Pflege bei psychiatrischen Krankheitsbildern - Margarete Stöcker - E-Book

Pflege bei psychiatrischen Krankheitsbildern E-Book

Margarete Stöcker

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Beschreibung

Die klassische Altenpflege ist vorbei, den „typischen“ alten pflegebedürftigen Menschen gibt es nicht mehr. Das gilt auch für die akute Pflege im Krankenhaus wie für die ambulante Pflege. Die pflegebedürftigen Menschen sind jünger, haben zunehmend einen Migrationshintergrund und auch Betroffene mit psychiatrischen Krankheitsbildern (Schizophrenie, Abhängigkeitserkrankungen, Angst- und Zwangsstörungen, Essstörungen und Persönlichkeitsstörungen und weitere) sind heute häufiger als noch vor einigen Jahren. Eine strukturierte Informationssammlung (SIS®) ist hier die Basis (aber auch eine Herausforderung). Dieses Buch ist das erste, das beides vereint: kompaktes Wissen zu den Krankheitsbildern und jede Menge echter „Fälle“ mit passender SIS® und Maßnahmenplanung. So erfahren die Leserinnen und Leser, wie sie von der SIS® zur anschließenden pflegerischen Versorgungsplanung kommen! Und immer ist der erkrankte Mensch der Profi, der den Takt des gemeinsamen Handelns vorgibt.

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Margarete Stöcker ist Krankenschwester und Fachkrankenschwester für Psychiatrie, Dipl. Pflegewirtin und Master of Arts im Gesundheitswesen, Master of Science Gesundheitspsychologie, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Mimikresonanz®-Trainerin und Coach sowie Inhaberin des Bildungsinstitutes Fortbildungvorort für Inhouse-Schulungen für Gesundheitsberufe (https://fortbildungvorort.de/).

 

 

 

» Gerade bei Menschen mit psychiatrischen Krankheitsbildern steht ein ›Verhandeln statt Behandeln‹ im Vordergrund: die tragfähige Beziehung. Empathie und Wertschätzung sind in dieser Begegnung entscheidend.«

MARGARETE STÖCKER

 

 

 

 

 

 

 

pflegebrief

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8426-0890-0 (Print)ISBN 978-3-8426-9172-8 (PDF)ISBN 978-3-8426-9173-5 (EPUB)

Originalauflage

© 2022 Schlütersche Fachmedien GmbH, Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover, www.schluetersche.de

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in diesem Buch die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich Personenbezeichnungen gleichermaßen auf Angehörige des männlichen und weiblichen Geschlechts sowie auf Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen.

Autorin und Verlag haben dieses Buch sorgfältig erstellt und geprüft. Für eventuelle Fehler kann dennoch keine Gewähr übernommen werden. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus in diesem Buch vorgestellten Erfahrungen, Meinungen, Studien, Therapien, Medikamenten, Methoden und praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen. Insgesamt bieten alle vorgestellten Inhalte und Anregungen keinen Ersatz für eine medizinische Beratung, Betreuung und Behandlung.

Etwaige geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass es sich um freie Warennamen handelt. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.

Lektorat: Claudia Flöer, Text & Konzept Flöer

Covermotiv: melita – stock.adobe.com

Covergestaltung und Reihenlayout: Lichten, Hamburg

Inhalt

1Einleitung

2Die Dokumentation

2.1Die fördernde Prozesspflege nach Krohwinkel

2.2Das Strukturmodell

3Die Feststellung der Pflegebedürftigkeit

4Das indikatorengestützte Qualitätsmanagement

5Die Klassifikationssysteme

5.1ICD-10

5.2ICD-11

6Psychiatrie im Wandel der Zeit

7Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis

7.1Das SIS®-Gespräch mit Frau Isolde S.

7.2Definition

7.2.1Häufigkeit und Verlauf

7.3Ätiologie – Pathogenese

7.4Symptome

7.4.1Positiv-Symptome

7.4.2Negativ-Symptome

7.5Pflege und Beschäftigung

7.6SIS® für Frau Isolde S.

7.7Maßnahmenplan für Frau Isolde S.

8Depressive und manische Störungen

8.1SIS®-Gespräch mit Herrn Uwe D.

8.2Depressive Phase

8.2.1Definition

8.2.2Häufigkeit und Verlauf

8.2.3Ätiologie – Pathogenese

8.2.4Symptome

8.3Manische Phase

8.3.1Definition

8.3.2Häufigkeit und Verlauf

8.3.3Ätiologie – Pathogenese

8.3.4Symptome

8.4Pflege und Beschäftigung

8.5SIS® für Herrn Uwe D.

8.6Maßnahmenplan für Herrn Uwe D.

9Angststörungen

9.1SIS®-Gespräch mit Frau Elisabeth A.

9.2Definition

9.2.1Häufigkeit und Verlauf

9.3Ätiologie – Pathogenese

9.4Symptome

9.4.1Symptome der einzelnen Formen

9.5Kurz erklärt: Parkinson-Erkrankung

9.5.1Symptome

9.6Pflege und Beschäftigung

9.6.1Der Teufelskreis der Angst

9.7SIS® für Frau Elisabeth A.

9.8Maßnahmenplan für Frau Elisabeth A.

10Essstörungen

10.1SIS®-Gespräch mit Frau Simone E.

10.2Definition

10.2.1Häufigkeit und Verlauf

10.3Anorexia nervosa

10.3.1Symptome

10.4Bulimia nervosa

10.4.1Symptome

10.5Kurz erklärt: Multiple Sklerose

10.5.1Häufigkeit und Verlauf

10.5.2Symptome

10.6Pflege und Beschäftigung

10.6.1Pflege und Beschäftigung bei Multipler Sklerose

10.7SIS® für Frau Simone E.

