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Eine Sekunde kann dein ganzes Leben verändern. Ein Unfall, ein medizinischer Eingriff, ein Anruf. Wie gehst du vor bei einem plötzlichen Pflegefall? Wie vereinbarst du Pflege und Beruf? Wie beantragst du einen Pflegegrad? Wann und wofür bekommst du Pflegegeld? Wusstest du, dass man auch mit einer psychischen Erkrankung einen Pflegegrad und Unterstützung bekommt? Wozu benötigst du eine Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung? Was sind die Unterschiede von Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege sowie Tages- und Nachtpflege? Was tust du, wenn du keinen Pflegedienst findest? Wie findest du das passende Pflegeheim, wenn es zuhause nicht (mehr) geht? Der Pflegedschungel scheint ein undurchdringliches Dickicht aus Vorschriften und verschiedenen Behörden sowie Kostenstellen zu sein. Das alles jedoch ist kein Hexenwerk. Lass dich mit diesem Ratgeber an die Hand nehmen, hole dir ultimative Tipps und vermeide hässliche Stolperfallen
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Seitenzahl: 234
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Fit für den Pflegedschungel
Lilly Fröhlich
Diesen Ratgeber der etwas anderen Art
widme ich meiner Mom.
›Der schlimmste aller Fehler ist,
sich keines solchen bewusst zu sein.‹
(Thomas Carlyle)
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Lektorat: Sandra Fiedler
Autorenfoto: Dominik Pfau (www.dominikpfau.de)
Illustrationen: Nicole Schwalbe
Umschlaggestaltung: Nicole Schwalbe
Satz und Layout: Nicole Schwalbe
Druck und Distribution: tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg
Alle Rechte Vorbehalten. Elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung.
3.Auflage
©2024 Lilly Fröhlich
ISBN 978-3-384-05357-2
Ich produziere perfekte unperfekte Bücher. Wenn du einen Fehler entdeckst, ärgere dich bitte nicht. Werde zum Fehlerentdecker und sende mir deine Anregungen an [email protected]
Weitere Informationen findest du unter: www.doofebuecher.de
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Das Ende vom Anfang
Pflegefall und das gestuft?
Vereinbarung Pflege und Beruf
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung
Pflegezeit
Familienpflegezeit
Zinsloses Darlehen der BAFzA
Rentenansprüche
Rentenaltersgrenze
Sterbebegleitung
Was machst du als Arbeitgeber?
Belastung für pflegende Angehörige
Pflegesystem
Und was ist mit dem Fachkräftemangel?
Mental Load
1. Problem: Entlastungsangebote unbekannt
2. Problem: Verweigerung der Entlastungsangebote
Pflegegrade sind keine Temperaturen
Selbsteinschätzungsbogen vom VdK
Pflegebedürftiges Kind
Leistungen21
Pflegegeld
Pflegesachleistung
Achtung: Haushaltshilfe
Kombinationsleistungen
Pflege-/Wohnberatung
Pflegehilfsmittel
Entlastungsbetrag
Grundpflege
Stufenfrei
Euro-Schlüssel
Wheelmap-App
Wo werde ich beraten?
Der Weg zum Pflegegrad
Schwerstkrank – und nun?
Diabetes – bist du zu süß?
Elternunterhaltsrechner
Wenn das Schicksal Kinder trifft …
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Psyche und Körper sind gleichgestellt
Was tust du, sobald du davon erfährst?
Was braucht dein Kind?
Hilfe für Angehörige
Mobbing geht jeden an
Schwerbehindertenausweis bei psychischer Erkrankung
Kinderkrankengeld
Pflegegeld fürs Kind
Pflegegrad bei psychischen Erkrankungen
Pflegetagebuch
Zuzahlungsfreie Pflegehilfsmittel
Wohnungsanpassung
Vollmachten – wer hat volle Macht?
Vorsorgevollmacht
Vorsorgevollmacht für Minderjährige?
Vermögenssorge
Personensorge
Wer, wie, was, warum?
Kosten der Vorsorgevollmacht
Was ist eine Beglaubigung?
Was ist eine Beurkundung?
