Pferdeinternat Inselglück - Ferienglück im Sattel - Emma Norden - E-Book

Pferdeinternat Inselglück - Ferienglück im Sattel E-Book

Emma Norden

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Beschreibung

Mila kann es kaum erwarten: endlich sind Sommerferien und sie hat jede Menge Zeit für ihr Pferd Adesso. Sogar neue Gäste können sie auf der Insel begrüßen, denn eine kleine Reitergruppe zeltet auf dem Isländerhof von Jans Eltern. Doch plötzlich ist der Gruppenleiter spurlos verschwunden. Kann Mila ihm rechtzeitig helfen, bevor etwas Schlimmes geschieht? Die beliebte Pferdebuch-Reihe für Mädchen ab 10 Jahren mit jeder Menge Ponys, Reitturnieren, Freundschaften und natürlich der ersten Liebe – mit viel Herz und Humor erzählt. Lesespaß für alle Ostwind- und Pferdefans!

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Seitenzahl: 140

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Inhalt

Auf Sendung!

Sehnsuchts-Cupcakes

Lange Sommerweile

Eiszeit

Inselindianer

Feste Pläne

Feuer im Herzen

Frosch oder Prinz?

Spurlos verschwunden

Mit Pferdeohren

Adesso Superheld

Fundkiste

Gemischte Gefühle

Immer merkwürdiger …

Liebesgeschichten

Vorbereitungen

Es geht los …

Böse Überraschung

Am Boden

Abschied mit Schmerzen

Brot, Spiele, Pferde und Liebe?

Auf Sendung!

Mila drückte auf den roten Aufnahmeknopf. Auf dem Display ihres Fotoapparats erschienen eine breit grinsende Tini und Renate, das Mini-Appaloosa-Pony. Tini hatte an die Hinterseite ihrer Jacke zwei Krawatten genäht, die ihr nun in die Kniekehlen baumelten. Mila vermutete, dass das Kleidungsstück, so wie es jetzt aussah, einen Frack darstellen sollte, wie ihn beispielsweise Zirkusdirektoren trugen. Diese Vermutung wurde durch die Gerte in Tinis linker Hand und die Verkleidung von Renate noch unterstrichen. Die hatte nämlich einen bunten Indianerfederschmuck auf dem Kopf und einen Hula-Hoop-Reifen um den Bauch, an dem mehrere Fetzen roter Tüll befestigt waren.

Nicht dazu passte allerdings die Zahnpastatube, die Tini nun begeistert in die Kamera hielt. Dabei verkündete sie mit gebleckten Zähnen: „Nicht vergessen: ‚Putziweiß – zweimal täglich, zwei Minuten. Da schaut Ihnen jeder Gaul gern ins Maul.‘“

Mila wunderte sich ein wenig, beschloss aber, einfach weiterzufilmen.

Tini hörte auf, die Zähne zu fletschen, und quetschte die Zahnpastatube in die Hosentasche ihrer Reithose. Dann stellte sie sich breitbeinig hin und verkündete in die Kamera: „Hallo, ich bin Tini und das“, sie deutete auf Renate, „ist Renate, das allerbeste, allerliebste und allerschlaueste Pony auf der ganzen Welt.“ Renate wandte sich mäßig interessiert ab und schnüffelte an dem Reifen, der sich mittlerweile zwischen ihren Vorderbeinen verheddert hatte. Doch Tini strahlte sie verliebt an und fuhr fort: „Meine lieben Zuschauer, herzlich willkommen bei Renate ist die Größte! In meinem neuen Videokanal möchte ich euch heute eine absolut einmalige Sensation zeigen!“

Tini riss die Augen auf und die Arme nach oben.

Renate schnupperte immer noch am Hula-Hoop-Reifen herum.

„Ein Pony, das durch einen brennenden Reifen springt! Tadaaa!“

Mit diesen Worten befreite sie Renate von dem Reifen und hielt ihn ihr vor die Nase. Renate machte nicht die geringsten Anstalten, das Ding vor ihr auch nur irgendwie zu beachten – geschweige denn hindurchzuspringen. Sie stand einfach da und sah Tini an.

Verlegen lächelte Tini in die Kamera. „Manchmal brauchen auch begabte Pferde eine kleine Extra-Motivation“, erklärte sie. Dann holte sie aus der zahnpastatubenfreien Hosentasche eine kleine, schrumpelige Möhre heraus und hielt sie Renate hin. „Na komm, spring!“, forderte sie das kleine, gescheckte Pony auf.