10.8Maßnahmenplan für Frau Simone E.

11Abhängigkeitserkrankungen

11.1SIS®-Gespräch mit Herrn Kai K.

11.2Definition

11.2.1Häufigkeit und Verlauf

11.3Ätiologie – Pathogenese

11.4Alkoholabhängigkeit

11.4.1Symptome

11.4.2Alkoholentzugssyndrom – Delir

11.4.3Wernicke Enzephalopathie

11.4.4Korsakow-Syndrom

11.4.5Alkoholhalluzinose

11.4.6Alkoholischer Eifersuchtswahn

11.5Drogenabhängigkeit

11.6Symptome

11.7Pflege und Beschäftigung

11.8SIS® für Herrn Kai K.

11.9Maßnahmenplan für Herrn Kai K.

12Persönlichkeitsstörungen

12.1SIS®-Gespräch mit Frau Kerstin B.

12.2Definition

12.2.1Häufigkeit und Verlauf

12.3Ätiologie – Pathogenese

12.4Symptome

12.5Pflege und Beschäftigung

12.6SIS® für Frau Kerstin B.

12.7Maßnahmenplan für Frau Kerstin B.

13Somatoforme Störungen

13.1SIS®-Gespräch mit Frau Doris W.

13.2Definition

13.2.1Häufigkeit und Verlauf

13.3Ätiologie – Pathogenese

13.4Symptome

13.5Pflege und Beschäftigung

13.6SIS® für Frau Doris W.

13.7Maßnahmenplan für Frau Doris W.

14Belastungsstörungen

14.1SIS®-Gespräch mit Herrn Willi Sch.

14.2Definition

14.2.1Häufigkeit und Verlauf

14.3Ätiologie – Pathogenese

14.4Formen und Symptome

14.5Pflege und Beschäftigung

14.6SIS® für Herrn Willi Sch.

14.7Maßnahmenplan für Herrn Willi Sch.

15Intelligenzminderungen

15.1SIS®-Gespräch mit Frau Gudrun F.

15.2Definition

15.2.1Häufigkeit und Verlauf

15.3Ätiologie – Pathogenese

15.4Symptome

15.5Pflege und Beschäftigung

15.6SIS® für Frau Gudrun F.

15.7Maßnahmenplan für Frau Gudrun F.

16Demenz

16.1SIS®-Gespräch mit Herrn Walter L.

16.2SIS®-Gespräch mit Frau Renate V.

16.3Definition

16.3.1Häufigkeit und Verlauf

16.4Ätiologie und Pathogenese

16.5Formen der Demenz

16.5.1Die Alzheimer-Demenz

16.5.2Die vaskuläre Demenz

16.5.3Die Lewy-Körper-Demenz

16.5.4Die frontotemporale Demenz

16.6Symptome

16.7Pflege und Beschäftigung

16.7.1Der Mini-Mental-Status-Test (MMST)

16.7.2Mimikresonanz® für Menschen mit Demenz

16.8Maßnahmenplan für Frau Renate V.

16.9SIS® für Herrn Walter L.

16.10Maßnahmenplan für Herrn Walter L.

16.11SIS® für Frau Renate V.

17Medikamente

17.1Antipsychotika (Neuroleptika)

17.2Antidepressiva

17.3Hypnotika/Tranquilizer

17.4Antidementiva

17.5Phasenpräparate

17.6Medikamentengabe – auch eine ethische Frage

17.7Arzneimittelformen

17.8Medikamentenversorgung per PEG

18Herausforderndes Verhalten

19Praxistipps für Ihren Alltag

19.1Den Schlaf fördern

19.2Die Sexualität ermöglichen

20Schlusswort

Literatur

Register

1 Einleitung

Die Zeit der »klassischen« Altenpflege ist vorbei. Sie, als Pflegende und Betreuende in der stationären Langzeitpflege, haben es schon lange nicht mehr mit den »typischen« alten pflegebedürftigen Menschen zu tun. Dies trifft aber ebenso auch für die akute Pflege im Krankenhaus zu wie für die ambulante Pflege. Zu den ohnehin stetig steigenden veränderten Herausforderungen kommen die Veränderungen der zu pflegenden und zu betreuenden Personen. Dazu gehören zunehmend jüngere pflegebedürftige Menschen, Betroffene mit Migrationshintergrund, Menschen, die zum Sterben in die Einrichtung kommen und – stark zunehmend – Menschen mit psychiatrischen Krankheitsbildern.

Diese Veränderungen haben dazu geführt, dass Sie dieses Buch in Ihren Händen halten. Danke dafür. Denn Sie benötigen »Handwerkzeug«. Dieses Buch möchte Sie darin unterstützen, Ihren »Handwerkskoffer« weiter aufzufüllen oder zu sortieren, also Wissen in kompakter Form parat halten.

Info

Es gibt mehr psychiatrische Krankheitsbilder als in diesem Buch vorgestellt werden. Die Entscheidung, für die in diesem Buch vorgestellten Erkrankungen basiert darauf, dass Menschen mit diesen Erkrankungen zunehmend in der stationären Langzeitpflege einziehen oder Klienten in der ambulanten Versorgung werden.

Jedoch finden Sie nicht ausschließlich psychiatrische Krankheitsbilder, sondern ebenso »Ausflüge« in neurologische Erkrankungen sowie Ergänzungen zu angrenzenden Feldern der Pflege und Betreuung. Diese Exkurse runden das Bild ab und unterstützen das Verständnis zu den beispielhaften SIS® und Maßnahmen.