Häufigste Irrtümer
Betreuungsverfügung
Patientenverfügung
Betreuung oder Vormundschaft
Achtung Bauernfänger
Pflege im ›Home Sweet Home‹
Vorsicht Falle
Extrembeispiele in der Pflege
Anrechnung von Rentenpunkten
Fall 1 – du arbeitest noch
Fall 2 – du bist in Altersteilzeit
Fall 3 – du bist bereits in Rente
Benachteiligung bei der Pension?
Pflegeleistungen – Leistungen der Pflegekasse?
Wer bezahlt Pflegeleistungen?
Anspruch auf Beihilfe
Was genau zahlt die Pflegeversicherung?
Pauschalbeihilfe
Arbeitgeber modell
Entlastungsleistungen in der Pflege
Tages- und Nachtpflege
Kurzzeitpflege
Verhinderungspflege
Voraussetzungen für Verhinderungspflege
Wo stellst du den Antrag?
Verhinderungspflege rückwirkend?
Was gehört alles zur Verhinderungspflege?
Per Definition gehört zur ›Behandlungspflege‹:
Exkurs – Dekubitus
Faktoren, die Dekubitus begünstigen:
Behandlungspflege
Medizinische Behandlungspflege
Sicherungspflege
Krankenhausverhinderungspflege
Kostenübernahme der Behandlungspflege
Häusliche Krankenpflege als Ergänzung
Roboter – künstliche Intelligenz
My home is my castle
Dazu gehören
Betreutes Wohnen
Wohngemeinschaft
Integriertes Wohnen
Altenwohnheim
Altenheim
Pflegeheim
Seniorenresidenz
Seniorenstift
Seniorendorf ist nicht Sun City
Demenzdörfer
Exkurs: Demenz
Paro – die Roboter-Robbe
Behinderteneinrichtung
Intensivpflege
Betreutes Wohnen
Notrufarmband oder -halskette
Wohnberechtigungsschein
Tauschbörsen
Ehrenamtliche Seniorenberater
Essen auf Rädern
Fahr- und Begleitdienste
Das sichere Haus
Neue Wohnung, neues Glück
Checkliste71 erstellen
Kündigung der Wohnung
Online-Dschungel
Mit allen Sinnen prüfen
Reservierungsgebühren und WBVG
Warum wurde es erlassen?
Drum prüfe, wer sich ewig bindet …
Rechte im Pflegeheim
DigitalPakt Alter75
Wie bist du offline geschützt?
Vertrag kommt von vertragen
Was gehört in die vorvertraglichen Informationen81?
Exkurs: Streitbeilegungsverfahren
Das gehört in einen Heimvertrag
Exkurs: Sicherheitsleistung
Exkurs: einrichtungseinheitlicher Eigenanteil
Leistungszuschlag
Was, mehr Kosten?
Besitzstandsschutz
Hilfsmittel im Pflegeheim
Das gehört zur Grundausstattung88:
Zu weiteren Hilfsmitteln gehören:
Exkurs: Umlage von Ausbildungskosten?
Costa quanta im Pflegeheim
Pflegewohngeld
Du oder die Pflegekasse?
Wer kann Sozialhilfe bekommen?
Heimkosten bei Abwesenheit
Selbstzahler aufgepasst!
Pflegevertrag kündigen
Pflegeheim kündigt – und nun?
Der Betrieb wird eingestellt
Der Bewohner verweigert die fachgerechte Pflege
Fachgerechte Pflege ist nicht mehr Möglich
Grobe Vertragsverletzung durch den Bewohner
Zahlungsverzug
Was ist eine Heimaufsicht?
Check-up durch den MDK
Pflegestützpunkte
Das letzte Kapitel im Leben
Raumschiff als Sterbekapsel
Todesfall
Behördengänge
Kosten bei Nichtabholung
Abmeldungen
Gemischte Gefühle
Das Geschäft mit dem Tod
An meine Kinder
Bonuskapitel
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung
Pflegezeit
Familienpflegezeit
Antrag auf Kurzzeitpflege
Voraussetzungen für Verhinderungspflege
Antrag auf Pflegeleistungen
Wie du einen Widerspruch schreibst
Pflege von Kindern
Vorsorgevollmacht
Vermögenssorge
Personensorge
Patientenverfügung
Checkliste für den Umzug ins Heim
Checkliste für vorvertragliche Informationen
Sterbeurkunde beantragen
Hier wird dir geholfen
Abkürzungsverzeichnis
Über die Autorin
Mein fettes Danke
Register
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Das Ende vom Anfang
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Das Ende vom Anfang
Was für ein Horror!