Doch Renate schüttelte den Kopf und schnaubte. Sie schenkte der Möhre keinerlei Beachtung und trottete stattdessen zu Mila.

„Ich glaube, ich habe sie zu sehr verwöhnt“, meinte Tini empört. „Du kannst die Kamera ausschalten. Das war ja wohl voll die Pleite!“

Mila strich sich eine braune Strähne aus dem Gesicht, drückte abermals auf den roten Knopf und ließ die Kamera sinken. Tini sah so bedröppelt drein, dass Mila sie am liebsten sofort in die Arme genommen und geknuddelt hätte.

„Ist doch nicht so schlimm“, versuchte Mila ihre kleine Cousine zu trösten. „Filme mit Tieren sind schwierig. Da braucht man immer ein paar Versuche, bis es klappt!“

Tini zog die Oberlippe kraus. „Ja, logo, aber doch nicht mit Renate. Ich habe ihr vorher alles erklärt. Und sie hat es auch verstanden, das habe ich ganz deutlich gemerkt.“

Mila strich Tini über die langen blonden Haare. „Na komm. Wir probieren es später noch einmal.“

„Aber ich wollte den Film doch heute in dieses Netz stellen. Damit alle es sehen können. Mama hat gesagt, wir können einen Block auf einem Pokal aufmachen.“

Mila stutzte. Einen Block auf einem Pokal aufmachen?

„Meinst du vielleicht, dass du einen Blog auf einem Portal aufmachen willst?“, fragte Mila. „Einen Internetblog?“

„Hab ich das nicht gesagt?“ Tini hob verwundert die Augenbrauen. „Ich will ein Tuben-Star werden und ganz viel Geld verdienen, damit Mama nie mehr arbeiten muss.“

Mila kicherte. Ein Tuben-Star? Das wurde ja immer besser … Nun ergab auch der Werbeslogan mit der Zahnpastatube plötzlich Sinn. Tini hatte da etwas missverstanden. Das war einfach zu witzig. „Dann wünsche ich dir auf jeden Fall viel Glück und dass viele Leute in diesem Netz deinen Film ansehen!“, sagte Mila schnell und drehte ihr Gesicht weg, damit Tini nicht sah, wie sehr sie lachen musste.

Tini nickte. „Bestimmt. Jeder, der Renate sieht, liebt sie. Das ist einfach so“, stellte sie fest. Sie ging zu Renate hinüber, die sich zur Abkühlung im noch feuchten Gras wälzte, und vergrub ihre Nase in Renates weicher Mähne.

Mila sah ihre kleine Cousine und ihr Mini-Pony gerührt an. Dass Renate auf ihre alten Tage mit so viel Liebe überschüttet werden würde, hätte noch vor einem halben Jahr niemand geahnt. Sicher: Auch Mila liebte das kleine Pony, auf dem sie ihre ersten Reitversuche unternommen hatte, sehr. Aber seit sie Adesso von ihrem Vater geschenkt bekommen hatte, musste sie ihre Aufmerksamkeit auf zwei Pferde aufteilen.

Mila ließ ihre Gedanken zu Aurelie und ihrem Reitstall wandern, auf dem sie bis vor Kurzem den größten Teil ihrer Freizeit verbracht hatte, und ein behagliches, warmes Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus. In ihrer Vorstellung war alles zum Greifen nah: der Duft des Stalls, Aurelies braune, lustige Locken, die sie meist zu einem lockeren Knoten aufsteckte, und die gemütliche Reiterstube, in der sie nach dem gemeinsamen Reiten immer eine Tasse Rotbuschtee getrunken hatten.

Gleichzeitig war dieses Leben mittlerweile auch in weite Ferne gerückt. Milas Eltern waren Ärzte und vor einem guten halben Jahr hatten sie sich entschlossen, für eine längere Zeit nach Kenia zu gehen. Und sie hatten außerdem beschlossen, Mila im Pferdeinternat Inselglück auf der Insel Marum unterzubringen, solange sie beruflich unterwegs waren. Zunächst war Mila mit dieser Idee alles andere als einverstanden gewesen. Sie hatte nicht auf ein Internat gehen wollen. Schon gar nicht auf eines, bei dem das Turnierreiten so im Mittelpunkt stand wie auf Inselglück. Schließlich sollte Reiten Spaß machen und keinen Stress erzeugen. Doch trotz aller anfänglichen Bedenken war das Internat mittlerweile zu Milas zweitem Zuhause geworden. Nicht zuletzt dank ihrer Tante Caro, die im Internat Mathe unterrichtete und mit ihrer Tochter Tini auch dort lebte. Außerdem hatte Mila auf der Insel echte Freunde gefunden, unter anderem ihre allerbeste Freundin Charly.

