterchen würde ihm die Hölle heißmachen, wenn sie kochte und er zu spät kam.

Er bog ab und ging die dreizehnte Straße hinunter. Dann würde er an der nächsten Station einsteigen. Aber die Vermont Avenue war gesperrt. Ein Konvoi schob sich die Straße entlang in Richtung des Arkonidenkelchs, der von hier aus gesehen den halben Himmel beherrschte. Es waren Dutzende gepanzerte Fahrzeuge der Terra Police mit einer Eskorte von arkonidischen Gleitern. Wie auf den Bildern neulich in den Nachrichten: Seitdem die Rebellen mehrere Waffenlieferungen an der Westküste gekapert hatten, liefen Materialtransporte mit verschärfter Sicherheit ab.

Er wandte sich an einen der Uniformierten, die mit Strahlern bewaffnet die Straße sicherten. Der Helm des arkonidischen Kampfanzugs spiegelte das Laternenlicht. Simon konnte das Gesicht nicht erkennen. »Wie lange wird das hier dauern, Officer?«

Der Polizist antwortete zunächst nicht und gab ihm ein Handzeichen, dass er verschwinden möge. Aber Simon blieb stehen. Die Terra Police wurde von den Arkoniden als Freund und Helfer verkauft, jetzt konnte der Mann hier mal freundlich helfen.

»Wie lange wird das hier dauern?«, fragte er noch einmal.

Es dauerte zwei Sekunden, dann sah der Mann wohl ein, dass Simon sich nicht in Luft auflösen würde. »Die Straße ist noch eine halbe Stunde dicht«, schnauzte er. »Wenn Sie rübermüssen, nehmen Sie die Metro.«

Simon seufzte und ging zurück zur U Street. Der Umweg hatte ihn zehn Minuten gekostet, und die Personenkontrolle stand ihm weiterhin bevor. Aurora würde schäumen. Verdammte Arkoniden!

Er nahm erst die Green Line, dann stieg er in die Blue Line Richtung Südosten um. Am Eastern Market stieg er aus. Unter dem Glasdach des Ausgangs sah er sich um. Es waren keine verdächtigen Gestalten zu erkennen; die Gangs kamen meist erst später heraus. Straße für Straße arbeitete er sich voran. Um die eine oder andere verdächtige Gestalt machte er einen Bogen. Erst in der Walter Street, fünfzig Meter vor der Haustür, konnte er nicht mehr ausweichen. Ein hünenhafter Schwarzer in dunkler Lederkluft kam ihm direkt entgegen. Doch der Mann zog eilig vorbei und würdigte ihn keines Blickes.

Erleichtert öffnete Simon die Gitterschleuse mit dem altmodischen Sicherheitsschlüssel und sperrte hinter sich zu. An der eigentlichen Gebäudetür identifizierte er sich über die Stimmanalyse und den Netzhautscan. Es summte, und die Tür sprang auf. Die Sicherheitstechnik war auf dem letzten Stand, aber das war auch das Einzige, was der Vermieter in den letzten zwanzig Jahren in das Gebäude investiert hatte. Die Sicherheitskameras auf jedem Stockwerk filmten rund um die Uhr halb abgelöste Tapeten und ein Kommen und Gehen von Kakerlaken.

Der Fahrstuhl hingegen war und blieb kaputt. Simon stapfte die drei Stockwerke zu ihrer Wohnungstür empor und schnupperte. Er roch nichts außer dem Schimmel im Flur. Prompt sank seine Laune. Wenn Aurora vergessen hatte zu kochen, hätte er auch ruhig auf die Party gehen können.

Er schloss den Sicherheitsriegel und das Hauptschloss auf, öffnete die Tür und schaltete das Licht an.

Auf dem Wohnzimmerboden lag Aurora.

Sie war nackt.

Ihre Arme und Beine zuckten wild. Ihre Locken waren verklebt, von Schweiß oder von Erbrochenem. Die Fingernägel kratzten über den Teppichboden.

Sie sah Simon, riss die Augen auf, schrie Unverständliches. Speichel sprühte von ihren Lippen.

2.

Schlachtschiff AGEDEN, Erdorbit

Dienstag, 12. Januar 2038

Chetzkel starrte an die Decke seiner Kabine. Es war finster; das letzte Drittel der Nachtphase hatte begonnen. Er hätte tief und fest schlafen sollen, wie Mia neben ihm. Die katzenhafte Menschenfrau atmete langsam und gleichmäßig.

Er selbst war hellwach.

Sechs Erdtage.

Fast eine Woche war verstrichen, seit die Raumschiffe der Menschen knapp aus seiner Falle entkommen waren. Er korrigierte sich in Gedanken: die Imperiumsraumer, die Menschen und Naats gestohlen hatten.

Sechs Tage ohne jeden Fortschritt. Er wusste immer noch nicht, wo sich die Reste der 247. Grenz-Patrouille versteckten, die man auf diesem Planeten in aufgeblasenem Größenwahn »Terranische Flotte« nannte. In den Trümmern der zwei abgeschossenen Beiboote gab es keinen Hinweis. Von den zwei Überlebenden, die sie daraus geborgen hatten, hatte der erste Selbstmord begangen – der Naat hatte sich den Schädel an der Krankenzimmerwand eingerannt. Und der zweite war nach wie vor nicht vernehmungsfähig.

Chetzkel rollte sich auf die Seite, dann wieder zurück. Er kam nicht zur Ruhe. Licht machen? Arbeiten? Irgendetwas tun, das seine Gedanken von den frustrierenden Rückschlägen ablenkte? Wenn er aufstand, würde er Mia wecken.

Schließlich stemmte er sich aus dem Bett empor. So weit kam es noch, dass ein Reekha der Imperiumsflotte seine Entscheidungen vom Schönheitsschlaf einer Wilden abhängig machte.

»Licht.«

Die Wände begannen schwach zu leuchten und tauchten die Kabine in gleichmäßige, schattenlose Helligkeit. Besprechungstisch, Stühle, Holo-Konsole; daneben die Hygienezelle, in der er seine Schuppenhaut reinigte und gelegentlich die Fangzähne spitzte. Alles war schnörkellos und zweckmäßig, so wie Chetzkel es schätzte.

Das übergroße, weiche Bett allerdings und vor allem die nackte Menschenfrau darauf passten nicht recht zur nüchternen Einrichtung. Aber eine kleine Extravaganz durfte er sich als Oberbefehlshaber der Protektoratsflotte leisten.

Sein Blick verweilte auf Mia, folgte den Kurven ihres Körpers. So wie er in mancherlei Hinsicht einer Schlange ähnelte, glich sie entfernt einer Katze. Wieder einmal bewunderte er die kunstvolle Tätowierung, die fast ihre ganze Haut bedeckte und auf den ersten Blick tatsächlich wie Fell wirkte. Die implantierten Schnurrhaare in dem schönen Gesicht zitterten leicht im Rhythmus ihres Atems. In einer langsamen, eleganten Bewegung streckte sie einen Arm in Richtung Kopfende, den anderen zur Seite und räkelte sich lasziv.

Chetzkel hatte eine Idee, was ihn eine Weile von seinen Sorgen ablenken könnte. Danach würde er wohl auch einschlafen können. Er setzte sich wieder auf das Bett und beugte sich über Mia. Sanft strich er über ihre Wange, über ihren Hals und folgte mit den Fingerspitzen dem feinen Bogen ihres Schlüsselbeins. Sie drehte sich auf den Rücken, hob die Arme und streichelte seine muskulösen Schultern. Dann verschränkte sie die Finger hinter seinem Hals und zog ihn an sich. Aus gelben Katzenaugen sah sie ihn erwartungsvoll an.

»Miau«, hauchte sie. »Schon munter?«

Ein gedämpfter Signalton erklang von der Holo-Konsole. Mit einem Satz war Chetzkel aus dem Bett, stürzte hinüber und sah sich die Nachricht an. Sie kam von Sabur.

Endlich!

Mia setzte sich auf. Sie sah beleidigt aus, aber das war Chetzkel herzlich egal. »Zieh dich an, wenn du mitwillst«, sagte er.

»Und was ist wichtiger als das, was wir gerade vorhatten?«

Chetzkel grinste und entblößte seine spitzen Zähne. »Wir machen einen Krankenbesuch.«

Der gefangene Naat schwebte reglos mitten im Raum. Chetzkel beobachtete ihn durch das Fenster der Quarantänestation. Hinter ihm standen Mia und der Mediker Sabur. Der Arzt hatte einen antibiotischen Kittel, Handschuhe und einen Luftfilterhelm angelegt. Er selbst und Mia brauchten keine solche Ausrüstung. Sie trugen Körperschirme, die nicht nur jeden Angriff von außen abwehrten: Sie töteten auch alle Keime aus ihrer eigenen Atemluft, die den wichtigen Patienten gefährden könnten.

Um die Naats zu versorgen, die sie aus dem zerstörten Beiboot der ITAK'TYLAM geborgen hatten, waren mehrere Wände aus der Krankenstation entfernt worden. Aus acht Quarantänezimmern waren zwei geworden, jeweils groß genug für eines der riesenhaften Wesen. Nach Merkooans Selbstmord waren die Wände in Verduuls Zimmer gepolstert und zusätzlich mit Prallschirmen gepuffert worden.

Der Naat selbst hatte davon nichts mitbekommen. Er schwebte während der gesamten Wiederbelebungs- und Heilungsphase liegend im Raum, ohne Wand- oder Bodenkontakt. Allerlei Feinheiten aus Arkons Werkstätten und Forschungslaboren ließen sein Herz schlagen und heilten die großflächig verbrannte Haut.

Der Energieaufwand für die Antigravationsprojektoren war eigentlich durch nichts zu rechtfertigen. Aber was lief bei der Befriedung dieses Protektorats schon normal? Eigentlich hätte die Erde längst eine Oase des Wohlstands sein müssen, eine ruhige, freundliche Welt mit Massengräbern voller Widerständler. Auf solch einem idyllischen Planeten müsste man sich auch keine Sorgen machen wegen einer Handvoll gestohlener oder fahnenflüchtiger Raumschiffe, die irgendwo lauerten – ausreichend weit entfernt, um sich der Ortung zu entziehen, aber nah genug, um die Stabilisierung des Protektorats zu stören. Und all das nur, weil der Fürsorger ihm untersagte, auf Provokationen der Menschen angemessen zu reagieren.

Auf der Erde waren Chetzkel die Hände gebunden, solange Fürsorger Satrak lebte. Der weigerte sich allerdings hartnäckig zu sterben, egal wie sehr man nachhalf. Aber Satraks Macht war nicht absolut. Verteidigungsfragen fielen in Chetzkels Verantwortung als Reekha; in diesem Bereich konnte der Fürsorger ihn nicht einfach übergehen. Er war wild entschlossen, der lästigen Plage in seinem Rücken schnellstmöglich den Garaus zu machen.

Dazu musste er wissen, wo sich die Menschen und die abtrünnigen Naats versteckten.

Dafür brauchte er Verduul.

»Wie geht es ihm?«

Sabur prüfte vor seiner Antwort den Medoscanner. »Der Naat ist weitgehend geheilt und ansprechbar.«

Der Deserteur hatte ihre Anwesenheit noch nicht bemerkt. Einer von Tausenden Deserteuren, die sich auf Perry Rhodans Seite geschlagen hatten. Abschaum.

»Dann mal los.« Chetzkel nickte Sabur zu. Dieser zögerte einen Augenblick, ehe er ein Steuerholo neben der Tür berührte. Der Naat stürzte zu Boden. Die Akustikfelder übertrugen einen Schmerzensschrei aus dem Inneren des Raums.

Sabur öffnete die Tür. Sie traten hindurch und sahen auf den Verräter hinab, der sich langsam und offensichtlich unter Schmerzen auf alle viere rappelte. Aufgerichtet mochte der Naat gut drei Meter messen. Selbst in seiner jetzigen Haltung blickten seine drei Augen immer noch auf Chetzkel hinab. Er ertappte sich dabei, dass er zurückweichen wollte. Stattdessen machte er einen Schritt nach vorn.

»Verduul von der desertierten ITAK'TYLAM. Weißt du, welche Strafe auf Fahnenflucht und bewaffneten Widerstand gegen das Imperium steht?«

Der Naat sah ihn stumm an.

Was ging in ihm vor? Chetzkel hatte die Gesichter der aggressiven Riesenwesen noch nie gut deuten können. »Ich spreche mit dir, Verräter! Antworte gefälligst!«

Verduul knurrte tief und kehlig. Dann sprach er mit grollender Stimme: »Ich hätte im Feuer sterben sollen.« Er schloss die Augen und beachtete den Reekha nicht weiter.

Chetzkel spürte, wie sein Puls schneller wurde. Er rang um seine Selbstbeherrschung; aber ein Reekha verlor nicht die Kontrolle. Niemals. »Du bist nicht nur ehrlos, sondern auch dumm.«

Der Naat riss die Augen wieder auf. Er neigte sich Chetzkel entgegen, kam bedrohlich nah. Nicht zurückweichen! Dein Schirm ist sicher!

Der Offizier hielt dem feindseligen Blick des Raumsoldaten stand. »So, habe ich deine Aufmerksamkeit. Gut.« Seine gespaltene Zunge stieß kurz zwischen den Fangzähnen hervor und benetzte seine Lippen. »Weißt du, wo du bist und wie du hierherkommst?«

Der Naat schwieg.

»Du bist bei der Explosion der ITAK'TYLAM IV fast verbrannt. Wir haben dich aus den Trümmern des Beiboots geborgen – du verdankst uns dein Leben. Sabur hat dich von den Toten zurückgeholt.«

Verduul fixierte nun den Mediker. »Du hast mich entehrt.«

Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte sich Chetzkel, dass Sabur ebenfalls an seinem Platz blieb. Zu seiner Verblüffung sah er, wie sich in Saburs Augenwinkeln Tränen der Erregung bildeten.

»Was hast du gesagt?«, herrschte der Mediker seinen Patienten an. »Wie sprechen Naats Arkoniden an?«

Verduul zuckte zurück und senkte den Kopf. Jahrzehnte im Dienst auf arkonidischen Schiffen ließen sich nicht so schnell abschütteln. »Sie haben mich entehrt.«

Chetzkel nickte anerkennend. Offensichtlich war Sabur mit einigem Selbstvertrauen aus den Kämpfen auf Dysnomia zurückgekehrt. Er nahm sich vor, den Mediker in Zukunft zu beobachten – vielleicht empfahl er sich für höhere Aufgaben. Dank seiner Hilfe hatte er den Naat von Anfang an in der Defensive.

Nun übernahm er die Gesprächsführung wieder selbst. »Du kennst die Strafe für Verrat.«

»Sie haben mich nicht wiederbelebt, um mich zu töten.«

»Doch, doch, genau das werden wir tun. Du warst schließlich an einem Angriff auf die AGEDEN beteiligt. Selbstverständlich wirst du zum Tode verurteilt.« Er machte eine Kunstpause. Jetzt kam der kritische Augenblick. »Aber vorher kannst du deine Ehre wiederherstellen.«

Er wartete die Wirkung seiner Worte ab. Der Naat sah ihn an. Abwartend? Gespannt? Wenn er nur diese Gesichter besser lesen könnte.

»Sprechen Sie, Reekha.«

Chetzkel rief sich die Zahlen ins Gedächtnis, die er vor dem Gespräch auswendig gelernt hatte. Er wollte hier keine Schwäche zeigen, indem er sich auf Infoholos verließ.

»Als wir dieses System unter den Schutz des Imperiums gestellt haben, sind vier oder fünf Schiffe geflohen. Wir wissen, dass etwa siebentausend Naats an Bord waren und unter den verderblichen Einfluss der Menschen geraten sind.« Chetzkel lächelte. »Natürlich müssen die Besatzungen der ITAK'TYLAM und der KATMAR für den Angriff auf die AGEDEN letzte Woche hingerichtet werden. Aber die Naats auf den nicht beteiligten Schiffen kann ich begnadigen, wenn du dich hier und heute ehrenhaft verhältst und dich in Arkons Schoß zurückbegibst.«

Eine volle Begnadigung hätte selbst ein tumber Soldat wie Verduul ihm nie abgekauft. Aber so ... Glaubte der Naat, er könne sechstausend Artgenossen das Leben retten?