18 Jahre lang fiebert man darauf hin, erwachsen zu sein und alles selbstbestimmt tun zu dürfen. Dann versetzt man 50 Jahre lang Berge, lernt, lehrt, buckelt, liebt und lebt … vielleicht zieht man Kinder groß, betreut Enkelkinder … und vieles mehr. Um dann am Ende plötzlich in ein Seniorenheim abgeschoben zu werden.
Dort riecht es permanent nach Desinfektionsmitteln, vielleicht auch nach Pipi und Essen.
Essen?
Gott, erinnerst du dich an all die Schlemmereien in deinem Leben? Kostbarkeiten im Restaurant oder aus deiner eigenen Küche?
Stelle dir vor, du sitzt jetzt in einem Seniorenheim.
Kannst du hier abends Tomaten mit Mozzarella essen, wenn dir danach ist? Oder gibt es mittags auch mal Nudeln mit Käsesoße?
50 Jahre lang hast du dein eigenes Essen gekocht – oder einen Partner gehabt, der dich kulinarisch verwöhnt hat – und jetzt landet ›Großküchenfraß‹ auf dem fremden Teller, den du nicht einmal schön findest, und zwar Essen nach einem Speiseplan, den du dir nicht ausgesucht hast.
Spätestens jetzt wird dir bewusst: Das Seniorenheim ist nur ein Gefängnis für diejenigen, die auf Pflege angewiesen sind. Menschen, die sich nicht mehr alleine versorgen können, ohne die Bude abzufackeln oder zu verhungern, weil sie vergessen zu essen.
In einem Sessel wartest du trostlos auf den Tod.
Wow! Das war’s.
Ist das die Belohnung für all das, was du in deinem Leben erreicht hast?
Ein Platz im Seniorenheim, vielleicht sogar noch gefesselt an ein Bett?
Mit einem fremdbestimmten Tagesablauf?
Ich wünsche es dir nicht.
Lass uns das Bild verändern.
Nicht du bist im Alter gefangen, sondern deine Eltern.
18 Jahre lang haben sie dich aufgepäppelt und lebensfähig gemacht, dich liebevoll aus dem Nest geschubst und schließlich trotzdem noch 30 Jahre lang unterstützt.
Sie sind eingesprungen, wenn irgendwo der Schuh drückte, das Portemonnaie leer war oder du einfach nicht weiter wusstest.
Und jetzt sind sie pflegebedürftig und sollen ihr selbstbestimmtes Leben aufgeben?
In eine fremde Umgebung ziehen und sich von fremden Menschen in wirklich schlimmen Fällen den Hintern abwischen lassen?
Macht das was mit dir?
Mit mir schon.
Es gruselt mich.
Und trotzdem überlegst du, deine Eltern oder ein Elternteil in fremde Hände zu geben. Du bist vielleicht verzweifelt oder hast weder Lust noch Zeit noch die Kraft, den ›Altensitter‹ zu spielen.
Was für eine vertrackte Situation!
Ich verstehe beide Seiten. Eine echte Zwickmühle.
Ich weiß nicht, ob ich nicht die Sterbekapsel in der Schweiz1 einem müffelnden, fremden Seniorenheim vorziehen würde, wenn es so weit ist. Diese wurde 2021 legalisiert und ist seit 2022 im Einsatz. Oder ob ich versuchen würde, alle Regeln des Seniorenheims zu sprengen und jeden Tag den Pizzadienst bestellen und Party feiern würde, und zwar so lange, bis den Pflegern die Haare pink anlaufen und sie schließlich kapitulieren und mitfeiern.
Aber Spaß beiseite, älter werden ist komisch.
