Pfotenglück – Dackel Max sucht seine große Liebe - Sina Beerwald - E-Book
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Pfotenglück – Dackel Max sucht seine große Liebe E-Book

Sina Beerwald

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Beschreibung

Wo die Liebe hindackelt ... 

Mein Name ist Max – nicht Maxl, wie mein Frauchen behauptet –, und ich muss da mal was loswerden. Mein Frauchen hat einen neuen Freund. Er mag angeblich Hunde, aber gegen mich hat er jede Menge Vorurteile, das rieche ich. Immerhin sind wir uns einig, dass ein Urlaub auf Sylt eine ziemlich doofe Idee ist, noch dazu in einem Wohnwagen auf dem Campingplatz.

Zumindest dachte ich das, bis ich beim ersten Spaziergang über Frauchens Lieblingsinsel meine Jugendliebe Goldie erschnüffelt habe. Ich muss sie wiedersehen! Und wenn ein Dackel sich mal was in den Kopf gesetzt hat, ist das Chaos nicht weit.

Hunde-Freundin und Sylt-Liebhaberin Sina Beerwald erzählt für Fans von »Dackelblick« und »Herrchenjahre« von einer ganz besonderen Suche auf Sylt aus Dackel-Perspektive 

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Für Lauris

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© Piper Verlag GmbH, München 2023

Vermittelt durch die Literaturagentur Lesen & Hören, Anna Mechler.

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence, München mit abavo vlow, Buchloe

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Den Federn, die Flügel verleihen …

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Kapitel 1

Tja, wo fange ich am besten an? Die Geschichte glaubt mir sowieso kein Mensch.

Am besten stelle ich mich erst mal vor. Mein Name ist Maximilian, oder auch Max, aber nicht Maxl, wie mein Frauchen behauptet, und ich muss da mal was loswerden, denn mein Frauchen Ronja verhält sich seit einiger Zeit wie eine Hündin mit Dauerläufigkeit – nicht auszuhalten. Sie ist Mitte dreißig und frisch geschieden.

Und jetzt kommt das Problem – das erste Problem: Ihr neuer Freund mag angeblich Hunde, aber gegen mich als Rauhaardackel hat er ganz schön viele Vorbehalte, das rieche ich.

Aber ausgerechnet dieser Typ musste es sein. Ständig hat sie gejammert, dass sie mit ihren fünfunddrölfzig Jahren keinen neuen Mann mehr findet.

Was für ein Blödsinn. Die laufen doch wie Straßenköter überall frei herum, und schließlich findet ein blindes Korn auch mal ein Huhn. Ich meine, ein blindes Huhn trinkt auch mal ein Korn. Also, es findet einen Hahn. Das Korn, nein, das Huhn.

Wie auch immer. Ich war jedenfalls der festen Überzeugung, dass ein Mann in unser Rudel kommt, der zu uns passt.

Tja, was soll ich sagen. Seit einem halben Jahr gibt es dieses Trostpflaster, also das neue Männchen in Frauchens Leben.

Mausebär heißt er. Das ist ein ziemlich komischer Name für einen Mann, finde ich. Mein letztes Herrchen hieß Stefan, das war wenigstens ein richtiger Name. Er hat in ein anderes Revier gewechselt, wenn ich das zwischen den Tränen meines Frauchens damals richtig verstanden habe.

Ich war ehrlich gesagt froh darüber, dieses Alphatier, genannt Stefan, nicht mehr an der Backe zu haben, weil er mich immer vom Sofa verscheucht und Frauchen an meine Diät erinnert hat. Die hätte er lieber mal selbst einhalten sollen.

Jedenfalls hab ich Frauchens Hand abgeleckt und sie getröstet, so gut ich nur konnte, denn was sich leckt, das liebt sich.

Der Neue wohnt zwar nicht bei uns, und wenn, dann ist er nur abends da, wenn ich schlafe, aber er ist Frauchens neuer Freund und ich bin nicht gefragt worden, ob er in unser Rudel darf. Das nehme ich Frauchen bis heute übel.

Ich mag den Typen nämlich nicht. Ich weiß, Mausebär sieht meinem ehemaligen Herrchen recht ähnlich – er ist groß, hat blaue Augen und seine kurzen dunklen Haare sind so grau gescheckt wie bei einem Mischling oder einem Australian Shepherd. Da steht Frauchen drauf, und er hat immerhin nicht so einen Hängebauch wie mein altes Herrchen, weil er als Fitness-Couch arbeitet, das hat Frauchen ihren Freundinnen stolz erzählt, wobei ich nicht verstehe, was ein Sofa mit Fitness zu tun hat.

Jedenfalls ist dieser Mausebär ein ziemlich ausgeschlitztes Kochohr, denn er behauptet, dass er Hunde mag – das war Frauchen nämlich ganz wichtig. Zudem rieche ich, dass er den Posten des Rudelführers anstrebt – und das geht ja mal gar nicht. Ich hoffe, dass er für Frauchen nur ein Trostpflaster ist, das irgendwann von selbst abfällt, denn am liebsten würde ich alle Register ziehen und ihn wegekeln, aber ich will nicht, dass Frauchen wieder traurig ist und ich den ganzen Tag Tränen ablecken muss. Das ist so ein Reflex bei mir, den ich hasse. Kein Mensch würde freiwillig Salzwasser schlabbern.

Immerhin sind Mausebär und ich uns einig, dass ein Urlaub auf Sylt eine ziemlich doofe Idee ist, so ganz grundsätzlich, auch wenn wir beide die Insel nicht kennen. Das war der Vorteil von meinem alten Herrchen Stefan, der wollte nie weit weg fahren, drum sind wir immer in der Nähe von München geblieben und in die Berge gefahren. An den Fuß der Berge, nicht auf den Berg – dafür war ich ihm sehr verbunden und Frauchen hat sich breitschlagen lassen.

Und trotzdem: Urlaub. Was für ein Unwort. Diese seltsame Angewohnheit der Menschen, mindestens einmal im Jahr für vierzehn Tage das Revier zu wechseln, werde ich nie verstehen. Die Menschen haben doch nicht mehr alle Schränke in den Tassen, ich meine, alle Tassen am Zaun.

Schließlich möchte ich an meine angestammte Laterne pinkeln, jeden Tag auf dieselbe Stelle scheißen, keinen Stress mit unbekannten frei laufenden Artgenossen haben, und vor allem keine kilometerlangen Strandspaziergänge machen, die mir nichts als platte Pfoten und Sand im Maul bescheren. Furchtbar!

Aber nun wollte mein Frauchen ihrem neuen Freund unbedingt ihre Lieblingsinsel zeigen, wo sie schon von Kindesbeinen an Urlaub gemacht hat und ihm mit diesem Überraschungsgeschenk zu seinem Geburtstag beweisen, dass ein Urlaub mit Dackel ganz toll sein kann.

Allerdings hat Mausebär sichtlich keinen Bock auf diese Insel der Reichen und Schönen, aber Frauchen setzt alles daran, ihm und mir den Urlaub schmackhaft zu machen.

Ihm mit der Aussicht auf tolle Entdeckungstouren fernab aller Klischees und mir mit Extra-Futter. Als ob ich bestechlich wäre. Niemals nicht.

Leider glaubt Frauchen auch, dass ich einen Urlaub auf dem Campingplatz ganz toll finden müsse, viel besser als in einem Appartement. Der Meinung sind wohl auch zahlreiche andere Herrchen und Frauchen, denn auf dem Kampener Campingplatz gibt es so viele meiner Artgenossen, dass ich mir vorkomme wie auf einer Brennpunkt-Hundewiese.

