Perry Rhodan Neo 182: Festung der Allianz - Kai Hirdt - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 182: Festung der Allianz E-Book und Hörbuch

Kai Hirdt

4,0

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Beschreibung

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Damit öffnet er den Weg zu den Sternen – ein Abenteuer, das den Menschen kosmische Wunder offenbart, sie aber immer wieder in höchste Gefahr bringt. Zuletzt musste sogar zeitweilig die gesamte Erde evakuiert werden. Im Jahr 2058 ist die Menschheit mit dem Wiederaufbau ihrer Heimat beschäftigt, während sie immer mehr zu einer Gemeinschaft zusammenfindet. Die Terranische Union, Motor dieser Entwicklung, errichtet bereits Kolonien auf dem Mars und dem Mond. Auf Luna ereignen sich sonderbare Vorfälle. Die Urheber können sich unsichtbar machen und werden deshalb Laurins genannt. Rhodan kann sie vertreiben und setzt ihnen nach, um ihre Absichten zu erkunden. Die Spur führt an einen schrecklichen Ort, den Perry Rhodan aus seiner Vergangenheit kennt – es ist die FESTUNG DER ALLIANZ ...

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Veröffentlichungsjahr: 2018

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Zeit:5 Std. 37 min

Veröffentlichungsjahr: 2018

Sprecher:Axel Gottschick

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Band 182

Festung der Allianz

Kai Hirdt

Cover

Vorspann

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Impressum

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Damit öffnet er den Weg zu den Sternen – ein Abenteuer, das den Menschen kosmische Wunder offenbart, sie aber immer wieder in höchste Gefahr bringt. Zuletzt musste sogar zeitweilig die gesamte Erde evakuiert werden.

Im Jahr 2058 ist die Menschheit mit dem Wiederaufbau ihrer Heimat beschäftigt, während sie immer mehr zu einer Gemeinschaft zusammenfindet. Die Terranische Union, Motor dieser Entwicklung, errichtet bereits Kolonien auf dem Mars und dem Mond.

Auf Luna ereignen sich sonderbare Vorfälle. Die Urheber können sich unsichtbar machen und werden deshalb Laurins genannt. Rhodan kann sie vertreiben und setzt ihnen nach, um ihre Absichten zu erkunden.

Die Spur führt an einen schrecklichen Ort, den Perry Rhodan aus seiner Vergangenheit kennt – es ist die FESTUNG DER ALLIANZ ...

1.

Pranav Ketar wartete.

Der Goldene hatte gelernt, sich Zeit zu nehmen. Früher war er für die Allianz von Erfolg zu Erfolg geeilt, doch die Menschen hatten dem ein Ende gesetzt. Projekt Peaqash war seine Chance gewesen, sich zu rehabilitieren – und war es noch. So hoffte er zumindest, auch nach zwanzig Jahren. Trotz der langen Zeit war Ketar sicher: Wenn es ihm erst gelang, seine Schutzbefohlenen für die Ziele der Allianz zu gewinnen, wären die Rückschläge auf dem Weg bedeutungslos. Der Erfolg von Peaqash wäre ein Triumph für die Ewigkeit.

Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. Die Vorbereitungen waren perfekt: Der runde, kristallene Tisch glänzte und funkelte; ein Prachtstück, des Imperatorenpalasts würdig. Drei platinbeschlagene Sessel mit Hyperkristallintarsien in den Füßen und Handstücken. Köstlichkeiten von neun verschiedenen Welten aus den Weiten des arkonidischen Imperiums. Wein aus dem Arkonsystem selbst – immer schon teuer, aber mittlerweile, in der Krise des Imperiums, eine kaum bezahlbare Delikatesse.

Daneben eine schimmernde Karaffe mit dem Getränk, das seinen Gast möglicherweise sogar noch mehr erfreuen würde: frisches, reines, kühles Wasser.

Ketar setzte sich in einen Platinsessel und aktivierte mit einem lässigen Wink das Überwachungsholo aus Ebene Elf. Seine Gäste waren auf dem Weg. Pathis ging gemessenen Schritts, unauffällig, aber zielstrebig. Ein Muster der Effizienz, wie immer seit seiner Transformation.