Bevor ich jedoch die typischen psychiatrischen Krankheitsbilder beschreibe, beginne ich mit einem sehr wichtigen Kapitel: der Dokumentation! Bitte legen Sie das Buch jetzt nicht wieder weg. Das Führen einer fachlichen Dokumentation ist eine entscheidende Säule Ihrer beruflichen Fachlichkeit. Sie dient dazu, ein einheitliches Handeln im Sinne für und mit den zu versorgenden Personen zu erreichen und sie somit zu unterstützen. Gerade bei Menschen mit psychiatrischen Krankheitsbildern steht ein »Verhandeln statt Behandeln« im Vordergrund: die sogenannte tragfähige Beziehung. Empathie und Wertschätzung sind in dieser Begegnung für alle Beteiligten entscheidend.

Die vorgestellten Krankheitsbilder richten sich nach der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, kurz ICD-10, mit kurzen Hinweisen zur demnächst erscheinenden 11. Version. Es ist noch nicht viel veröffentlicht, aber Sie haben schon einmal die neuen Kategorien. Ich beschreibe die zunehmend anzutreffenden häufigsten Krankheitsbilder im psychiatrischen Bereich. Ergänzend werden, den Fallbeispielen geschuldet, weitere Krankheitsbilder im neurologischen Bereich beschrieben.

Jedes Kapitel beginnt mit einer Falldarstellung. Die Praxisfälle entsprechen dem täglichen Pflege- und Betreuungsalltag, sind aber trotzdem fiktiv.

Dem Praxisbericht folgt die Vorstellung des Krankheitsbildes. Anschließend finden Sie eine ausgefüllte SIS® sowie einen Maßnahmenplan. Die Themenfelder sind in sich didaktisch geteilt:

• Originalton Pflegebedürftige (PB),

• Ihre pflegefachliche Einschätzung (PFE) und

• Ihr Verständigungsprozess (VP).

Diese Einteilung ist nicht immer vorhanden bzw. möglich. Fehlen Angaben des Pflegebedürftigen oder Betreuers, haben Sie keine Aussagen dazu. Auch ein Verständigungsprozess ist nicht immer möglich. Bewusst wurde in den beispielhaften Darstellungen der SIS® auf die Matrix verzichtet. Selbstverständlich ist sie Bestandteil der SIS®. Immer wieder werden Sie Hinweise lesen, dass der wirkliche Profi der erkrankte Mensch ist. Denn er kennt seine Erkrankung aus seinem eigenen Erleben. Des Weiteren liegt die Betonung auf einem gemeinsamen Handeln.

Info

Bewohner (stationäre Langzeitpflege), Klienten (ambulante Pflege), Gäste (Tagespflege) und Patienten (Krankenhaus) werden gemäß der Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR) als »versorgte Person«* bezeichnet. In diesem Buch sind alle zu versorgende Personen gemeint, auch wenn Sie vermehrt den Begriff »Bewohner« lesen.

* Vgl. Wipp M, Stöcker M (2021): Das pflegerische Fachgespräch. Schlütersche, Hannover

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und bedanke mich bei Ihnen, dass Sie sich für dieses Buch entschieden haben.

Mein Dank gehört Claudia Flöer und den Mitarbeitern der Schlüterschen Fachmedien GmbH, die im Hintergrund wirken. Dazu gehört auch Christiane Neubauer mit ihren kreativen Marketingideen. Aber auch mein Mann und mein Sohn bekommen ein Dankeschön für ihre Unterstützung.

Schwerte, im August 2022

Margarete Stöcker

2 Die Dokumentation

Es gibt viele Pflegetheorien und viele Dokumentationssysteme. Eine inhaltliche Gemeinsamkeit finden Sie in ihrer Wertschätzung für den pflegebedürftigen Menschen. Der Mensch steht mit seinen Bedürfnissen und seiner Individualität im Mittelpunkt. Im Buch »Pflegetheoretikerinnen und ihr Werk«1 werden 26 Theoretikerinnen und ihre Ideen dazu vorgestellt.

Aktuell stehen die »Fördernde Prozesspflege« und das »Strukturmodell« im Vordergrund. Beide Dokumentationssysteme zeigen als Basis einen Regelkreislauf. Grundsätzlich ist es wichtig zu schauen, welche Informationen vorliegen, welche Probleme, Fähigkeiten, Ressourcen die zu pflegende Person hat. Sie werden daraus fachliche Hinweise ableiten, welche Unterstützung die zu pflegende und zu betreuende Person benötigt bzw. welche Risiken sie hat. Außerdem werden Sie die davon abgeleiteten Maßnahmen durchführen, auf ihre Wirksamkeit prüfen und ggf. anpassen.

Ihre Einrichtung kann noch so schön sein, wo wäre der Bewohner in der Regel am liebsten? Richtig: zu Hause und er soll in Ihrer Einrichtung nun ein neues Zuhause finden. Also braucht er Menschen, die ihn verstehen, die fragen: »Wie geht es Ihnen damit, dass Sie jetzt bei uns sind?«– »Was können wir für sie tun?«

Wenn ein Haus gebaut wird, muss die Statik stimmen. Alles weitere, die Farbe der Gardinen, des Teppichs oder der Fliesen ist Geschmackssache. Sie können die teuersten Gardinen, Teppiche oder Fliesen aussuchen, wenn die Statik nicht stimmt, nützt das nichts und Ihr Haus hält keinem Wind stand! Oder, noch etwas anders ausgedrückt: Wenn ein Mensch schreiben kann, kann er schreiben. Egal, ob mit einem Bleistift für 50 Cent oder einem Montblanc® Füllfederhalter für 500 €.