Auf Schritt und Tritt eine Begegnung, von der man nie weiß, wie sie endet. Gruselig, ein absoluter Horrortrip.

So empfindet das wohl auch Frauchens neuer Typ, allerdings aus anderen Gründen. Der hat sich unter einem Urlaub in Kampen ein schickes Reetdachhaus und keinen Mietwohnwagen vorgestellt, schließlich sei Kampen für Luxusleben und nicht für Camping bekannt.

Aber in Kampen gibt es tatsächlich einen Campingplatz, und ein Hauch von Luxus weht auch zwischen Chemietoilette und Gemeinschaftsdusche, so jedenfalls Frauchens Meinung.

Seufz. Na ja, ich will Frauchen nicht die Laune verderben – sie hat’s nicht leicht gehabt in letzter Zeit. Ich befürchte jedoch, dass das unter diesen Bedingungen in naher Zukunft nicht besser werden wird.

Kapitel 2

Da gehe ich also am Abend unseres ersten Urlaubstages nichts ahnend mit Frauchen und ihrem neuen Anhang Gassi. Ja, ich gehe mit ihnen Gassi, denn ich bestimme, wo es langgeht und in welchem Tempo.

Ich bin schließlich ein Dackel.

Mit einem Ruck an meiner Leine macht mir Frauchen deutlich, dass sie mit ihrem Liebsten in Richtung Strand gehen will.

Ich nicht.

Ich hasse nichts mehr, als mir stundenlang nach dem Spaziergang die Sandklumpen von den Pfoten zu nagen, nur um anschließend den Sand zwischen den Zähnen zu haben.

Die Menschen haben es gut, die gehen entweder barfuß oder verpacken ihre Füße in diese wohlschmeckenden Schuhe, die ich jedem Kauknochen vorziehe. Alte Welpengewohnheit.

Frauchen zieht mich jedenfalls unerbittlich weiter.

Boah ey, nicht mal in Ruhe die Zeitung lesen darf ich. Wie soll ich denn so jemals von meinen Artgenossen erfahren, was im Revier los ist, wenn ich nicht schnüffeln darf?

Ähm, wo will Frauchen denn jetzt hin?

Ach, wir gehen gar nicht zum Strand, wir steuern diese Uwe-Düne an, die Frauchen als höchste Erhebung der Insel ankündigt.

Na toll. Das ist jetzt wie die Wahl zwischen Trockenfutter mit Rind oder Trockenfutter mit Huhn. Beides zum Kotzen.

»Das soll die höchste Erhebung der Insel sein?«, fragt Mausebär lachend, als wir vor der langen Holztreppe angekommen sind, die auf die Düne hinaufführt.

Also, ich finde den Aufstieg beeindruckend steil.

»Zweiundfünfzig Komma fünf Meter hoch«, grinst Frauchen und streicht sich ihre dichten Haare hinters Ohr, die leicht gelockt sind.

»Die Stelle hinter dem Komma nicht zu vergessen!«, feixt Mausebär.

»Warte mal ab, von dort oben hat man eine grandiose Aussicht über die gesamte Insel – aber wenn du die Uwe-Düne nicht als hoch empfindest, dann dürften die hundertneun Stufen ja kein Problem für dich sein.« Die braunen Augen meines Frauchens blitzen vor Vergnügen auf.

»Natürlich nicht, ich bin fit.«

Tatsächlich vergeht Frauchen das Lachen, als wir mit dem Aufstieg beginnen. Mir nicht, denn Frauchen trägt mich.

Tja, Ehre, wem Ehre gebührt, aber ich muss zugeben, so einen Luxus hatte ich schon lange nicht mehr. Andererseits bleibt ihr keine andere Wahl angesichts dieser steilen Treppe, und Mausebär scheint gar nicht auf die Idee zu kommen, ihr Hilfe anzubieten, sondern schreitet zügig voran.

Ich genieße den Tragekomfort in vollen Zügen, halte meine Nase in den salzigen Wind und betrachte die Aussicht, die schon auf halbem Weg grandios ist.

Richtung Osten der schwarz-weiße Kampener Leuchtturm, vor dem diese Reetdachhäuser in den Dünentälern liegen, wo Mausebär so gern gewohnt hätte.

Ich blicke zur anderen Seite, wo sich das Meer bis zum Horizont erstreckt – und dann überholt uns ein Border Collie federnden Schrittes und wirft mir einen verächtlichen Blick von der Seite zu.

Diese Schmach kann ich nicht auf mir sitzen lassen.

Ich winsle und winde mich auf Frauchens Arm, sodass sie mich runterlassen muss.

Mausebär dreht sich zu uns um und stemmt seine Hände in die Hüften, die deutlich schmaler sind als seine breiten Schultern. Wenn man ihn so betrachtet, dann hat er doch Ähnlichkeit mit einem Staffordshire Bullterrier, wobei ich in ihm ansonsten einen Australian Shepherd sehe, der mies gelaunt ist, sobald er nicht nach seinen Vorstellungen stundenlang bespaßt wird.

»Was ist denn schon wieder mit deinem Dackel los?«

Schon wieder?, denke ich. Pah, der hat mich noch nicht kennengelernt. Innerlich grabe ich die Säbel aus und rassle mit dem Kriegsbeil.

»Ach, schon gut«, wiegelt Frauchen ab. »Er möchte eben selbst laufen.«

Jawohl, genau das möchte ich.

Exakt drei Treppenstufen weit. Aua, autsch, au. An jeder verdammten Holzkante bleibe ich mit meinem Bauch hängen. Ich trete in den Sitzstreik und jaule herzzerreißend.

»Der Hund weiß auch nicht, was er will«, seufzt Mausebär und rauft sich seine gescheckten Haare. Mir ist so, als wären da plötzlich ein paar graue Strähnen dazugekommen.

Doch, ich weiß sogar sehr genau, was ich will. Zurück auf Frauchens Arm – und zum Glück hat sie schnell ein Einsehen.

Nachdem wir oben angekommen sind und Frauchen wieder Luft bekommt, sagt sie schwärmerisch: »Ist das nicht ein wunderschöner Platz, um den Sonnenuntergang zu beobachten?«

»Allerdings«, stimmt Mausebär sichtlich beeindruckt zu. »Das war eine gute Idee von dir – und ich muss zugeben, diese fantastische Aussicht habe ich wirklich nicht erwartet. Unglaublich, wie weit man die Insel in alle Richtungen überblicken kann. Und was ist jetzt wo?«

Frauchen stellt sich neben Mausebär, legt einen Arm um ihn und streckt den anderen aus, um ihm etwas zu zeigen: »Das da im Norden ist das Dorf List, dort steuert gerade die Fähre von Dänemark den Hafen an, siehst du? Und davor, das Wanderdünengebiet, ist es nicht traumhaft schön?«

»Das ist vor allem ein ziemlich großes Gebiet, wer hätte das gedacht? Eine Wüste inmitten der grünen Heide.«

Ich würde Mausebär am liebsten in die Wüste schicken, der rückt mir definitiv zu nah auf die Pelle. Allein schon sein Geruch – für mich riecht der, als ob er bei einem Stinktier übernachtet hätte – bei einem Stinktier im Käsekeller.

Kann sein, dass ich da befangen bin, aber das ist wirklich unerträglich, ich muss dringend runter von Frauchens Arm, damit ich wieder Luft kriege.

»Was hat dein Hund denn jetzt schon wieder?«, fragt Mausebär und verzieht seinen schmallippigen Mund, der von gestutzten Tasthaaren umsäumt ist. Verstehe ich auch nicht, warum manche Männer sich die entfernen und manche aussehen wie ein Pudel im Gesicht.