Während der Körper welkt, schmerzt und nicht mehr so will wie früher, ist der Kopf – wenn du Glück hast – hellwach und etwa im Alter von 20 stehen geblieben. Bei manchen will auch der Kopf nicht mehr und man bewegt sich rückwärts auf den Entwicklungsstand eines Kindes zu.
Älter werden geht vielleicht noch.
Aber alt und gebrechlich sein, vielleicht sogar dement, ist ätzend.
Zum Mond fliegen geht, doch ich frage mich, warum noch keiner eine Zauberformel entwickelt hat, nach der jeder Mensch in der körperlichen Verfassung eines gesunden etwa 30-Jährigen stehen bleibt und sich damit in den nächsten 50 bis 70 Jahren mental ›zu Ende‹ entwickeln und so leben darf.
Vielleicht sollte man die Länge des Lebens an die Nettigkeit des Charakters binden.
Warum ich das charakterlich festmache?
Meine Oma hatte eine Nachbarin, die war an Boshaftigkeit nicht zu übertreffen.
Sie war von allen gefürchtet.
Und sie war alt.
Böse und alt.
Und weil sie unfassbar gemein zu den Menschen war, hat meine Oma immer gesagt: »Die ist so schrecklich, die will nicht einmal der Teufel haben. Da muss der Sensenmann noch mit der Schaufel nachhelfen.«
Diese Frau habe ich schon als Kind gefürchtet wie den schwarzen Mann, bei dem wir als Kinder überlegen mussten, wie wir den Platz überqueren sollen (laufen, Entengang oder rückwärts), wenn ER kommt.
›Menschenmonster‹ jedweder Art will niemand.
Und doch gibt es sie.
Und leider gar nicht so selten.
Manchmal scheint es mir, als komme mit dem Alter das Aggro-Gen erst richtig in die Entfaltung. Und wie du in diesem Buch erfahren wirst, kann das tatsächlich auf eine inaktive Region in unserem Gehirn hindeuten.
Und ja, wenn man die Menschlinge nach Charakter einteilen müsste, um zu bestimmen, wer wie lange einen Zaubertrank bekommt, braucht man ein objektives Mitarbeiterteam im Universum.
Gibt es nicht.
Kann es auch nicht geben, denn wir sind Subjekte.
Den ›charakterlich geeignet‹-Platz würden sich die Reichen wahrscheinlich erkaufen können und mit Pech hätte auch in meiner Wunschwelt das Böse wieder einen Platz in unserer Gesellschaft.
Aber dieses Zauberelixier gibt es ja gar nicht.
Vielleicht im nächsten Leben.
Darum lohnt es sich nicht, so etwas zu visualisieren.
Vielmehr ist es wichtig, eine Lösung für das Hier und Jetzt zu finden, denn jetzt sind wir in diesem Leben und hierfür muss eine Lösung her.
Bei meiner Recherche für dieses Buch sind Tausende Fragen in meinem Kopf explodiert und ich habe überall nur noch Pflegekräfte und Pflegebedürftige gesehen.
Mein Fokus eben.
Was waren das für Fragen?
Fragen wie:
Gibt es eigentlich Seniorenheime, wo die Bewohner wenigstens einmal im Monat ein Wunschessen bestellen können?
Oder wo sie mitkochen dürfen?
Eine Freundin hat sich immer ein Pflegeheim auf dem Land vorgestellt, wo man mit einem Bus zu seinem Arzt gebracht wird und sich ansonsten um die Beete von Städterfamilien kümmert, Rosen beschneidet und Möhren anbaut. Und wenn die Städterfamilien zum Ernten kommen, dann trinken sie mit einem Kaffee und bringen Kuchen mit und die Kinder lesen etwas vor oder spielen mit einem Karten.
Apropos Seniorenheim, gibt es verschiedene Arten?
Vielleicht nach Krankheitsbildern sortiert?
Oder nach Pflegestufen, ach nee, heißt ja jetzt ›Pflegegrad‹?
Wo erfährt man davon?
Bei meinen Nachforschungen bemerkte ich, es gibt nicht nur Senioren, die Hilfe brauchen.
Es gibt da noch die Fälle, die so gruslig sind, dass mir das Herz schon beim bloßen Gedanken daran schwer wird.