Und wenn Mila ehrlich war, konnte sie sich das Leben gar nicht mehr so recht ohne Marum, seine langen Strände, den unverwechselbaren Wind und seine freundlichen Bewohner vorstellen. Vor allem nicht ohne einen bestimmten Bewohner: Jan, den Sohn des Islandpferdehofs, der in ihre Klasse ging. Seit ein paar Wochen waren sie sogar ein Paar. Sie lächelte, als sie an seine blonden Wuschelhaare und seine Sommersprossen dachte.

Vor drei Tagen hatten die Sommerferien begonnen und die meisten von Milas Mitschülern waren zu ihren Eltern nach Hause gefahren. Mila war froh, dass Charly eine Sondergenehmigung erhalten hatte, hierzubleiben. Zu Hause war Charly nämlich eine waschechte Prinzessin. Aber der Rummel nervte sie und sie hatte überhaupt keine Lust, mit ihren Eltern auf den Sommerlandsitz der Familie zu Löwenstein-Gabelsberg zu fahren und Charlotte Arlene (so hieß Charly mit vollem Namen) zu sein. Viel lieber wollte sie Charly genannt werden und auf ihrer Stute Vanilla reiten. Mila konnte das sehr gut verstehen.

Außer Charly, Tante Caro und Tini war nur die Köchin Frau Käthe im Internat geblieben. Und natürlich Herr Gründgen, der Stallmeister, und sein Sohn Michel.

Michel kam gerade mit einer Schubkarre zum Pferdeäpfelaufsammeln auf die Koppel gefahren. Er stellte die Karre ab und wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn. Dann schlenderte er zu ihnen herüber.

„Heute ist es einfach für alles zu heiß“, stellte er müde fest. „Und ganz besonders zum Arbeiten. Was treibt ihr so?“

„Och, nichts Besonderes“, antwortete Mila, schnappte sich die Mistschaufel und fing ganz selbstverständlich an, den Pferdemist auszuheben. „Wir versuchen, reich und berühmt zu werden.“

Michel grinste. „Bin nicht sicher, ob das mit Pferdeäpfeln klappt.“

Mila grinste zurück. „Kennst du etwa nicht die berühmte Pferdeapfel-Theorie? Es bringt Glück, wenn man sie aufsammelt. Je mehr, desto besser.“

„Dann habe ich wohl für den Rest meines Lebens das Glück gepachtet“, meinte Michel und machte eine Siegerfaust. „Yippie!“

Nun kam auch wieder Leben in Tini und sie schaute aus der mittlerweile ziemlich verstrubbelten Mähne von Renate zu ihnen hoch.

„Das hättest du mir mal früher sagen sollen“, schmollte sie. „Deswegen ist sie also nicht gesprungen – wir hätten Pferdeäpfel gebraucht.“

Verwirrt blickte Michel abwechselnd von Mila zu Tini. „Ich bitte um Aufklärung. Ich kapiere gar nichts.“

Mila seufzte und reichte Tini die Schaufel. „Hier! Gib dein Bestes! Und dann sehen wir mal, ob Renate durch den Reifen geradewegs ins Internet springt.“

Sehnsuchts-Cupcakes

Mila bürstete Adessos Rücken. Hatte sein Fell schon immer so geglänzt? Es kam ihr fast so vor, als könnte man sich darin spiegeln. Das war ein wirklich gutes Zeichen. Adesso fühlte sich hier auf Inselglück mehr als wohl und das Springtraining schien ihm auch nichts auszumachen. Er sah einfach toll aus und er war besser in Form als jemals zuvor. Sie lehnte ihren Kopf an Adessos Kruppe und sog den warmen, erdigen Duft ein. Um nichts auf der ganzen Welt würde sie diese Momente aufgeben wollen. Adesso wandte den Kopf zu ihr nach hinten und schnaubte.

„Ich mach ja schon weiter mit der Extra-Massage“, sagte Mila lachend. „Gefällt dir die neue Bürste? Und das Öl, das ich dir gekauft habe?“

Adesso schnaubte noch einmal.

Mila sprühte aus der Pumpflasche ein wenig Öl auf Adessos Hals und begann, die Muskeln mit der Hand behutsam zu lockern.