Aber es ist doch ganz klar, was ich will, und Frauchen versteht mich zum Glück erneut, und so kommt sie meiner gejaulten Aufforderung sofort nach – ich habe sie eben gut erzogen.

»Maxl will nicht zu lang getragen werden – der hat als Dackel auch seine Würde«, sagt sie lachend und fährt dann nahtlos fort: »Die Wanderdüne macht ihrem Namen übrigens alle Ehre. Ich hab in Vorbereitung auf den Urlaub gelesen, dass sie jedes Jahr so fünf bis zehn Meter Richtung Osten wandert, das heißt, in Richtung Landstraße. Die kommenden Generationen müssen wohl auf einem anderen Weg als heute nach List fahren.«

Mausebär hebt seine kräftigen Schultern zu einer ratlosen Geste. »So viele Möglichkeiten für eine Straßenführung bleiben da wohl nicht übrig. Die Landzunge ist doch ziemlich schmal an der Stelle.«

»Allerdings – am schmalsten ist sie am Königshafen in List. Aber ist es nicht toll, wie man von hier oben das Wattenmeer und die Nordsee zugleich sehen kann?«

Mausebär legt seinen Arm um Frauchens Taille, wo sie ein weißes Jäckchen über ihr sportliches blaues Kleid geknotet hat, zu dem sie ihre weißen Lieblingsturnschuhe trägt.

Ey, das ist mein Revier. Am liebsten würde ich Mausebär ans Bein pinkeln.

»Deine schmale Taille gefällt mir immer noch am besten. Aber ich muss zugeben, Ronja, ich bin von der Aussicht ehrlich beeindruckt. So schön habe ich mir die Insel nicht vorgestellt.«

Mein Frauchen schmiegt sich an seine muskulöse Schulter und zeigt mit einem glückseligen Lächeln in die Gegenrichtung. »Und siehst du den Hörnumer Leuchtturm, ganz im Süden? Selbst die leuchtenden Farben vom Morsum Kliff kann man erkennen. Tja, die Skyline von Westerland ist nicht so schön, aber direkt vor uns liegt das Rote Kliff, da müssen wir morgen zum Sonnenuntergang unbedingt hin. Dort ist es auch traumhaft!«

Rotes Kliff, denke ich. Na super, mal abwarten, wie das mit meiner Rot-Grün-Schwäche aussieht.

»Lass uns den Rotwein aufmachen«, schlägt Mausebär vor und nimmt schon mal auf einer der Holzbänke Platz, die rundum auf der Aussichtsplattform aus grobem Holz gezimmert wurden. »Huch, warum ist denn mein Hosenbein so nass?«

»Vielleicht war die Bank irgendwo feucht?« Frauchen kommt näher, um Hilfe bei der Ursachenforschung zu leisten.

»Nein, da unten ist alles trocken.« Mausebär bückt sich und tastet die Stützen der Holzbank ab. »Merkwürdig. Wie komme ich denn zu diesem nassen Hosenbein?«

Ich könnte ihm das ja erklären, denke ich, aber er versteht mich sowieso nicht. In jeglicher Hinsicht nicht.

»Ja, wirklich merkwürdig«, sagt Frauchen kopfschüttelnd. »Aber egal. Lass uns den Sonnenuntergang bei einem schönen Glas Rotwein genießen. Ach, das ist ja so romantisch!«

Jetzt begreife ich. Ich soll meinen Menschen zusehen, wie sie eine gefühlte Ewigkeit lang auf der Bank sitzen und in die Sonne starren, jeder seinen Trinknapf in der Hand.

Dieses Ritual werde ich nie begreifen. Aber bitte, ich will meinem Frauchen ja nicht den Urlaub versauen, also trotte ich an der langen Leine auf der Plattform umher, die Schnauze am Boden. Wenigstens noch ein bisschen die Zeitung lesen.

Hoch erhobenen Hauptes kommt mir der Border Collie vom anderen Ende der Plattform her entgegen. Er reiht sich hinter sein Herrchen ein, hebt das linke Bein und gibt einen zielgerichteten Spritzer in meine Richtung ab. Für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar, aber es war ja auch nur ein einziges Wort: Memme.

Grrr. Lautstark knurre ich ihm nach. Leider ist diese verdammte Leine nicht lang genug, ansonsten würde ich dieser arroganten Töle ins Genick springen.

Deshalb schicke ich noch eine Drohgebärde hinterher, als der Collie schon die Stufen hinuntergeht: »Wenn ich dir noch mal begegne, dann gibt’s Tot- und Mordschlag, nur damit du Bescheid weißt!«

»Maxl, was ist denn mit dir los?«, fragt mein Frauchen irritiert und zieht an der Leine. »Komm Maxl, komm her zu mir. Maxl, hierher!«

»Ganz schön aggressiv, dein Dackel, gegenüber anderen Hunden«, stellt Mausebär fest. »Und hören tut er auch nicht.«

In der Tat, denke ich, denn ich sehe rot. Okay, mehr so gelb, vielleicht auch ockerfarben – ach, egal. Diesen räudigen Köter werde ich mir krallen.

»So kenne ich meinen Maxl gar nicht …«, ruft mein Frauchen bestürzt. »Du bist ja noch nie mit uns auf einem Spaziergang gewesen, ansonsten wüsstest du, wie lieb mein Maxl normalerweise ist.«

Stimmt, um einen Spaziergang hat sich Mausebär bislang tatsächlich erfolgreich gedrückt. Überwiegend und liebend gern kam er abends und hat sich in Frauchens Schlafzimmer aufgehalten, während ich in meinem Körbchen Schlaf gesucht habe. Als Musterdackel würde ich mich allerdings wahrlich nicht beschreiben, aber Frauchen wird schon ihre Gründe haben, warum sie das tut. Soll mir ja recht sein.

Eine Sache muss ich gegenüber Frauchen jedoch klarstellen: Ich heiße Maximilian von Großbeeren. Oder schlicht und ergreifend Max. Ist das denn so schwierig? Normalerweise würde ich bellend protestieren, aber Frauchens Stimme klang ziemlich weinerlich, und das ist ein Alarmsignal. Ich will nicht schon wieder Salz lecken.

Also habe ich ein Einsehen, trotte leicht gesenkten Hauptes zu ihr zurück und setze meinen Dackelblick auf. Der wirkt immer.

»Feiner Maxl, fein …«, lobt mich Frauchen und wirft mir ein Leckerli zu.

Sag ich es nicht? Ich schnappe mir das Leckerli und beschließe, mir die Zeit erneut mit Zeitunglesen zu vertreiben und mich nicht mehr aus der Ruhe bringen zu lassen.

Den Tag über war hier ganz schön was los gewesen, stelle ich beim Schnüffeln fest, das ist ja die reinste Nachrichtenbörse. Ich entferne mich so weit, bis die Leine spannt.

Was war das? Ich bleibe abrupt stehen.

»Komm wieder her, Maxl, komm!« Frauchen zieht noch mehr an der Leine, sodass ich mich dagegenstemmen muss.

Nein, jetzt nicht, jetzt habe ich wirklich was ganz anderes im Kopf. Ich nehme noch ein paar tiefe Schnüffler, die mich zu einem Büschel Dünengras am Rand der Plattform führen.

Das ist nicht die Abendzeitung, auch nicht die Ausgabe von gestern. Hier hat eine Dame eine brandaktuelle Nachricht hinterlassen. Ach, was sage ich, nicht nur eine Nachricht. Ein Epos! Ein Duftwerk der Leidenschaft! Die flammende Geschichte einer großen Liebe!