Ein Unfall, ein medizinischer Fehlschlag oder eine Krankheit sorgen dafür, dass (d)ein minderjähriges – oder gerade mal 20-jähriges – Kind zum Pflegefall wird.
Plötzlich ist es vorbei, dass es lachend über den Rasen tollt, Spielzeug über den Teppich schiebt oder weinend aus der Kita oder Schule kommt. Kita und Schule sind dann nicht mehr möglich.
Diese Fälle können viele Gesichter haben.
Auch Mutproben kommen leider immer noch vor.
Ich kenne eine wunderschöne Frau, die seit ihrem 13. Lebensjahr im Rollstuhl sitzt, weil sie auf der Klassenreise vom Dach gesprungen ist, um mit dieser ›Mutprobe‹ den anderen zu zeigen, dass sie kein Schisser ist.
Ein gebrochenes Bein wäre hier ein Geschenk gewesen.
Dieser Unfall hat das gesamte Leben der Familie auf den Kopf gestellt.
Plötzlich war nichts mehr wie vorher.
Ein Rollstuhl musste her und eine Reha.
Die gesamte Wohnung war nicht behindertengerecht.
Und nun?
Wie kann eine Familie so einen Umbau stemmen oder müssen alle umziehen, damit der Rollstuhl auch durch die Türen passt?
Oder nehmen wir Erkrankungen.
Was können Eltern tun, deren Kinder an Krebs erkranken und die dadurch keine Zeit und keine Kraft mehr für ihre Arbeit haben?
Oder was ist mit der 10-jährigen Marie, die durch eine Maserninfektion seit ihrem 7. Lebensjahr im Wachkoma liegt?
Sie ist seit vielen Jahren scheinbar wach, zeigt aber kein Bewusstsein und kann auch nicht mit ihrer Umwelt interagieren.
Sie liegt einfach nur da und starrt mit leerem Blick an die Zimmerdecke, weil sie eine schwere neurologische Störung im Großhirn hat. Und was machen die Eltern?
Wie gestalten sie ihr Leben?
Können sie noch zur Arbeit gehen?
Morgens zur Arbeit fahren, das Kind liegen lassen und nachmittags wieder vorbeischauen?
Oder liegt das Kind in einer Klinik?
Ein Mensch im Wachkoma hat eine durchschnittliche ›Lebenserwartung‹ von etwa fünf Jahren. Einer von zehn Patienten findet nach einiger Zeit wieder in ein selbstbestimmtes Leben zurück. Eine Hoffnung, die jedes Elternteil antreibt, unter Druck setzt und wie automatisiert pflegen lässt.
Und zur Pflege gehört nicht nur das Halten der kleinen Patschehändchen eines Kindes, sondern auch die Körperpflege, das Umlagern, um ein Wundliegen vorzubeugen, vielleicht sogar noch eine Versorgung für die künstliche Beatmung und Ernährung.
Das betrifft übrigens jung wie alt.
Und dann tauchen Fragen auf wie:
Kann man pflegebedürftige Menschen zu Hause pflegen und wenn ja, unter welchem Aufwand?
Was ist mit der Ernährung?
Mit der medizinischen Versorgung?
Kann ich das allein stemmen oder benötige ich Hilfe?
Ich habe mich nie damit beschäftigt – beschäftigen müssen.
Noch nicht. Zum Glück.
Lernt man ja auch nirgends.
Weder in der Schule – klar, da ist das Thema ja auch noch ein gefühltes ganzes Leben entfernt – noch woanders. Und wenn dieser Fall eintritt, möchte man wissen, wie der Hase läuft.
Was kann das Schicksal dann doch manchmal für eine Herausforderung sein!
Auch bei den Alten.
Sie meisterten ein ganzes Leben und kaum sind sie ›alt‹ und dürfen endlich an sich denken – Cocktails schlürfen am Strand, Bücher lesen zwischen den Massagen oder Party feiern, weil sie nicht mehr arbeiten müssen –, da wirft ihnen das Leben einen Pflegefall an den Hals. Man kann nichts machen und schwups, ist man vielleicht auch noch außerstande, sich selbst zu versorgen.
