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Durch den Regierungspalast in Freetown peitschten Schüsse. Schritte trampelten, als die aufständische Soldaten durch die Räume stürmten. Menschen schrien gequält, brüllten Angst und Not hinaus, wurden schwer verwundet und starben. Die Leibwache des Präsidenten wurde niedergekämpft. Es war furchtbar, es gab weder Gnade noch Erbarmen, das Blut floss in Strömen. Schließlich entdeckten die Rebellen Joseph Mubato, den Präsidenten, der sich in seinem feudal eingerichteten Arbeitszimmer versteckt hatte.
Er wurde gestoßen und geschubst und mitleidlos aus dem Palast getrieben. Im Hof des Regierungspalastes wurde er genötigt, in einen Jeep zu steigen. Ein Mann, der neben ihm Platz nahm, bedrohte ihn mit einer Pistole.
»Wohin bringen Sie mich?« Die Stimme Mubatos klang gepresst. Der Präsident sprach englisch. Seine Augen verrieten, wie tief das Entsetzen in ihm steckte. Zum Entsetzen gesellte sich die grenzenlose Verzweiflung.
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Military Action Thriller von Pete Hackett
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author www.Haberl-Peter.de
© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
Durch den Regierungspalast in Freetown peitschten Schüsse. Schritte trampelten, als die aufständische Soldaten durch die Räume stürmten. Menschen schrien gequält, brüllten Angst und Not hinaus, wurden schwer verwundet und starben. Die Leibwache des Präsidenten wurde niedergekämpft. Es war furchtbar, es gab weder Gnade noch Erbarmen, das Blut floss in Strömen. Schließlich entdeckten die Rebellen Joseph Mubato, den Präsidenten, der sich in seinem feudal eingerichteten Arbeitszimmer versteckt hatte.
Er wurde gestoßen und geschubst und mitleidlos aus dem Palast getrieben. Im Hof des Regierungspalastes wurde er genötigt, in einen Jeep zu steigen. Ein Mann, der neben ihm Platz nahm, bedrohte ihn mit einer Pistole.
»Wohin bringen Sie mich?« Die Stimme Mubatos klang gepresst. Der Präsident sprach englisch. Seine Augen verrieten, wie tief das Entsetzen in ihm steckte. Zum Entsetzen gesellte sich die grenzenlose Verzweiflung.
»Schnauze!«
Mubato, der erste frei gewählte Regierungspräsident von Sierra Leone, zuckte zusammen. Es sah ganz so aus, als wäre diese Ära vorbei.
Es war Donnerstag, der 2. September 2004. Mehr als 50 Regierungssoldaten waren bei dem Überfall ums Leben gekommen. Mubato wurden die Augen verbunden. Die Fahrt dauerte stundenlang. Es ging über unausgebaute Straßen und die Insassen des Jeeps wurden durch und durch geschüttelt.
Nach mehreren Stunden war die Fahrt zu Ende. Mubato wurde die Augenbinde abgenommen. Er schaute sich um und registrierte, dass er sich in einem Lager mitten im Dschungel befand. Flache Baracken, ein Wachturm, einige Militärfahrzeuge, Schneidedraht – das war Mubatos erster Eindruck. Er nahm alles in sich auf, verarbeitete es, und die Angst vor dem, was ihn erwartete, stieg wie ein Schrei in ihm auf und würgte ihn mit unsichtbaren Händen.
»Aussteigen!« Der Mann, der neben Mubato im Jeep saß, stieß ihn mit der Pistole an. Mubato kletterte mit weichen Knien aus dem Wagen. Auch der Fahrer, der Beifahrer und der Mann, der ihn in Schach gehalten hatte, stiegen aus. Ein Befehl erschallte und sofort eilte eine Gruppe Männer in Tarnanzügen heran. Mubato wurde brutal gepackt und fortgeschleppt.
Sie zerrten ihn in eine der Hütten und trieben ihn in einen kleinen Raum. Das kleine, quadratische Fenster war vergittert. Eine Pritsche stand an der Wand, ein Latrineneimer in der Ecke. Es roch penetrant nach Chlorkalk. Die Tür wurde hinter Mubato zugeworfen und verriegelt. Es war eine solide Tür aus dicken Bohlen, die mit eisernen Bändern versehen war. Im Flur vor dem Verlies wurden zwei Wachleute mit Gewehren postiert.