Okay, der Duft ist etwas reifer im Abgang als ich ihn in Erinnerung hatte, aber ich erkenne ihn wieder. Er ist einzigartig, unvergleichlich, unverkennbar – so wie meine Goldie. Meine Goldie, die schönste aller Golden-Retriever-Hündinnen, meine Jugendliebe! Was macht sie denn auf Sylt? Das gibt’s doch gar nicht. Wo ist sie?

Ich drehe mich bestimmt fünfundzwanzigmal um die eigene Achse und halte dabei Ausschau – so weit mein Dackelblick reicht und bis mir schwindlig ist.

Weit und breit keine Golden-Retriever-Dame. Wie schade, dabei ist die Nachricht noch frisch.

»Maxl, Platz!«, ertönt die strenge Stimme meines Frauchens. »Hör auf, deinem Schwanz nachzujagen! Platz!«

Wenn sie wüsste, wem ich nachjagen will. Ist das dort unten auf dem Dünenweg meine Goldie? Ich jaule und winsle.

»Puh, hast du nicht gesagt, dein Hund sei ganz lieb und überhaupt nicht anstrengend? Da kann man ja nicht mal fünf Minuten lang in Ruhe seinen Wein trinken«, stöhnt Mausebär.

»Maxl, Schluss!«, ruft Frauchen energisch.

Ja, genau, jetzt ist Schluss mit lustig. Ich habe eine Mission.

So ruckartig, wie ich mich losreiße, kann Frauchen gar nicht reagieren.

Es tut mir ja leid, dass sie dabei die Kontrolle über ihren Trinknapf verliert und sich dessen Inhalt über die Jeans von Mausebär ergießt (wobei ich Letzteres nicht bedauere) – aber ich muss Goldie finden.

Kapitel 3

Ich renne die Stufen hinunter – wobei rennen vielleicht nicht der richtige Ausdruck ist. Es ist mehr ein Stolpern, ein schmerzhaftes Aufschlagen mit dem Bauch.

Eine Treppenstufe, die wie ein Katapult wirkt, mein Hintern, der in der Luft hängt, ein Salto. Nein, nicht nur einer, mehrere. Nicht gehockt. Gestreckt. Die Krümmung lässt meine steife Wirbelsäule leider nicht zu. Leider. Anders wäre es mir auch lieber gewesen.

Die Schwerkraft sorgt dafür, dass ich irgendwann am Fuß der Treppe aufschlage und dort wie betäubt liegen bleibe – in Einzelteile zerlegt.

Jedenfalls fühlt es sich so an, als ob kein Knochen mehr an seinem Platz ist. Habe ich überhaupt noch eine Wirbelsäule?

»Maxl! Maxl!« Erst jetzt nehme ich die Schreie meines Frauchens wahr, und aus dem Augenwinkel sehe ich, dass sie die Treppe herunterläuft, so schnell sie nur kann. Mausebär hinterher. So langsam er nur kann, ohne dass Frauchen über seine mangelnde Unterstützung verärgert wäre.

Ich will aber nicht wieder auf Frauchens Arm. Ich meine, unter normalen Umständen wäre ich für jegliche Zuwendung dankbar, aber sobald Frauchen mich erreicht hat, kann ich es vergessen, Goldies Fährte zu verfolgen, so viel ist klar.

Ob ich überhaupt aufstehen kann? Vorsichtig bewege ich meine Pfoten – das klappt schon mal. Jetzt die Rute – mit der kann ich wedeln, sehr gut. Meine Nase scheint auch noch intakt zu sein – die ist am wichtigsten, wenn ich Goldie finden will. Danach spielt die Funktion eines anderen Teils die wichtigste Rolle, aber so weit sind wir noch nicht.

Anstelle von Goldie wittere ich jedoch einen meiner Erzfeinde ganz in meiner Nähe, einen Kater, dem Geruch nach ein ziemlich räudiges Exemplar.

Da entdecke ich das schwarze Biest auch schon. Es liegt keine drei Dackellängen von mir entfernt im Dünengras, krümmt sich und gibt seltsame Laute von sich.

Wider Erwarten überfällt mich Mitleid. Ob der Kater auch die Treppe runtergefallen ist? Wobei – landen diese Kreaturen, die nur auf der Welt sind, um uns Hunde in den Wahnsinn zu treiben, nicht immer auf den Füßen?

Jetzt wird mir auch klar, warum dieses Biest so seltsame Töne von sich gibt. Der Kater krümmt sich vor Lachen, japst nach Luft und stellt sein lückenhaftes Gebiss zur Schau. Ihm fehlt ein Auge und mit dem anderen sieht er mich belustigt an, was den stechenden gelben Blick nur bedingt mildert.

»Ihr Dackel seid ja von Haus aus ziemlich beschränkt, aber so ein dämliches Exemplar wie dich habe ich noch nie gesehen. Du kannst ja nicht mal Treppen laufen!« Vor Lachen kann der Kater nicht weiterreden.

Wut steigt in mir hoch und mobilisiert meine Kräfte. Ich rapple mich auf und knurre: »An deiner Stelle würde ich den Mund halten, damit dir nicht noch mehr Zähne ausfallen.«

Ich schüttle mich, um meine Knochen wieder in die richtige Reihenfolge zu sortieren und setze mich in Bewegung – mit einem beherzten Sprung.

Gerade noch rechtzeitig, um meinem Frauchen zu entwischen, denn die ist bei mir angelangt – also dort, wo ich soeben noch gelegen habe. Ihr Gesicht ist ganz verschwitzt, und eine goldblonde Strähne klebt an ihrer Wange. Oder rührt die Feuchtigkeit von Tränen her?

Nicht darüber nachdenken, befehle ich mir.

Ich muss mich beeilen.

Ich könnte jetzt behaupten, dass ich hocherhobenen Hauptes am Kater vorbeitrabe, aber das wäre ein bisschen übertrieben – aber auch nur ein klein wenig. Nur ein Hauch von der Realität entfernt. Wirklich.

Ein Dackel kennt keinen Schmerz – erst recht nicht, wenn er eine Mission hat.

»Maxl, lauf doch nicht weg! Maxl! O Gott, der Hund hat einen Schock! Maxl, hier!«

Nein, ich habe keinen Schock, ich habe eine Fährte von der Liebe meines Lebens und da ist es ja wohl klar, dass ich spontan taub geworden bin.

Ich beiße die Zähne zusammen und renne um meine Freiheit. Das Rückrufkommando funktioniert bei mir ohnehin nur dann, wenn ich mir einen Vorteil davon verspreche, das sollte Frauchen eigentlich wissen und auch, dass ich schneller bin als sie, selbst in meiner derzeitigen Verfassung als Bruchpilot.

Die Verfolgung von Goldies Spur bringt mich auf einen anderen Weg als den, den wir gekommen sind. Auf dem stapft Mausebär zurück zum Campingplatz, wie ich jetzt sehe, während Frauchen mir weiter hinterherrennt.

Ich gebe Gas, auch wenn jeder Schritt wehtut, aber ich weiß, dass Frauchen schnell die Puste ausgehen wird.

Der Pfad führt mich durch die blühende Heide, doch selbst dieser intensive Geruch ist nichts gegen den betörenden Duft meiner Goldie. Niemals hätte ich geglaubt, sie eines Tages noch mal wiederzusehen. Was haben wir als Junghunde miteinander rumgetollt – uns konnte kein Gartenzaun trennen, denn ich hab gebuddelt wie ein Weltmeister und bin durch den Tunnel zu ihr.

Frauchen hat mit mir geschimpft und den Weg wieder zugeschaufelt, den ich mir zu meiner großen Liebe gebahnt hatte, doch irgendwann musste Frauchen einsehen, dass gegen den Willen eines Dackels keine Schaufel ankommt – erst recht nicht, wenn er sich verliebt hat.