Ein Instrument ist so gut wie der Mensch, der es spielt.*

* Stöcker M (2019): Ein Instrument ist so gut wie der Mensch, der es spielt. Das gilt auch für die SIS®. QM-Praxis in der Pflege, S. 22–25

Diese Metaphern zeigen, wie wichtig Ihre fachliche Basis und Ihr Verstehen des Grundverständnisses der Dokumentation bzw. des Pflegeprozesses sind. Darauf baut sich die Dokumentation für den pflegebedürftigen Menschen auf. Sie führen diese Dokumentation und sind prozessverantwortlich und niemand anderes. Denn der zu pflegende Mensch benötigt Ihre fachliche Kompetenz. Sollten Fachgremien anderer Meinung sein als Sie, können Sie Ihre Ansicht gut darstellen und in Abstimmung mit den individuellen Wünschen und Bedürfnissen Ihres Bewohners diskutieren und darlegen. Fachliche und kommunikative Kompetenz sind Ihre Grundlagen für gelingende Gespräche2.

2.1Die fördernde Prozesspflege nach Krohwinkel

Die fördernde Prozesspflege bietet Pflegenden die Möglichkeit, Pflegebedürftige in ihren unterschiedlichen Lebenslagen fachlich zu begleiten. Die Grundlage des fachlichen Handels bildet das Erkennen der Fähigkeiten und Ressourcen der zu pflegenden Personen.*

* Vgl. Krohwinkel M (2013): Fördernde Prozesspflege mit integrierten ABEDLs. Hans Huber, Bern

• Ein Wunsch, ein Bedarf, ist ein Bedürfnis. Das, was ein Mensch sich wünscht.

• Ein Problem hat ein Mensch, wenn er seine Wünsche nicht erfüllen kann.

• Eine Fähigkeit ist das, was ein Mensch kann.

• Eine Ressource benötigt ein Mensch, um seine Fähigkeiten zu erhalten, zu erlangen oder wiederzuerlangen. Das heißt, ein Hilfsmittel kann für einen pflegebedürftigen Mensch zu einer Ressource werden. Und auch Sie sind eine Ressource!

Das übergeordnete Ziel dabei ist eine höchstmögliche Selbstständigkeit und Wohlbefinden.

Beispiel Vom Durst

Sie haben Durst und möchten eine Tasse Tee oder Kaffee trinken. Sie gehen in Ihre Küche und kochen sich eine Tasse. Nun steht vor Ihnen Ihr Lieblingsgetränk.

Sie haben alle Fähigkeiten zu trinken. Sie können Ihre Arme bewegen und somit die Tasse zum Mund führen. Sie können schlucken, verdauen, ausscheiden. Sie können kommunizieren und notfalls nach einem Getränk fragen. Sie sind kognitiv »fit« und wissen, dass Ihr Getränk nicht vergiftet ist. Kurzum: Wenn Sie den Wunsch haben zu trinken, haben Sie kein Problem und brauchen keine Hilfe. Sie haben alle Fähigkeiten und die nötige Ressource (Tasse, Wasser, Tee/Kaffee).

Nun stellen Sie sich vor, Sie haben den Wunsch, etwas zu trinken. Ihre Tasse Tee/Kaffee steht vor Ihnen. Sie können jedoch Ihre Arme nicht bewegen. Was brauchen Sie jetzt, bezogen auf das übergeordnete Ziel, so unabhängig wie möglich zu sein? Als erste Variante nicht das sofortige Anreichen, oder? Sie benötigen zunächst eine hohe Tasse (Pott) und einen Strohhalm. So können Sie unabhängig von anderen trinken.

Möchten Sie trinken, haben aber Schluckstörungen, benötigen Sie Logopädie und/oder eine angedickte Flüssigkeit.

Möchten Sie trinken, haben jedoch abdominale Beschwerden, benötigen Sie einen Arzt.

Möchten Sie trinken, haben jedoch einen Vergiftungswahn, benötigen Sie jemanden, der mit Ihnen gemeinsam Tee/Kaffee kocht und/oder auch etwas trinkt.

Fazit: Je nach vorhandenen Fähigkeiten/Ressourcen werden andere Maßnahmen erforderlich. Wenn Sie alle Fähigkeiten haben, aber in der tiefsten Wüste Durst auf Tee/Kaffee haben, nützt Ihnen das alles nichts. Es fehlt die Ressource!

Eine Person, die die Fähigkeit verliert, sicher zu gehen, bekommt einen Rollator. So wird ein »einfaches« Hilfsmittel zur Ressource.

Welche wichtige Ressource braucht jeder Bewohner?

Sie! Wenn Sie die Bewohner nicht pflegen, betreuen und beschäftigen – was wäre dann? SIE sind eine Ressource!

Die Fördernde Prozesspflege bzw. das Rahmenmodell setzt sich aus sich ergänzenden Elementen zusammen:

• Managementmodell

• Qualitätsentwicklungsmodell

• Pflegeprozessmodell

• ABEDL®-Strukturmodell

Die nachfolgende Abbildung (Abb. 1) zeigt die zentralen Konzepte und deren Verbindungen.

Abb. 1: Das ABEDL®-Strukturmodell.     © Krohwinkel 1984, 1988, 1998, 2004, 2013

Die Kernaussage des Konzeptes stellt den Menschen mit seinen Fähigkeiten, Bedürfnissen und Problemen in den Mittelpunkt. Die Person ist individuell und wertschätzend mit ihren Wünschen zu respektieren. Der Mensch und somit die zu versorgende Person ist geleitet von seiner Biografie und seinen Möglichkeiten in den Aktivitäten, Beziehungen, Sozialen Bereichen und existenziellen Erfahrungen des Lebens (ABEDL®)3:

Aktivitäten des Lebens:

 1. Kommunizieren zu können

 2. Sich bewegen zu können

 3. Vitale Funktionen aufrechterhalten zu können

 4. Sich pflegen zu können

 5. Sich kleiden zu können

 6. Ausscheiden zu können

 7. Essen und Trinken zu können

 8. Ruhen, Schlafen und sich entspannen zu können

 9. Sich beschäftigen, lernen und sich entwickeln zu können

10. Die eigene Sexualität leben zu können

11. Für eine sichere und fördernde Umgebung sorgen zu können

Soziale Beziehungen:

1. Im Kontakt sein und bleiben zu können mit sich und mit Anderen

2. Beziehungen erhalten, erlangen und wieder erlangen zu können

Existenzielle Erfahrungen:

1. Fördernde Erfahrungen machen zu können

2. Mit belastenden und gefährdenden Erfahrungen umgehen zu können

3. Erfahrungen, welche die Existenz fördern oder gefährden, unterscheiden zu können

4. Lebensgeschichtliche Erfahrungen einbeziehen zu können

5. Sinn finden zu können

Soziale Bereiche sichern und gestalten:

So treffen Menschen in der zu pflegenden und zu betreuenden Situation aufeinander. Der pflegebedürftige Mensch und der professionell Tätige. Jede Person bringt ihre »Geschichten«, ihre Biografie, mit in die individuelle Beziehung. Sie, als pflegende Person, erkennen und besprechen die vorhandenen Fähigkeiten, Probleme und Bedürfnisse in den AEDLs/ABEDL®s.

Das primäre pflegerische Ziel ist es, die Fähigkeiten des Pflegebedürftigen zu erhalten, zu erlangen bzw. wiederzuerlangen. Um dieses übergeordnete Ziel zu erreichen, ist es wichtig, mit der pflegebedürftigen Person zu kommunizieren. In der Folge sind Handlungen im Sinne des Bewohners durchzuführen. Das heißt, Sie als Pflegende unterstützen, leiten an, informieren, beraten und begleiten Ihre Bewohner.

2.2Das Strukturmodell

»Das Strukturmodell ist ein ideales – und das bisher einzige – Konzept, verbunden mit der entsprechenden Dokumentationsstruktur, um die Vorbehaltsaufgaben nach dem Pflegeberufegesetz in die Praxis umsetzen zu können.

Es bildet sowohl den Rahmen für professionsethisches Pflegehandeln im Sinne einer beziehungs- und personzentrierten Pflege, wie auch für die Kompetenzentwicklung zu den Vorbehaltsaufgaben in der theoretischen wie praktischen Pflegeausbildung.«*

*https://www.ein-step.de/

Im Jahr 2013 wurde von EinSTEP der Grundstein für das Strukturmodell gesetzt. EinSTEP steht für Einführung des Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation, einem Zusammenschluss von Experten aus der Wissenschaft und der Praxis. Unter https://www.ein-step.de/ finden Sie aktuelle Informationen und viele Dokumentations- und Schulungsmaterialien.

Das Strukturmodell besteht aus vier Elementen:

1. Strukturierte Informationssammlung, kurz SIS®

2. Maßnahmenplan

3. Bericht

4. Evaluation

Diese vier Elemente des Strukturmodells gehören untrennbar zusammen. SIS® steht für Strukturierte Informationssammlung und ist wesentlich mehr als einfach nur ein Formular. Im ersten Feld der SIS® erfassen Sie das, was Ihr Bewohner auf die Fragen antwortet: »Was bewegt Sie im Augenblick?« – »Was brauchen Sie?« – »Was können wir für Sie tun?« Am Gespräch teilnehmen können ebenfalls gesetzliche Betreuer und/oder Angehörige. Wenn Sie der Meinung sind, dass das Gesagte besser direkt zu einem der folgenden Themenfelder passt, sollten Sie die Aussage direkt in das entsprechende Themenfeld eintragen:

1. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

2. Mobilität und Beweglichkeit

3. Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

4. Selbstversorgung

5. Leben in sozialen Beziehungen

6. Wohnen/Häuslichkeit (dieses Feld ändert sich je nach Tätigkeitsfeld: stationäre Pflege, ambulante Pflege, Kurzzeitpflege, Tagespflege)

Anschließend finden Sie die Matrix mit den Risiken:

• Dekubitus

• Sturz

• Inkontinenz

• Schmerz

• Ernährung

• Sonstiges

Die in der Matrix (in den Fallbeispielen nicht enthalten!) nicht aufgeführten Risiken tragen Sie direkt in die Themenfelder ein. Innerhalb der Themenfelder erfassen Sie die Aussagen des Pflegebedürftigen, Ihre pflegefachliche Einschätzung und worauf Sie sich mit Ihren Bewohnern verständigen.4 Fehlen Ihnen Angaben und ist die pflegebedürftige Person nicht willens oder nicht in der Lage sich zu äußern, schreiben Sie nur Ihre fachliche Einschätzung in das Themenfeld.