„Schade, dass du mich nicht auch massieren kannst, mein Schöner“, sagte Mila. „Meine Schultern könnten ebenfalls ein wenig Entspannung gebrauchen.“

Michel sah über die Boxentür. „Stehe dir jederzeit zur Verfügung!“, sagte er. „Ich bin Profi. Ich krieg alle Muskeln weich.“

Mila wurde rot und begann zu schwitzen. Mist. Alles, nur das nicht … Michel hatte also gehört, was sie eben zu Adesso gesagt hatte. Er wusste doch, dass er für sie nur ein Freund war. Ein guter Freund. Musste er sie immer so in Verlegenheit bringen? Obwohl … wer sagte denn, dass das Massage-Angebot nicht rein freundschaftlich gewesen war?

„Äh … ja … danke. Später vielleicht“, stammelte sie und verkroch sich mitsamt Sprühflasche und Bürste unter Adessos Bauch, damit Michel nicht sah, wie unangenehm ihr die Situation war.

Oh Mann, war das alles kompliziert. Michel hatte es zwar nie so richtig ausgesprochen, aber es war klar, dass er Mila mehr als nur nett fand. Von Anfang an. Und auch Mila mochte den ein Jahr älteren Michel sehr. Er blieb stets ruhig und überlegt und sie fühlte sich in seiner Gesellschaft pudelwohl. Richtig geborgen. Und sicher. Aber es waren eben eher Bruder-Schwester-Gefühle, die sie für ihn hatte. Nicht diese verliebten Schmetterlingsgefühle, die sie empfand, wenn sie an Jan dachte. Doof, dass der ausgerechnet die ersten zwei Wochen der Ferien bei seiner Oma in England war. Sie vermisste ihn. Die Sehnsucht hatte schon ein richtiges Loch in ihr Herz gebissen.

Michel hatte offensichtlich von dem Gefühlschaos in ihrem Inneren gar nichts mitbekommen, denn er schlug unbekümmert vor: „Habt ihr, du und Charly, nachher Lust auf einen kleinen Ausritt zu den Dünen? Ich muss Pferdinand noch ein wenig bewegen …“

Mila nickte. Michel kümmerte sich wirklich spitzenmäßig um das Schulpferd, das er in Pflege hatte.

„Klar, gerne“, antwortete sie erleichtert. „Ich bin in zehn Minuten mit Charly bei Frau Käthe verabredet. Dann frage ich sie.“

„Frau Käthe, Sie sind einfach die Beste, wissen Sie das?“ Mila nahm sich einen riesigen Cupcake vom Tablett, das die Köchin ihr hinhielt.

„Klar weiß ich das.“ Frau Käthe lachte. „Ohne mich würdet ihr hier alle verhungern.“

Mila nickte und biss ein Riesenstück aus dem rosafarbenen Cupcake. Dabei rutschte die aufwendige Verzierung aus Sahnehaube und dunkelroter Kirsche herunter.

„Vorsicht. Notfall-Mundraub!“, rief Charly, duckte sich unter Milas Hand hindurch und ließ die Sahne mitsamt der Kirsche in ihren geöffneten Mund fallen.

„Oh, hoppla. Danke“, sagte Mila. „Ohne deinen vollen Körpereinsatz wär das eine ganz schöne Sauerei geworden.“

„Gern geschehen“, mampfte Charly mit vollen Backen und nahm sich selbst eines der duftenden Törtchen.

„Womit haben wir denn dieses Verwöhn-Gebäck eigentlich verdient?“, fragte Mila, die plötzlich misstrauisch geworden war. Vielleicht erwartete Frau Käthe nun zehn Stunden Küchenmithilfe als Dank dafür?

Die rundliche Köchin rückte ihre Kochhaube zurecht und guckte Mila und Charly mitleidig an. „Ihr Schätzchen tut mir einfach so schrecklich leid!“ Dann ging sie auf die Mädchen zu und drückte sie so fest an sich, dass Mila der Atem wegblieb. Charly, die gerade wieder vom Cupcake abgebissen hatte, begann zu husten. „Ohne Mama und Papa, ganz allein hier auf der Insel. Das ist wirklich kaum zu ertragen. Ihr armen, armen Küken“, schniefte Frau Käthe.

„Aber …“ Charly wollte etwas einwenden, aber Frau Käthe drückte sie nur noch fester an ihre Brust und machte damit jedes weitere Wort unmöglich.

„Und dann ist Jan auch noch in England …“, schluchzte Frau Käthe weiter. Sie lockerte ihre Umarmung und die beiden Mädchen glitten an der Schürze der Köchin nach unten, bis sie wieder fest auf ihren eigenen Beinen standen.

Charly und Mila sahen einander an und mussten kichern.