Also stand Frauchen irgendwann nur noch lachend am Zaun und hat sich mit dem Nachbarn, dem Besitzer von Goldie, unterhalten, während wir verliebt miteinander gespielt haben.

Mein Herrchen hat derweil das Revier bewacht und gut aufgepasst, dass der Nachbar nicht in unseren Garten oder gar ins Haus kommt – das schien ihm sehr wichtig zu sein. Jedenfalls war er deutlich entspannter, als Christian plötzlich mit Goldie weggezogen ist – und für mich ist eine Welt zusammengebrochen.

Mittlerweile sind vier Jahre vergangen, aber meine Jugendliebe habe ich nie vergessen. Selbst meinem Herrchen habe ich nicht so hinterhergetrauert, nachdem er das Revier gewechselt hat, ohne uns mitzunehmen. So was macht man nicht.

Das hat Frauchen am Telefon auch zu ihm gesagt und dass er sich nie wieder blicken lassen soll. Mit der Liebe sei es vorbei.

Trotzdem hat Frauchen sehr gelitten und oft »dieses Arschloch hat mich so enttäuscht« vor sich hingemurmelt, während sie mich mechanisch gestreichelt hat.

Deshalb tut es mir so leid, Frauchen jetzt solchen Ärger zu machen. Dumpf dringen ihre verzweifelten Rufe durch meine Schlappohren – aber ein echter Rüde lässt sich nicht vom Weg abbringen, der zu seiner großen Liebe führt – noch dazu ist Goldie läufig.

Ihr Geruch lässt keinen Zweifel zu. Schon damals hat mich dieses verführerische Bouquet fast um den Verstand gebracht und ich bekam in einer ganz bestimmten Region meines Körpers ein Gefühl dafür, dass es da eine Sache auf der Welt gibt, die noch großartiger ist als ein Kauknochen.

Allerdings war ich noch nicht reif genug, um zu wissen, was man in diesem Fall mit einer Hündin tun muss. Ich hab ganz aufgeregt an ihr geschnüffelt – vorne, hinten, überall – aber wie das so richtig funktioniert, hatte mir mein Instinkt damals noch nicht verraten. Mittlerweile habe ich eine konkrete Vorstellung von dieser Sache, die noch schöner sein muss, als einem Hasen nachzujagen, aber leider keine praktische Erfahrung.

Mit der Jagd schon, da bin ich schneller weg, als mein Frauchen »Hier« rufen kann, aber von den Hündinnen hat sie mich bislang erfolgreich abgehalten.

Leider. Oder zum Glück. So habe ich mir diesen großen Moment für meine Goldie aufgehoben. Wobei mir angesichts unserer Größenverhältnisse die praktische Umsetzung noch ein Rätsel ist, aber wo ein Wille ist … außerdem habe ich Frauchen erst kürzlich zu Mausebär sagen hören, dass die Größe bei einem Mann doch keine Rolle spiele. Also.

Nur wo ist meine Goldie? Ich bin auf einer Straße angekommen, wo keines dieser vierrädrigen Geschosse fährt, dafür umso mehr davon parken. Dahinter erstreckt sich eine weite Aussicht über die Insel. Nun gut, so weit mein Auge reicht, aber alles, was sich bewegt, kann ich ganz wunderbar in dieser hügeligen Dünenlandschaft erkennen, die zu beiden Seiten vom Meer begrenzt wird. Keine Goldie weit und breit.

Aufgeregt schnüffle ich im Zickzack umher und mit zunehmender Panik sickert mir ins Bewusstsein, dass ich Goldies Spur verloren habe. Vernäht und zugeflixt! Das darf doch nicht wahr sein! Ist sie mit einem der Autos weggefahren?

Planlos renne ich in die nächstbeste Seitenstraße hinein, in der Häuser mit solchen Strohdächern stehen, auf die Frauchen schon auf der Fahrt zum Campingplatz mit großer Begeisterung gezeigt hat.

Also, mal ganz ehrlich, da hat ja meine geliebte Hundehütte ein besseres Dach. Meine Hundehütte, in der ich schon mit Goldie gekuschelt habe, nachdem wir entdeckt haben, dass sie einfach nur über den Zaun springen muss, um mich zu besuchen.

Damals hat Goldie gerade noch so in meine Hütte reingepasst, inzwischen ist sie bestimmt noch gewachsen und ich sollte wohl über einen Ausbau nachdenken.

Ach herrje, da träume ich schon vom Zusammenleben mit Goldie und habe nicht mal mehr ihre Fährte in der Nase.

Oder doch?

Als ich in die nächste Straße einbiege, nehme ich plötzlich wieder diesen süßen Duft wahr – es ist nur ein Hauch, aber darauf reagiert jede Faser meines Dackelherzens.

Eilig gehe ich der Spur nach, die intensiver wird, je näher ich den Lokalen komme, in deren Außenbereich sich die Menschen in kleinen Rudeln um hohe Tische mit Trinknäpfen in der Hand versammelt haben.

Ich muss Goldie finden, bevor Frauchen mich am Wickel hat. Wie von Sinnen laufe ich um die Menschenbeine herum, höre Frauen kreischen, zahllose Hände mit funkelnden Ringen und glitzernden Armbändern fassen nach mir – ich bekomme Panik und schnappe um mich – die können froh sein, dass mir eine Beißhemmung antrainiert wurde. Da bekomme ich die erste Dusche ab. Was ist das denn für ein gelbes Zeug, das stinkt ja erbärmlich. Wenn es der Urin von einem Weibchen wäre, das hätte ich mir ja noch gefallen lassen, aber … weiter kann ich nicht denken, denn ein menschlicher Trinknapf zerschellt direkt neben mir.

Vor Schreck mache ich einen Satz zur Seite und pralle gegen ein Bein – ein Tischbein. Wieder Geschrei. Die nächste Dusche. Nein, diesmal kein gelbes Zeug, ich bin unter einen Wasserfall geraten, einen saukalten Wasserfall, sodass mir fast das Herz stehen bleibt. Dann prasseln auch noch hundenasengroße Eisbrocken auf meinen Kopf.

Aua, autsch, au.

Blindlings flüchte ich mich in die nächste Ecke und remple dabei eine Afghanischen Windhund an, der mich pikiert von oben herab ansieht: »He, du Rüpel, was machst du denn für einen Aufstand? Kannst du dich nicht benehmen?« Voller Überheblichkeit wirft er die langen, seidenglatten Strähnen vor seinen Augen mit einer knappen Kopfbewegung nach hinten. »Ach, du bist ja ein Dackel. Da wundert mich nichts mehr.«

Ich schlucke die Beleidigung hinunter. »Ich suche Goldie, ein Golden-Retriever-Weibchen. Sie muss hier irgendwo sein. Hast du sie vielleicht gesehen?«

»Ja klar, die war bis vor fünf Minuten noch hier. Hübsches Ding, würde mir auch gefallen, wenn ich noch ein intakter Rüde wäre. Aber an deiner Stelle würde ich vor einem Date erst mal in den Hundesalon gehen. Da macht ja ein begossener Pudel einen besseren Eindruck als du, – außerdem stinkst du wie ein Iltis und wenn …«

Ich lege meine Ohren an, damit ich diesem überheblichen Schönling nicht länger zuhören muss.

Fünf Minuten. Um fünf verdammte Minuten habe ich Goldie verpasst!