Das SIS®-Gespräch ist kein Gespräch zwischen »Tür und Angel«, sondern ein geplantes fachliches Gespräch. Informieren Sie die zu versorgende Person über den Sinn und Zweck des Gesprächs. Sagen Sie dem Bewohner vorher, wie viel Zeit zur Verfügung steht. So können Sie das Gespräch steuern. Das Gespräch mit dem Bewohner erfordert Ihre Fachlichkeit und auch Ihre kommunikative Kompetenz. Sollte ein Gespräch mit dem Bewohner nicht möglich sein, sind Sie auf Ihre fachliche Einschätzung angewiesen, wie bei Frau Renate V (Kap. 16.2).

Die in diesem Buch beispielhaft aufgeführten SIS®-Gespräche enthalten innerhalb der Themenfelder größtenteils drei Bereiche;

1. die Aussage des Pflegebedürftigen (PB)/Betreuers/Angehörigen,

2. Ihre pflegefachliche Einschätzung (PFE) und

3. Ihren Verständigungsprozess (VP).

Es geht also darum, was der Pflegebedürftige (PB) sagt, wie Sie seine Situation einschätzen was zu tun ist, was Sie vorschlagen (PFE) und worauf Sie sich schließlich einigen (VP). Diese Bereiche müssen nicht zwingend getrennt gekennzeichnet sein, sie können im Text ineinander übergehen.

Info

Können Sie mit dem Bewohner keine Verständigung erzielen, weil er sich nicht äußern kann oder will, sind Sie vollständig auf Ihre pflegefachliche Einschätzung angewiesen.

Aus den Themenfeldern entwickeln Sie den Maßnahmenplan. Der Maßnahmenplan enthält die ausformulierte individuelle Planung. Schreiben Sie die Planung so, dass sie für alle Beteiligten in der Pflege und Betreuung verständlich und nachvollziehbar ist. Überprüfen Sie die Plausibilität des Maßnahmenplans bezogen auf die SIS®. Die Begründung, dass Maßnahmen durchgeführt werden, finden Sie in der SIS® und umgekehrt leiten Sie aus der SIS® ab, welche Maßnahmen stattzufinden haben.

Der Maßnahmenplan wird nicht geschrieben um des Schreibens willen, sondern er ist wie eine Gebrauchsanweisung zu verstehen. Alle Pflegenden und Betreuenden haben sich daran zu halten. Wenn der pflegebedürftige Mensch aus verschiedenen Gründen von der Planung abweicht, ist dies im Bericht zu beschreiben und ggf. sind die Maßnahmen anzupassen.

Alle Abweichungen von der Planung, Beobachtungen und Informationen werden im Bericht dokumentiert. Das Berichteblatt ist das Herzstück der Dokumentation und somit eine wichtige Informationssammlung. Im Berichteblatt sind Abweichungen des Maßnahmenplans zu dokumentieren. Bedenken Sie: Wenn der Maßnahmenplan nicht bekannt ist, woher weiß dann der Durchführende, wann er davon abweicht? Aus der Praxis wissen Sie, dass es immer wieder vorkommt, dass die vorhandenen Maßnahmenpläne der Bewohner leider nicht gelesen bzw. bekannt sind. Ergänzend sollen fachliche Beobachtungen, die eine Handlung auslösen und/oder erklären, dokumentiert werden.

Bei der Evaluation prüfen Sie die Maßnahmen, überarbeiten die SIS® bzw. passen sie dem Maßnahmenplan an. Die SIS® sollte sechs bis acht Wochen nach der Eingewöhnungsphase, ggf. in Kombination mit dem Integrationsgespräch, überprüft werden. Eine Überprüfung ist auch immer dann vorzunehmen, wenn es zu gravierenden Auswirkungen auf die pflegerische und betreuende Versorgung kommt: wenn sich z. B. Risiken verändern ein Bewohner mit einer bipolaren Störung von einer depressiven in eine manische Phase übergeht, und auch nach Krankenhaus-Aufenthalten.

Sie finden in den folgenden Kapiteln zu den psychiatrischen Krankheitsbildern jeweils eine ausgefüllte SIS® und einen Maßnahmenplan. Dieser dient nicht als Vorlage zur direkten Übernahme, sondern als Anregung. Es fehlen »echte« Menschen, daher sind auch die Formulare fiktiv ausgefüllt.

________________

1 Marriner-Tomey A (1992): Pflegetheoretikerinnen und ihr Werk. Recom, Basel

2 Vgl. Wipp & Stöcker 2021

3 Vgl. Krohwinkel 2013

4 Vgl. Wipp & Stöcker 2021

3 Die Feststellung der Pflegebedürftigkeit

Als pflegebedürftig im Sinne des § 14 SGB XI (Elftes Buch Sozialgesetzbuch, das die Vorschriften für die soziale Pflegeversicherung enthält) gelten Personen, die gesundheitliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in der in § 15 SGB XI festgelegten Schwere bestehen5, wobei folgende Bereiche betroffen sein können:

1. Mobilität

2.Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

3.Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

4. Selbstversorgung

5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

6. Gestaltung des Alltags und sozialer Kontakte

Alle Bereiche spielen eine große Rolle. Für die in diesem Buch beschriebenen Krankheitsbilder stehen die Bereiche zwei und drei im Vordergrund.6 Zu den jeweiligen Bereichen (im Begutachtungsinstrument »Module« genannt) gehören folgende Inhalte:

•Modul 1 – Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Überwinden von Treppen zwischen zwei Etagen.

•Modul 2 – Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse der Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch.

•Modul 3 – Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen.

Welche Bereiche betroffen sind bzw. welche Fähigkeiten vorhanden oder verändert sind, müssen Sie der Dokumentation des jeweiligen Bewohners entnehmen können. Führen Sie die Dokumentation »tatsachengerecht«. Wie das geht, zeigt das folgende Beispiel.