Grumpf.
Aber zum Glück gibt es ja Pfleger*innen, die sich um genau diese Fälle kümmern können.
Noch.
Ja, du liest richtig, noch.
Seit Jahren wird ihre Arbeit weder gesellschaftlich noch finanziell angemessen anerkannt und wertgeschätzt.
Das Applaudieren nach der stressigen Covid-Zeit war wertschätzend gemeint, doch können sie sich davon auch nichts kaufen.
Es herrscht meist permanenter Personalmangel, was sich auch auf die Qualität der Pflege auswirkt.
Zudem sind sie - nicht nur aus meiner Sicht - elendig unterbezahlt und immer wieder gibt es zusätzliche Auflagen, um weiterhin deinen Angehörigen den Hintern abzuwischen, weil du dazu vielleicht weder Zeit noch Lust noch Kraft hast.
Und so sehen das auch viele Pflegekräfte, die alle peu à peu kündigen und sich in andere Berufe verabschieden.
Doch was machen wir ohne den unfassbar großmütigen Einsatz dieser Menschen?
Ich kenne ein paar von ihnen und ich ziehe meinen imaginären Hut. Ihr Einsatz verlangt aus meiner Sicht jedermanns ganzen Respekt.
Wenn ein Pflegefall in unser Leben tritt, stellen sich noch mehr Fragen.
Wie sieht die Alternative zum Pflegeheim aus? Back to the roots – zurück zu unseren Wurzeln? Das heißt: Kinderzimmer ausräumen, Eltern rein und drei Generationen unter einem Dach. Wirklich!? »Verschwinde!«
Geschockt starrt Sabine ihre Mutter an, als stünde eine Fremde vor ihr.
»Raus!«
»Mamaaa?«
»Ich bin doch nicht dement! Du spinnst! Ich ziehe doch nicht bei dir ein wie ein kleines Kind. Raus! Verlasse mein Haus! Sofort!«
Mit hängenden Schultern geht Sabine.
Sie sieht den geistigen Verfall ihrer Mutter, aber sie kann nicht eingreifen, weil ihre Mutter mündig ist und es nicht wahrhaben will.
So oder ähnlich können sich die Szenen abspielen, wenn Eltern oder Großeltern ›ins Alter‹ kommen und man plötzlich feststellt, da stimmt etwas nicht.
Da ist etwas faul.
Warum weiß sie nicht mehr, wo sie ihren Haustürschlüssel hingetan hat?
Du hast ihr doch erzählt, dass du vorbeikommst.
Hä, eben hat sie doch noch Essen vom Imbiss geholt, warum steht sie jetzt in der Küche und kocht Mittagessen?
Oder ist es dein Vater, der vergessen hat, den Herd auszuschalten?
Wieso sitzt er morgens noch im Sessel und guckt Fernsehen, weil er vergessen hat, schlafen zu gehen?
›Honig im Kopf‹? Wie in dem Film mit Dieter Hallervorden?
Alt werden ist toll – oder doch nicht?
Alt werden gehört zum Leben dazu.
Genauso wie der Tod.
Und doch fürchten wir uns davor, weil wir nicht wissen, was auf uns zukommt. Sich damit auseinanderzusetzen, würde bedeuten, wir müssten uns bewusst mit der letzten Phase unseres Lebens, unserer eigenen Sterblichkeit auseinandersetzen. Neben dem Tod kein schönes Thema für die meisten Menschen.
Bist du gesund – körperlich und geistig?
Was tust du, wenn der Kopf plötzlich nicht mehr so will?
Am Anfang tust du dich sicherlich schwer.
Dabei es ist egal, ob es um dich als den Betroffenen geht, der seine Vergesslichkeit nicht wahrhaben will, oder um deine Angehörigen, denen ganz übel wird bei der Bürde, die plötzlich auf sie wartet.
Diese Vergesslichkeit hat einen hässlichen Namen:
›Demenz‹.
Ich persönlich mag das Wort nicht. Ihm haftet eine enorme Negativität an.