Andererseits bedeutet das, dass sie nur fünf Minuten von mir entfernt ist. Eine Minute, wenn ich meinen Jagdantrieb zuschalte. Okay, meinen Knochen zuliebe zwei Minuten, wobei ich vor lauter Vorfreude keine Schmerzen mehr spüre.

Aber vielleicht sollte ich doch vorher in einen Hundesalon?

Ach, was für ein Quatsch! Meine Goldie wird mich so lieben, wie ich bin.

Hoffentlich.

Ich klappe meine Ohren wieder auf und blicke zu dem Windhund hoch, wobei ich meinen Kopf dafür in die Senkrechte legen muss. »Eine Frage noch. Weißt du, in welche Richtung sie gegangen ist?«

Der Beauty-Rüde hebt seine fein gebürsteten Augenbrauen. »Bist du ein Jagdhund oder nicht?«

Ich verziehe die Schnauze. Ich bin in allererster Linie ein Stadthund, der aufgrund der Vielzahl der Düfte lange an einem Burn-out gelitten hat, und noch heute habe ich meine Schwierigkeiten bei der Spurenverfolgung, wenn ich zu aufgeregt bin, wie ich ja vorhin wieder erleben durfte.

Ich recke mich, und bemühe mich, es dem Windhund in seiner stolzen Haltung gleichzutun. »War ja auch nur eine Frage.«

»Du siehst gerade ziemlich dämlich aus«, stellt diese Überheblichkeit auf vier Beinen kopfschüttelnd fest. »Aber ich hätte mal noch eine Frage: Ist diese vor Wut kochende Zweibeinerin eigentlich dein Frauchen?«

Klick.

»Endlich hab ich dich!«, stößt mein Frauchen hervor, und schon nimmt sie mich ruckartig hoch und klemmt mich unter den rechten Arm.

Mit der anderen Hand zieht sie ein Kärtchen aus ihrer Tasche und reicht es dem Mann, der aussieht wie ein Pinguin und eine ebenso unbewegte Miene macht, die trotzdem Bände spricht.

»Ich komme selbstverständlich für alle Schäden auf«, sagt mein Frauchen außer Atem. »Bitte schreiben Sie mir bis morgen die Rechnung. Hier ist mein Personalausweis als Pfand.«

Der Pinguin nickt, und während wir die Terrasse verlassen, entschuldigt sich mein Frauchen nach rechts und links.

Als wir vor dem Lokal angekommen sind, sieht sie mich ziemlich aufgelöst und wütend an. »Meine Güte, Maxl, was ist nur in dich gefahren!«

Reflexartig setze ich meinen Dackelblick auf. »Es tut mir leid, aber bitte, bitte, lass mich runter. Ich habe eine wichtige Mission.« Ich ziehe alle Register, belle, winsle und jaule. »Ich will doch nur zu Goldie. Sie ist gar nicht weit weg von hier. Bitte.«

Der zornige Gesichtsausdruck meines Frauchens verwandelt sich in Mitleid.

Hurra! Ich wusste es. Es geht doch nichts über einen gekonnten Dackelblick. Der wirkt immer.

»Maxl, mein armer kleiner Kerl. Du hast bestimmt furchtbare Schmerzen. Nicht jaulen, alles wird gut. Nun habe ich dich ja wieder. Ich bringe dich sofort zum Tierarzt. Mal sehen, wer Notdienst hat.«

»Nein, nicht zum Tierarzt!«, schreie ich, und mein Jaulen wird zu einem ohrenbetäubenden Gebell. »Ich will zu Goldie!«

»Schon gut, schon gut, Maxl, wir fahren ganz schnell zum Tierarzt, versprochen!«

Hinter mir höre ich das feixende Kläffen des Laufsteg-Windhunds. »Schon blöd, wenn man so ein kleiner, hilfloser Dackel ist, den man sich unter den Arm klemmen kann.«

Kapitel 4

»Und was hat dich der Spaß gekostet?«, fragt Mausebär, kaum dass wir den Wohnwagen betreten haben. Er hat sich in der Sitzecke niedergelassen und guckt von seinem Tablet hoch, auf dem er ein Spiel spielt. Bei dem muss er so einen merkwürdigen, kugelrunden Vogel mit dünnen Beinchen und dicken schwarzen Augenbrauen zielgerichtet in irgendwelche Bauten hineinkatapultieren, sodass es nur so kracht und scheppert.

Ich gucke ihn mit großen Dackelaugen an. Spaß? Wie kann er das, was ich gerade durchmachen musste, als Spaß bezeichnen? Ich meine, ich war beim Tierarzt nach meinem Treppensturz.

Wobei, das war an sich nicht das Problem. Weder der Sturz noch der Tierarztbesuch. Letzteren lasse ich normalerweise mit stoischer Gelassenheit über mich ergehen – aber nicht, wenn ich daran gehindert werde, meine Goldie zu suchen! Da hört für mich der Spaß auf.

Ich habe mich nach Leibeskräften gewehrt und um mich geschnappt, sodass mir die Tierärztin ein gerolltes Handtuch wie einen Kragen um den Hals gewickelt hat, damit sie mich untersuchen konnte. Hat was von möglichem Schädeltrauma und eventuellen Weichteilverletzungen gesagt, die man ausschließen müsse.

Mein Frauchen guckt Mausebär jetzt ähnlich entsetzt an wie ich, aber aus einem anderen Grund. »Du fragst mich, was der Spaß gekostet hat und nicht, wie es Maxl geht? Mach doch mal dieses Gedudel aus, das ist ja nervtötend! Und du beschwerst dich, wenn mein Hund jault.«

Mausebär macht sofort das Tablet aus und setzt ein versöhnliches Lächeln auf. »Entschuldige bitte, so war das nicht gemeint. Ich hatte mir den Urlaubsbeginn nur etwas anders vorgestellt und bin gerade etwas genervt. Ich habe nach den Kosten und nicht nach dem Befinden von Maxl gefragt, weil mir von Anfang an klar war, dass der Dackel nix hat, so wie der nach dem Sturz durch die Heide galoppiert ist – und wenn sich beim Tierarzt etwas anderes rausgestellt hätte, dann hättest du mich doch sicherlich sofort angerufen, nicht wahr?«

Frauchen zieht ihre Lefzen künstlich nach oben und entgegnet: »Ja, das stimmt schon. Aber du hättest trotzdem erst mal nach Maxl fragen können. Zum Glück ist aber wirklich alles in Ordnung, es sind wohl nur ein paar Prellungen. Du hättest erleben sollen, wie er sich bei der Tierärztin aufgeführt hat, obwohl sie wirklich sehr einfühlsam war, aber er muss solche Schmerzen gehabt haben, dass er sogar um sich geschnappt hat.«

Mausebär macht ein Gesicht, als hätte er einen Kampfhund vor sich.

»Maxl hat ja so furchtbar gejault«, fährt Frauchen fort, »Ich habe das Schlimmste befürchtet und die Tierärztin hatte ein Weichteiltrauma im Verdacht. Einen Milz- oder Blasenriss. Ich war völlig fertig, und die Tierärztin hat mich dazu verdonnert, mich auf einen Stuhl zu setzen, damit ich nicht umkippe. Zum Glück blieb alles ohne Befund.« Frauchen holt aus einem der Oberschränke eine Dose raus, öffnet sie und füllt meinen Fressnapf.

Iiih, was ist denn das für ein widerliches Zeug? Ich rieche Bio-Ente an Apfel, Kürbis und Fenchel mit Schnittersilie und Dittlauch.

Mit begeisterter Miene stellt mir Frauchen den Fressnapf hin. »Hier, nimm! Extra feines Fressi für dich.«

Angewidert mache ich einen Schritt rückwärts. Das gesunde Zeug kann Frauchen selbst fressen. Ich hätte jetzt bitte gerne ein ordentliches Brot mit viel Fleischwurst, frisch vom Tisch geklaut, selbstverständlich mit Essiggurke – das liebe ich.