Beispiel Die tatsachengerechte Dokumentation

Ein Bewohner schreit Sie an: »Lassen Sie mich in Ruhe. Ich haue Ihnen gleich eine in die Fresse!«

Was dokumentieren Sie und wo? Richtig! Sie dokumentieren im Bericht, und zwar in wörtlicher Rede. Im Rahmen der Begutachtungs-Richtlinien der Pflegegradbestimmung wird beschrieben, dass bei verbalem aggressiven Verhalten, das täglich stattfindet, fünf Punkte anerkannt werden.* Selbstverständlich schauen Sie nach den Ursachen und dokumentieren auch diese im Bericht. Die Maßnahmen müssen entsprechend angepasst werden.

Immer wieder wird erzählt, dass nicht Negatives formuliert werden soll. Dies ist jedoch eine fehlerhafte Interpretation. Es geht darum, nichts Wertendes zu dokumentieren (also z. B. nicht »Der Bewohner ist aggressiv«).

* MDS (o. J.): Das neue Begutachtungsinstrument der sozialen Pflegeversicherung. Die Selbständigkeit als Maß der Pflegebedürftigkeit. MDS, Essen, S. 8

•Modul 4 – Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Harre, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, Mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette und Toilettenstuhls, Bewältigung der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigung der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über eine Sonde

•Modul 5 – Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen oder Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, Körpernahe Hilfsmittel, Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, Regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung, Zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (bis zu drei Stunden), Zeitlich ausgedehnte Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (länger als drei Stunden), Einhaltung einer Diät und anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften

•Modul 6 – Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufes und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sich beschäftigen, Vornehmen von in der Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontakt zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

Die erzielten Punkte in den einzelnen Bereichen werden unterschiedlich gewichtet, sodass sich am Schluss anhand einer Punktzahl der Pflegegrad ergibt. Die einzelnen inhaltlichen Aufzählungen der Module sollten Ihnen vertraut sein und bei der Gesprächsführung im Rahmen der SIS® im Hinterkopf »laufen«.

Wichtig

Der Mensch wird spezifisch erfasst. Das SIS®-Gespräch ist keine formale Abarbeitung der Module des BI!

Im Folgenden finden Sie die Kriterien der einzelnen Module und die dazugehörige Punktevergabe zur Bemessung des Pflegegrads. Das komplette Gutachten finden Sie auf der Internetseite des MDS7.

Tab. 1: Mobilität

Selbstständig

Pkt.

Überwiegend selbstständig

Pkt.

Überwiegend unselbstständig

Pkt.

Unselbstständig

Pkt.

Positionswechsel im Bett

0

1

2

3

Halten einer stabilen Sitzposition

0

1

2

3

Umsetzen

0

1

2

3

Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs

0

1

2

3

Treppen steigen

0

1

2

X

3

Tab. 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Vorhanden/Unbeeinträchtigt

Pkt.

Größenteils vorhanden

Pkt.

In geringem Maß vorhanden

Pkt.

Nicht vorhanden

Pkt.

Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld

0

1

2

3

Örtliche Orientierung

0

1

2

3

Zeitliche Orientierung

0

1

2

3

Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen

0

1

2

3

Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen

0

1

2

3

Treffen von Entscheidungen im Alltagshandlungen

0

1

2

3

Verstehen von Sachverhalten und Informationen

0

1

2

3

Erkennen von Risiken und Gefahren

0

1

2

3

Mitteilen von elementaren Bedürfnissen

0

1

2

3

Verstehen von Aufforderungen

0

1

2

3

Beteiligung an einem Gespräch

0

1

2

3

Tab. 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

Nie oder sehr selten

Pkt.

Selten (ein bis dreimal innerhalb von zwei Wochen)

Pkt.

Häufig (zweimal bis mehrmals wöchentlich, aber nicht täglich)

Pkt.

Täglich

Pkt.

Motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten

0

1

3

5

Nächtliche Unruhe

0

1

3

5

Selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten

0

1

3

5

Beschädigung von Gegenständen

0

1

3

5

Physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen

0

1

3

5

Verbale Aggression

0

1

3

5

Andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten

0

1

3

5

Abwehr pflegerischer oder anderer unterstützender Maßnahmen

0

1

3

5

Wahnvorstellungen

0

1

3

5

Ängste

0

1

2

5

Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage

0

1

3

5

Sozial inadäquate Verhaltensweisen

0

1

3

5

Sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen

0

1

3

5

Tab. 4: Selbstversorgung

Selbstständig

Pkt.

Überwiegend selbstständig

Pkt.

Überwiegend unselbstständig

Pkt.

Unselbstständig

Pkt.

Waschen des vorderen Oberkörpers

0

1

2

3

Körperpflege im Bereich des Kopfes

0

1

2

3

Waschen des Intimbereichs

0

1

2

3

Duschen und Baden einschließlich Haarewaschen

0

1

2

3

An- und Auskleiden des Oberkörpers

0

1

2

3

An- und Auskleiden des Unterkörpers

0

1

2

3

Mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken

0

1

2

3

Essen

0

3

6

9

Trinken

0

2

4

6

Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls

0

2

4

6

Bewältigen der Folgen einer Harnkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma

0

1

2

3

Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma

0

1

2

3

Ernährung parenteral oder über Sonde

0

0

6

3

Tab. 5: Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

Entfällt

Selbstständig

Überwiegend selbstständig

Häufigkeit der Hilfe pro Tag

Häufigkeit der Hilfe pro Woche

Häufigkeit der Hilfe pro Monat

Medikation

Injektion

Versorgung intravenöser Zugänge (Port)

Absaugen und Sauerstoffgaben

Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen

Messung und Deutung von Körperzuständen

Körpernahe Hilfsmittel

Verbandswechsel und Wundversorgung

Versorgung mit Stoma

Regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden

Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung

Zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung

Arztbesuche

Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (bis zu 3 Std.)

Zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (länger als 3 Std.)

Tab. 6: Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte

Selbstständig

Pkt.

Überwiegend selbstständig

Pkt.

Überwiegend unselbstständig

Pkt.

Unselbstständig

Pkt.

Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung

0

1

2

3

Ruhen und Schlafen

0

1

2

3

Sich beschäftigen

0

1

2

3

Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen

0

1

2

3

Interaktion mit Personen im direkten Kontakt

0

1

2

3

Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds

0

1

2

3

Übung

Informationen führen zum Pflegegrad

Schauen Sie sich die ausgefüllten Informationssammlungen und die Maßnahmenpläne der Fallbeispiele an und bestimmen Sie danach die Höhe des Pflegegrades.

________________

5 Vgl. GKV (2021): Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Essen, Berlin, S. 29

6

4 Das indikatorengestützte Qualitätsmanagement

In Ihrer Einrichtung finden regelmäßige Qualitätsprüfungen statt. Die (neuen) Kriterien der Prüfung stellen nun die Ergebnisqualität in den Vordergrund. Das bedeutet, die Selbstständigkeit und die Fähigkeiten des Bewohners in den jeweiligen Modulen werden erfasst. Es wird geprüft, was Sie dazu beitragen konnten, den Gesundheitszustand positiv zu beeinflussen. Zu dokumentieren ist eine bedarfsgerechte Versorgung des Bewohners. Stellen die Prüfer fest, dass Risiken nicht erkannt wurden oder Maßnahmen nicht (fachgerecht) durchgeführt wurden, wird dies als Qualitätsdefizit gewertet. Dazu stehen entsprechende Bewertungskategorien zur Verfügung:

A – keine Auffälligkeiten

B – Auffälligkeiten, die keine Risiken oder negativen Folgen für die versorgte Person erwarten lassen

C – Defizit mit Risiko negativer Folgen für die versorgte Person

D – Defizit mit eingetretenen negativen Folgen für die versorgte Person

Es ist naheliegend, welche Kategorie erreicht werden soll! Im Vordergrund sollten daher Ihre Fachlichkeit und die bedürfnis- und bedarfsgerechte Versorgung des Bewohners stehen. Genau das können Sie über eine gut geführte Dokumentation darstellen: Was möchte der Bewohner – was schätzen Sie fachlich ein – worauf einigen Sie sich. Zu beantworten sind daher Leitfragen8. Wenn Sie den Maßnahmenplan geschrieben haben und die SIS® in der Fallbesprechung vorgestellt wurde, können Sie während der Prüfung auch die Leitfragen beantworten.

Mobilität

• Entspricht die Unterstützung bei der Mobilität dem individuellen Bedarf der versorgten Person?

• Erhält die versorgte Person, wenn sie es wünscht, Unterstützung für Aufenthalte im Freien?

• Wurden die vorliegenden Mobilitätseinschränkungen bei der Einschätzung gesundheitlicher Risiken berücksichtigt?

• Entspricht die Unterstützung im Bereich der Mobilität den Erfordernissen, die aus der individuellen Risikosituation erwachsen?

• Werden zielgerichtete Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Mobilität durchgeführt, die auf die noch vorhandenen Fähigkeiten und Bedürfnisse der versorgten Person abgestimmt sind?

Unterstützung bei der Ernährung- und Flüssigkeitsversorgung

• Sind die Ernährungssituation inkl. Flüssigkeitsversorgung der versorgten Person sowie die Selbständigkeit der versorgten Person in diesem Bereich fachgerecht erfasst worden?

• Erfolgte eine ausreichende, bedürfnisgerechte Unterstützung der versorgten Person bei der nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme?

• Werden erforderliche Hilfsmittel zur Unterstützung der Ernährung- und Flüssigkeitsaufnahme fachgerecht eingesetzt?

Unterstützung bei Kontinenzverlust, Kontinenzförderung

• Wurde die Kontinenz der versorgten Person zutreffend erfasst?

• Werden geeignete Maßnahmen zum Kontinenzerhalt, zur Unterstützung bei Kontinenzverlust oder beim Umgang mit künstlichen Ausgängen durchgeführt?

• Werden erforderliche Hilfsmittel fachgerecht eingesetzt?

Unterstützung bei der Körperpflege

• Werden bedarfsgerechte Maßnahmen zur Unterstützung bei der Körperpflege durchgeführt?

• Wurden etwaige Auffälligkeiten des Hautzustandes beurteilt und wurde auf diese Auffälligkeiten fachgerecht reagiert?

• Werden Wünsche der versorgten Person, das Selbstbestimmungsrecht und der Grundsatz der Wahrung der Intimsphäre berücksichtigt?

Medikamentöse Therapie

• Entspricht die Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme der ärztlichen An- und bzw. Verordnung?

• Erfolgen die Lagerung und Vorbereitung der Medikamente fachgerecht?

• Erhält die versorgte Person die ihrem Bedarf entsprechende Unterstützung zur Einnahme der Medikamente?

• Entspricht die Kommunikation mit der Ärztin oder dem Arzt den individuellen Erfordernissen?

Schmerzmanagement

• Ist die Schmerzsituation der versorgten Person fachgerecht erfasst worden?