Mubato erfasste müde Resignation, denn er spürte, wie sehr er zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her gerissen wurde. Er wollte in den drei Jahren, die er nun regierte, das Land aus der Krise führen, den Bürgerkrieg beenden und in der Welt anerkannt werden. Doch sein Sinnen und Trachten wurde vom ersten Tag an boykottiert, seine Rechnung war nicht aufgegangen. Im Land gab es Strömungen, die den Willen der demokratischen Regierung unterwanderten und ins Gegenteil verkehrten. Das war die bittere Realität.
Mubato duckte sich unwillkürlich unter dem Anprall der Erkenntnis, dass er verloren hatte.
Er stand vor den Trümmern einer Illusion. Hoffnungslosigkeit erfasste ihn und ließ ihn unwillkürlich stöhnen – ein Laut, der sich anhörte wie trockenes Schluchzen.
*
Der Auftrag lautete:
1. Befreien Sie Joseph Mubato und bringen Sie ihn nach Liberia.
2. Töten Sie Ahmad Sankoh, den General, der sich selbst zum Präsidenten ernannt hat.
Obwohl der CIA bekannt gewesen war, dass in Sierra Leone ein Putsch der Militärs bevorstand, hatte sie ihn nicht verhindern können. Jetzt ging es darum, den Schaden zu begrenzen, das Leben des demokratischen Präsidenten zu retten und ihn wieder als Staatsoberhaupt einzusetzen. Die CIA schickte Timothy Manson und Richard Osborne nach Sierra Leone.
Der Codename des Zweimannteams lautete Alpha 1. Ein dritter Mann namens Tejan Saidu, der sich bei den Aufständischen eingeschlichen hatte, arbeitete mit ihnen zusammen. Sein Rufname war Omega 1.
Die beiden CIA-Agents gaben sich als Mitarbeiter der London Times aus. Sie waren mit entsprechenden Papieren ausgestattet. Die neu eingesetzte Regierung gestattete es, dass Manson und Osborne das Lager, in dem Mubato festgehalten wurde, besuchten. Mit einem Hubschrauber wurden sie in den Dschungel geflogen. Sie durften Mubato sehen, aber keine Bilder von ihm machen. Auch ein Interview mit ihm wurde ihnen verwehrt. Ihnen wurde in einem Gespräch mit dem Lagerkommandanten erklärt, dass Mubato zu einer eigenen Sicherheit inhaftiert war, denn es waren Anschläge auf sein Leben zu befürchten.
Das war natürlich eine fadenscheinige Begründung. Joseph Mubato war beliebt gewesen bei der Bevölkerung. Wenn ihm jemand nach dem Leben trachtete, dann die neue Regierung mit Ahmad Sankoh an der Spitze. Nicht umsonst hatte die CIA zwei ihrer zuverlässigsten Agents nach Sierra Leone geschickt.
Die Agents wussten jetzt, wo Mubato festgehalten wurde.
Es ging ihm den Umständen entsprechend gut. Zumindest äußerlich war er unversehrt.
Zurück in Freetown nahmen sie in Mansons Hotelzimmer per Funk Verbindung mit Tejan Saidu auf. »Hier Alpha 1. Wir sind um Mitternacht bei dem Lager im Dschungel. Um Punkt 24 Uhr schalten sie das Stromaggregat ab. Wenn wir eindringen, darf kein einziger Scheinwerfer mehr funktionieren. Omega 1, bestätigen Sie.«
Saidu wiederholte, was Alpha 1 von sich gegeben hatte und endete: »Verstanden, Alpha 1. Over.«
»Over.«
Manson stellte eine Verbindung mit Monrovia, Liberia, her. Er sagte, als sich jemand meldete: »Hier Alpha 1. Operation Mubato läuft an. Wir haben herausgefunden, wo der Präsident festgehalten wird. Die Befreiungsaktion findet in der Nacht um 2400 statt. Unser Mann im Lager weiß Bescheid. Wir brauchen einen Hubschrauber, um den Präsidenten ausfliegen zu können.«
»Geben Sie uns die Koordinaten durch, Alpha 1, damit wir wissen, wohin wir den Helikopter schicken müssen.«
»Haben Sie was zum Schreiben?«
»Ja.«
»Okay.« Manson gab die Koordinaten durch und beendete anschließend die Verbindung.
In der Nacht fuhren die Agents mit einem gemieteten Land Rover los. Sie gaben sich keinen Illusionen hin; es war ein Himmelfahrtskommando. In dem Lager waren an die 100 Rebellensoldaten stationiert und der geringste Fehler konnte ihnen das Leben kosten.
Sie verließen Freetown. Es war 23 Uhr 30, als sie in der Nähe des Lagers ankamen.
Noch eine halbe Stunde...
Osborne, der gefahren war, stellte den Motor ab und schaltete das Licht aus. Die letzten 800 Yards legten sie zu Fuß zurück. In Sichtweite des Camps versteckten sie sich im Busch. Scheinwerfer auf dem Wachturm und an einigen der Baracken lichteten die Finsternis im Camp. Auf dem Wachturm waren zwei bewaffnete Posten zu sehen. Zwei weitere Wachposten gingen Streife am Drahtzaun entlang, der das Camp begrenzte. Ein Generator, der Strom erzeugte, dröhnte.
Jeder der beiden Agents hatte eine Pistole im Schulterholster, außerdem verfügte jeder von ihnen über ein Handy. Die Nummer der Basis in Monrovia war in beiden Mobiltelefonen gespeichert und ein Knopfdruck genügte, um sie anzuwählen.
Zähflüssig verrann die Zeit. Immer wieder schaute Manson ungeduldig, geradezu rastlos auf seine Armbanduhr.
Schließlich war es 24 Uhr.
Schlagartig versank das Dröhnen des Generators in der Stille und die Scheinwerfer erloschen. Stockdunkle Nacht schlug über dem Camp zusammen – dicht, mit den Augen kaum zu durchdringen, geradezu stofflich und greifbar anmutend. Es war wie ein Kommando. Die beiden Agents rannten geduckt aus ihrem Versteck und erreichten den Zaun. Manson zog eine Seitenschneiderzange aus der Jackentasche und begann, den Draht durchzuzwicken. Schließlich entstand eine Lücke im Zaun, durch die die beiden Agents kriechen konnten.
Geschrei war laut geworden und zwischen den Baracken und Schuppen waren schemenhafte Gestalten wahrzunehmen, die scheinbar kopflos kreuz und quer durch das Camp hasteten. Die beiden Agents verloren keine Zeit und erreichten das Gebäude, in dem Mubato eingesperrt war. Ein Wachposten stand vor der Tür. Osborne schlich leise wie eine Katze von der Seite an den Mann heran, seine Rechte umklammerte den Griff eines Messers. Und jetzt drehte sich der Posten sogar noch halb herum und wandte dem Agent den Rücken zu.
Der Wachposten hielt das Gewehr mit beiden Händen schräg vor der Brust. Seine Hände umklammerten Kolbenhals und Schaft der Waffe. Osborne war ausgebildet und wusste, wie er vorzugehen hatte. Mit einem blitzschnellen Schnitt in die rechte Ellenbeuge durchtrennte Osborne die Sehne des Soldaten, so dass er nicht mehr abdrücken konnte. Der linke Arm Osbornes schlang sich gleichzeitig um den Hals des Wachpostens. Im nächsten Moment rammte ihm der Agent das Messer in den Brustkorb. Ein verlöschendes Ächzen brach aus der Kehle des Sterbenden, dann erschlaffte die Gestalt und Osborne ließ sie zu Boden gleiten.
Manson öffnete schon die Tür zu der Baracke. Sie knarrte leise in den Angeln. Die beiden Agents schlüpften ins Innere des Gebäudes. Es war hier finster wie im Schlund der Hölle. Osborne knipste seine Taschenlampe an. Der Lichtkegel huschte durch den Raum und zerrte die beiden Wachleute aus der Dunkelheit. Sie hatten Order, ihren Posten auf keinen Fall zu verlassen – egal, was auch passierte. Sie hielten die Gewehre im Anschlag, doch hatten sie keine Ahnung, wer die Baracke betrat. Sehen konnten sie nichts, denn das Licht der Taschenlampe blendete sie.
Manson schoss zweimal in schneller Folge. Er hatte einen Schalldämpfer auf seine Pistole geschraubt, der die Detonationen verschluckte. Die Soldaten brachen zusammen, ehe sie begriffen, was sich abspielte, bevor ihr Verstand Alarm signalisieren konnte.
Die Tür, vor der die Posten lagen, war mit zwei Riegeln gesichert. Kurz entschlossen schlug Osborne die Riegel zurück. Draußen brüllte eine kippende Stimme irgendwelche Befehle.