Tutmor hingegen bot einen erschreckenden Anblick. Der hünenhafte Arkonide taumelte, benötigte fast die gesamte Gangbreite, um voranzukommen. Die Wotokeskorte hatte sich darauf eingestellt. Die aufrecht gehenden Echsen warteten ab, wenn das Duplikat des ehemaligen arkonidischen Imperators mehr zur Seite fiel, als geradeaus zu gehen. Sie achteten nur darauf, dass Tutmor ihnen nicht zu nahe kam. Sie wollten nicht riskieren, dass das Duplikat ihnen eine Waffe entwendete und damit das Fortschreiten des Projekts gefährdete.

Das hätte Ketar nicht gefallen. Also achteten die Wotok sorgsam darauf, solche Situationen zu verhindern.

Wenn Tutmor stürzte, war es Pathis, der ihm auf die Beine half. Pathis stand an seiner Seite. Das musste Tutmor nur verinnerlichen, und sein Leben würde so viel einfacher werden. Und länger überdies. Unendlich lang.

Pathis hatte den Schritt bereits gemacht, der Tutmor noch bevorstand. Ein wenig beneidete Ketar den ehemaligen Arkoniden, der die Umwandlung zur Maschine vollzogen hatte. Das war eine andere Form der Ewigkeit als jene, die Ketar selbst genoss. Nicht altern, keine Krankheiten leiden: Das war nichts Besonderes für ihn als Goldenen. Aber er lebte, also konnte man ihn töten.

Die Maschine Pathis jedoch verfügte über einen Körper, den man sogar in kleine Stücke teilen und der sich danach trotzdem vollständig regenerieren konnte. Damit vermochte er der Allianz bis ans Ende aller Zeiten zu dienen.

Ketar desaktivierte das Holo. Seine Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück und damit zu dem bevorstehenden Gespräch. Es wurde Zeit, dass Tutmor ein Einsehen zeigte. Die Zähigkeit der großen Männer in Ketars Obhut war beeindruckend, auf Dauer aber auch ermüdend. Trotz aller Geduld.

Ein sanfter Glockenklang informierte Ketar, dass Tutmor und Pathis angekommen waren. Mit einer weiteren Handgeste ließ er die Tür auffahren. Er erhob sich, als die beiden Duplikate eintraten, deren Vorlagen zu ganz unterschiedlichen Zeiten das arkonidische Imperium regiert hatten – und auf ganz unterschiedliche Weise. Tutmor hatte es zu Glanz und Stärke geführt.

Pathis war kurz nach seiner Thronbesteigung verrückt geworden, war abgesetzt und verjagt worden. »Hier sind wir, Wohltäter«, sagte seine Kopie überflüssigerweise.

Ketar ignorierte es. Er trat auf Tutmor zu, ging auf ein Knie nieder und neigte das Haupt. »Imperator. Mein ergebenster Dank, dass Ihr mir die Gnade einer Audienz gewährt.«

Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie die Wotokeskorte hinter den beiden Arkoniden eintrat und unauffällig ihre Wächterpositionen an den Wänden des Raums einnahm, die entsicherten Strahlwaffen griffbereit.

»Erhebe Er sich!«, erklang Tutmors Stimme. Eigentlich ein volltönender Bass, doch der Durst hatte sie spröde werden lassen.

Ketar tat wie geheißen. »Imperator, es ist alles für Euch angerichtet.« Er deutete auf den imposanten Tisch mit der Auswahl erlesener Köstlichkeiten.

Tutmor schaute in die angewiesene Richtung. Seine Augen weiteten sich. Er setzte sich in Bewegung, erst langsam, dann immer schneller, bis er die Kontrolle über seine Gliedmaßen verlor und auf den Boden schlug. Seine Reaktionen waren zu langsam, um sich mit den Armen abzufangen. Als Pathis ihn wieder auf die Beine zog und vorsichtig in einen der Sessel bugsierte, lief Blut aus Tutmors Nase.

Ketar lächelte. Er gesellte sich zu den beiden. Pathis und er ließen sich gleichzeitig auf den freien Plätzen nieder.

Tutmor betrachtete Speis und Trank fassungslos, wie ein Verhungernder und Verdurstender, der unversehens in einen Speisesaal mit reich gedecktem Tisch und voller Kelche köstlichster Getränke geriet. Ein Vergleich, der sehr nah an der Wirklichkeit lag.

Der Imperator streckte eine Hand nach der Karaffe aus. Es gelang ihm beinahe, das Zittern zu unterdrücken.