„… und da dachte ich, ich back euch mal so richtig schöne Cupcakes. Was für Leib und Seele, ihr wisst schon.“

„Alles halb so wild, Frau Käthe“, meinte Charly, als sie ihren Cupcake fast vollständig vertilgt hatte. „Es geht uns eigentlich ganz gut. Und wir sind ja freiwillig in den Sommerferien hier im Internat geblieben.“

Mila rollte mit den Augen und bedeutete Charly, leise zu sein. Dann verzog sie ihre Mundwinkel nach unten und flüsterte: „Charly, du musst hier nicht die Starke spielen. Es stimmt. Es geht uns überhaupt nicht gut und es ist gerade nicht leicht für uns. Wir fühlen uns schrecklich allein.“ Mila tat so, als müsste sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischen.

Charly sah Mila verständnislos an.

„Ich wusste es!“ Frau Käthe griff sich einen Teller und schichtete in Windeseile alle Törtchen darauf. „Hier, nehmt sie alle mit. Das ist wenigstens ein kleiner Trost.“

Mila nickte mit ernstem Gesicht. „Ich danke Ihnen. Sie haben unser Elend damit wirklich versüßt.“

Charly packte mit an und gemeinsam trugen sie den Kuchenberg aus der Küche.

„Sag mal, das stimmt doch gar nicht“, sagte Charly empört. „Uns geht es doch prima. Oder habe ich irgendwas verpasst?“

Mila grinste. „Nee, hast du nicht. Aber diese kleine Notlüge hat uns genug Proviant für unseren Strandausritt eingebracht.“

Lange Sommerweile

Mila ließ sich auf Charlys Bett plumpsen. „Ich habe das Gefühl, die Cupcakes sind in meinem Bauch noch einmal aufgegangen“, stöhnte sie. „Ich platze.“

„Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber du hast sechs Stück verdrückt! Da muss nichts mehr aufgehen, das ist einfach zu viel“, stellte Charly nüchtern fest.

Mila rollte sich schwerfällig herum und stützte ihren Kopf auf die Hand. „Okay, hast ja recht. Aber ich habe nicht so viel gegessen wie Renate. Hast du gesehen, wie Tini sie mit den selbst gebackenen Hafer-Apfel-Pferdeleckerlis gemästet hat?“ Mila kicherte. „Die Dinger haben den Test echt bestanden. Dann kann Tini sowohl das Rezept als auch eine überglückliche und pummelige Renate ins Netz stellen.“

„Ist doch süß, dass Tini ihr eigenes Geld verdienen will“, meinte Charly. „Vielleicht wird Cindy auf Tini aufmerksam und sie wird berühmt?“ Charly nahm die neueste Ausgabe der Krimi-Pferdezeitschrift zur Hand, die Tini bei ihr vergessen hatte. Diesmal hatte Comic-Cindy einen Fall auf einem benachbarten Bauernhof zu lösen. Außerdem hatte sie unzählige Tipps in Sachen Pferdefrisuren parat. Eigentlich gefiel Mila die Zeitschrift nicht besonders, aber seit sie vor einiger Zeit mit Cindys Hilfe Michel hatte helfen können, blätterte sie ganz gerne darin herum.

Mila streckte die Beine aus. Der Ausflug war schön gewesen. Sommer, Sonne und Strand gehörten mittlerweile genauso zu ihrem Leben wie Adesso und Renate. Adesso liebte es, im Wasser zu tollen und sich ein wenig abzukühlen – das Thermometer zeigte seit Tagen deutlich mehr als 30°C an. Und Mila liebte das Gefühl, über den Strand zu galoppieren. Der weiche Untergrund, Adessos geschmeidige Bewegungen und der salzige Duft vom Meer – in diesen Augenblicken wusste Mila, dass alles gut und richtig war. Und dass sie alle kommenden Probleme auf Adessos Rücken lässig überspringen würde.

Als sie von Kopf bis Fuß durchnässt gewesen waren, hatten sie sich im Windschatten einer Düne niedergelassen und Frau Käthes Cupcakes gegessen. Tini hatte noch eine Kanne Kakao dabeigehabt.

Pferdinand, Adesso, Renate und Vanilla, Charlys Stute, hatten währenddessen miteinander gespielt. Wobei die kleine Renate eindeutig der größte Frechdachs gewesen war. Obwohl Tini für alle Pferde gleich viele Leckerlis gebacken hatte, war mindestens die Hälfte sofort in Renates Maul gelandet.

„Vermisst du Jan?“, fragte Charly plötzlich.