Seit dem Eindringen der beiden Agents in die Baracke war keine halbe Minute vergangen. Die Zeit, die ihnen blieb, um Mubato zu befreien, war begrenzt, denn sie hatten keine Ahnung, wann der Generator wieder laufen und Strom erzeugen würde. Sie konnten nur hoffen, dass Omega 1 das Stromaggregat derart beschädigt hatte, dass die Reparatur einige Zeit in Anspruch nahm.
Die Tür schwang auf und der Schein der Taschenlampe umfloss die Gestalt eines Schwarzen mit grauen Haaren. Er saß auf der Kante der Pritsche und schirmte die Augen mit der flachen Hand gegen das Licht ab, das ihn ins Gesicht traf.
»Mubato!«
»Ja. Wer sind Sie?«
»Keine Fragen jetzt. Kommen Sie. Sind Sie in der Lage, zu gehen?«
»Ja.«
»Dann schnell jetzt. Jeder Augenblick ist kostbar.«
Osborne packte Mubato und zerrte ihn zur Tür. Draußen war Geschrei zu hören. Als die Lichter erloschen, war das Lager in Alarmzustand versetzt worden. Im allgemeinen Durcheinander hofften Manson und Osborne, das Lager durch die Lücke im Zaun wieder verlassen zu können.
Sie traten aus der Baracke und sicherten in die Runde.
Da ertönte eine schneidende Stimme: »Stopp! Wir können Sie sehen. Noch einen Schritt, und Sie sind tot.«
Gewehre wurden durchgeladen, und sogleich gingen auch Scheinwerfer an. Osborne und Manson standen im Licht.
Sie waren in eine Falle gegangen.
Manson verlor die Nerven, warf sich herum und spurtete los. Gewehre peitschten und der Agent spürte zwei – drei furchtbare Schläge im Rücken, dann gaben seine Beine nach, er fiel auf die Knie und dann vornüber aufs Gesicht. Im letzten Reflex seines Lebens verkrallten sich seine Finger im Boden.
Schritte trampelten, einige Kommandos wurden laut. Einige Soldaten zerrten Mubato rücksichtslos davon. Der Präsident unternahm nicht einmal den Versuch, sich zu widersetzen. Ein halbes Dutzend Soldaten umringte im selben Moment Osborne, er wurde gepackt, die Pistole, der Dolch und das Handy wurden ihm weggenommen, ein Soldat trat vor ihn hin.
»Schwein!« Der Soldat schlug Osborne die Faust ins Gesicht. Sofort schoss aus Osbornes Nase Blut und seine Augen füllten sich mit Tränen. »Mit wem habt ihr zusammengearbeitet?«
»Was meinst du?«, fragte Osborne.
»Wer hat den Generator ausgeschaltet?«
»Schlagt mich tot«, knurrte Osborne. »Ich sage es euch nicht«
»Sperrt ihn ein!«
Der Agent wurde in die Baracke geschubst und in einen stockdunklen, fensterlosen Raum gestoßen. Die Tür flog krachend hinter ihm zu, Riegel schepperten und knirschten.
Osborne war allein. Es war derart finster in dem Raum, dass er nicht einmal die Hand vor den Augen sehen konnte. Die Luft war muffig. Die Anspannung in dem Agent löste sich. Er war sich seiner Situation bewusst und dieses Bewusstsein ließ ihn erschauern. Er war verloren. Und einen Augenblick beneidete er Tim Manson, der alles hinter sich hatte. Der Tod war wahrscheinlich eine Gnade gegen das, was ihn erwartete.
Plötzlich kam Osborne Tejan Saidu in den Sinn. Ein Hoffnungsschimmer nistete sich in seinen gequälten Verstand ein. Vielleicht konnte Saidu ihm helfen. Eine Hilfe wäre es schon, wenn er die Basis in Monrovia verständigen würde, durchfuhr es Osborne und die Verlorenheit, die von ihm Besitz ergriffen hatte, wich der Zuversicht, dass seine Lage vielleicht doch nicht ganz aussichtslos war.
Er stellte keine Gedanken darüber an, aus welchem Grund ihre Mission fehlgeschlagen war. Über Fakten nachzudenken, die eingetreten und unabänderlich waren, wäre Zeitvergeudung gewesen. Die Zukunft aber sah finster aus - so finster wie die Nacht, die ihn umgab.
*
Fort Conroy, South Carolina, Hauptquartier des Special Task Team Alpha, Büro des STTA-Oberbefehlshabers
Montag, 0810 ETZ