Aber Frauchen beachtet mich gar nicht mehr – sie hat sich Mausebär gegenübergesetzt.

Er hat unterdessen zwei Trinknäpfe aus dem Oberschrank geholt und eine Flasche auf den Tisch gestellt.

»Dann trinken wir jetzt mal auf den Urlaubsbeginn. Gehen wir morgen an den Strand?« Mausebär löst den Korken aus der Flasche und schenkt ein. Dann hält er seinen Trinknapf Frauchen erwartungsvoll entgegen. Will er tauschen oder soll sie ihm wieder den Wein über die Hose schütten?

Frauchen stößt mit ihrem Trinknapf gegen seinen. »Auf unseren Urlaubsbeginn.«

Na toll, wenn ich mit meinem Trinknapf irgendwo dagegen stoße, bekomme ich immer Ärger.

»Strand ist leider noch nicht drin«, fügt Frauchen hinzu, nachdem sie einen Schluck aus ihrem Trinknapf genommen hat. »Maxl soll sich noch schonen, darum ist jetzt erst mal Leinenzwang angesagt. Außerdem bekommt er Schmerzmittel.«

»Leinenzwang?«, rufe ich aus. »Davon habe ich nichts mitbekommen. Das ist ja wohl nicht dein Ernst, Frauchen? Da spiele ich nicht mit!«

»Meine Güte, kann der Hund mal leise sein?«, ruft Mausebär.

»Mit dir redet niemand«, knurre ich zurück.

»Dein Hund knurrt mich an!«, gibt Mausebär entsetzt von sich.

»Maxl, Ruhe jetzt!«, ruft Frauchen. »Nimm dein Fressi! Nimm! Weißt du, Mausebär. Maxl ist ein bisschen durch den Wind, das musst du verstehen. Erst der Sturz, dann das Röntgen und die Sonografie, das waren belastende Untersuchungen für ihn, weil er nicht wusste, was mit ihm passiert. Das Knurren ist nicht gegen dich gerichtet. Er braucht jetzt seine Ruhe, das will er damit sagen – und er reagiert empfindlich auf Streit.«

»Röntgen, Sonografie?«, hakt Mausebär nach. »Das klingt wirklich teuer. Da ist es ja wohl gerechtfertigt, dass ich dich nach den Kosten frage. Man weiß ja, dass so ein Tierarztbesuch nicht gerade billig ist, erst recht nicht, wenn man zum Notdienst fährt.«

»Es war mir jeden Cent wert.«

»Ein Centbetrag war es bestimmt nicht …«

»Nein, es waren sechshundertdreiundvierzig Euro und neunundsiebzig Cent, inklusive Notdienstzuschlag, wenn du es ganz genau wissen willst!«

»Puh!«, ruft Mausebär aus. »Ich glaube, jetzt brauche ich einen Schnaps – so ein Wein macht ohnehin nur Flecken. Eine neue Hose muss ich mir morgen übrigens auch noch kaufen …«

»Die bezahle ich!«, sagt Frauchen schnell.

»Ich gehe aber lieber allein shoppen … ohne deinen Hund.«

»Kein Problem«, entgegnet Frauchen säuerlich. »Ich muss morgen Vormittag sowieso noch mal allein los.«

»Was hast du vor?«

»Ach, nichts weiter. Nur ein paar kleine Erledigungen, was ich vor dem Urlaub nicht mehr geschafft habe. Es tut mir ja so leid, dass unser erster Urlaubsabend so gründlich danebengegangen ist.«

»Schwamm drüber«, seufzt Mausebär. Er steht auf, geht um den Tisch und setzt sich neben Frauchen auf die Bank, dicht an ihre Seite und stupst sie aufmunternd mit der Schulter an, so wie ich das sonst mit der Schnauze mache. »Cheers!«

»Sünhair«, sagt Frauchen, ebenfalls seufzend, aber dann lächelt sie versöhnlich. »So sagt man auf Sylt. Das bedeutet ›auf die Gesundheit‹.« Sie trinkt einen Schluck und lehnt sich an Mausebärs Schulter.

»Ab jetzt kann der Urlaub nur noch besser werden«, entgegnet er und wirft mir einen verächtlichen Blick zu. »Zumindest hoffe ich das.«

Ich knurre zurück.

Frauchen wendet sich mir zu. »Was ist denn nur los, Maxl? Alles gut, du musst nicht eifersüchtig sein. Oder hast du draußen was gehört? Ich weiß, da sind viele Geräusche, aber du musst uns nicht beschützen. Alles ist gut.«

Ich jaule auf. Alles soll gut sein? Goldie ist auf der Insel, vielleicht sogar ganz in meiner Nähe, und ich kann nicht zu ihr.

Für mein Frauchen mag die Welt in Ordnung sein, denn sie hat ja nun wieder ein Männchen, aber wenn der wirklich mein Herrchen werden sollte, dann gehe ich freiwillig ins Tierheim – so viel ist sicher.

Ich weiß nur nicht, wie ich Frauchen klarmachen soll, dass sie ein Schaf im Wolfspelz vor sich hat. Sie kann das ja nicht riechen – und sehen erst recht nicht.

Erstens tarnt sich Mausebär im Moment noch ganz gut und zweitens habe ich gehört, dass Liebe die Menschen blind macht. Es ist wirklich zum Der-Rute-Nachjagen!

»Kann dieser Hund mal aufhören, seiner Rute nachzujagen?«, stöhnt Mausebär. »Der macht mich ganz nervös. Mein Gott, das tut ja Schläge, wenn er gegen die Schränke semmelt. Wenn er das heute Nacht macht …«

»Hier ist leider kaum Platz. Vielleicht war der Campingurlaub doch nicht so eine gute Idee«, sagt Frauchen betrübt.

»Das habe ich dir ja gleich gesagt. Auf dieser Insel gibt es bestimmt so viele schöne Appartements.«

»Appartements schon«, seufzt Frauchen, »wie Sand am Meer, aber nicht so spontan in der Hauptsaison. Alles ausgebucht. Es war pures Glück, dass dieser Mietwohnwagen noch frei war. Und du wirst die Insel schon auch noch lieben lernen, ich komme nicht umsonst seit Kindertagen hierher. Und jetzt bin ich nach vielen Urlauben in den Bergen endlich wieder hier. Das wunderschöne Morsum Kliff, der quirlige Lister Hafen, das idyllische Kapitänsdorf Keitum, die Westerländer Innenstadt mit den vielen tollen Läden, die Kegelrobbe, die im Hörnumer Hafenbecken lebt, und natürlich der unendlich lange Sandstrand, der sich kilometerweit vom Norden bis in den Süden der Insel erstreckt. Das werde ich dir alles zeigen und du wirst begeistert sein! Und Kampen müssen wir natürlich auch noch erforschen – auf dem Kunstpfad, da erfährt man viel über berühmte Künstler, Schriftsteller und Verleger, die hier den Sommer verbracht haben – von Thomas Mann über Suhrkamp und Rowohlt bis Zuckmayer.«

Mausebär seufzt. »Ich hatte mir ehrlich gesagt einen ruhigen Urlaub vorgestellt, schön entspannt am Strand, den ganzen Tag. Zwischendurch mal ein Glas Wein …«

»Das können wir ja auch machen!«, beeilt sich Frauchen zu sagen.

»Ganz bestimmt nicht!«, jaule ich. »Wir gehen nicht an den Strand, wir werden schön die gesamte Insel abgrasen, genau wie Frauchen das vorgeschlagen hat. Zumindest exakt so lange, bis ich Goldie gefunden habe.«

»Was hat dein Hund denn jetzt schon wieder?«, fragt Mausebär und verzieht den Mund.

»Ich weiß es nicht«, entgegnet Frauchen und mustert mich besorgt. »Bestimmt hat er Schmerzen. Die Tierärztin meinte, er hat sich schon ein paar Prellungen zugezogen. Sein Fressen rührt er ja auch nicht an. Das kenne ich sonst überhaupt nicht von ihm.«

»Allerdings nicht!«, rufe ich aus. »Aber ich habe keine Prellungen, sondern Sehnsucht, verdammt noch mal, und die tut noch viel mehr weh«, füge ich kläglich jammernd hinzu. »Ich will sofort los und Goldie suchen.« Demonstrativ setze ich mich an die Tür und jaule. Frauchen muss jetzt wirklich dringend mal Gassi.

Reflexartig steht Frauchen auf und greift nach der Leine.

»Jackpot!«, rufe ich und kriege mich vor lauter Freude gar nicht mehr ein. Ich springe an Frauchen hoch und jaule noch lauter vor Ungeduld.

»Mit diesem Hund kann man nicht ein Mal in Ruhe seinen Wein trinken«, beklagt sich Mausebär und schiebt seinen Trinknapf frustriert von sich.

»Pech gehabt«, feixe ich bellend und schmiege mich an Frauchens Bein. Gewusst wie.

»Entschuldige bitte, Mausebär, aber du siehst, der Hund muss dringend raus. Ist gut, Maxl, wir gehen ja schon!«

»Max!«, belle ich. »Ich heiße Max, verdammt noch mal, wie oft denn noch?«

»Schscht … Maxl, nicht so laut, wir sind hier auf einem Campingplatz«, mahnt Frauchen.

»Es ist mir scheißegal, wo wir sind, du sollst mich nicht Maxl nennen!«

Aus der unmittelbaren Nachbarschaft antwortet mir ein Hund mit bellendem Gelächter. Er amüsiert sich köstlich über meinen Namen und meine Aufregung. Na toll, vielleicht hätte ich doch nicht so laut sein sollen.

»Hörst du, Maxl? Du weckst noch alle schlafenden Hunde.«

Wie recht sie mit diesem Ausspruch hat, wird uns beiden schon auf den ersten Schritten des Spaziergangs klar, denn wir kommen an kaum einem Wohnwagen vorbei, aus dem nicht ein Hund bellt.

Mein vierbeiniger Nachbar, dessen Stimme ich keiner Rasse zuordnen kann, lacht sich immer noch scheckig über meinen Namen, sodass es über den ganzen Platz schallt und nun wirklich jeder Hund informiert ist. »Maxl, wie lustig, wie kann man nur Maxl heißen. Ich mach’ mir gleich ins Fell.«

»Ich heiße Max, verdammt noch mal!«, belle ich in Richtung des Wohnwagens.

»Schscht, Maxl!«, macht Frauchen erbost. »Sei leise!«

Leider ist »die Runde machen« wörtlich zu nehmen, denn der Campingplatz besteht nur aus einem Fahrweg, der im Kreis führt, an dem rechts und links Wohnwagen stehen. Was für ein Spießrutenlauf. Wenn es nach dem Willen von Frauchen geht, müssten wir zwangsläufig an jedem vorbei – aber nach dem geht es ja nicht.

Ich will runter vom Campingplatz. Nur, in welche Richtung soll ich sie ziehen?

In das Waldstück, das gleich hinter den nächsten Wohnwagen beginnt? Nein, besser diese halbe Runde aushalten, damit wir am anderen Ende des Platzes in Richtung Kampen gehen können, wo ich zuletzt Goldies Spur hatte.

Aber was ich mir auf dem Weg alles anhören muss …

»Den Dackel hab ich heute schon kennengelernt, der hat das Gogärtchen ziemlich aufgemischt«, ruft ein Hund, dessen Stimme mir wohlbekannt ist, und die aus einem schicken Wohnmobil dringt, das bestimmt dreimal so lang wie unser Mietwohnwagen ist.

»Aufgemischt? Erzähl!«, ruft mein Nachbar quer über den Platz.

»Ich sag’s euch!«, ruft der Afghanische Windhund, »das hättet ihr sehen müssen. Der ist wie ein Gestörter ins Gogärtchen reingesemmelt, weil er einem läufigen Retriever-Girl hinterhergerannt ist, hat alles umgeworfen, was nicht niet- und nagelfest war – ich meine, kann man es ja verstehen, ich hab die Lady auch gesehen, ist ein echtes Schnittchen, da hab selbst ich seit meiner Kastration mal wieder was zwischen den Beinen gemerkt, aber jetzt stellt euch mal vor, wie verpeilt der Dackel war: Er hat sie noch im Gogärtchen vermutet, weil er die Duftmarke nicht richtig interpretiert hatte, dabei hatte das Girl schon fünf Minuten vorher das Lokal verlassen. Der ist blind wie ein Bobtail zwischen den Tischen durchgerannt …«

»Hey, was soll die Beleidigung?«, ruft ein Bobtail aus einem nahem Wohnwagen.

»Ist doch wahr, Bobbi, aber nimm es nicht persönlich, mein Freund. Jedenfalls hat der Dackel ne Ladung Bier abgekriegt und danach nen vollen Eiswürfelbehälter. Ich sag’s euch, der sah schlimmer aus als ein begossener Pudel. Aber mal ganz ehrlich, Leute, selbst wenn er frisch aus dem Hundesalon kommen würde …«

»Keine Beleidigungen gegen Pudel, Hans-Gert, wenn ich bitten darf«, ruft ein Königspudel ganz in der Nähe.

»Aber du musst zugeben – ein Dackel und eine Retriever-Hündin … Ich lach mich schlapp, wie soll das denn funktionieren?«

»Das werde ich dir schon noch beweisen – denn im Gegensatz zu dir habe ich noch Eier zwischen den Beinen!«, rufe ich, denn ich muss mir ja wohl nicht alles bieten lassen.

»He du, halbe Portion, beleidige unseren Hans-Gert nicht«, knurrt ein Rottweiler, »andernfalls führen wir morgen mal ein persönliches Einzelgespräch miteinander. Hans-Gert hat hier nämlich die älteren Rechte. Wir verbringen schon seit Jahren jeden Sommer zusammen.«

So leicht lasse ich mich nicht einschüchtern, erst recht nicht von einem Rottweiler, die immer nur so aussehen, als ob sie gefährlich wären. »Der Windhund heißt wirklich Hans-Gert?« Ich kriege einen Lachanfall und kann mich nicht mehr auf den Beinen halten. Ich werfe mich auf den Rücken, kringle mich vor Lachen und ringe nach Luft.

»Um Gottes Willen, Maxl, was hast du denn?« Frauchen hebt mich ruckartig hoch, sodass mir das Lachen augenblicklich wieder vergeht. Nichts wie runter von ihrem Arm. Wenn das einer der anderen Hunde sieht, dann kann ich den Rest des Urlaubs mit eingezogener Rute über den Platz schleichen.

Ich zapple und winde mich nach Leibeskräften, sodass Frauchen mich schon nach kurzer Zeit absetzt.

»Maxl, was ist denn nur los mit dir?«

Das würde ich ihr ja sehr gern erklären, aber dazu muss sie mir folgen – und zwar schleunigst.

Ich zerre sie zum Eingang des Campingplatzes, wo die Straße beginnt, die in den Ort hineinführt.

Ende der Leseprobe