Das Wort sagt: Schluss mit der Selbstbestimmtheit. Schluss mit dem Leben leben. Leben ja, genießen wahrscheinlich nein. Ab Zeitpunkt X denken andere für dich, weil du es nicht mehr kannst, obwohl du willst. Und du weißt nicht einmal, wann das sein wird.
Hält dein Gedächtnis noch ein paar Jahre, Monate oder nur Wochen?
Wirst du deinen Partner noch erkennen?
Deine Kinder?
Heiliger Bimbam, vielleicht kannst du dich sogar nicht einmal mehr an dich selbst erinnern, weil da ein altes Wesen in den Spiegel guckt und du dich noch ganz jung in Erinnerung hast? Eventuell musst du dein geliebtes Zuhause verlassen.
Du kommst in ein Pflegeheim, wo sich Fremde um dich kümmern und Fremde entscheiden, was du wann essen darfst. Appetit auf ’nen Salat mit Tofu?
Oder eine Runde Skat?
Pech gehabt.
Die Pfleger haben auch so schon genug zu tun – ohne deine Extrawünsche.
Und was bedeutet so ein Pflegeheim für dich als ›Kind‹ des Betroffenen?
»Was, du schiebst deine eigene Mutter ab? Schäm dich!« Andere haben gut reden, was? Vielleicht denkst du diesen Satz auch selbst.
Was macht er mit dir?
Fühlst du dich wohl?
Oder unter Druck gesetzt?
An dieser Stelle ein kleiner Tipp:
›Wer mit dem Finger auf andere zeigt, zeigt mit drei Fingern auf sich!‹
Menschen, die dir ein schlechtes Gewissen einreden wollen, sind oft selbst betroffen.
Dein Elternteil war immer so stark wie ein Fels in der Brandung.
Wirklich immer.
Und jetzt?
Wo ist der Fels?
Bröckelt er?
Oder ist er schon zerbröselt?
Alt werden ist toll?
Nee, so ist Altwerden mies.
Und so hat sich das sicherlich niemand vorgestellt.
Trifft aber leider den Kern: Die wenigsten mögen es, aber niemand kommt darum herum.
Es sei denn, jemand verabschiedet sich ›zu früh‹.
Ups … zu früh?
Wann ist ›zu früh‹?
Wer entscheidet, wann ›zu früh‹ ist?
Gibt es eine Altersgrenze, bei der wir sagen (dürfen), nun ist aber gut, nun darfst du gehen?
Fängt mit 66 Jahren laut Udo Jürgens das Leben nicht eigentlich erst an?
Meine Oma ist mit 66 Jahren gegangen.
Viel zu früh.
Das fand ich – und sie auch.
Sie hat sich gegrämt, weil sie ein schweres Leben hatte und endlich mal genießen wollte, jetzt, wo sie in Rente war und ihren verhassten Job nicht mehr machen musste.
Sie arbeitete in der Psychiatrie. Und kaum war sie in Rente, kam der Krebs und ertränkte sie. Ein Gebärmutterkrebs, der so viel Wasser produzierte, dass sie buchstäblich volllief und ertrank.
Meine Großtante dagegen wurde 107.
Sie hatte zwei Weltkriege miterlebt, drei Staatsgründungen (wenn man die Wiedervereinigung mitzählt) und sie war fit bis ins hohe Alter.
Sie war bei drei verschiedenen Währungsumstellungen dabei (die neuen Bundesländer hatten sogar vier, sodass sie von Hamburg aus rüberlinsen konnte).
Wenn man also 107 ist, ist man dann ›alt genug‹?
Darf man dann gehen?
Wie geht man?
Und wohin geht die Reise?
Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem meine Oma starb.
Ihr Gesicht sah nicht mehr aus wie sonst.
Sie sah aus wie der Tod selbst.
Und mein Sohn, gerade mal eineinhalb, sah seine Ticktack-Oma und rannte weg. Er versteckte sich und weigerte sich, den Raum noch einmal zu betreten.
Irre, was Kinder sehen und fühlen. Manchmal wissen sie Dinge, die wir Erwachsenen noch nicht wissen.
Rückblickend wusste ich auch, dass der Tod da war.
Rückblickend weißt du wahrscheinlich auch viele Dinge.