Es war nicht einmal Verrat, was Chetzkel forderte, denn die Besatzungen hatten ohnehin dem Großen Imperium Treue geschworen. Ehrgefühl und Belohnungen. So brachte man Kämpfer auf seine Seite. »Wir finden die Flotte auf jeden Fall, das weißt du. Aber wenn du uns hilfst, überleben die Naats.«

Darüber musste Verduul anscheinend erst einmal nachdenken. Chetzkel machte sich auf eine längere Pause gefasst. Nach einer Weile sagte der Naat gedehnt: »Das Imperium hat die Naats nur benutzt. Die Menschen tun das nicht.«

Chetzkel schüttelte demonstrativ den Kopf und verschränkte die Arme. »Und du meinst, das bleibt immer so? Wenn die Menschen euch nicht mehr brauchen, werden sie euch fallen lassen! So wie sie euch in der Schlacht haben sterben lassen!«

Der Naat überlegte wieder. Er hatte ihn fast so weit, das fühlte Chetzkel. Aber wie konnte er Verduul über die Schwelle helfen?

Mia trat an ihn heran. Vor seinen Augen blitzte es auf, als ihre beiden Schutzschirme sich zu einer einzigen, größeren Energieblase verbanden.

Sie grinste Verduul breit an. »Menschen und Naats, das wird auf Dauer nichts. Menschen und Arkoniden – das ist die Zukunft!« Sie küsste Chetzkel lang und intensiv, rieb sich vor Verduuls Augen an ihm.

Er begriff ihren Einfall. Diese Frau hatte ein großartiges Talent, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Er war beeindruckt. Mia entwickelte sich rasant, seit sie an seiner Seite war. Und das lag nicht nur an den Augmentationen, die er ihr spendiert hatte. Er fragte sich, ob es für das Potenzial dieser Frau überhaupt Grenzen gab.

Eine Grenze zeigte er ihr auf, als ihre Hand nach seinem Schritt tastete. Dazu hatten sie nach dem Verhör Zeit.

»Menschen und Arkoniden«, sagte er mit Mia im Arm. »So wird es weitergehen. Wo bleiben die Naats dann?«

»Bull und Shaneka«, murmelte Verduul.

Chetzkel horchte auf. Den Namen Bull kannte er, Rhodans bester Freund hieß so. Aber wer war Shaneka? Der Name klang arkonidisch ... Egal, er würde es später herausbekommen. Im Moment spielte es ihm in die Karten. Mias Idee funktionierte.

Der Naat hob den Kopf und sah sie an. »Sie haben recht. Menschen und Naats haben wenig gemein. Wir dürfen den Menschen nicht trauen.«

Chetzkel nickte. »Du siehst es ein. Gut. Hilf deinem Volk. Sag uns, wo wir die Menschen finden.«

Verduul überlegte wieder. Er sagte langsam: »Ich darf auch den Arkoniden nicht trauen. Ich hätte im Feuer sterben sollen.«

Er sprang. Er sprang mit einer solchen Wucht, dass sein Kopf die Prallschicht um den Energieschirm durchbrach. Als er den eigentlichen Schutzschirm berührte, schlugen Flammen aus seinem Körper. Sein markerschütternder Schrei ließ Chetzkel zusammenfahren.

Nach einer Sekunde war es vorbei. Von Verduuls Kopf blieb nur graue Asche.

Chetzkel brauchte einen Moment, um zu verstehen, was gerade geschehen war. Nach dem Fiasko mit Merkooan hatte er dafür gesorgt, dass es in diesem Krankenzimmer keine Möglichkeit zu einer Verzweiflungstat gab. Aber dass man seinen eigenen Schirm gegen ihn verwendete, damit hatte er nicht gerechnet.

Seine Fassungslosigkeit wandelte sich in Zorn. Als er begriff, dass niemand anders als er selbst Schuld an diesem Selbstmord trug, wuchs die Wut ins Unermessliche. Ihre einzige Chance, die Verräter zu finden – dahin, durch seinen eigenen Fehler!

3.

Hope, New Earth

Samstag, 9. Januar 2038

Conrad Deringhouse trat aus seinem niedrigen Bungalow. Der Himmel über Hope war an diesem Tag sehr klar. Die Glutzinne im Osten, oft in dichten Wolken verborgen, zeichnete sich scharf vor dem schwarzvioletten Himmel ab. An Tagen wie diesem sah man, wie der Berg an seinen Namen kam: Der ewige Schnee auf dem Gipfel leuchtete strahlend rot.

Deringhouse fröstelte. Das Fehlen der Wolkenschicht brachte es mit sich, dass New Earth das bisschen Wärme der fernen Sonne so gut wie ungehindert ins All zurückstrahlte. Der Morgen war kühler als sonst, wohl knapp über dem Gefrierpunkt.