Was für eine mentale Stärke, dachte Ketar beeindruckt. Zehn Tage ohne Nahrung oder Schlaf, drei Tage ohne einen Schluck Wasser, und noch immer hat er nicht völlig die Kontrolle verloren.

»Imperator.« Ketar beugte sich vor und zog die Karaffe aus Tutmors Reichweite, kurz bevor das Duplikat zugreifen konnte. »Es wird mir eine Freude sein, Euch einen Trunk zu kredenzen, sobald wir Einigkeit zu meinem Anliegen erzielt haben.«

Tutmor wandte langsam den Kopf. Er sah zu dem Gefäß in Ketars Hand, hob dann den Blick und sah ihm in die Augen. Der Hass stand ihm ins Gesicht geschrieben.

»Er gebe mir die Karaffe!«, forderte der Imperator leise, mit raspelnder Stimme.

»Wenn wir Einigkeit erzielt haben.«

»Er gebe ...« Tutmor stemmte sich aus seinem Sessel hoch. »... mir ...« Er machte einen unsicheren Schritt auf den Tisch zu. »... die Karaffe!«

Mit den letzten Worten stürzte er sich auf Pranav Ketar, erreichte ihn jedoch nicht. Die Wotok griffen rechtzeitig ein. Die Echsen hielten ihn auf, packten ihn zu zweit an beiden Armen und zogen ihn von dem Tisch weg. In fünf Schritten Abstand zwangen sie ihn brutal auf die Knie.

Das war der Teil dieses kleinen Rituals, der Ketar stets verwunderte. Er wusste zwar, dass Schlafmangel sich negativ auf die Fähigkeit auswirkte, Sinneseindrücke im Gedächtnis zu verankern. Bei Schlafentzug in einem derart fortgeschrittenen Stadium war es völlig normal, dass Erlebnisse keinen Weg ins Langzeitgedächtnis fanden. Aber diese kleinen Tischgespräche waren mit derart starken körperlichen Reizen verbunden, dass er trotzdem einen kleinen Lerneffekt vermutet hätte.

Ein dritter Wotok war hinter Tutmor getreten und ließ die Peitsche schnalzen. Er schlug zu und knallte das Leder auf den Rücken des Imperators. Tutmor brüllte auf, Heiserkeit hin oder her. Es war der erste von sehr vielen Schreien.

Wieder war es Pathis, der seinem Amtsvorgänger half. Er kühlte dessen Wunden und half ihm zurück in seinen Sitz.

»Imperator?«, fragte Pranav Ketar.

Tutmor antwortete nicht.

»Hört er uns?«, fragte er Pathis. Der weichliche Imperator mit dem runden Gesicht und dem lächerlichen Knebelbart war zwar schon vor vielen Jahren in einen Androiden verwandelt worden. Dennoch war sein Gespür für seine ehemaligen Artgenossen oft besser als das von Ketar.

Ketar selbst lebte zwar: Sein Herz schlug, Blut rann durch seine Adern, er hatte zwei Arme und zwei Beine. Doch in vielen anderen Dingen unterschied er sich von den Arkoniden. Nicht nur wegen seiner Unsterblichkeit. Sein Körper war zudem weitgehend unempfindlich gegen Schmerz, Hunger, Durst, Hitze, Kälte und andere Reize.

Insbesondere aber war er als Goldener darauf gezüchtet worden, seinen Herren effizient zu dienen. Das war der Leitstern seiner Psyche. Es fiel ihm schwer, sich in andere, selbstbestimmtere Wesen hineinzudenken. Folglich war es schwierig einzuschätzen, wie weit man die Duplikate treiben konnte und was der entscheidende Schritt zu viel war.

»Ich denke: ja.« Pathis zwirbelte seinen Knebelbart und musterte Tutmor, der mit leerem Blick auf den Tisch vor ihm starrte und nicht mehr versuchte, nach Essen oder Getränken zu greifen. »Ich würde sogar vermuten, dass er im Moment sehr suggestibel ist. Was Sie ihm jetzt mitteilen, müsste unreflektiert und ungefiltert in die tiefsten Tiefen seines Geistes eindringen.« Er wiegte den Kopf hin und her. »Ich bin mir allerdings nicht sicher, inwiefern uns das noch nützt. Ich wäre sehr überrascht, wenn er die nächsten Stunden überlebt.«

Ketar lehnte sich zurück und betrachtete den zitternden Tutmor mit ebenso skeptischem Blick. »Und wenn. Es wäre das erste Mal, dass es uns gelänge, ein Tutmor-Duplikat zu brechen. Selbst wenn es danach nicht mehr verwendungsfähig ist, wäre das ein Fortschritt.«

Er brummte misslaunig. Die Frage der Verwendungsfähigkeit stellte sich in Wahrheit nicht. Die Arkoniden waren zäher als viele andere Humanoiden, aber ab dem sechsten Tag des Schlafentzugs stellten sich unheilbare Schäden ein. Es brachte nichts, ein Duplikat in einen Androiden zu wandeln, wenn es erst unter dieser wenig subtilen Folter brach. Daraus wäre nichts entstanden als ein von vornherein fehlerhafter Diener der Allianz. Damit ließ sich kein Krieg gewinnen.

Dennoch: Wenn es überhaupt gelang, einen Tutmor zu knacken, war das ein Erfolg. Danach musste man nur noch die Methoden verfeinern, um diesen Effekt früher zu erzielen.

»Tutmor«, sagte Ketar leise und einfühlsam. »Du darfst trinken. Du darfst trinken, essen und schlafen.«

Der Imperator hob den Kopf. In seinen Augen war nicht zu erkennen, ob er Ketars Worte verstand.

»Meine Herren erlauben dir, zu trinken, zu essen und zu schlafen«, wiederholte Ketar. »Du musst nur etwas für sie tun.«

Ein schreckliches Röcheln ertönte, das in ein nicht weniger furchterregendes Räuspern überging. Ein artikuliertes Wort konnte Ketar darin nicht erkennen. Er nahm jedoch an, dass Tutmor »Was?« gefragt hatte.

»Wenn du dein Leben zurückerhalten willst, gehört dein Leben der Allianz«, sagte Ketar. »Dann must du allem abschwören, was dir wichtig ist. Nur, was die Allianz dir sagt, hat Bedeutung. Hast du das verstanden, Tutmor?«

Der Arkonide nickte.

»Und bist du einverstanden?«

Wieder ein Nicken.

Ketar lächelte. »Dann machen wir einen kleinen Test.«

Er schnippte mit den Fingern. Zwei Wotok traten an den Tisch, zogen Tutmor behutsam aus dem Sessel hervor und brachten ihn in den Nebenraum.

Verständnislos starrte Tutmor auf das Hologramm in der Mitte des Raums. Es zeigte das Arkonsystem in seiner ganzen Pracht, mit dem Weltendreieck und der in Wirklichkeit längst zerstörten Elysischen Welt, die der echte Tutmor, das Original, einst in das System hatte schleppen lassen. Das war jener folgenschwere Fehler gewesen, dem Tutmor, das Duplikat, sein fortwährendes Martyrium zu verdanken hatte. Dort hatte man seine Schablone angefertigt und die aller anderen Imperatoren seitdem, die es dank Tatkraft und Witz an die Spitze des Sternenreiches geschafft hatten.

Die besten und agilsten Geister, die Arkon hervorgebracht hatte. Und irgendwann, wenn das Projekt Peaqash erfolgreich abgeschlossen war, würden sie der Allianz dienen.

»Das Arkonsystem«, informierte Ketar sicherheitshalber. Er war sich nicht sicher, wie zerrüttet Tutmors Geist bereits war. »Vor dir ...« Er deutete auf die Stelle. »... siehst du die große Auslösetaste. Sie aktiviert die im Weltendreieck versteckten Sonnenfeuer. Diese Waffen werden alle drei Planeten vernichten, die du zu beherrschen hoffst. Berühre die Taste. Zerstöre Arkon. Die Allianz wünscht es so. Dafür wird sie dir ewiges Leben schenken. Du wirst in ihren Diensten Wunder sehen, die jedes Arkoniden Geist sprengen würden. Nicht aber deinen, wenn du erst mal einer von uns bist.«

Tutmors Hand schwebte über dem Auslöser. Sie zitterte.

»Außerdem«, sagte Ketar lächelnd, »bekommst du dieses Glas Wasser.« Fröhlich präsentierte er Tutmors potenzielle Belohnung.

Aus dem Zittern wurde ein Schütteln, ein ausgeprägter Tremor.

Dann ließ Tutmor die Hand sinken. »Niemals«, krächzte er mit irrem Blick.

2.

Ein weißes Band aus Sternen durchzog das Holo. Dahinter lag nur noch die Schwärze des Leerraums.

Icho Tolot betrachtete das Bild, das die optischen Sensoren der MAGELLAN in den Holodom der Zentrale übertrugen. Alles entsprach genau seinen Erwartungen. Sie waren fünfzig Lichtjahre vom Torransystem entfernt in den Normalraum zurückgefallen. Falls die Sonne Torran mittlerweile explodiert war, würde man den Vorgang an dieser Raumposition erst in knapp einem halben Jahrhundert sehen können.

Vielleicht hielt der Stern aber noch durch, hatte sich noch gar nicht ausgedehnt, seinen einzigen Planeten noch nicht in einem Feuersturm vernichtet. Tolot errechnete eine sechsundneunzigprozentige Wahrscheinlichkeit dafür, dass es sich so verhielt. Es hätte sonst keinen Sinn ergeben, dass die Laurins bei ihrer überstürzten Flucht aus dem Solsystem ausgerechnet diesen Ort angesteuert hatten. Torran-Gar beherbergte eine Forschungsbasis der Allianz. Das war ein lohnendes Ziel. Das Trümmerfeld nach einer systemvernichtenden stellaren Katastrophe eher nicht.

»Vergrößern, bitte!«, sagte er zu Major Mischa Petuchow an der Ortung.

Der Offizier reagierte sofort. Torran rückte ins Bild: eine heiße, weiße Sonne, die ihre Energie größtenteils im ultravioletten Spektrum abstrahlte. Wie damals wurde sie umkreist von Torran-Omm und Torran-Gesch, den beiden Weißen Zwergen, die nach und nach ihre Masse an das Hauptgestirn verloren und die nukleare Reaktion in seinem Innern fütterten. Zwei helle Jetstrahlen führten von den beiden stellaren Begleitern zu Torran hin, so wie die Orbitale der beiden Elektronen eines Helium-Atoms zum Atomkern wiesen. Im Makrokosmos zeigte Torran die Form genau jenes Elementarteilchens, das durch die Verschmelzung von Wasserstoffatomen in ihrem Innern entstand, unzählige Male in jedem Augenblick.

Eine bemerkenswerte Symmetrie, durchaus von einiger Eleganz und Schönheit. Wenig passend für ein System, in dem über lange Zeit so grausame Verbrechen begangen wurden.

Er hatte genug gesehen. Mit einem Ruck drehte der Haluter seinen massigen Körper und stampfte zum Besprechungsraum hinter der Zentrale, wo die anderen bereits auf ihn warteten. Es war nicht typisch für ihn, den Beginn eines solchen Treffens zu versäumen, geschweige denn absichtlich. Aber dies war eine besondere Situation. Er hatte sich den Moment auserbeten, um die ersten Eindrücke allein zu verarbeiten.

»Bitte entschuldigen Sie.« Er nahm in dem Sitz Platz, der für seinen tonnenschweren und überbreiten Körper umgebaut worden war. »Haben Sie bereits begonnen?«

»Nein«, antwortete Perry Rhodan. »Wir wollten warten, bis wir vollzählig sind. Jetzt kann es losgehen.«

Tolot war erstaunt. Neben Rhodan waren Conrad Deringhouse anwesend, der Kommandant der MAGELLAN, zudem Rhodans Freund Reginald Bull, dessen Frau, die Sicherheitschefin Autum Legacy, sowie Eric Leyden als Vertreter der Wissenschaftlichen Abteilung. »Ich hatte vermutet,« sagte Tolot, »dass bei einem so gefährlichen und wichtigen Einsatz Gucky Teil unseres Teams wäre. Gibt es einen Grund, warum wir uns seiner phantastischen Möglichkeiten berauben sollten?«

»Den gibt es in der Tat«, bejahte Rhodan. »Ich habe Angst davor, dass Gucky unvorsichtig wird. Wir wissen sehr wenig über die heutigen Verhältnisse in der Festung. Nach unserem letzten Stand war der Goldene Pranav Ketar Herr über die Forschungsanlage. Ketar hat zuvor im Auftrag der Allianz Ilts gezüchtet, unter unwürdigen Umständen. Ich fürchte, dass unser kleiner Freund wegen dieser Verbrechen gegen sein Volk einen Groll gegen den Goldenen hegt, der ihn zu leichtsinnigen Handlungen veranlassen kann.«

Tolot lachte grollend. »Das ist bei mir nicht anders, Rhodanos, und ich nehme an, bei dir auch nicht.« Wenn er die Chance bekam, Ketar zu töten, ohne die Haluter in der Geiselhaft der Goldenen zu gefährden, würde er jede Vorsicht fahren lassen.

Rhodan schüttelte den Kopf. »Du hast mich missverstanden, Tolotos. Ich traue Gucky genauso viel oder wenig Umsicht zu wie in allen anderen Einsätzen. Aber die Ausgangslage ist speziell. Wir wissen nicht, ob Ketar im Zuge seiner Forschungen nicht irgendwelche Biowaffen entwickelt hat, die er im Notfall gegen Ilts einsetzen kann. Ich traue ihm das unbesehen zu und bin nicht bereit, Guckys Leben fahrlässig aufs Spiel zu setzen.«

Tolot berechnete eine Wahrscheinlichkeit von weniger als elf Prozent für ein solches Szenario. Aber elf Prozent waren immer noch zu viel, da hatte Rhodan recht. »Was wissen wir sonst über unser Ziel?«, fragte er. »Oder wahrscheinlich besser: Was wissen wir alles nicht?«

Deringhouse runzelte die Stirn. »Im Grunde kennen wir nur die astronomischen Daten. Die Sonne ist ein weißer Typ-O-Stern mit den üblichen Trabanten. Torran-Gar ist ihr einziger Planet und hat seinerseits nur einen Mond. So weit, so unspektakulär. Interessant ist lediglich Perrys alter Bericht über die von der Allianz eroberte, unterplanetare Festung der Liduuri und die Folterexperimente, die dort an den Kopien der arkonidischen Imperatoren vorgenommen worden sind.« Taktvoll sah der Kommandant an Tolot vorbei.

»Die Folterexperimente, die ich und andere Haluter dort an den Gefangenen vornehmen mussten«, sprach Tolot die Wahrheit aus. »Es gibt keinen Grund, uns in komplizierten Sprachkonstruktionen zu üben, die den Täter verschleiern.«

»Es ist nicht Ihre Schuld«, warf Eric Leyden ein. »Sie wurden gezwungen.« Es war ein für seine Verhältnisse erstaunlich einfühlsamer Kommentar.

Tolot nickte seinem menschlichen Freund und Forscherkollegen dankbar zu.

Kurz betrachtete er Bull und Legacy, die dem Austausch bisher schweigend gefolgt waren. Die Sicherheitsexpertin würde sich vermutlich erst äußern, wenn ihre taktische Expertise gefragt war. Der Systemadmiral ebenso – oder wenn er sich als Rhodans ältester Freund dazu genötigt sah.

»Wie auch immer«, lenkte Deringhouse das Gespräch wieder auf das Ausgangsthema, »wir haben keine aktuelleren Daten. In zwei Jahrzehnten kann in dem System viel geschehen sein. Es wird ein Sprung ins Ungewisse.«

»Bitte nutzen Sie die Hyperortung«, bat Tolot, »und überprüfen Sie Torran auf Zeichen einer Novabildung.«

Leyden schob sich in seinem Sessel zurück und legte die Stirn in Falten. »Eine Nova? Wie kommen Sie darauf? Warum sollte der Stern ausgerechnet derzeit das Ende seines Lebenszyklus erreichen?«

Tolot antwortete nicht.

Schulterzuckend gab Deringhouse die Anweisung an die Zentrale weiter.

Eine Minute später lagen die Ergebnisse vor. Keine Nova. Nicht einmal das geringste Anzeichen dafür, dass der Stern in näherer Zukunft ausbrennen könnte. Torran hatte noch Jahrmillionen einer weiß strahlenden Zukunft vor sich.

»Das kann nicht sein«, kommentierte Tolot. »Bitte lassen Sie die Ergebnisse überprüfen.«

Deringhouse wirkte irritiert, kam dem Ersuchen aber nach. Diesmal nahm auch Leyden sich die Daten der Ortungsstation vor. »Keine Nova«, war das Fazit des Hyperphysikers und Astronomen. »Auf so ein Feuerwerk werden wir eine Weile warten müssen.«

»Gibt es etwas, was wir wissen sollten, Mister Tolot?«, fragte Deringhouse. »Wissen Sie etwas über dieses System, das uns nicht bekannt ist?«

»Offensichtlich nicht«, erwiderte Tolot. »Vor einer Minute hätte ich diese Frage allerdings anders beantwortet.« Er blickte zu Perry Rhodan.

Der räusperte sich. Alle Köpfe wandten sich ihm zu.

»Wie ihr alle wisst«, sagte der Protektor der Erde, »ist dieses System für Tolotos und mich nicht ganz unbedeutend. Wir beide haben hier ...« Er zog eine Grimasse. »Ihr kennt die alten Berichte. Lassen wir es dabei, dass ich der Folter dort nur knapp entkommen konnte. Über Tolots Schicksal haben wir schon gesprochen. Wir haben Torran-Gar verlassen können, aber ich musste meine Leidensgenossen zurücklassen, und Tolotos, der zu diesem Zeitpunkt der letzte Haluter dort war, konnte nur entkommen, weil sich sein Duplikat für ihn geopfert hat. Wir haben also beide noch eine Schuld hier zu begleichen.«

Es arbeitete in seinem Gesicht. Es fiel ihm offensichtlich schwer, bei den Erinnerungen die Ruhe zu bewahren. »Bis vor drei Jahren konnte ich nichts tun, um diese ...« Er suchte nach dem passenden Wort. »... diese Wunde zu schließen, einfach, weil uns die Position von Torran-Gar nicht bekannt war.«

»Ich allerdings«, ergänzte Tolot, »kannte die galaktische Position dieses Schandflecks. Ich war nur all die Jahre zu feige, um zu handeln. Meine Furcht war, dass die Goldenen mein Volk vernichten würden, wenn sie herausfanden, dass ich geflohen und nicht bei dem vermeintlichen Unfall gestorben war, den ich arrangiert hatte. Erst nachdem Rhodanos und ich uns vor drei Jahren wiederbegegnet sind, hat er mich überzeugt, dass wir etwas unternehmen müssen.«

»Und zwar?« Es waren die ersten beiden Silben, die Reginald Bull sprach.

»Tolot hat vor zwei Jahren eine geheime Erkundungsmission gewagt«, sagte Rhodan. »Das Ergebnis war, dass wir keine Chance hatten, gegen Torran-Gar vorzugehen.«

»Du hast einfach klein beigegeben?«, fragte Bull verblüfft. »Und das soll ich dir glauben?«

»Ganz so einfach war es nicht«, entgegnete Tolot. »Zunächst einmal habe ich festgestellt, dass die Sonne Torran dabei war, sich zur Supernova zu wandeln. In von damals gerechnet frühestens zwei, spätestens zehn Jahren würde sie ihr System zerstört haben. Die Basis der Allianz hätte sich als Problem dadurch mittelfristig von selbst erledigt. Es galt aber, die unschuldigen Opfer zu befreien, die sich noch auf Torran-Gar aufhielten.«

»Und das«, ergänzte Rhodan, »wäre nicht möglich gewesen, ohne dass der Verdacht auf die Menschen fiele. Wir hätten einen Vergeltungsschlag der Allianz heraufbeschworen. Und wenn die Goldenen erfahren hätten, dass Tolotos sich seit Jahren bei uns im Solsystem aufhält, hätten sie seine Heimatwelt gleich mit vernichtet. Deshalb waren uns die Hände gebunden.«

»Ich glaube dir immer noch nicht«, beharrte Bull, »dass du einfach nichts gemacht hast.«

»Natürlich nicht.« Rhodan winkte ab, als müsse er die Vorstellung wie eine lästige Fliege verscheuchen. »Es gibt noch eine dritte Partei, die höchstes Interesse an dieser Welt haben muss.«

»Arkon!« Bull schlug sich vor die Stirn.

Rhodan grinste erkennbar freudlos. »Ganz genau. Es kann Imperatorin Theta nicht recht sein, dass eine feindliche Macht über eine Kopie von ihr verfügt. Und von außerdem etwa neunzig ihrer Thronvorgänger. Also hat sie sich bereit erklärt, sich um das Problem Torran-Gar zu kümmern. Sie wollte die Welt überrennen, bevor die Nova sie zerstört, und die Duplikate befreien.«

Autum Legacy verschränkte die Arme. »Die Duplikate vernichten, meinst du wohl eher.«

Rhodan schüttelte den Kopf. »Ich kenne Theta. Das würde sie nicht tun. Das geballte Wissen von neunzig Imperatoren? Das ist eine Ressource, die sie nie freiwillig aus der Hand geben würde.«

»Neunzig potenzielle Thronprätendenten«, wandte Legacy ein. »Bei ihrem ohnehin nicht besonders stabilen Herrschaftsanspruch. Sie wäre verrückt, sie am Leben zu lassen.«

»Ich kenne Theta!«, wiederholte Rhodan ungewohnt heftig. »Sie ist keine Mörderin!«

Bull legte seiner Frau die Hand auf den Unterarm, damit sie nicht weitersprach. »Schon gut, wir glauben dir. Wie ist die Sache ausgegangen?«

Wieder arbeitete es heftig in Rhodans Gesicht. »Die Nachrichten aus dem arkonidischen Imperium sind selten und spärlich. Theta muss Brände in allen Ecken des Reiches löschen und sich gegen unglaubliche Widerstände durchsetzen. Arkon ist stets nur eine flammende Rede von einem imperiumweiten Bürgerkrieg entfernt.«

»Du weißt es also nicht«, stellte Autum Legacy fest.

»Ich weiß es nicht«, gestand Perry Rhodan. »Sie hat sich für die Informationen bedankt und mir zugesichert, eine Kriegsflotte loszuschicken. Ein paar Monate später ging die Nachricht ein, dass von Torran-Gar keine Gefahr mehr ausgeht. Ich habe zwar nachgefragt, was das konkret bedeutet. Aber bis heute haben wir keine Antwort darauf erhalten.«

»Das heißt«, äußerte Conrad Deringhouse, »möglicherweise fliegen wir in ein arkonidisches Kolonialsystem ein und stoßen auf nichts als Friede, Freude, Eierkuchen?«

»Das bezweifle ich«, sagte Tolot. »Dazu passt nicht, dass die Laurins dieses System angesteuert haben.«

»Sie könnten versuchen, den Arkoniden in die Suppe zu spucken«, meinte Bull.

»Möglich«, gab Icho Tolot zu. »Aber die Arkoniden wissen nicht, wie man den Ausbruch einer Supernova verhindert. Hier agiert eine Macht, die sehr viel mehr Einfluss hat als Menschen, Arkoniden oder meinetwegen auch die Liduuri. Ich gehe davon aus, dass sich das System nach wie vor fest in der Hand der Allianz befindet.«

3.

Pathis klopfte. »Wohltäter?«, erklang seine helle Stimme. »Wohltäter, hören Sie mich?«

Pranav Ketar war zornig über die Störung. Er hatte das Scheitern des letzten Tutmor-Duplikats noch nicht verwunden. Dieses Mal war er so sicher gewesen, den allerersten Imperator aus seinem Fundus kleinzukriegen; doch wieder war Tutmors Stolz und Starrsinn größer gewesen als sein Selbsterhaltungstrieb. Was stimmte nicht mit diesen humanoiden Völkern? Warum mussten sie immer nach Höherem streben, statt einfach ihren Platz in der Ordnung der Dinge zu akzeptieren?

Seufzend gestand Ketar sich ein, dass die Alternative nicht unbedingt besser war. Pathis hatte sich in sein Schicksal gefügt, schon früh nach Beginn des Projekts. Er war auch durchaus nützlich, unbenommen. Aber seine kritiklose, unermüdliche, von allen Rückschlägen unbeeindruckte Diensteifrigkeit war enervierend.

Gereizt hob Ketar die Verriegelung auf. Die Tür fuhr beiseite. Er drehte sich in seinem Sessel, sodass er den Störenfried direkt ansah. »Was ist? Ist der neue Tutmor schon fertig?«

»Nein, Wohltäter. Wir erhalten einen Funkruf, und Sie haben Ihre Kommunikationstechnik abgeschaltet.«

Ketar lachte auf. Niemand funkte Torran-Gar an. Der letzte Kontakt mit der Allianz lag lange zurück; er hatte zu der Zeit stattgefunden, als die arkonidische Kriegsflotte ins System eingedrungen war. »Wer soll uns bitte anfunken? Man hat uns hier vergessen.«

»Es ist ein Rijaal, Wohltäter.«

Ketar fuhr aus seinem Sessel hoch. Ein Rijaal? Jemand aus der obersten Führungsebene der Allianz? »Stell die Verbindung her!«