Aber just in dem Moment ist es viiiel einfacher, das Bauchgefühl zu ignorieren.
Und den Bauch ignorierst du wahrscheinlich oft.
Dabei gibt es Situationen, in denen du ihn brauchst, er dir alleine jedoch nix nützt.
Und das ist genau dann der Fall, wenn du feststellst, dass dein Partner, ein Eltern- oder Großelternteil nicht mehr so das Leben bestreiten kann wie früher. Er oder sie kann sich nicht mehr eigenständig versorgen.
Oder was passiert mit deinem volljährigen Kind, wenn es durch einen Unfall plötzlich pflegebedürftig ist und dauerhaft auf fremde Hilfe angewiesen ist?
Das sind genau die Momente, in denen dieses Buch ins Spiel kommt.
Mit diesem Ratgeber möchte ich dir ein einfühlsames Lesewerk an die Hand geben, mit dem du – das wünsche ich dir – eine Lösung für dich und deinen Pflegefall findest
Ich wiederhole mich.
So ein Pflegefall wirft Fragen auf, deren Antworten du nicht in der Schule gelernt hast. Das Thema ist zu dem Zeitpunkt in der Regel auch viel zu weit weg gewesen.
Ebenfalls lernst du die Lösung oftmals auch nicht im Laufe des Lebens. Meistens zumindest.
Der Pflegefall kommt und du stehst vor einem emotionalen Scherbenhaufen, auf dem zusätzlich ein ganzer Sack voller Probleme abgestellt wurde.
Nett, was?
Nee, nicht nett.
So gar nicht nett.
Und trotzdem solltest du den Sack öffnen und jedes Problem(chen) herausholen, denn wenn du es nicht tust, explodiert der Sack und die Probleme fliegen dir um die Ohren. Bauchgefühl ignorieren geht.
Aber dann ist die Misere eines Tages riesengroß und zieht weitere Probleme ins Leben.
Schauen wir uns dieses Säckchen also einmal gemeinsam an.
Gemeinsam sind wir stärker.
Gemeinsam wiegt das Säckchen etwas weniger.
Na, los, öffnen wir das Band und widmen wir uns dem ersten Problem zusammen!
Eins noch: Dieser Ratgeber hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber er zeigt dir auf, was es für Wege gibt, Lösungen zu finden, wie du Pflegegrade beantragen kannst oder das passende Seniorenheim für deine Angehörigen findest.
Ich weiß, der Titel ist sehr provokant, aber er erfasst die Situation sehr gut: Wir alle meistern unser Leben. Doch wenn es darum geht, dass ein Pflegefall von jetzt auf gleich eintritt, stehen wir mit einem riesigen Fragezeichen vor der nun vorhandenen Baustelle und brauchen schnell eine Lösung.
Darum ›Pflegedoof®‹.
Die Emotionen kann ich dir nicht abnehmen.
Vielleicht etwas lindern und dir zeigen, hey, du bist nicht allein. Aber gegen deine Fragezeichen kann ich etwas tun.
Ich liefere dir Ideen und du setzt sie um.
Wir schaffen es gemeinsam.
Oh, und ganz wichtig: Wir nehmen eine Portion Humor mit, denn mit einem Lächeln ist das Leeren des Problemsäckchens viel leichter.
Die Tränen und die Trauer kommen von ganz allein. Darum brauchen wir auf jeden Fall eine Prise Humor zwischen den Buchstaben.
Ich wünsche dir also viele Erkenntnisse und etwas Erleichterung auf so einem doch sehr schweren Lebensabschnitt.
Hiermit möchte ich dir diesen Leitfaden an die Hand geben, damit du nicht mehr ›pflegedoof®‹ durchs Leben gehst.
Darum sage ich,
schnapp dir diesen Ratgeber
und
mach dich fit für die Pflege!
1https://www.stern.de/digital/technik/vollautomatische-gas-kapsel---sterbehilfe-durch-den-sarcopod-legal-zugelassen-31392036.html - scanne oben den QR Code!
Pflegefall und das gestuft?
Das erste Päckchen unseres Problemsäckchens führt uns zu einer sehr wichtigen Frage: